Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
15. Oktober 2008 3 15 /10 /Oktober /2008 17:31

Weiß man morgens was der Tag bringt? Gut, die  Arbeit, die Verpflichtungen, aber dazwischen gibt es Vieles, was geschehen kann, was unerwartet passiert, man hat nicht damit gerechnet, eine Begegnung, ein Lächeln mit einem Wildfremden oder einfach ein Geschenk!
 
Bei mir war es heute mal wieder so. Ich stehe vor dem Kleiderschrank. Was ziehe ich an, ist ja schließlich ein Bewerbungsgespräch. Nach langem hin und her, egal, du bist, wer du bist, denke ich, zieh an, was du immer trägst. Gesagt, getan. Auf das Rad und ab!
 
Durch den Grüngürtel im Norden ans Rheinufer. Mensch, was für ein schöner Tag heute. Der letzte vielleicht. Der Herbst hat bunte Blätter auf den Asphalt gewirbelt, die Luft, immer noch mild, zersaust meine Haare, ich verspüre Fernweh. Ich sause das Rheinufer entlang, fahre kleine Kurven über die blätterübersäten Straße.
 
In meinem Ohr singt Starsailor:" Do you see, what i see!" Und da seh ich sie schon von weitem, leuchtend, bunt, in ihren dunkelroten Sari gehüllt. Ein Leuchten auch über mein Gesicht, ja ein Strahlen. Eine Inderin denke ich. Ich komme ihr nahe und bremse mein Rad ab, stehe vor ihr, lache sie an und bekomme das Lächeln zurückgeschenkt. "Where do you come from?" frage ich sie. Zu meinem Erstaunen erwidert sie mir in gebrochenem Deutsch.
 
Sie erzählt, sie komme aus Mombay, ist mit ihrem Mann ein paar Tage in Köln, da er sich hier bei einer Firma vorstellen muß, die mit einem Partner in ihrer Heimatstadt zusammenarbeitet, daher auch ihre kleinen Deutschkentnisse. Er sei unterwegs in diesem Moment und daher nutze sie die Gelegenheit, sich ein bißchen unsere Stadt anzusehen! Lustig, denke ich, ich bin auch unterwegs zu einem Bewerbungsgespräch! Erzähl ich ihr auch, auch dass ich gerade in Indien war und schwups, sind wir in ein längeres Gespräch vertieft. Ich hab ja noch Zeit, bin eh viel zu früh.
 
Und da ergreift sie die Gelegenheit und lädt mich einfach zu einer Tasse Kaffee ein. Ich bin sprachlos. Klar, ich sage zu und ehe ich mich versehe, sitze ich mit ihr in einem kleinen Cafe Nähe des Domes. Ich erzähle von meiner Reise, sie erzählt mir von ihrer Heimat, ihrer Familie. Sie hat zwei Kinder, die jetzt von der Schwiegermutter betreut werden. Ob sie auch "verheiratet" wurde, frag ich sie. Nein, lacht sie, sie habe frei gewählt, aber sie weiß, dass es noch immer viele Zwangsehen in Indien gibt. Aber nicht immer seien das die schlechtesten Ehen.
 
Ja klar wir kommen auch auf Köln zu sprechen. Wie ihr die Stadt gefällt, frag ich sie. Wunderschön, wunderschön sagt sie, alles so sauber, adrett und ordentlich, klein und überschaubar. Sie fühle sich wohl, könne sich vorstellen, für eine Zeitlang hier zu leben! Für die Kinder würde es nicht einfach werden, aber was ist schon einfach im Leben, sagt sie. Es sei gut, dass die Kinder lernen, dass das Leben Probleme birgt, aber das man es schaffen kann, sie zu bewältigen.

Und der Dom, fasziniert sei sie vom Gerhard-Richter-Fenster gewesen. Ich erzähle ihr, dass es bald eine Ausstellung geben wird von diesem auch von mir geschätzten Künstler. Kunst, sagt sie, sei die Verbindung zwischen Mensch und Kultur, Kunst drückt das Wesen, das Geschehen im zwischenmenschlichen Bereich aus, aber auch alles, was auf dieser Welt geschieht. Kunst hat immer eine Botschaft, jedes Bild, jede Fotografie, jede Skulptur. Und so plaudern wir noch eine ganze Weile, kommen von Hütchen auf Stöckchen. Und ehe ich mich versehe, ist eine Stunde vergangen, ich schaue auf die Uhr und muß mich leider verabschieden. Aber ihre Adresse hab ich bekommen, wenn ich nochmal nach Indien kommen sollte, dann darf ich sie besuchen. Ja, und tatsächlich, wir umarmen uns beim Abschied und sie sagt ganz leise:" Danke, jetzt fühle ich mich nicht mehr als Fremder in deiner Stadt!" Ich lache sie an und sage:" Ja, auch Indien war für mich eine Zeit lang meine Heimat". Meine Heimat ist immer da, wo es Menschen gibt, die sich anschauen, wahrnehmen und aufeinander zugehen.
 
"Do you see, what I see", singt es wieder in meinem Ohr. Glücklich, über diese kleine Begegnung fahre ich von dannen. Ja, ich sehe und dass ist schön!
 
Pünktlich bin ich auch noch, sogar zehn Minuten zu früh und die Personalleiterin begrüßt mich freundlich. "Sie strahlen ja", sagt sie, als sie mir die Hand schüttelt. "Was haben Sie denn Schönes erlebt?" "Och"; sag ich, "nur eine kleine Begegnung, einfach so, mitten im Alltag, weiter nichts. Aber schön war´s!"
 
Es scheint mein Glückstag zu sein. Ich hab den Job! Wenn auch nur befristet, aber was soll´s, wieder eine Erfahrung mehr in meinem Leben und wer weiß, was daraus wird.
 
Und immer noch glücklich setze ich mich wieder auf mein Rad, fahre beschwingt am Rheinufer nach Hause. Das Leben ist schön, gerade deswegen, weil man morgens nie weiß, was der Tag bringt! Ich wünsche mir noch viele solcher Tage!

Diesen Post teilen
Repost0

Kommentare