Sport ist Mord. So soll ja der olle Winston Churchill gesagt haben. Diese Erkenntnis, warum auch immer, hat sich aber dann erst in seinen späteren Jahren wohl in ihm manifestiert. In jungen Jahren war er sportlich doch auch sehr aktiv. Im Fechten zum Beispiel, der Sportart der Trojanow, dessen Buch ich heute empfehlen möchte, als einer der edelsten Sportarten bezeichnet, konnte er recht gute Erfolge erzielen. Später im Dienst als Husarenleutnant dann auch beim Polo. Nebenbei bemerkt, ein besonders guter Schüler war Churchill nie gewesen. Was wiederum einmal deutlich aufzeigt, Schule ist ein Muß, aber letzten Endes nicht alles, will sagen, auch ohne großartige Abschlüsse kann der Mensch im Leben sein sich gesetztes Ziel, welches immer das auch sein mag, erreichen.
Zu einem guten Leben hat für mich immer schon sportliche Betätigung dazu gehört. Obwohl mich meine sportlichen Aktivitäten nicht immer vor körperlichen Beschwernissen bewahrt haben, bin ich doch immer am Ball geblieben.
Meine Vorliebe sind die Bewegungssportarten. Joggen, Walken, Radeln, Schwimmen, Wandern, Rollschuh- und Schlittschuhlaufen. Zum Skifahren hats nie gereicht. Vielleicht deswegen, weil diese Sportarten mir immer ermöglicht haben, mich von einem Ort fortzubewegen und an einem anderen anzukommen, mit eigener Kraft.
Wer Sport mag, sollte sich unbedingt das Buch von Ilija Trojanow *Meine Olympiade ...Ein Amateur, vier Jahre, 8o Disziplinen zu Gemüte führen. Mir hats ungeheuer Spaß gemacht einen Einblick in diese vielfältigen Sportarten, die er hier in diesen Jahren trainiert hat, zu bekommen.
Direkt zu anfangs erzählt er, wie er sich im Sommer 2012 wie viele Milliarden anderer Zuschauer vor dem Fernseher auf seinem Sofa herumlümmelte und sich die Wettkämpfe von diversen Sportarten anschaute, von deren Existenz er bislang nicht mal wußte. Und je länger er zuschaute, um so mehr wuchs seine innere Unzufriedenheit. Was er sah, erschien ihm entweder zu schwer oder zu einfach. Vor allen Dingen konnte er die erzielten Leistungen überhaupt nicht einschätzen. Aber wer kann das schon. Richtige Sofafussballprofis wissen natürlich immer, wie der Schuß richtig hätte ausgeführt und platziert werden müssen. Das kennen wir ja. Trojanow fragte sich, wie wird ein Schlag, Stoß oder Wurf perfekt ausgeführt. Wie kommt der Sportler, der da vor unseren Augen unvorstellbare Ergebnisse in jedweder Sportart erzielt, überhaupt dahin. Wie ist seine Lebensgeschichte verlaufen, die ihn dahin gebracht hat, welche Mühen und Resignationen, wiederaufkeimender Ehrgeiz, Wille und Stärke mussten da wohl zum tragen gekommen sein. Natürlich geht er auch auf die Geschichte des Dopings im Sport ein. Aber vorranging begegnen wir der Entstehung der olympischen Sportwettkämpfe im alten Griechenland. Ein wenig wußte ich schon aus meinem Besuch im Sportmuseum hier in Köln, klein aber fein, die einen Querschnitt aus der Vergangenheit bis ins heutige Zeitalter über die Entwicklung des Sports zeigt. Ein empfehlenswerter Besuch, wer einmal in Köln verweilt.
Ein schönes Zitat zu anfang des ersten Kapitels von Diogenes führt in die fast 400 Seiten lange Erzählung über seine Erfahrungen mit den Disziplinen ein.
*Worüber freust du dich, fragt Diogenes einen jungen Mann.
Ich habe bei Olympia den Sieg davongetragen, antwortete dieser voller Stolz,
ich habe alle besiegt.
Was für eine Ehre ist es, versetzte Diogenes, Schwächere zu besiegen!*
Pierre de Coubertin sagte 1908 in London, das Wichtige bei den Olympischen Spielen ist nicht das Siegen, sondern das Teilnehmen. Und das Wichtige im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf. Das Wesentliche ist nicht, gesiegt, sondern gut gekämpft zu haben. Welche wahre Worte, die nicht nur für das sportliche gilt, sondern auch für das gesamte geführte Leben.
