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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:54
Warum das so ist? Ich weiß es nicht! Ich weiß nur, dass ich nicht anders kann! Das Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
 
Heute Morgen lese ich im KSTA auf der Panoramaseite, ganz unten links, einen kleinen unscheinbaren Artikel über einen 59 Jahre alten Mann, der sieben Jahre tot im Bett gelegen hat. Unbemerkt! Von Niemandem!
 
Seit dem kann ich an nichts mehr anderes denken. Immer wieder taucht ein Bild vor meinen Augen auf. Von einem Menschen, denn ich nicht kannte. Ein Mann, nur sieben Jahre älter als ich. Nicht mehr jung, und auch noch nicht alt! Wie kann das sein? In meinem Bauch und in meinem Herzen sind Trauergefühle. Für Jemanden, den ich nicht kenne. Ich stelle mir vor, wie er gelebt haben muss. Unbemerkt! Von Niemandem! Keine Nachbarn? Klar, er muss doch Nachbarn gehabt haben. Keine Bekannten! Keine Freunde! Meine Mutter fällt mir ein. Wenn sie mich und meinen Bruder nicht hätte, würde es ihr sicher genau so ergehen!
 
Keine Freunde. Wie kann man keine Freunde haben? Niemanden, der einen wahrnimmt, keinen einzigen Menschen. Denn so ist das wohl bei ihm gewesen. Meine Gedanken rattern! Da leben andere Menschen neben ihm. Sie gehen an ihm vorbei. Sehen ihn nicht. Machen sich keine Gedanken darüber, wer dieser Mann wohl ist. Was er macht. Wovon er lebt. Bin ich allein mit solchen Gedanken?
 
Da wollen wir etwas verändern. Da beschäftigen wir uns mit Fragen wie Klimaschutz! Oder wir wissen Bescheid darüber, wie es jetzt wohl in Frankreich weiter gehen wird. Politisch. Mit dem neuen Präsidenten. Aber den Mann oder die Frau neben uns, sehen wir nicht. Wir sind Gefangene unseres eigenen Lebens. Unserer eigenen Ziele. Unserer eigenen Probleme.
 

Freunde! Wieso hatte der keine Freunde? Mit wird bewusst, wie schnell man das Wort „Freunde“ in den Mund nimmt. Wer ist mein Freund? Jemand denn ich lange kenne? Jemand den ich erst zwei Jahre kenne kann ich den schon Freund nennen? Was weiß ich schon vom anderen!
 
Sieben Jahre unentdeckt. Irgendwann hatte er keine Miete mehr bezahlt. Was war mit seinem Vermieter. Hatte der nicht versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Und wieso hat das so lange gedauert. Also, wenn ich meine Miete drei Monate nicht mehr zahle, dann stünde mein Vermieter doch vor der Türe.
 
Als die Vollstreckungsbeamten nach sieben Jahre die Wohnung betraten, fanden sie einen Brief. Ein Letztes Zeichen des Kontakts zur Außenwelt. Zigaretten lagen da, eine aufgeschlagene Fernsehzeitung und etwas Kleingeld neben seinem Bett. Es waren noch D-Mark. Keine Anzeichen von Selbstmord oder einem Verbrechen. Keine Sensation!
Nur ein Mensch, ein Mann, nicht mehr jung, nicht mehr alt, der mittendrin in seinem einsamen Leben, einfach gestorben ist. Was wollte er sich wohl noch im Fernsehen anschauen. Was wollte er wohl noch mit dem verbliebenen Kleingeld kaufen?
 
Jetzt sitze ich hier und schreibe und denke an einen, den ich nicht kannte. Es beeinflusst auch mein Leben! Jawohl! So eine Nachricht hat etwas mit mir zu tun! Sehe ich meinen Nächsten? Interessiere ich mich für den Nachbarn? Für die Frau, die nebenan wohnt, deren Mann vor zwei Jahren an Krebs verstorben ist. Was muss in einem Leben eines Menschen passiert sein, der sich so zurückgezogen hat. Der von niemandem mehr beachtet wurde. Und was passiert im Leben der Menschen, die neben ihm hergegangen sind. Die ihn gesehen haben und doch nicht bemerkt haben. Gab es Hilfeschreie! Und warum hat sie niemand gehört.
 
Wieso muss ich weinen, um einen den ich nicht kenne. Wenn ich in mein Innerstes schaue, weiß ich warum ich weine. Einfach so. Nicht nur wegen dem Mann. Sondern wegen all der großen und kleinen Lieblosigkeiten. Wegen dem Hass, der einem manchmal entgegenkommt. Wegen dem Neid, der Respektlosigkeit und dem Egoismus, der in der Welt herrscht. Ich trauere darum, weil man sich so viel kümmern will. Aber nicht um das, was so nah liegt.
 
Schade, dass dieser Artikel so klein, so unscheinbar neben dem anscheinend so viel wichtigeren Thema des Eurovision Song Contests steht. Mal wieder ein Zeichen, was für die meisten wichtig ist. Mal wieder ein Zeichen, dass wirkliches Leben nicht interessiert. Aber nur diese Geschichten bringen uns zum Nachdenken, oder! Nur diese Ereignisse spiegeln unser eigenes Verhalten. Der Song Contest will nur unseren Blick stehlen, auf das, was wirklich wichtig ist im Leben und wohin wir oft nicht schauen wollen.
 
Sind wir alle zu Stein geworden, dass wir den Nächsten nicht mehr sehen?
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