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18. September 2017 1 18 /09 /September /2017 14:29

Früh bin ich erwacht. Ich brauch da keinen Wecker. Ich mag es, schon zeitig aufzubrechen. Und wer noch nicht gepilgert ist und Tag für Tag ein neues Ziel vor Auge hat, weiß ja nicht, dass nicht nur der Weg mühsam ist, sondern auch die ständigen Vorbereitungen, die am Morgen beginnen. Du hast entweder bei einem Fusspilgerweg deinen Rucksack oder eben wie ich jetzt mit das Rad, deine Packtaschen. Dort ist alles verstaut, was wichtige und nötig ist, dass auf dem Weg gebraucht wird. So bin ich erst immer mal damit beschäftigt, Dinge wieder so zu verstauen, dass ich sie am Abend dann so wiederfinde, wie ich sie brauche. Es ist ein kleines Ritual, das Auspacken, Einpacken und es gibt auch Momente wo mir das mühselig erscheint. Es ist jedoch auch immer ein schönes Bild für die Mühseligkeiten die ich im Alltag auf mich nehmen muß. Nichts geht wie von selbst, oft musst du Dinge wiederholen. Merkwürdigerweise im Alltag macht der Mensch diese sich ständig wiederholenden Arbeiten oder Pflichten wie mechanisch ohne viel drüber nachzudenken. Wenn du unterwegs bist, ist das anders. Fast, habe ich jedenfalls  festgestellt, bist du sorgsamer mit den Verrichtungen, aufmerksamer, weil du keinen Fehler machen willst oder gar etwas vergißt. Erst wenn alles gut untergebracht ist, kommt das Frühstück dran. In diesem Falle ein gutes.

Die Männers von gestern Abend sitzen auch schon bei Tisch, sie sind direkt nach ihrem Nachteinsatz an den Frühstückstisch zurückgekehrt. Und dann gehts erst mal für ein paar Stunden ins Bett. Ich verabschiede mich und bin auch froh die teure Stätte zu verlassen. Und merke, gerade jetzt in diesem Moment wurmt es mich doch wieder ein wenig, dass die so viel Geld nehmen. Ist ja so, manchmal denk ich, ich hab etwas los gelassen, aber dann sticht es doch noch einmal wie ein Wurm in einem faulen Apfel. Roeschen denk ich, laß es und erfreu dich jetzt an der schönen Fahrt die vor dir liegt. Und so ist es auch, manch kleiner Unmut verfliegt Gott sei Dank sehr schnell.

 
Der Himmel ist noch bedeckt, aber es ist nicht kalt. Fahre zurück durch die Fußgängerzone direkt in ein kleines Wäldchen. Es ist ein Schotterweg, den ich befahren muss und das erfordert Konzentration. Schließlich habe ich kein Crossbike oder so was. Muss also aufpassen, dass ich das Gleichgewicht halte mit dem ganzen Gepäck, denn hin-. und wieder rutscht mir der hintere Reifen weg im feuchten Schotter. Ich durchfahre ein wirklich kleines Örtchen namens Offensen und bin froh für eine kleine Zeitspanne den straßenbegleitenden Radweg fahren zu können, nach der Anstrengung direkt eine Wohltat und erreiche den Ort Heeslingen. Ha,  hier in Heeslingen gab es mal ein Frauenkloster, dass dann später für seine Disziplinlosigkeit im Klosterleben bekannt wurde. So gar nicht fromm muss es da zu gegangen sein. Ich will mir gar nicht vorstellen, was das muntere Treiben dort wohl gewesen sein mag. Jedenfalls wurde das Kloster einfach umverlegt in das abgeschiedene Zeven. Ich traue frommen Menschen einfach nicht, weniger noch als Menschen, die weder fromm sind  noch Glauben besitzen, oft jedenfalls. Ist einfach so.  Das Kirchlein St. Vitti gefällt mir aber ausserordentlich. Was können die Bauwerke für die Menschen.
 
