Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:46
Seit 12 Jahren begegne ich ihr immer wieder. Eine kleine, dicke Frau. Alter? Ich kann es schlecht einschätzen! Vielleicht Mitte 50, Anfang 60. Wo sie wohnt, weiß ich! Mal hier mal dort!
 
Hauptsächlich im Sommer hat sie aber einen kleinen Bereich in einem Grünstreifen am Hansaring gegenüber des dort gelegenen kleinen Parkes! Direkt an der Straße! Das erste Mal, als ich sie sah, kam ich mit dem Rad an ihr vorbei! Ich hielt kurz, sprach sie an, um sie zu fragen, was sie da mache! Aber sie verstand mich nicht!
 
Wer mag sie sein! Jeden Tag fuhr ich an ihr vorbei! Was mir auffiel, sie pflegte ihren kleinen Platz. Sie hat so einen kleinen abgetrennten Reisigbesen, der in ihrer Tasche steckte, mit dem fegte sie ihr kleines Areal sauber.
 
Oft sah ich sie dort beim Häkeln sitzen. Manchmal strickte sie. Auf dem kleinen Mauerchen war manchmal ein Tuch ausgebreitet, darauf hatte sie ein wenig zu essen. Fuhr ich abends an ihr vorbei, hatte sie sich mit ihrer JAcke bedeckt und schlief. Ob sie keine Angst hat, fragte ich mich oft? Ob ihr schon mal jemand was getan hat?
 
Wenn dann der Winter erbarmungslos seinen Einmarsch hielt, war sie plötzlich verschwunden. Vor allem bei Regen und Schnee. War es aber trocken, war sie wieder da. Dick eingewickelt!
 
So geht das jetzt schon seit 12 Jahren. Ich frage mich, ob sie wohl mal krank war, zwischendurch? Ob ihr dann geholfen wird? Ich hab den Eindruck, sie macht alles mit sich alleine aus! Vielleicht wird sie ja auch nicht krank. Immer dem Wind und Wetter ausgesetzt, ist sie vielleicht abgehärteter als so mancher Zeitgenosse!
 
Ich frage mich, ob sie glücklich ist? Ich frage mich, ob sie noch jemand außer mir einmal angesprochen hat? Ob möglicherweise Sozialarbeiter der Stadt oder andere Hilfsorganisationen auf sie aufmerksam geworden sind! Hat sie denn keine Wünsche an das Leben?
 
Hat sie wirklich niemand bemerkt, außer mir? Oder will sie gar keine Hilfe. Was tut sie den ganzen Tag? Wenn ich sie sehe, tut sie das, was ich oben beschrieben habe. Manchmal sitzt sie auch nur da und schaut. Was denkt sie wohl? Über sich und die Welt, die sie wahrnimmt.
 
Ob sie wohl geliebt wird. Von irgendjemanden! Und wenn nicht? Wie kann man ohne Liebe leben, ohne Zuneigung, Anerkennung und freundliche Worte.
 
Sind ihre Gefühle abgestumpft, verdrängt, nicht mehr zu finden? Sie macht auf mich den Eindruck, als wenn sie völlig in ihrer eigenen Welt lebt. Das Geschehen um sie herum, nimmt sie nicht war! Sie wird nichts wissen, von den Kriegen auf der Welt, oder doch? Sie wird nicht wissen, welche Partei zurzeit die Regierung bildet. Sie war bestimmt noch nie im Kino! Ob sie Musik liebt?
 
Aber vielleicht irre ich mich, mit all meinen Gedanken und Fragen über sie. Vielleicht ist sie einfach nur eine Frau. Gestrandet! Aus dem Leben hinausgeworfen. Welches Schicksal sie hierhin geführt hat, an diesen Ort, wo sie sich häuslich eingerichtet hat.
 
Manchmal entdecke ich in mir sogar eine Sehnsucht! Vielleicht ist das ja auch eine Art von Freiheit. Einfach Leben! Sich um nichts kümmern müssen. Kein Gepäck mit sich herumschleppen. Keine Miete, kein Stromrechnung, kein Telefon, keine Versicherungen. Doch, ehrlich, wenn ich mich so hinterfrage, kommt so eine kleine Sehnsucht auch in mir hoch.
 
Nur das zu haben, was ich anhabe, vielleicht eine zweite Garnitur. Und dann einfach losmarschieren und irgendwo Halt zu machen! Kurz zu bleiben, mich umschauen, sehen was ist und was nicht . Damit zufrieden sein! Ich kann ja doch nichts ändern.
 
Eine alte, kleine dicke Frau. Anscheinend heimatlos. Aber sie bedeutet mir viel. Vor ein paar Tagen habe ich sie sogar in Nippes gesehen. An der inneren Kanalstraße. Manchmal steht sie am Container und holt Flaschen raus. Oder sie wühlt in einer Mülltonne!
 
Die Frau und ich, haben etwas gemeinsam! Ich versuche dem auf die Spur zu kommen. Es ist nicht nur meine eigene Sehnsucht nach mehr Freiheit von all den Alltagslasten, dem für mich manchmal sinnlosen Koffer, den ich mit mir rum trage und der mir oft viel zu schwer wird! Es ist noch etwas anderes!
 
Die alte Frau und ich haben auf jeden Fall eines gemeinsam! Wir leben zwar in anderen Welten, aber die Würde, die wir mit unserem Leben ausstrahlen, ist die gleiche. Denn dass ist das Verwunderlichste an ihr: Sie strahlt eine Würde aus, die mich sehr fasziniert. Sie macht auf mich den Eindruck, als wenn sie in sich ruht. Sie lässt sich nicht ablenken. Geht einfach durch den Tag!
 
Vielleicht fällt Sie Ihnen ja auch mal auf, diese kleine alte Frau! Vielleicht hat Sie Ihnen ja auch was zu sagen!
Diesen Post teilen
Repost0

Kommentare