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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:23
Um 7.3o Uhr morgens verlasse ich die gastfreundliche Unterkunft und fahre 5 km zurück nach Elmshorn. Dort angekommen, mache ich in einer Bäckerei halt, um ein Brötchen zu essen und einen Kakao zu trinken. Hier komme ich mit einer älteren Dame ins Gespräch, weil sie erstaunt ist, dass ich so ganz alleine unterwegs bin. Immer wieder diese staunenden Bemerkungen, mensch so ganz allein. Ich kann es echt nicht verstehen. Die meisten verpassen einfach was, man lernt sich besser kennen als im Alltag, weil man viel näher bei sich ist. Nun denn, die alte Dame ist schon 78 Jahre, sie sitzt etwas gebückt vor mir und erzählt von ihren Schicksalsschlägen. Einsam sei sie, sagt sie mir, daher komme sie jeden Morgen in dieses Cafe um zu frühstücken und Menschen um sich zu haben. Wie überall denke ich. Ich nehm sie im Herzen mit, verabschiede mich und fahre dem Routenplaner gemäß erst einmal die Landstraße nach Itzehoe.
 
Vor vier großen Windrädern sollte ich allerdings aufpassen und links an einem Weg zum Deich hin abbiegen. Leider bin ich an diesem Morgen so verträumt und auf die sich im Wind heftig drehenden Windräder auf andere Weise angetan und fixiert, so dass es mir erst wieder einfällt, als ich sie schon weit hinter mir gelassen hatte.
 
Shit, denke ich, also wieder zurück und der Wind bläst mir zur unwirtlich entgegen. Dafür werde ich aber danach belohnt, denn der Weg, er nach einer Weile tatsächlich am Deich entlang beginnt, ist einfach traumhaft romantisch. Es gibt nur zwei kleine Fahrspuren von ca. 3o cm Breite, in der Mitte ein breiter Streifen hügeliges Gras. An meiner rechten Seite fließt ein Kanal, abgegrenzt mit Schilf und Sträuchern. Da die Fahrspur so eng ist, streife ich immer wieder das Schilf, dass jedesmal ein klatschendes Geräusch von sich gibt. Ich muß unweigerlich an ein Rätsel aus dem Zen denken:" Wie ist der Ton des Klatschens zweier Hände"? Man kann es eigentlich nicht beschreiben, oder, weil es sich für jeden anders anhört. Und damit philosophierend beschäftigt komme ich 12 km weiter an ein Hinweisschild "Zur Fähre"!
 
Außerdem befällt mich gerade der heiße Wunsch, einen frischen Apfel zu essen. Morgen, denke ich, werd ich mir welche kaufen. Nun komme ich an einen kleinen Weg, wo es zur Fähe hinauf geht. Ich schiebe mein ad die kleine Steigung hinauf, in der Erwartung, was sich jetzt dahinter wohl verbergen könte. Bei Fähre denkt man ja eher an was Größeres. Dann gehe ich durch eine schmale Öffnung, und bin sofort wie verzaubert. Denke, das ist jetzt nicht wirklich, was du hier vorfindest, Röschen. Ich gehe auf einen der wunderschönsten Plätze, den ich je gesehen habe. Vor mir ein ca. 2o m breiter Kanal, ich kann das schlecht einschätzen. Auf dem Wasser liegt ein zugedecktes Bott, die Fähre. Fährbetrieb nur an den Wochenenden, wohl für Touristen, die dann eher gehäuft hier borbeikommen, um sich auf die anderen Seite bringen zu lassen, oder einfach für die Menschen, die hier leben, um schnell dem Gegenüber einen Besuch abzustatten. Große Birken und Pappeln am Ufer, die sich leise vom Wind wiegen lassen, und wieder die schöne Melodie, die er macht, der Wind. Rechts daneben ein kleines Eckchen mit einer Bank, dahiner ein kleiner grüner Bauwagen, der wohl das Fährhäuschen darstellen soll. Ich lasse mich auf der Bank nieder. Stille und Einsamkeit pur. Kein Mensch weit und breit. Unfaßbar. Ich fühlte mich mit allem eins um mich herum. So saß ich, vielleicht eine halbe Stunde völlig versunken, bis ich aus meinen Trämen gerissen wurde.
 