Ich fahre nun auf einer asphaltierten Landstrasse Richtung Boitzen, komme auf einen Weg, der wieder Maisfelder zu einer Seite aufweist aber auch die Sicht auf den großen Windkraftpark in Wense freigibt. Die stehen hier ja überall, auch schon auf meiner ersten Etappe werde ich dieser großen Windmühlen gewahr. Immer wieder werden sie meinen Weg kreuzen. Ragen da hoch hinaus und muten fast ein wenig surreal an, wie sie da in der Landschaft stehen, weit und breit sonst nichts. Wie ich vor einiger Zeit las, gibt es auch heftige Widerstände seitens der Bürger in Schleswig-Holstein, die sich mit aller Kraft gegen den weiteren Ausbau solcher Anlagen verwehren.
 
Hab ich schon erwähnt, dass es heute recht stürmisch war bei meiner Fahrt. Und Regen gab es auch zwischendurch, als ich den Wald durchfuhr. Hab ich einen Hochstand gefunden. Mich hinaufbegeben und abgewartet. War lustig da oben. Kam mir vor wie der Protagonist im Film *into the wild*  Das Geräusch der großen Flügel surrt durch die Luft. Wie ich da so kilometerweit alleine daher fahre, empfinde ich das fast ein wenig gespenstisch. Dennoch ist der Weg sehr schön zu befahren und hier finde ich auch den großen Reformationsstein der am 31. Oktober 1517 dort befestigt wurde und als Erinnerung dienen soll, wie der Weg der Mönche zur Christianisierung Schleswigs verlaufen ist. Aber auch den großen Stein der den großen Napoleonspilgerweg anzeigt ist direkt gegenüber zu erspähen. Napoleonsweg heißt er deswegen, weil hier die Truppen Napoleons diesen Weg nutzten um Richtung Norden zu ziehen. Napoleons Truppen haben diesen Weg auf ganze 24 m verbreitert. Aber nicht nur der Pilgerweg wird hier aufgzeigt, sondern dieser Weg war auch der große Handelsweg zwischen den Orten Schleswigs, der von den Kaufleuten beritten, begangen, wie auch immer wurde. Ich stehe davor und seufze ein wenig, denn es weckt schon Sehnsucht zu sehen, wie auf der einen Seite der Weg 1848 Kilometer nach Rom und in die entgegengesetzte Richtung 2130 km nach Reykjavic führt. Ich könnte ja jetzt, wenn ich alles sausen ließe, einfach mal nach Rom fahren. 1848 km, so lang ist das nicht. bei 100 km täglich wär ich gut in 20 Tagen da. Aber gut, es muss ja nicht alles sofort sein. Und so ist es auch ganz klar, dass sich hier neben der Via Romea auch ein Stück des Jakobspilgerweges kreuzt, dessen Erkennungszeichen, die Muschel, der ich öfters auf meinem Weg begegne und mir das Herz höher schlagen läßt, denn diesen Weg hab ich ja schon absolviert und doch immer noch Sehnsucht, ihn noch einmal zu gehen.
 
Ein Wunder ist es die 25 beschrifteten Findlinge zu entdecken, die schon 1,5 Milliarden alten Steine sind während der letzten Eiszeit mit den Gletschern aus Skandinavien an diesen Ort transportiert worden. Die Bewohner der umliegenden Orte haben diesen Steinen Namen gegeben. Es gibt einen Stein der *Schobskoovensteen* heißt, leider bekomme ich nicht heraus, welche Bedeutung er hat, das wurmt mich. Ich will ja immer alles wissen. Da ist der *Verkupplungsstein oder Flurordnungsstein* leichter einzuordnen, der 1862 beschriftet wurde und die Verbindungen zwischen den Orten signalisieren sollte. Dann gibt es den Fleegersteen neben dem sogar ein Tragflächenstück der am 28.4.1945 notgelandeten Heinkel HE 111 erinnern soll. Und den *Heimatvertriebenenstein* der mich auch daran erinnert, dass meine Mutter aus Pommern während des Krieges hier ins schöne Schleswig geflüchtet ist und für einige Jahre nähe Itzehoe dort ihre Jugendzeit verbracht hat. Ich will sie gar nicht alle aufzählen, aber sie liegen da aus einer anderen Zeit und ich staune über die Kraft der Natur, die diese Steine hier her gebracht haben.
 
