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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:50

Heute möchte ich einmal einen ganz anderen Beitrag schreiben. Ich bin mit Leib und Seele Buchhändlerin! Bücher sind meine ganz persönlichen Freunde, die ich immer wieder gerne zur Hand nehme. Es gibt Bücher, die vergisst man und es gibt solche, die mich nachhaltig beeindrucken.
 
Heute möchte ich von einem Buch schreiben, das in die letzte Kategorie fällt.
 
Es ist das Buch von „Per Olov Enquist mit dem Titel „Das Buch von Blanche und Marie“
 
Enquist ist Schriftsteller und Theaterautor, geboren in Schweden! Er hat lange Zeit in Kalifornien als Gastdozent gelebt. Seit 1977 lebt er wieder in seiner Heimat! Er ist Mitglied des schwedischen Schriftstellerverbandes, kulturpolitisch aktiv in vielen Gremien, u.a. im staatlichen Kulturrat und im Rundfunkrat. Ebenso moderiert er Fernsehsendungen in Richtung Talk-Shows!
 
In diesem Buch schreibt er über die Liebe und das sich Verlieben. Er hat sich dafür einen historischen Hintergrund gesucht.


Seine Personen sind Marie Curie, die 1867 unter dem Namen Marja Sklodowska als Tochter eines Mathematik- und Physiklehrers in Warschau geboren wurde. 1891 folgte sie ihrer Schwester nach Paris, um dort ein Studium der Physik und Mathematik zu beginnen. Nach ihrem Studium lernte sie den Physiker Pierre Curie kennen, 1895 heirateten die beiden. Sie bekamen zwei Töchter, Irene und Eve. Sie arbeiteten zusammen in einem mehr recht und schlecht improvisierten Laboratorium unter extremen Bedingungen. Marie war der Überzeugung, dass die von Becquerel 1896 entdeckte Strahlung des Uranium sich auch bei anderen Elementen nachweisen ließ. So beschäftigte sie sich mit ihrem Mann mit dem Mineral der „Pechblende“! Es gelang ihr zwei bis dahin unbekannte Elemente, nämlich Radium und Polonium, zu isolieren, deren Strahlung sie radioaktiv nannte°! 1898 entdeckte sie weiter die Radioaktivität des Elements Thorium. 1903 erhielten sie und ihr Ehemann zusammen mit Becquerel den Nobelpreis für Physik!
 
Eine weitere Person ist Blanche Wittmann, geboren 1859. Ihr Vater galt als geistesgestört. Ihre Mutter litt an häufigen Nervenkrisen. Fünf ihrer Geschwister starben an krampfartigen Anfällen. Blanche selber erlitt im Alter von 12 Jahren ihre ersten Ohnmachten. Sie arbeitete eine Zeit lang als Näherin, verlor aber wegen ihrer Anfälle sehr schnell ihre Arbeit. Als es immer schlimmer wurde, kam sie dann in das damals legendäre Hospital „Salpetriere. Hier wurde sie die Lieblingspatientin des Prof. Jean-Marie Charcot, dem Chefarzt des Hospitals. Sie soll eine außerordentlich wunderschöne Frau gewesen sein. Sie handelte sich den Ruf „Königin der Hysterikerin“ ein. In ihrer Zeit während des Aufenthaltes in der Salpetriere machte sie die Bekanntschaft aller damals üblichen zur Heilung von Hysterie angewandten Behandlungsmethoden. Dazu gehörten damals u.a. die bis dahin unbekannte Form der Hypnose, die auch sehr umstritten waren. 1889 wurde ihr Fall zum Gegenstand eines Eröffnungsvortrages auf dem internationalen Kongress für Hypnose. Etwas später stellte sich bei ihr eine schwere Persönlichkeitsstörung ein.
Die Wahrheit ihrer zweiten Lebenshälfte, also außerhalb ihres Aufenthaltes im Hospital erzählt Enquist in diesem wunderbaren Roman.
 
Beide Marie und auch Blanche sind in ihrem Leben gezeichnet, von dem was das Jahrhundert als Fortschritt verstand. Beide Frauen sind gezeichnet von der Liebe, die ungefragt kommt und nicht auf die damalige Moral Rücksicht genommen hat. Es ist die Geschichte einer Freundschaftsliebe zweier Frauen, in der Blanche aus Liebe und Hochachtung vor der wissenschaftlichen Arbeit Maries, ihren eigenen körperlichen Verfall in Kauf nimmt. Es ist die Geschichte der Liebe Maries zu ihrem Kollegen, Paul Langevin, der verheiratet ist und die in einem Skandal endet. Die Liebe zu diesem Mann beendet ihre Anerkennung und Karriere als Wissenschaftlerin. Sie wird geächtet und verfolgt. Marie, bis dahin, an nichts anderem als an ihrer Wissenschaft interessiert, verliebt sich nach Jahren des Todes ihres ersten Ehemannes in Paul. Als dessen Frau der Affäre auf die Spur kommt, bringt sie diese an die Öffentlichkeit und bedient sich der Briefe, die Marie an ihn geschrieben hat. In diesen Briefen entdeckt die Öffentlichkeit die dunkle Seite Maries, die sie ihr nicht zugetraut hat.
 
Blanche, deren Liebe gegenüber dem Arzt Charcot willenlos ausgeliefert ist und deren Liebe ihm wiederum Angst macht, beginnt sich nach dessen Tod in die Arbeit als Laborassistentin bei Marie. Hier beginnt deren beider Freundschaft. Blanche widmet sich uneingeschränkt dieser Arbeit und verliert wegen der dauernden Belastung der Arbeit dem Radium ausgesetzt, ein Körperglied nach dem anderen, bis sie zum Schluss nur noch eine Frau ohne Arme und Beine ist. In diesem Zustand ist sie an ein kleines Kärrchen gefesselt und beginnt ein Buch über das Wesen der Liebe zu schreiben.
 
Enquist verwebt in seinem Roman historische Fakten mit Fiktion. Er deckt die Zerstörung auf, die Liebe zwischen Menschen anrichten kann.
 
Ich war von diesem Buch gefesselt und habe es in zwei Tagen regelrecht verschlungen. Ein Buch über Extremzustände der Liebe. Es ist traurig und ergreifend. Es zeigt immer wieder die Gegensätze von Ratio und Emotion beider Frauen auf. Und es gewährt einen Einblick in die Moral der Gesellschaft dieses Jahrhundert. Es zeigt wie Medien auch damals schon die Macht hatten über Erfolg und Niedergang eines Menschen! Es erzählt von der Verurteilung eines Menschen, der einfach nur geliebt hat, von Verrat und Rückzug.
 
Es steht zu Recht auf der Bestellerliste, denn die Geschichte ist keine Geschichte von damals, sondern hat ihre Aktualität auch heute nicht verloren. Und das Buch führt den Laien in die wunderbare Welt der Wissenschaft und des Mythos ein.
 
Viel Freude beim Lesen!

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