Und dass, wie auch immer, von sportlichen Aktivitäten auf Verhaltensweisen des Lebens abgeleitet werden kann, begenen wir natürlich noch oft in seinem Buch, wenn er von den eigenen Erfahrungen erzählt, die er mit seinen Trainingseinheiten in diesen vielfältigen olympischen Disziplinen hat machen können.
Er beginnt mit dem Schwimmsport, Freistil, Rückenschwimmen, Brustschwimmen, Schmetterling, Freiwasserschwimmen. Dabei stellt er z.B. fest, dass Schwimmer nicht ins Wasser eintauchen, sondern sich ins eigene Ich vertiefen. Wer jahrelang drei, viermal die Woche morgens einen Kilometer in einem Schwimmbad seine Bahnen gezogen hat, kann das nur bestätigen.
Danach geht es auf dem Wasser weiter, Kanuslalom im Wildwasser, Kanurennsport, Kanadier, Rudern, Segeln, Windsurfen.
Ich wußte echt nicht, dass diese letzteren olympische Disziplinen sind. Noch nie gesehen. Zumeist bleib ich an der Leichtathletik hängen. Umso interessanter gerade diesen Ausführungen zu folgen.
Weiter gehts mit Hauen und Stechen, Boxen, Fechten (Fechten ist Schach auf zwei Beinen), Ringen, Judo, Taekwondo.
Mit Begeisterung hab ich interessiert den Ausführungen zu den Satteldisziplinen gelesen, Radfahren auf der Bahn, auf der Straße, mit dem Mountainbike, auf dem BMX, dem Sattel auf dem Pferd, Springreiten, Vielseitigkeitsreiten.
Es folgen Gewichtheben, Turnen an den Ringen, am Reck, auf dem Boden, dme Barren, dem Pauschenpferd und dem Sprungbrett, dem Trampolin.
Warum er das Wasserspringen nicht dem Schwimmen zugeordnet hatte, hab ich am Ende nicht verstanden. Denn dieses Kapitel kommt tatsächlich erst nach dem Turnabschnitt.
Am Ende nun die Leichtathletik, Diskuswurf, Speerwurf, Kugelstoßen, Hammerwurf, Weitsprung, Hochsprung, Stabhochsprung, Laufen, 100m, 200m, 400 m, 800m, 1500m, 5000m, 10000m110 m Hürden, 400 m Hürden, 3000 m Hindernis, 20, 50 km Gehen, Marathon.
Eine Fülle, die mir insgesamt nicht bewußt war. Eine Fülle auch an Erfahrungen, die Trojanow hier über seine Traininsgerlebnisse erzählt, die jedem Laien alle diese Sportarten nicht nur näher bringt, sondern ein neues Interesse für die eine oder andere Disziplin weckt.
Wie arm die Berichterstattung von Sportveranstaltungen in unserer Zeit in den Medien publiziert wird, wird einem beim Lesen des Buches noch deutlicher vor Augen geführt. Und der Mensch ist nunmal ein Herdentier, was ihm vorgeworfen wird, das frißt er eben.
Also wie immer, ich könnt hier noch tausende Dinge erzählen, die mir beim Lesen durch den Kopf gegangen sind. Will aber nicht den Rahmen sprengen, sondern einfach Lust auf dieses Buch und den Sport machen. Und vielleicht wirft der ein oder andere ja nach dem Lesen das Buch sofort in die Ecke, zieht sich seine Laufschuhe an und rennt und rennt und rennt,-)
Das ein oder andere Mal konnte ich den Gedanken nicht verwehren, obwohl ich das sonst nie tue, mir zu wünschen, ich wäre noch einmal ein Stückchen jünger, um die ein oder andere Sportart zu erlernen, trainieren, wie auch immer. Aber wie mit allem beim Älterwerden, es muss viel verabschiedet werden.
Trojanow selber war übrigens schon Ende 40 als er mit diesem vier Jahre währenden Training all dieser Sportdisziplinen verbrachte. Sein starker Wille hat ihm verholfen, alle durchzuziehen. Und ehrlich hat er seine Wettkampfergebnisse natürlich in jeder Sportart gegenüber dem Olympiasieger aufgezeigt. Manche waren nicht mal so schlecht und bei manchem konnte dann schon erkannt werden, welches Maß an langem und hartem Training eine Sportart wohl gebraucht hat, um dorthin zu gelangen, wie der Rekordhalter.