Ich setze mich noch für eine kleine Weile auf eine dort befindliche Bank, die die Aufschrift *Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht vertrieben werden können* trägt. Ein Dichter namens Jean Paul Richter soll diesen Spruch erfunden haben. Ob er damals schon konfrontiert wurde mit Demenz und Alzheimer, geht mir durch den Kopf. Ich  verstehe diesen Spruch schon, aber er hat eben doch keine Gültigkeit in dem Fall, wo es einen Menschen trifft, der von einer dieser Krankheiten befallen wird. Ich darf gar nicht daran denken, wie sich das anfühlt würde, keine Erinnerung mehr zu haben an das Erlebte. Es muss schrecklich sein. Dann  verabschiede mich von diesem geschichtsträchtigen Ort und fahre Richtung Ahlerstedt in den sich lang dahinziehenden Naturwald Braken hinein.
 
Der Weg erstreckt sich über fast 9 km durch den Wald. Und die Wege sind wegen des Regens doppelt für ein Rad eigentlich ungeeignet, vor allen Dingen für meins. Aber mein Rad ist brav und hält das durch und ich juchze zwischendurch immer mal wieder, wenn ich eher den Eindruck habe, ich sitze auf einem Pferd und nicht auf einem Rad, weil das plötzliche Absacken in ein Schlammloch oder wieder Wegrutschen wegen des Wurzelwerks und der Steine, die überall auf dem Weg herumliegen, mich stark herausfordern. Es ist ein leicht Ding auf einer ebenen Strasse  Kilometer um Kilometer zu fahren, aber auf solchen Wegen kostet es einfach doppelt Kraft, Aufmerksamkeit und Konzentration. Erschwerend kommt dann noch der Regen hinzu. Ich bin auch immer froh, wenn ich ein solches Stück des schweren Weges hinter mich gebracht habe und nix passiert ist. Denn hin- und wieder kommt mir natürlich schon der Gedanke, auweia Roeschen, wenn du hier fällst, dir was brichst, 9 km, so schnell findet dich hier keiner. Aber immerhin gibts ja die Sicherheit des smarthphones, obwohl, hier im Wald ist der Empfang manchmal auch recht schlecht. Aber ich sag mir immer, Angst essen Seele auf Roeschen und sie ist zwar nicht immer unnütze, aber ich will mich auch niemals von ihr beherrschen lassen.
 
Der Naturwald Braken besteht übrigens zu großen Teilen noch aus Urwaldresten mit jahrhunderte alter Fauna und Flora. Die früher im Kloster Harsfeld lebenden Mönche haben diesen Wald vor Raubbau geschützt. Der Wald mit seinen angrenzenden Moorflächen steht heute unter Naturschutz und Wanderer dürfen nur auf den vorgeschriebenen Wegen bleiben. Es gibt einen Moment, dem für mich ein besonderer Zauber inne liegt. Während ich holpere und versuche alle Schwierigkeiten vor mir liegend gut und sicher zu passieren oder zu umgehen springen auf einem Querweg plötzlich eine ganze Herde Rehe an mir vorbei. Ich muss den Atem anhalten, so wunderschön ist das, so nahe dran zu sein und sie scheinen auch vor mir nicht zurück zu schrecken und ziehen ungeachtet meiner Gesellschaft ihren Weg weiter. Ich finde das einfach berührend. Nichts auf der Welt kann mir einen solchen Moment nehmen. Es ist zu beglückend.
 
Als ich aus dem Wald herauskomme, hat es zwar etwas aufgehört zu regnen, aber der Himmel verheißt nichts Gutes. Zudem ist die Lufttemperatur plötzlich erheblich gesunken und ich muss, als ich in Harsefeld angekommen bin, meine zweite warme Jacke herausholen, die ich dann schnell an der Skulpur des Erzabtes im Klosterpark überstreife und dem Abt mal kurz zu zwinkere. Harsfeld hatte im Jahre 969 eine Burganlage vorzuweisen, von der aber heute nur noch Teile des ehemaligen Burggrabens zu sehen sind. Knapp 150 Jahre später entstand dann in Harsfeld ein Kloster, das bis zum 30jährigen Krieg eines der wichtigsten Machtzentren im sogenannten Elbe-Weser-Dreieck zählte. Es war einer der letzten großen Stätte des Katholizismusses, nachdem die Reformation die Region längst erobert hatte
 
