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10. Februar 2009 2 10 /02 /Februar /2009 13:00
Er fühlte sich wie jeden Morgen. verschlafen, sein Kopf dumpf vom Alkohol der letzten Nacht. Er hatte es mal wieder übertrieben, obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht mehr so viel zu trinken. Aber dann umhüllte ihn wieder diese Einsamkeit, diese innere Leere, an die er nicht ran kam, die er nicht wußte aufzufüllen.

Jeder Gang am Tag fiel ihm schwerer und schwerer. Er spürte die Ablehnung, die Blicke, die Gesten, die ihm entgegengebracht wurden. Er befand sich auf dem Abstieg. Er spürte es, konnte dennoch nichts dagegen tun. Ihm fehlte die Kraft. Er hatte schon lange keine Freude mehr verspürt. Worüber auch.

Sein monatlicher Gang zur Arbeitsvermittlung war erfolglos. Er gab kein gutes Bild ab. Sein Anzug war lange aus der Mode gekommen. Er sah, dass er sich nachlässig kleidete, aber auch daran änderte er nichts. Er merkte, wie er sich selber immer fremder fühlte. Es wohnte keine Freundlichkeit mehr in ihm, auch für sich selber nicht. Wozu sollte er sich pflegen? Wen interessierte es, wenn es ihn selber nicht mehr interessierte. Woher nahmen bloß all die anderen die Kraft, einfach weiter zu machen, Tag für Tag. Wieso hatte er sie nicht.

Er schlüpfte schwer in seine Schuhe, hob die am Boden liegenden Bierflaschen auf, die er letzte Nacht in sich hin ein gekippt hatte, leerte den Aschenbecher und brachte sie in den Müll. Das schaffte er gerade noch. Er machte den Kühlschrank auf, um etwas Eßbares zu finden. Gähnende Leere empfing ihm. Er mußte einkaufen, hatte aber keine Antrieb. Er zappte in das Fernsehprogramm, aber seine Aufmerksamkeit wurde nicht gefesselt. Alles leere Worthülsen, die ihm da entgegenkamen. Er schaltete den Fernseher wieder aus, ging in den Flur und zog sich seinen Mantel an.

Seine Schritte, benommen, immer noch unter dem Einfluß des Alkohols, suchten sich ihren Weg. Müde, lustlos, melancholisch und zerstreut strich er durch die Straßen, hin, zu seiner Kneipe. Immerhin, da warteten sie auf ihn. Das erste Bier und der Klare, er vergaß seinen Hunger. Die Gespräche ödeten ihn an, irgendwann merkte er nicht mehr, dass er mittlerweile lallte. Dann schlug die Stimmung um, er wurde aggressiv, er spürte es, konnte aber nichts dagegen tun. Es endete wie immer, irgendwann, zur fortgeschrittener Stunde, schmiß sie ihn raus, die Wirtin.

Er zog seinen Mantel vom Hocker, den er zuvor achtlos darübergeworfen hatte und suchte das Weite. Die Helligkeit schmerzte in seinen Augen, er mußte blinzeln.  Mechanisch suchten seine Füße den Weg nach Hause, er fühlte sich nicht ihrer Herr. Wohin sollte er auch sonst gehen?

Er hätte jetzt weinen können, in diesem Moment, über sein Elend, das in ihm wohnte. Diese Gefühle von Schmerz, Zerrissenheit, Traurigkeit und Unlust. Nichts schien ihn mehr am Leben zu halten.  So in Gedanken versunken, trotte er die Straßen entlang. An der Ecke, ja, er wußte es noch genau, welche Ecke es war, da, wo der Friseur war, später erinnerte er sich daran, da stieß er mit ihr zusammen. Er blickte auf, für einen Moment, herausgerissen aus seinen ihn runterziehenden Gedanken, aus seiner Lethargie, seiner Schwere. Und er sah ihr Lächeln, für einen Moment. Ihr Strahlen auf dem Gesicht. Er kannte sie. Er sah sie öfters. Sie entschuldigte sich. Wofür, es gab doch nichts zu entschuldigen. Sie hatten beide nicht aufgepaßt. Waren  beide in ihren Gedanken woanders gewesen. Da passiert so was. Wenn sich einer nicht entschuldigen brauchte, dann sie. Er kannte sie, obwohl er sie natürlich nicht kannte. Aber sie begegnete ihm oft, über den Tag. Manchmal morgens. Wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit. Manchmal aber auch spät abends. Sie war wohl viel unterwegs, sie konnte sich noch amüsieren, hatte wohl noch Freude am Leben. Freude, die ihm verloren gegangen war. Aber er sah es ihr an, an ihrem Lächeln. Wenn er auch sonst nichts mehr wahrnahm, aber diees Lächeln, das erreichte ihn. Noch! Wie lange noch.

Später, als er Zuhause auf seinem Sofa saß, die dritte Flasche war geleert, seine Augen glasig, ziellos herumwanderten, war er plötzlich sicher. Ja, jetzt wußte er es. Sie war es, auf die er wartete. Tag für Tag. Nur, um dieses Lächeln zu sehen, für einen Moment. Ob sie wohl wußte, dass dieses Lächeln ihn sein Leben rettete? Ob er es ihr mal sagen sollte? Ob er sich das wagte. Er nahm es sich vor, beim nächsten Mal. Wenn er wieder scheinbar ziellos durch die Straße wanderte, aber jetzt wußte, dass er sie suchte. Vielleicht war es auch gar nicht sie selbst. Nur dieses Lächeln. Ein kleines Lächeln, dass er aufsog, wie ein Ertrinkender. Er würde gern in ihren Armen ertrinken. Wenigstens das, wäre ein schöner Tod.

Ein Lächeln nur, kann vieles verändern im Leben.

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