Jösses, was bin ich froh. Aufgewacht, rausgeguckt, kein Regen. Hurrah. Die Prognosen für den heutigen Tag sind auch bestens. Ich freu mich so was auf die Tour heute, auch wenn ich weiß, das wird schon recht mühsam. Denn die Holsteinische Schweiz ist wie man dem Namen vertrauen kann, nun mal nicht geradeaus, sondern es werden Hügel, kleinere Berge zu erklimmen sein mit meinem Rad. Das bin ich als Langgeradeausstreckenfahrerin nicht unbedingt gewohnt. Erinnere mich gerade an die mühselige Tour im letzten Jahr, in der die ersten beiden Etappen nach Fulda über die Rhön durch Thüringen auch nicht gerade ein Zuckerschlecken waren. Aber gut, es komme was wolle, ich halte durch sag ich mir, mal sehen, ob ich trotz diesen mir sich entgegenblickenden Schwierigkeiten bis Plön komme, dahin will ich ja.
Erst mal einpacken, frühstücken, aufladen und los gehts. Fahre zurück durch die Fussgängerzone Bad Segebergs und habe meinen Weg nun fortgesetzt auf einer ehemaligen Bahntrasse, die wunderhübsch an dem frühen Morgen im Sonnenlicht glitzert und rechts und links von Hecken und Baumreihen umsäumt ist. Komme am Ihlsee vorbei. Geniesse einfach den Morgen, das Radeln und komme so zum Ort Groß Rhönau, der weiter auf einem strassenbegleitenden Radweg nach Hamdorf führt. Irgendwie kommt mir dieser Song, den man eine zeitlang ständig im Radio hörte, weiß jetzt gar nicht, aus welchem Jahr das war, jedenfalls der Refrain war irgendwie *Dieser Weg wird kein leichter sein*, man war das ein doofer Song, aber daran sieht man mal wieder, wie solche Sachen einem regelrecht eingeimpft werden, kriegt man nicht mehr weg, aber schmunzeln muss ich ja doch.
Es ist ja Sonntag stelle ich fest, denn es ist alles noch ruhiger und stiller als die Tage zuvor, wo ich wenigstens ab und an in den kleinen Dorfsiedlungen mal einen Menschen vor seinem Haus hab sehen können, der gerade mit Rasenmäher, Heckenschere oder sonst einer Maschine sein Anwesen pflegte. Hin- und wieder hab ich gedacht beim Anblick der fleissigen Hauseigentümer, was bin ich so froh, dass ich kein Haus habe, gerade jetzt, wo ich älter werde. Ich fühle mich freier mit dem Wenigen, das ich habe.. Natürlich verstehe ich das, für manche Menschen ist es einfach eine Freude, ihren Garten zu pflegen, ich kann das auch gut nachvollziehen. Meistens jedoch stöhnen die Leuts. Verstehe das nicht. Habe ja selber Schrebergarten, Garten vorm Haus und Garten im Ferienhäuschen zu pflegen gehabt all die Jahre. Dennoch, es gibt so vieles, an dem ich mich freuen kann. Heute denk ich, wenn ich in meinen nächstgelegenen Stadtpark gehe, mich auf das Bänkchen vor dem kleinen See setze, mein Buch zur Hand oder ganz einfach nur auf meinem kleinen Balkon sitze, das reicht. Ich hörte mal den Satz: Bescheidenheit kann auch Reichtum bedeuten. Wer viel besitzen möchte, muß dafür auch viel tun und was nützt der ganze Besitz, wenn der Mensch am Ende ausgelaugt, zwar einerseits ein wenig stolz auf das Errungene ist, andererseits in seinem Herzen doch ganz andere Wünsche trägt. Jedenfalls wenn ich unterwegs bin, denk ich nie über Wochentage oder Uhrzeiten nach. Ist einfach so. Viel zu viel beschäftigt mir mir, meinem Körper und dem Fahren und Schauen, dass es mir gar nicht in den Sinn käme, morgens zu fragen, welcher Tag ist heute. Ich habe mir ja eigentlich auch kein Zeitlimit gesetzt. Ich dachte von Anfang an, es geht so, wie es eben mit mir geht. Und bisher ist es mehr als gut gegangen mit der Überwindung des Weges, besser als ich dachte. Ich war recht flott für die Verhältnisse unterwegs.
Ich fahre durch die stille Landschaft, komme durch Groß Rhönau, anschließend Hamdorf kreuzend, wo es wieder durch einen kleinen Wald geht. Herrliches Wetter heute, klare Luft, die Sonne läßt sich sehen. So schön. Manchmal sagt der Mensch, die Zeit stand still. Dieses Gefühl hab ich gerade auch. Wieviel Zeit der Mensch hat, wenn er keine Zeit verschwendet wird mir bewußt. Einfach nur sein, keine großen Aussenreize. Nur Wald, Felder, Wiesen, Bilderbuchlandschaften, in denen ich mich bewege, sonst nichts. Das so starke Spüren meiner selbst ist so heftig, dass ich das Gefühl habe ich muß einfach mal losschreien. Tu ich auch, in dem Wäldchen, immer wieder, weil ich es fast nicht aushalten kann, dieses starke Gefühl zu sein, zu leben, mich zu bewegen. Das ist Leben denk ich, und nicht das in der Hektik des Großstadtlebens, wo einem die Gesellschaft eintrichtern will, wer und was man zu sein hat.