Auf der anderen Seite des Kanals stand plötzlich ein Mann mit Rad, bepackt wie ich selber und rief hinüber, was mit der Fähre ist. Fährt nur am Wochenende, ruf ich zurück. Oh, sagt er. Da mußt du halt rüberschwimmen, ruf ich ihm lachend hinüber. Würd ich ja gerne machen, aber mein Rad, sagt er. Tja, sag ich ihm, wir sind wie die beiden Königskinder, die nicht zusammenkommen konnten. Gibt es denn keine Brücke, fragt er. Weiß nicht, sag ich. Er schaute in seinen Plan und meinte, oh, erst in Elmshorn. Von da komme ich gerade, ruf ich ihm zu. Wo fährst du hin, frag ich ihn. Nach Husum, seine Antwort. Das ist die andere Richtung, ic fahre nach Itzehoe, meine Antwort. Schade, ruft er. Ja, sag ich ihm, das Schicksal, das Schicksal will es nicht. Wir stehen uns noch eine Weile gegenüber, winken uns zu und dann verabschieden wir uns. Wer weiß, sagt er, vielleicht sehen wir uns doch wieder. Ich lächele vor mich hin.
 
Dann mache ich mich wieder auf den Weg, denke so bei mir, so ist das manchmal im Leben, man begegnet sich, hätte sich was zu sagen, aber man kommt nicht zusammen, warum auch immer.
 
Ich fahre 3 km, bis ich zu einer Kreuzung gelange, dort will ich den Routenplaner schauen. Sonnenbrille ab, Lesebrille auf. Aber oh Schreck, wo ist die? Ich hab sie verloren, denke ich, dass ist jetzt da zweite Mal. Das zweite Mal auch heute, dass ich wenden muß, um zurückzufahren. Fahre also die ganze Chausse wieder Rg. Fährhaus zurück. Unterwegs kommt mir ein Milchwagen entgegen. Sch... denke ich, wieso fährt der gerade jetzt hier. Ich sehe meine Brille schon von seinen Reifenm zerquetscht auf dem Boden liegen. Hatte ich nicht gerade vorher noch einen meiner Lieblingspsalme rezitiert:" Gott, du bist meine Hilfe, in Deinem Schatten berge ich mich"! Was soll ich sagen, die Brille lag nicht auf der Straße, sondern genau an der Stelle, wo ich dem Unbekannten zugewunken hatte. Heilfroh stecke ich sie ein und fahre endlich weiter.
 
Ich fahre noch eine Zeitlang die Baumchaussee, bevor ich wieder auf den Elb-Deich angelangt bin. Das es auch hier wieder Einsamkeit pur ist, brauch ich wohl nicht lange z erklären. Hier gibt es sogar kleine Sandstrände und einer davon ist so wnderschön und ich bin ja ganz allein, daher gehe ich runter, stelle mein Rad ab, zieh mich aus und springe in die herrlich erfrischenden Fluten. Wahnsinn, ich jauchze, platsche, dreh mich im Wasser voller Freude. Ist nicht schlecht da Elbwasser. Danach lass ich mich trocknen, ziehe mich wieder an und fahre weiter. Die Hitze wird langsam unerträglich.
 
Nach 25 km komme ich nach Glücksstadt, fahre am Hafen entlang zum Zentrum. Glücksstad gefällt mir sehr gut. Am Hafen liegen Segelboote und kleine Motorboote. Die Häuser sind historisch gesehen schon eine AUgenweide, unglaublick schnuckelig und ich kann mich sofort in die Zeit hineinversetzen, als die Menschen hier noch weit ab von allem gelebt haben.
 
Glücksstadt hat eine nette Geschichte. Es war der dänische König Christian der IV., der sie erbauen ließ. Dänemark beherrschte früher ja weite Teile von Schleswig-Holstein. Wer sich mit Theodor-Storm beschäftigt hat, weiß welche Leiden er und das Volk der Schleswiger im 17. Jahrhundert durchgemacht haben. Vorbild des Königs also war die damals selständige Stadt Altona mit ihrem Hafen, der für großen Wohlstand der Bürger sorgte. Das wollte der dänische König auch und ließ er auf der Stelle einen Hafen an der Elbe bauen, um "Glück und Wohlstand" entstehen zu lassen. So entstandt der Name der Stadt.
 