Durch den Klosterpark hindurch finde ich mal wieder den Wegweiser Richtung Stade, dass ich ja heute noch erreichen will. Es wird nun ein unbefestiger sandiger Weg den ich fast bis Bliedersdorf befahren werde. Erst kurz vorher wechselt er auf den strassenbegleitenden Radweg der mich durch Bliedersdorf hindurchführt und jetzt weiß ich auch, was mir während der Fahrt gar nicht so bewußt war, dass ich mich im sogenannten *Alten Land* befinde, genauer gesagt in Horneburg.  Entweder habe ich diese Bezeichnung in meinen Vorbereitungen überlesen oder nicht beachtet. Ich weiß es nicht. Jedenfalls reicht diese Region bis nach Stade hinein und ist bekannt für seinen Obstanbau. So fahre ich auf meinen Wegen an großen Plantagen mit Obstbäumen vorbei, die aber leider alle mit hohen Zäunen verspert sind, so daß nicht einmal ein kleiner Mundraub möglich ist. Schade eigentlich, das war früher anders, erinnere ich mich. In meiner Kindheit, als ich noch in Niedersachen bei Verwandten in den Sommerferien Urlaub machte habe ich mich dort oft tagsüber auf den Apfelplantagen herumgetrieben, mir die köstlichsten Äpfel zu Gemüte geführt habe, die mir dann wiederum das ein oder andere mal erhebliche Bauchschmerzen vbeschert haben. Wer weiß denn schon als Kind was von reif oder nicht reif, hauptsache es schmeckte.  Aber schön war es immer zwischen den duftenden Apfelbäumen Verstecken oder Fangen zu spielen und so mancher Baum bot sogar die Möglichkeit ihn zu erklimmen und von dort mal hie und da einen Apfel auf den Jäger zu werfen. Ich erinnere mich gern an diesen Spaß damals und habe das Gefühl, dass ich den Duft des Vergangenen gerade jetzt in diesem Moment spüren kann.
 
Nun in Horneburg auch angelangt, habe ich heftigen Sturm. Die Böen machen es, dass mein Rad trotz meinem Bemühen voran zu kommen, teils fast stehen bleibt auf dem Weg. Ich habe mir meine Regenhose und mein Regencape, dass ich kurz zuvor wieder ausgezogen hatte, weil, die Wärme staut sich halt darunter, wieder anziehen müssen. Daher hab ich so gar kein rechtes Auge mehr für das kleine Städtchen und die kleine Liebfrauenkirche reizt mich trotz ihres hübschen Aussehens überhaupt nicht hier jetzt auch noch ein Päuschen zu machen. Der Weg bis hierhin war recht anstrengend und meine Kräfte haben tatsächlich etwas nachgelassen. Ich möchte jetzt nur noch in Stade ankommen. Ich schäme mich nicht zu erzählen, dass ich am Morgen, bevor ich los gefahren bin, eine Übernachtung in Stade in einer Jugendherberge gebucht habe. Also war ich auf der sicheren Seite, wenn ich ankomme, dort ein Dach über dem Kopf zu haben. Der Gedanke allein treibt mich einfach nur noch an,  den jetzt noch zu bewältigenden Weg von ca. 25 km hinter mich zu bringen. Aber irgendwie verfolgt mich das Pech, denn die Wegweiser in Horneburg führen mich ein wenig in die Irre und ich fahre irgendwie im Kreis herum, um meinen vorgegebenen Mönchspilgerweg wieder zu finden. Natürlich hätte ich nun auch die schnelle Verbindungsstrasse über die Landstrasse nehmen können, aber ich bin son Typ, ich will dann auch alles ganz genau machen und daher beiße ich die Zähne zusammen, frage mich durch, bis ich endlich wieder auf der richtigen Route bin.
 
Was soll ich sagen, die Kilometer ziehen sich dahin, es ist mühsam, weil es tatsächlich auch hin- und wieder sogar ein klein wenig bergauf geht. Ich fahre durch das Guderhandviertel und lasse natürlich den Abstecher nach Jork aus. Das geht einfach gar nicht in dem Sauwetter. Fahre die Hauproute über den Deich weiter bis nach Steinkirchen.  Fühle mich ein wenig wie Don Quichote nur ohne Sancho Panza, dem Diener, der mir Mut zuspricht. Immerhin ist meine Rosinante, mein Rad, mir treu und gibt nicht den Geist auf. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und es gibt einen Moment wo ich richtig losheule. Man, das gibts doch gar nicht. Muss das sein.
 
