Ich glaub, ich bin ein bisschen verrückt! Warum, ich liebe mein Fahrrad abgöttisch. Wenn ich manchmal so durch Wind und Wetter durch Köln fahre, dann wird es mir ganz warm ums Herz, wie gut und sicher es mich trägt.
Seit einem Jahr habe ich ein neues, gebrauchtes Fahrrad. Es war schon schwer, mich von meinem alten Fahrrad zu trennen. Es war lila und war mit lauter schwarzen Raben bemalt. Ich hatte es vor 20 Jahren von meinem Mann niggelnaggelneu zum Geburtstag geschenkt bekommen. Es war ein Stadtbike und man konnte schon recht schnell mit ihm fahren. Auf diesem Fahrrad habe ich meine beiden Kinder all die Jahre transportiert, als sie noch nicht selber fahren konnten und auch so manche schwer bepackten Taschen, wenn ich vom Einkauf gekommen bin. Es hat mich nur ein einziges Mal abgeworfen, bei Regen auf Kopfsteinpflaster. Da bin ich weggerutscht, wollte mich noch abstützen, aber bin dann so richtig mit dem Gesicht nach unten gedrückt worden. War schon ein merkwürdiges Gefühl!
Das Schweizer Wort für Fahrrad „Velo“ finde ich eigentlich viel, viel schöner, als unser einfaches „Fahrrad“. Ich hab mal nachgeschaut, dass das Fahrrad das erste mechanische Individualverkehrsmittel war. Nach der Nähmaschine war es das zweite technische Serienprodukt. Ich glaube, wenn ich mich nicht irre, gibt es das Fahrrad jetzt ca. 200 Jahre, aber ich bin mir nicht sicher. Es gab wohl viele Falschmeldungen. Schon Leonard da Vinci soll eine fahrradähnliche Konstruktion gezeichnet haben. Hab ich auch mal gesehen in einem kleinen Museum in Assisi. War schon sehr beeindruckend.
Als ich das alte, neue Fahrrad bekommen habe, musste ich mich erst mal an die andere Fahrweise mit ihm gewöhnen! Es hat viel schmalere Reifen und einen höheren Lenker. Ich habe dem alten noch sehr hinterher geweint. Voriges Jahr im Dezember hatte ich einen heftigen Unfall. Da hat mich das neue Fahrrad nämlich arg im Stich gelassen. Auch wieder bei Dunkelheit und Regenwetter. Da wollte ich auf der Inneren Kanalstrasse so einen kleinen Bordstein hochfahren und da ist das Hinterrad komplett weggerutscht und ich bin ziemlich heftig gestürzt. Bin zuerst gar nicht hochgekommen, war überall voll Blut. Ein Taxifahrer hielt sofort an und wollte einen Krankenwagen holen, aber ich stand so unter Schock und meinte zu ihm: „Ne, lassen sie das bloß bleiben, sonst lässt mich mein Mann nie mehr mit dem Fahrrad abends allein auf die Strasse“! Bin dann noch nach Hause, aber am nächsten Morgen musste ich dann doch ins Krankenhaus und da wurde dann eine Gehirnerschütterung und ein Hals-Wirbel-Trauma festgestellt. Außerdem hatte ich überall Prellungen, vor allem an den Beinen, die sind heute noch nicht weg. Trotzdem habe ich mich eine Woche später schon wieder drauf gesetzt. Bin halt stur. Und was witzig war, als ich hier auf dem Nikolausmarkt in Nippes war, sprach mich ein Herr an und fragte mich, ob es mir gut ginge. Auf meinen fragenden Blick hin, sagte er mir, er habe mir doch an dem Abend des Unfalls geholfen und noch gedacht, die kenne ich doch die Frau, die ist doch aus Nippes. Komische Zufälle, man kann noch nicht mal unbemerkt vom Fahrrad fallen!
Also man sieht, mit dem Fahrrad zu fahren ist nicht ungefährlich. Ich fahre im Jahr so ca. 3000 km mit dem Rad durch Köln. Die längste Strecke ist bis zum meinem Hausarzt in Rodenkirchen-Weiß. Die Fahrt ist besonders schön am Rhein entlang. Im vorletzten Winter bin ich schon morgens um 7.00 Uhr los und als ich bei ihm ankam, hatte ich kleine weiße Eisperlen überall in der Kleidung, so kalt hat der Wind geblasen und es hatte ja auch gefroren.
Trotzdem macht es mir Spaß bei Wind und Wetter zu fahren. Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit, wenn ich mich überall hinbewegen kann, mit meiner eigenen Muskelkraft. Das liegt aber auch in der Familie. Auch meine Mutter ist schon immer mit dem Rad unterwegs gewesen. Selbst jetzt, wo sie so krank ist, nimmt sie es mit, auch wenn sie es jetzt oft nur noch schiebt.
Manchmal erinnere ich mich an meine Kindertage, wo wir uns an den Nachmittagen in unserer Siedlung getroffen haben und lauter Kunststücke mit dem Fahrrad geübt hatten. Beine über die Lenkstange, während der Fahrt hinstellen und ein Bein hochheben oder ganz einfach ganz nach hinten setzen, auf den Gepäckträger. Und man glaubt es kaum, auch heute, wenn ich richtig gut drauf bin, fahre ich wie ein König freihändig und manchmal lege ich auch noch die Beine über die Lenkstange. Dann kriegt mein Mann immer die „Begabung“, wie man in Köln so schön sagt.
Abgesehen vom Umweltaspekt ist das Fahrradfahren ja auch dem eigenen Körper zuträglich. Man macht Sport einfach so nebenbei und ist ständig an der frischen Luft. Wenn ich den Wind auf der Haut spüre und selbst der Regen mir ins Gesicht klatscht, dann fühle ich mich so richtig gut. Ich bin dann ein Teil der Natur. Wenn ich morgens aus dem Haus fahre, habe ich oft ein Lied auf den Lippen und manchmal schauen mir die Leute hinterher.
Ach, es gibt so vieles zu erzählen, was man so alles auf dem Fahrrad erleben kann! Mit dem Fahrrad durch Köln fahren ist einfach so schön. Und mein größter Traum wäre einmal mit dem Fahrrad quer durch die Welt zu fahren. Ich bräuchte nur noch einen Sponsor!
Also, auf meinem Fahrrad bin ich König.