Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
6. März 2024 3 06 /03 /März /2024 19:43
Ein Film, der den Zuschauer erstarren läßt. Das Blut gefriert einem in den Adern, wenn man dieser Familie, der Familie Höß, in ihrem vermeintlichen Familienidyll zuschaut. Vermeintlich daher, weil man sofort bemerkt, das ist kein Idyll, das ist Funktionieren einer Familie, so wie die Nazis sich das von ihren Vorzeigefamilien gewünscht haben. Diese Familie zeigt kein Idyll, sondern Gleichgültigkeit innerhalb der Familie, obwohl alles da ist, was zu einer Familie gehört. Finanzielle Sicherheit, gute Versorgung, gute Ausbildung und ein gutes Zuhause, in dem man sich wohlfühlen könnte.
 
Ja könnte, wenn nicht da direkt hinter den Mauern das größte Verbrechen der Menschheit geschieht. Tag für Tag.
 
Die Gleichgültigkeit des Ehepaars Höß  ist es, die einen erschauern läßt. Sie Hedwig, gespielt von Sandra Hüller, hat keine mütterliche Wärme. Sie ist eine kalte Frau. Und Höß selber, der, wie man aus verschiedenen Biografien und historischen Untersuchungen weiß, trägt den Judenhaß schon lange in sich, ebenfalls.  Aber der Film zeigt diesen Haß nicht einmal. Er zeigt einen kalten von Gleichgültigkeit geprägten Mann, der seine Aufgabe zu erfüllen hat.Damit ist er beschäftigt.  Da sind keine Menschen, die er in die Gaskammern schickt, sondern das sind Ladungen, die effizient verbrannt werden, auskühlen müssen und dann neu verladen werden muß.
 
Ist es nur Gleichgültigkeit gepaart mit Verdrängung? Nein, das Gefühl hatte ich nicht beim Zuschauen. Die haben nichts verdrängt, es war ihnen schlichtweg egal.Was einem egal ist, braucht auch nicht verdrängt zu werden.  In diesem Zusammenhang fällt einem Hannah Arends Aussage von der Banalität des Bösen ein.
 
Der Film zeigt nicht das Geschehen in den Lagern. Man weiß es ja. Die erste Szene des Films ist eine langes währendes Grau auf der Leinwand und im Hintergrund ein Wummern und Stampfen, die die Bilder von der Grausamkeit im Kopf entstehen lassen. Irgendwo las ich einmal, dass dies zum Schrecklichen gehörte bei den nazis, das Stampfen ihrer Stiefel und das Gebrüll. Eine Zeit stampfender Stiefel und lautem Schreien. Der Gedanke daran jagt mir einen Schauern über den Körper.
 
Dieses Grau, dieses Wummern dann wieder die Blumen, die Farbenpracht die sie hervorbringen, diese Gegensätze. Beides Nebeneinander. Beides ist da, das Grauen und die Schönheit.
 
 Wie kann das gehen, fragt man sich immer wieder. Wie ist das möglich. Denn es ist ja möglich. Es war ja nicht nur dort in Ausschwitz so im Familienanwesen der Familie Höß, es war auch überall in Deutschland zwischen den Menschen sichtbar. Da wurden die Juden abgeholt, deportiert, andere wieder wegen ihres Widerstandes oder ihrer anderweitigen politischen Gesinnung und die, die nicht betroffen waren, lebten weiter, die einen in Angst und Schrecken, die anderen in genau der selben Gleichtültigkeit wie die Ausführenden der Gräueltaten. Wenige hatten den Mut etwas dagegenzusetzen. Es gab sie auch, die nicht erkaltet waren, die hinsahen und helfen wollten. Waren es Wenige? Auf jeden Fall zu Wenige.
 
Wir haben es hier doch schön sagt Hedwig nachdem  Rudolf ihr mitteilte, dass er nach Oranjenburg versetzt werde. Sie bleibe hier an diesem Ort mit den Kindern und warte bis er zurückkehre.
 
Ein einziger Moment im Film läßt einen aus dem Grusel der sichtbaren Gleichgültigkeit dieser Beiden Hösses so etwas wie Erleichterung fühlen. Da war die Mutter von Hedwig, die die Familie der Tochter besuchte. Voller Stolz zeigt sie der Mutter das Anwesen, was sie geschaffen hat aus dem Haus und dem Garten. Sie werde die Königin von Auschwitz genannt, erzählt sie der Mutter. Die Mutter freute sich mit ihrer Tochter. Sie habe es geschafft, sagt sie.
 
Aber dann, in der Nacht lag sie wach in ihrem Bett, hörte das Wummern und Stampfen, ging zum Fenster und sah das Feuer und den Rauch aus den Schornsteinen. Wie versteiernt steht sie da. Sie legt sich hin, aber am anderen Morgen war sie weg. Einfach gegangen. Ein Zettel lag da, den ihre Tochter fand, als sie sie zum Frühstück rief. Was drauf stand? Man weiß es nicht, denn Hedwig schmiß ihn in den Kamin.
 
Da sind sie wieder die Gegensätze. die Mutter, die das nicht ertragen hat, damit nicht leben konnte in dieser Nähe, die Gewißheit, die jetzt sah, was geschah. Und Hedwig, die Tochter, der auch das egal war.
 
Für mich war es ein erleichternder Moment, diese Mutter zu sehen und wie ihre Reaktion war. Es war ein Zeichen von Hoffnung, dass man darauf vertrauen kann, dass es immer wieder Menschen gibt, die noch nicht erkaltet und gleichgültig sind. Und das einem dabei hilft, diesen Satz aus dem eigenen Kopf zu bekommen, der sagt, man wünsche sich nicht auf dieser Welt zu sein.
 
Und mit dem Schweigen, den dieser Film schon von der ersten Szene der grauen Leinwand in mir auslöste ging ich auch hinaus nach dem Film und spazierte den Weg vom Kino nach Hause zu Fuß. Es war gut allein zu sein und still sein zu können.
 
Wenn es einen Film gibt, den man ganz sicher auf jeden Fall sehen muss, dann ist es dieser Film.
 
Auch wenn dieser Film eines nicht aufklärt oder gar der Frage nachgeht, was macht einen Menschen zu einem, der gleichgültig gegenüber dem Verbrechen ist, dass er selber ausübt. Doch das wäre sicherlich zuviel gewesen. Dieser Film wollte diese Banalität des Bösen zeigen.
 
Die Frage warum ist aber da und es gibt viele Antworten. Ich verweise immer gern auf Arno Gruen, der in seinem Buch * Der Verlust des Mitgefühls* sicher eine gute Antwort darauf hat. Doch gibt es viele Antworten. 
 
Denn die Frage nach dem Mitgefühl des Menschen ist die Frage nach seinem Menschsein!
 
 
 
 
 
Diesen Post teilen
Repost0

Kommentare