Also wenn ein Pilgerweg eines bedeutet, dann ist es das, dass der Mensch sich kennenlernt. Ich bemerke,  so ganz kommt ich mit den Erschwernissen nicht zu recht und es gibt einen  Momente, wo ich denke, es geht nicht mehr weiter oder die Kraft scheint mich zu verlassen und ich murrr so vor mich hin. Beim Murren muss ich immer an die bildhafte Geschichte aus der Schrift denken, als Moses das Volk Israel aus der Knechtschaft befreit hatte und sie ins gelobte Land führen will. Aber unterwegs läuft nicht alles so, wie sie es erhofft haben und sie murren und murren. So ein Weg, wie auch der eigene Lebensweg im Alltag ist halt kein Paradies, in dem Milch und Honig fließen. Willst du solche solche Orte erleben, musst du sie dir erkämpfen und einen Haufen Mühsal auf dich nehmen. Der Weg in die Freiheit ist nun mal beschwerlich, aber am Ende wirst du belohnt. Jedenfalls all solche Gedanken kommen mir während der fast noch immer vor mir liegenden 20 km in den Sinn. Die Wegweiser sind auch nicht das, was sie sein sollten. Denn ich fahre und fahre und mindestens drei Mal komme ich an einem vorbei, der immer noch die selbe Kilometerzahl nach Stadte ausweist, obwohl ich gefühlt mindestens schon 5 gefahren bin. Ich weiß auch nicht, denk ich in meinem Murren, welche Deppen diese Schilder anbringen. Die sind selber anscheinend den Weg noch nie gefahren, sondern haben das nach Karte und pi mal Daumen wohl gemacht. Aber egal, auch diese Gedanken nutzen nichts.
 
Von Horneburg fahre ich über Grünendeich nach Hollern-Twielenfleth. Fast 10 Kilometer führen mich am Elbufer entlang über den Deich, eigentlich herrlich denke ich und schon ist Regen und Sturm für kurze Zeit  vergessen. Zu meiner rechten Seite kann ich sogar noch einen Blick auf das ehemalige Kernkraftwerk Stade werfen. Wie gut, dass dieses Ding im Jahre 2003 stillgelegt wurde. Der gesamte Rückbau der Anlage las ich dann jetzt hier zuhause wird sich noch bis zum Jahre 2023 hinziehen. 
 
So...endlich hab ich mein Ziel erreicht. Am Hafen entlang erreiche ich die Schleuse, die überquert werden muß und zuerst geht es mal in die Jugendherberge, die ich auch sofort finde. Erst mal die nassen Schuhe aus und frisch gemacht. Und siehe da, meine scheinbar nicht mehr vorhandenen Kräfte haben sich wieder aktiviert und ich habe richtig Lust mir die Stadt anzusehen. Der Weg von der Jugendherberge führt gegenüber durch ein kleines Gäßchen in die Altstadt hinein.  Merkwürdigerweise ist das erste was ich sehe ein Geschäft mit der oben groß angebrachten Bezeichnung *Waffenhandel Müller* Huch...denk ich, was machen Menschen hier mit einem solchen Geschäft. Mir kommt keine Idee, aber mir fällt auf, dass ich des öfteren an Schiessständen vorbeigekommen bin. Und auf meiner ersten Etappe ist mir sogar ein Konvoi der Bundeswehr entgegen gekommen. Irgendwo muss hier eine Kaserne sein in der Gegend. Aber ich hab es nicht herausbekommen.
 
