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28. November 2021 7 28 /11 /November /2021 15:52
Auf den Autor des Buches *Allein* Daniel Schreiber bin ich aufmerksam geworden durch eine Sendung anläßlich der Frankfurter Buchmesse. Dort trafen sich Menschen aus verschiedenen Berufs- und Berufungssparten sowie unterschiedlicher Herkunft, um sich darüber auszutauschen, welche Visionen für eine gute Zukunft verwirklicht werden könnten. Ich habe mir, weil er mir in seinen Aussagen am besten gefiel, die Vita des Herrn Schreiber dann mal angeschaut und entdeckt, dass er auch Einiges publiziert hat. Journalist, in Mecklenburg-Vorpommern geboren, hat er im Jahre 2006 den Manheimer Buchpreis verliehen bekommen. Seine Veröffentlichungen sind u.a. eine Biographie über Susan Sonntag, sein Buch *Nüchtern*, in dem er über seine Alkoholabhängigkeit schreibt, das Buch *Zuhause* in dem er über den Ort schreibt, an dem wir leben wollen und an dem wir uns beheimatet fühlen und letztendlich das von mir heute vorgestellte Buch *Allein*.
 
Dies habe ich nun zu Ende gelesen. Es hat mich sehr berührt. Das Thema hat mich schon daher interessiert, weil ich selber seit langer Zeit allein durchs Leben gehe.
 
Das Büchlein ist nicht allzulang, gerade mal 140 Seiten. Es gibt acht Kapitel mit den Überschriften: *Das Leben allein*, The Kindness of Strangers*, Gespräche in Freundschaft*, *Niemals so einsam*, *Uneindeutige Verluste*, *Tage in Famars*, *Arbeit am Körper* und schlussendlich * *Abschiede*.
 
Schreiber bezieht sich an vielen Stellen auf Schriften von Psychologen, Sozialwissenschaftlern und Philosophen. Er selbst, viele Jahre alleinlebend, hatte festgestellt, dass in Medien, Zeitschriften und Büchern viel über Paarbeziehungen und anderen Formen des sozialen Zusammenlebens geschrieben wird, jedoch kaum einmal über das *Alleinsein* oder *Alleinleben* des Menschen. Dabei ist statistisch erwiesen, dass immer mehr Menschen in unserer heutigen Gesellschaft alleine leben.
 
So kam es zu seiner Idee, ein Buch darüber zu schreiben und nicht nur seine Gedanken dazu aufzuzeigen, sondern auch sehr persönlich über *sein* Alleinsein und Alleinleben* zu erzählen.
Gerade diese Zeiten haben mich berührt, denn jeder, der allein lebt, so wie ich, kann sich in seinen Empfindungen und Gedanken immer mal wieder selber entdecken, wenn er das Alleinsein nicht durch ständige Ablenkung und Aktionismus verdrängt, sondern die Chance wahrnimmt, sich selber besser und tiefer zu entdecken. Wie wenn nicht anders, erkennen wir, wer wir sind, wenn wir auf uns selber gestellt sind. Welche Ängste, Sorgen, Nöte, Entbehrungen, Sehnsüchte und Leidenschaften in uns wohnen. Aber vor allen Dingen auch, wie wir damit umgehen, ohne sie zu verdrängen und aus all diesen neue, positive Aspekte des Lebens zu ziehen.
 
Menschen, die ungewollt allein leben, empfinden das oftmals als großes Unglück, sind daher zumeist auch unglücklich. Sich selber als unglücklich zu bezeichnen, kratzt oftmals an den eigenen Stolz. Denn in unserer Gesellschaft der Selbstoptimierung wird das eigene Unglücklichsein oftmals als *scheitern* beurteilt. Doch ist es gerade auch so, dass dieses Unglücklichsein auch eine Reaktion auf die Welt und unsere Gesellschaft sein kann. Dass man sich in ihr nicht wiederfindet und seinen Platz finden kann. Selbst das Fehlen einer Liebesbeziehung, so Schreiber weiter, wird in der Regel als ein persönliches Scheitern wahrgenommen. als eine Folge mangelnder Attrraktivität, mangelndem wirtschaftlichen Erfolgs, mangelnder  psychischer Fitness. Schreiber sagt, dass diese Annahmen dem Menschen, der allein lebt, überall entgegenschlagen, nicht zuletzt in den Gesichtern anderer Menschen, in ihrem Mitleid, gar ihrer heimlichen Freude, dass es ihnen besser geht.
 
Ortega y Gasset sagte ja einmal, das Leben sei seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch. Jedoch schiffbrüchig zu sein heißt nicht ertrinken. Der arme Sterbliche der droht unterzugehen, rudert mit den Armen, um sich oben zu halten. Diese Reaktion auf Gefahren des Untergehens sei die wirkliche Kultur, die der Mensch nicht verlieren darf.
 
Warum Daniel Schreiber allein lebt, was es mit ihm gemacht hat und was er aus dieser ihm dann auch oft gefühlten Einsamkeit gemacht und gelernt hat, beschreibt er in seinen Kapiteln.
So sagt er z.B., dass nichts einsamer macht als die Einsamkeit des Nicht-gesehen-Werdens, des Nicht-erkannt-Werdens. Nichts fühlt sich wie ein größerer Sinnverlust an als das von ihr verursachte Schweigen.
 