Zum Schluß noch ein kleines Zitat von Bill Bowermann, Trainer und Mitbegründer von *Nike*
Laufen, köntnte man sagen, ist ein absurder Zeitvertreib. Aber wer einen Sinn im Laufen findet, der wird auch einen Sinn in einem anderen absurden Zeitvertreib finden: Dem Leben*
Und ja, nicht zu vergessen: Am 9. Februar beginnt die Winterolympiade in Südkorea. Da werd ich sicherlich das eine oder andere Mal hingucken.
Sonntagmorgen. Wie immer, ist es um mich herum still und freundlich, trotz des grauen Himmels und dem Regen, der leise vom Himmel fällt.
Und wie immer, nach meinem kleinen Lauf am Rhein entlang, im frühen Morgengrauen, überall nach Wegen suchend, denn das Hochwasser hat immer noch die Macht über so manche Wege. Gegen die Natur kommt der Mensch halt nicht an. Sie macht, was sie
will.
Zuhause angekommen. Still in der Wohnung. Das ganze Haus scheint noch zu schlafen. Wie immer an einem Sonntagmorgen. So viele Menschen wohnen in meinem Haus, doch zumeist höre ich keinen. Jeder lebt wohl still, so wie ich, in seiner kleinen Höhle. Mir gefällt das.
Ich mache Musik an. Chopin. Nocturnes. Meine Sonntagsmorgenmusik. Ich spüre, wie allein ich bin, hab gar nichts dagegen. Ich spür mich ganz und gar.
Nach dem kleinen Frühstück trete ich auf meinen Balkon. Von dort hab ich auch einen Blick auf eine kleine Kirche. Nein, keine Kirche im üblichen Sinne. Die Kirchenräume sind in einem ganz normalen Mietshaus untergebracht. Es ist eine evangelische Freikirche, wie ich nach einer kleinen Inspektion bei einem Spaziergang festgestellt und das Haus umrundet habe. Mein Blick vom Balkon aus läßt mich ein riesengroßes hell erleuchtetes buntes Kirchenfenster sehen. Es war sicherlich mal ein Herrschaftshaus für die gehobene Klasse, die einen solches wohl hat bewohnen dürfen. Ich schaue gern dieses bunt erleuchtete Kirchenfenster an.
Dort findet gerade ein Gottesdienst statt. Nur dann sind die Fenster hell und bunt erleuchtet. Gottesdienst... Ich denke an die Zeit zurück, wo ich ebenfalls Sonntagmorgen für Sonntagmorgen und nicht nur an diesen, in ein Gotteshaus getreten bin, um mein Leben zu feiern. Aber die Dinge haben sich geändert. Es gab zu Vieles, das mir mißfiel. Am Ende konnte ich das viele Reden, teils mit erhobenem Zeigefinger nicht mehr hören. Zu laut, zu mahnend, zu viele *muß* und *soll*. Ich wollte meinen Weg allein gehen. Selber erspüren, was richtig oder falsch ist. Am Ende bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es weder das eine noch das andere gibt. Der Mensch geht seinen Weg und alles hat Konsequenzen. Und mit denen muss er dann leben. Im besten Falle sind die Konsequenzen das Ergebnis eines gutes Weges. Sind es problembereitende, schwierige, traurige, wie auch immer, dann müssen sie halt überwunden werden, versuchen auch aus diesen das Gute herauszufinden. Zumeist sind es die Erfahrungen, die dann bereichert haben. Du weißt jetzt bescheid. Dieser Weg nicht noch einmal.
Jetzt stehe ich hier. Das ist jetzt mein Gottesdienst. Hier zu stehen, allein, das alles um mich herum beobachtend und wahrnehmend und meinen Gedanken freien Lauf lassend.
Wenn ich meinen Blick um mich herum, nach oben in den Himmel oder einfach nur auf die Bäume und Sträucher werfe, dann sage ich oft so vor mich hin, wenn es etwas gibt, einen Gott oder wie immer man es auch benennen möchte, dann steh ich hier. Hier bin ich. Ich. In dieser Welt. Ich stehe hier, allein und gehe meinen Weg. Vielleicht, es gibt so viele *vielleichts* im Leben eines Menschen, gibt es etwas, das mit mir geht. Manchmal glaub ich es, ganz stark und fest, manchmal bin ich mir unsicher.