Ich will jetzt nicht weiter drüber nachdenken und schon an der nächsten Strassenecke komme ich in die hübsche Altstadt. In einer kleinen Geschichtsbeschreibung der Stadt erahre ich, dass schon vor 2000 Jahren hier Menschen gelebt haben sollen und entwickelt hat sich die Stadt auf einem Geesthügel. Die Wikinger sollen Stade ausgeplündert haben. Das muss sich wohl gelohnt haben, denn Stade war ein wichtiger Ort für Kaufleute. Im 11. und 12. Jahrhundert war die Stadt wohl als Hafenplatz noch wichtiger als Hamburg selbst. Im Laufe der Zeit hat sich das dann jedoch verändert, weil die Technik eben nun mal fortgeschritten ist, die Schiffe größer wurden und somit der Stadener Hafen für die großen Hanseschiffe einfach zu klein wurde. Mir gefallen die alten Fachwerkhäuser, die allesamt hübsch restauriert sind und wie im Bilderbuch daherkommen. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, welch gemütvolle Architektur die Vergangenheit hervorgerufen hat, wenn ich das vergleiche mit den kalten und meinem Empfinden nach überhaupt ausser Kälte und Starre nach nichts aufweisenden Ausdruck aussagen. Kann man hieran vielleicht erkennen, dass die Menschen in früheren Zeiten wärmer und beseelter waren. Jedenfalls ich mag vieles an der modernen Architektur nicht, die einfach nur zweckmässig Platz für Viele bieten soll. Stade ist jedenfalls ein Ort, an dem sich der Mensch noch wohlfühlen kann. Er hat noch Charakter. Imposant der große Holztretkrahn und für eine Weile stelle ich mir vor, wie das Leben in früheren Zeiten hier von statten gegangen ist. Auch die kleinen Schiffe, die bis ins Stadtzentrum hineinfahren, wunderschön. Hier zu sitzen am Abend wenn es warm ist und diese Kulisse vor Augen, ist sicherlich ein Genuß. An diesem Abend ist es jedoch kühl, auch wenn es nun nicht mehr regnet. Nur hie und da finden sich ein paar Unerschrockene dennoch an kleinen Tischen ein, es sind wohl Raucher. Aber selbst ein Zigarettchen, dass ich mir nun nach der Tagesetappe gönnen würde, lockt mich nicht zum Draussensitzen, der Hunger aber schon und direkt finde ich auch ein hübsches kleines Lokal, dass ich erstmal von aussen begutachte, bevor ich eintrete, um mir ein gutes Abendsessen zu gönnen, dass ich am Vorabend in Zeven weggelassen habe. Es gibt Mattjes mit Bratkartoffeln.
 
Ich genieße das gemütliche Sitzen in der Gaststube, bestelle mir ein Bier dazu. Frage die junge Bedienung, was man denn hier so trinkt und sie empfiehlt mir ein Dithmarschen vom Faß, das ich auch nehme, ein kleines aber. Ganz ehrlich..ich verschlinge mein Essen, so fein ist das. Finds einfach schön, dass die Bedienung noch mal zu mir an den Tisch kommt, nicht nur, um zu fragen, ob es gschmeckt hat, sondern auch wissen möchte, woher ich komme. Erzähle ihr von meiner Pilgertour mit dem Rad und sie ist ganz begeistert. Sie fragt mich, ob ich schon ein Quartier gefunden habe. Ich dachte, mensch, ich werd nicht mehr...Sage ihr, hab in der Jugendherberge was gefunden. Schade, sagte sie, ich hätte da was gehabt. Nun denn...es ist wie es ist... Ich bin es zufrieden, wie es gekommen ist. Wir unterhalten uns noch eine Weile, dann zahle ich und verabschiede mich mit den besten Wünschen und viele nette Gäste weiterhin.
 
Als ich zur Tür hinaus bin kommt eine Frau aus dem Lokal mir hinterher gelaufen. Sie sagt mir freundlich guten Abend und schenkt mir ein kleines Engelsbildchen. Für Sie, mit auf dem Weg. Ich habe zugehört, was Sie erzählt haben und finde es grossartig, was sie machen. Ich bin ganz beschämt, bedanke mich und wünsche auch ihr eine gut Zeit, sage, ich nehme sie mit. Da freut sie sich.
 
Ich schlendere noch ein wenig am Hafen entlang, aber es wird noch kühler und ich bin nun auch richtig geschafft, kehre zurück zu meiner Herberge, duschen, ab ins Bett, noch ein wenig in meinem Pippi Langstrumpf-Buch gelesen, einen kleinen Blick in meine Schachseite geworfen und dann sinke ich in den Schlaf. Ein guter Tag!
 
Zeven - Stade
Offensen - Heeslingen - Boitzen - Wense - Camino de Santiago und Via Romana - Oersdorf - Ahlerstedt - Naturwald Braken - Harsefeld - Bliedersdorf - Horneburg - Stade
 
 

 

 
 
 
 
 
 
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