Er schreibt auch über die Zeit der Pandemie, in der wir uns ja immer noch befinden und die nun in eine vierte Welle gemündet hat. Seine Beobachtungen der Menschen, wie sie damit umgehen, was sie aus ihnen macht und gemacht hat. Dass, so habe ich es auch hin- und wieder empfunden in dieser Zeit, dass ich als Alleinlebender Mensch mich in dieser Situation noch *alleiniger* gefühlt habe.
 
 
Der Verlust von Freunden, die verstorben sind, die gerade jetzt fehlen. Die eingeschränkte Freiheit, sozial neue Beziehungen zu knüpfen oder ganz einfach den Dingen nachzugehen, die sonst ohne jeden Gedanken an *Vorsicht* getan werden konnten, das sich beschränken müssen in der Hochzeit der Pandiemie auf telefonische oder Skype-Kontakte, das Fehlen eines einfach mal in den Arm genommen werdens und vieles mehr, hat auch mir schon das ein oder andere Mal Kummer bereitet, wenn ich ihn auch gut annehmen konnte, weil Kummer eben auch zum Leben gehört.
 
Freunde zu haben, ist ein wichtiges Fundament in unserem Leben. Freunde, das sind die Menschen, die nicht nur wissen, wer ich bin, sondern auch wer ich war vor zwei oder drei Jahren oder vor zwei Jahrzehnten. Wer sich selbst immer mal wieder in Frage stellt, der verändert sich doch ständig und manchmal vergessen wir gar, wer wir einmal waren und Freunde sind die Menschen, die uns vor diesem Vergessen bewahren, daher sind sie so wichtig und können niemals durch Bekanntschaften, auch wenn das noch so gut harmonisiert und funktioniert, ersetzt werden.
 
Auch darüber schreibt er, dass die Zeit der Sicherheiten der Menschen, die  in previligierten Lebenssituationen und Zeitzonen leben, vorbei sei. Gedanken, die ich mit ihm teile. Schon Mitte der Zeit der Pandemie und den Wetterterkatastrophen die wir gesehen haben, wurde mir klar, dass dies erst der Anfang ist und die Menschen sich ruhig weiter in ihrem Kauf- Urlaubs- und Feiern-Zwang üben und danach sehnen sollen, aber es wird nichts mehr so sein, wie es war. Die Apokalypse hat bereits begonnen. Das macht Angst? Soll es auch, vielleicht kann ja doch noch was gerettet werden, obwohl ich daran nicht glaube.
 

Wenn man jetzt auf den Gedanken kommt, dass das Buch  eher depressiv daher kommt, so täuscht man sich. Schreiber zeigt zwar auf, was Alleinsein und damit auch immer mal empfundene Einsamkeit mit einem Menschen macht, aber eben auch wie er selbst damit umgegangen ist und wie ich oben schrieb, er daraus gelernt hat. Selber habe ich ds Buch als inspirierend, nachdenklich und selbstreflektierend für mich empfunden. Vor allen Dingen auch mutmachend, sich Gefühle wie, auch wenn sie nur eine kurze Zeit erlebt werden, Einsamkeit oder Trauer, zuzugestehen.

 
Schreiber sagt, dass positive Erfahrungen von Einsamkeit so zentral zu unserem Menschsein dazugehören, wie die verzweifelte Kehrseite dieses Gefühls. Das Erleben von Einsamkeit bringt, mit anderen Worten, eine Form der Selbstwahrnehmung mit sich, die wir anders nicht erlangen können. Gerde der Schmerz, der mit ihr oft einhergeht, sorgt dafür, dass wir eine neue Art des Mitgefühls in uns entdecken, für uns selbst und andere Menschen, um neue Lebenswege zu erschließen und innere Auseinandersetzungen zuzulassen, die sonst ausblieben. Ohne ihn wären wir nicht imstande, die Nähe zu anderen Menschen zu suchen, wären wir nicht imstande zu lieben.
 
So darf man auch überrascht sein, dass er gerad in der Zeit der Pandemie, wo er das Alleinsein stärker empfunden und die Gefühle von Einsamkeit in ihm vorherrschten, sich dennoch raus aus seinem Zuhause geflüchtet hat und sich zwei Monate lang auf eine kleine Insel auf Lanzarote mit dem Namen *Famara* zurückgezogen hat. Denn, das kenne ich auch gut, wenn Menschen mir sagen, was, du fährst jetzt in die Einsamkeit Deines Dorfes in der Eifel? Du bist doch sonst schon immer allein. Doch das Alleinsein in der Ferne ist nicht zu vergleichen mit dem Alleinsein zuhause mit all seinen Gewohnheiten und Gepflogenheiten.
 
Das Buch steht zu Recht auf der Bestsellerliste des Spiegels. Ich kann es wärmstens empfehlen, auch für *Nichalleinlebende* , Denn es gibt ja auch Partnerschaftsbeziehungen, in denen man sich hin- und wieder allein, gar einsam fühlt. Selber fühle ich mich in Gesellschaft oft einsamer als hin- und wieder mal in meinem Alleinsein. Aber das ist ein anderes Thema.
 
Viel Freude beim Lesen
 
Daniel Schreiber
Allein
Hanser Verlag
ISBN: 9783446267923
20,00 Euro
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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