Unsicher bin ich mir nie, dass mir etwas geschenkt worden ist, was ich behüte wie meinen Augapfel. Und das ist ein kleiner Schatz. EIn Kleinod, oder wie immer man es auch bezeichnen mag. Dieser Schatz ist meine ganz ureigene Gabe, Schönes und Berührendes zu entdecken, mitten im Leben, im Alltagsgeschehen. Ich bin so froh darüber. Ich sag das nicht aus Eitelkeit, sondern aus Dankbarkeit, weil es nunmal so ist. Warum soll der Mensch nicht auch mal sagen, was ihm an sich selber am meisten gefällt und was er an sich schätzt. Denn ich brauche diese Wahrnehmungen wie das Brot gegen den Hunger. Diese kleinen, oft von den meisten unbemerkten und wenn doch, übergangenen kleinen Wundern von Schönheit in der Natur oder Begebenheiten im zwischenmenschlichen. Sie sind für mich ganz wichtige Botschaften. Botschaften die lebendig sind und nicht nur aus Worten bestehen.
Und wie ich da stehe und schaue und einfach nur da bin fallen meine Gedanken wieder zurück auf ein kleines Erlebnis, dass ich diese Woche bei einem Einkauf hatte. Ich stand in einem Supermarkt meines Vertrauens für Kosmetik- und Hygenieartikel, der mit den zwei Buchstaben, an der Kasse in einer kleinen Schlange. Alle hatten es scheinbar, wie immer, eilig. Immer hat der Mensch es eilig. Ich lebe in der Entschleunigung, stellte ich wieder einmal fest, in diesem Moment, wo ich in die teils gehetzten und unmutigen Gesichter des einen oder anderen schaute.
Stoisch stand ich da, beobachtete, wartete, dass ich an die Reihe kam. In dem Moment, wo die Kassiererin meine Waren scannen woltle, trat von hinten an sie heran eine kleine, verhutzelte alte Dame. Ich schätzte sie so mitte 80. Mit einem Rollwägelchen kam sie angeschlurft, unbeholfen, mühselig kam sie ihres Weges. Entschuldigung, sagte sie zu der Kassiererin, ich habe gerade von ihnen diese Fotos abgerechnet bekommen. Schauen sie doch bitte einmal auf den Kassenbon. Da stimmt was nicht. Sie haben mir zu wenig berechnet. Die Kassiererin im ersten Moment sehr unlust5ig. Ich sah es ihr richtig an. Sie wollte eigentlich weiter machen. Die Schlange war recht groß. Aber die alte Dame ließ nicht locker. Was soll denn da falsch sein, meinte die Kassiererin zu ihr. Merkwürdig, dachte ich, immerhin sagte die Dame ja, der Irrtum würde zu ihren Lasten fallen. Aber das schien sie wohl nicht zu interessieren. Die Dame holte ungehindert ihres für den Moment sichtbaren Unmuts, Unlust, wie auch immer, die Bilder zum Vorschein und erklärte ihr, dass die Fotos, die sie hat machen lassen, einen Preis hatten, der deutlich höher war, als der, den sie, die Kassiererin, ihr berechnet hatte.
Die Kassiererin holte nun endlich alle Fotos heraus, ihre Preisliste, klärte es auch mit der Kollegin an der gegenüberliegenden Kasse durch Zurufen ab und musste eingestehen., stimmt. Sie hatte der alten Dame genau 6,95 Euro zu wenig berechnet. Oha! Kein großes Ding, also kein großer Betrag. Dennoch, in dem Moment veränderte sich ihr Gesichtsausdruck zu einem warmen freundlichen Lächeln der alten Dame gegenüber. Das ist aber sehr nett von ihnen, sagte sie ihr, dass sie extra noch einmal zurück kommen, um das klar und richtig zu stellen. Die alte Dame erwiderte, sie will sich nicht bereichern, das sei nicht ihr Ding. Ordnung muss sein. Alte Schule halt.