Ich mache hier ene Rast bei einem Eiscafe, bis ich wieder Richtung Brunsbüttel fahre, wo ich ein letztes Mal auf dem Dech entlang fahre. Ich kann von dort aus das Kernkraftwerk Brockdorf und die Industrieanlagen von Brunsbüttel sehen. Am Sperrwerk der Spör komme ich mit der ausgewiesenen Route nicht zu recht, verfahre mich mal wieder um ca. 5 km in die falsche Richtung. Ein bißchen lähmt das meine Kräfte heute, auch wegen der stechenden Sonne, es ist 13.3o Uhr, Hoch-Hitze-Zeit. Gerade in diesem Moment rufen meine türkischen Jungs an, ob es mir gutgeht, wollen sie wissen. Ich erzähle ihnen, dass ich mich verfahren habe, und sie hätten mir besser ihr Navi mitgeben sollen, meinten sie. Ich lache. Ne, ne, laßt mal stecken Jungs, ist schon in Ordnung, jeder Umweg hat seinen Sinn, sag ich.
 
Röschen, sag ich und stimme mir selber zu, das stimmt einfach, was du gerade gesagt hast. Im Zen gibt es den "Pfad der Achtsamkeit" und wir tuen gut daran, alles was wir tun, ganzz genau zu machenund ganz bei der Sache zu sein, im Augenblick des Geschehens. Und ich war nunmal heute nicht achtsam, an mehreren Stellen nicht. Nicht der Routenplaner war falsch beschrieben, sondern ich hatte mal wieder geträumt.
 
Trotzdem mache ich mich nach 4o km auf, einen Abstecher zu unternehmen zu einem Dorf namens Aebtissinenwirsch! Dort liegt die tiefste Stelle Deutschlands. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Es ist nicht spektakulär, ein Pfahl von ca. 8 m Höhe und eine Schleswig-Holstein-Fahne steht dort. Das wars, aber immerhin, ich war an der tiefsten Stelle Deutschlands. Das ist übrigens am 5. September 1988 amtlich geworden, denn da gab das Innenministerium seinen amtlichen Segen, Der Pfahl zeigt auch die Dimensionen der Pegelstände der verschiedenen Sturmfluten an.
 
So, dann geht es weiter wieder zurück und ich fahre Rg. Itzehoe. Der Wind schlägt mal wieder um, und weht mir heftig von vorn entgegen. Ich muß ziemlich kämpfen, nach dem bisherigen Tag. Das erste Mal wird mir der Rucksack schwer, der Sonnenbrand macht mir zu schaffen. Röschen, denke ich, ich glaub, du kriegst nen "Hungerast". Aber ich han nix, also reiß ich mich zusammen, ist ja im Alltag auch so, man bekommt nicht immer das, was man gerade braucht.
 
Nach weiteren 15 km erreiche ich Itzehoe, radele quer durch die Stadt, die mir recht gut gefällt, seelenvoller als Elmshorn vorher. Eine Kleinstadt eben, mit wirklich gut angelegtem Innenstadtbereich, kleine Geschäfte, nette Restaurationen. Ich lasse mich erstmal bei einem Italiener nieder, eße einen Teller pasta, trinke eine Weinschorle, einen Espresso und dann mache ich mich auf den Weg zur Jegendherberge. Gott sei dank, es ist ein Zimmer frei, Einzelzimmer sogar, was ich sehr begrüße nach dem Tag, aber auch nicht gerade billig. 29,--?, Bett muß selber gemacht werden, andtücher gibt es keine, dafür aber Frühstück,. Is in Ordnung, mir ist alles recht. Ich lasse mich aufs Bett fallen, zehn Minuten, springe dann unter de Dusche und fahre dann noch einmal ins Zentrum, vorbe an einem wudnerschönen Park, an dem ic ein lein wenig Rast mache. Schlendere noch ein bißchen durch die Straßen und fahre dann wieder zurück.
 
An der Jugendherberge überfällt mich die Sehnsucht nach einem Glas Bier. Aber das gibt es hier ja nicht. Der Herbergsvater verweist mich auf das Hotel, 5oo m, entfernt. Dort gelange ich also noch hin, es liegt genau an einem Waldstück mit einem wunderschönen Teich. Niemand ist da, ich bin allein, bekomme mein frisch gezapftes Bittburger, was herrlich schmeckt nach dem langen Tag. Ich sitze, genieße und bin vollkommen zufrieden. Da können auch die Mücken nichts machen, die mich mittlerweile komplett zerstochen haben.
 
Dann falle ich in mein bett, les noch ein bißchen. Das Handy klingelt, eine SMS, meine türkischen Jungs haben mir ein Herz geschickt. Ich lächele und schlaf ein.
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