Auch ich musste während der ganzen Prozedur lächeln und auch mir war es ganz warm ums Herz, wie sie da stand, diese kleine alte hutzelige Dame um dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser ist. Ich hab mir auch gar keine Projektionen gemacht, ob die alte Dame finanziell gut gestellt oder eher das Gegenteil der Fall ist und sie es trotzdem tut. Das ist doch alles unerheblich. Was zählte, war diese unglaubliche Ehrlichkeit, die da aus ihr hervorbrach. Ich dachte, ob es wohl so angewandt werden kann: Wer im Kleinen ehrlich ist, dem kann man auch getrost in großen Dingen vertrauen. Ich weiß es nicht. Ich kenn die alte Dame ja nun nicht persönlich und somit auch nicht ihr Leben.
Die alte Dame zahlte nun den ihr zu wenig berechneten Kaufpreis und die beiden verabschiedeten sich mit netten Wünschen und einem feinen Dankeschön seitens der Kassiererin an die alte Dame, die diese bescheiden mit einem kleinen *keine Ursache* beantwortete, es ginge letzten Endes ja auch um sie in dieser Aktion. Das war schon eine kleine Überraschung für mich, diese Antwort. Denn natürlich hatte sie recht, es geht vor allen Dingen bei allem was der Mensch tut, um ihn selber. Er will sich ja am Ende des Tages noch in den Spiegel schauen können und am Ende seines Lebens ebenfalls. Nicht, dass ich ein Typ bin, der sich zermatert, wenn er tatsächlich mal was Unrechtes getan hat, das ist dann eben so gewesen. Das steckt in jedem Menschen. Wichtig ist nach der Erkenntnis, dass es in Zukunft besser gemacht wird.
Die Dame ging, ich war an der Reihe, die hinter mir verbliebene Schlange teils mit einem *endlich geht es weiter* in den Gesichtern, schauten nervös, ob ich wohl jetzt auch noch ein längeres Procedere einleitete. Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Aber bei mir gabs ja nichts. Ich sagte der Kassiererin, das war aber eine nette Begebenheit, das erleben sie sicherlich auch nicht alle Tage. Und sicherlich wird sie dieses noch eine kleine Weile in Gedanken begleiten. Vielleicht können sie es heute Abend ihrer Familie oder den Freunden erzählen. Solche Dinge muss man einfach weiter erzählen. Das Gute muss man weitergeben als, wenn auch ein kleines, Gegengewicht gegen all den Betrug, den Verrat, den Haß, den Menschen sich aus Eigennutz und Gier gegenseitig antun. Die Welt ist voll von schlechten Nachrichten und an den guten fehlt es zumeist.
So war diese kleine Begebenheit n einer Supermarktkasse ein kleiner lebendiger Gottesdienst. Keine großen Worte, sondern eine Tat, die mehr ist, als Worte sagen können. Genau, an diese Worte aus der Schrift erinnerte ich mich tatsächlich auch jetzt in diesem Moment, als ich auf meinem Balkon stand und diese kleine Begebenheit in mir wider lebendig wurde:
An den Taten sollt ihr sie erkennen!
Nicht viel reden, sondern tun. Und so hatte ich auch ohne dass ich ein Gotteshaus betreten hatte, in diesem Moment meinen ganz persönlichen Gottesdienst. Es braucht keinen Zeigefinger, keine ständigen Litaneien von Worten, kein Gebäude. Es braucht nur ein klein wenig Achtsamkeit für das, was vor der eigenen Nase geschieht und für sich selbst.
In diesem Sinne....meinen geneigten Lesern einen stillen, geruhsamen Sonntag!
Musik... Musik... Musik. Und jede Musik erzeugt in mir eine Gänsehaut. Musik muss meine Gefühle ansprechen, sonst hat sie verloren. Musik muss die Lebensfreude pur sein.
Und heute Morgen sitze ich hier, höre die Musik von Alt-J, auf deren Konzert ich gestern Abend mit meinem Sohnemann war. Es war ein Geburtstagsgeschenk von mir an ihn. Geburtstagsgeschenke, die gemeinsame Zeit schenken, sind die schönsten. Fand er auch. Er mag Alt-J, so wie ich und ebenfalls meine Tochter.
Für mich war es insoweit noch etwas ganz Besonderes, all die weil ich jetzt drei Wochen wegen eines Infektes ans Haus gebunden war. Ich habe in dieser Zeit fast Niemanden gesehen und gesprochen. Hab ganz für mich gelebt, auf mich gehört und Antworten auf viele meiner Fragen, die für meinen weiteren Lebensweg entstanden sind, bekommen. Krankheit ist nicht immer schlimm. Du kannst die Auszeit auch genießen, selbst wenn du dich matt und schwach fühlst. Wenn das Leben jedoch wieder in dir erwacht, dann ist eine so große Zärtlichkeit in dir für dein Leben, für das Leben, auch wenn du die Augen nicht verschließt vor dem Unbill, dem Unguten, das tagtäglich geschieht. Du kannst ja nichts dran ändern, ausser die Augen offen zu halten für das Gute.
So hatten wir gestern erst einmal einen wunderbaren Nachmittag zu Zweit, der Sohnemann und ich. Auch er hatte eine lange Zeit an dem selben Infekt herumlaboriert. Wir waren beide auf dem Weg der Genesung. Und nun stand das Konzert an im Palladium. Draussen hagelte es, abwechselnd sich in Regen und Schnee verwandelt. Dick eingemummelt maschierten wir den Weg zum Paladium gemeinsam unterwegs ins Gespräch vertieft.
Das Palladium war wohl ausverkauft, so meiner Schätzung nach. Volles Haus. Und ein gemischtes Publikum. Jung und Alt. Schön war das, zu sehen, dass Musik einfach an kein Alter gebunden ist. Ich bin ja eher der Typ, der gerne in der ersten Reihe steht. Und so kam es zu einer kleinen Aushandelei zwischen uns wegen des einzunehmenden Platzes. Denn der Sohnemann schaut eher etwas weiter zurück in einer gewissen Distanz dem Geschehen auf der Bühne zu. Wir einigten uns also auf einen Platz an der Seite, ca. 4 Meter von der Bühne entfernt, von wo wir alles gut im Blick hatten. Das war in Ordnung für mich. Um uns herum gut gelaunte, in freudiger Erregung verharrende Besucher. Eine schöne Athmosphäre. Und unsere Sorge, dass wir möglicherweise das Konzert in zig hochgehaltenen smarthphones sehen müssen, zeigte sich im Nachhinein als nichtig. Nur ganz sporadisch tauchte mal eines in der Höhe auf, um einige Momente des Geschehens dort auf der Bühne festzuhalten. Ich gestehe, dass ich es auch ein Mal machte, um meiner Tochter, die gerade in London weilt und sich auf das selbe Konzert am kommenden Freitag in München freut, einen Eindruck zu schicken.
Ich gestehe, dir Vorband, Marita Hackmann, hackten wir ab. Sie erreichte uns nicht. Sehnsüchtig warteten wir auf Alt-J. Eine kleine Umbaupause, die wir nutzten um das muntere Treiben um uns herum zu betrachten und dann ging es los.
Die Bühne war in drei Teile, fast wie kleine Zellen, arrangiert. Jeder der drei Musiker, Joe Newman, Gitarre und Gesang, Gus.Unger Hamilton, Keybord und Thom Green, Schlagzeuger, der wohl die meiste Arbeit an diesem Abend verrichtete, mit seinen unzähligen kleinen Effekten am Schlagzeug und anderen Klangkörpern, die ich aus der Ferne gar nicht alle erkennen konnte, all die weil meine Brille nicht zur Hand war. Er wirbelte und wirbelte, die wahre Pracht. Diese kleinen Zellen sahen fast aus wie ein Gefängnis, in dem sich jeder der Musiker befand. Jedenfalls kam mir der Gedanke. Allein, eingesperrt, getrennt von den anderen. Die Stäbe, die wie ein Gitter zur nächsten Zelle wirkten, waren natürlich große Lichtstäbe, deren Effekte während des gesamten Konzertes in verschiedenen Farben ihre Wirkung taten und zur Untermalung der teilweise fast sakralen Gesänge eine Athmosphäre schafften, wie im Himmel, aus einer anderen Welt. Wie ich das liebe. Das in einer Musik wegschwebende Element, dass mich von mir selber wegführt zu einem Ort, den ich nicht kenne, aber der durch die Musik in einen Raum verwandelt wird, zu dem ich hineintanzen kann.
Alt-J- wurde 2007 in Leeds gegründet. Dort studierten sie Kunst und Literatur. Das wirkt sich auch in ihrer Musik insbesondere in ihren Texten aus. In vielen Songs ist die Poesie und die Bezugnahme auf große Literaten wie Shakespeare, Richard Llewellyn u.a. zu entdecken, es wird von Liebe, Hoffnung, Entwurzelung, Suche und Glück gesungen.
2012 gewannen sie den renomierten Mercury-Prize. Ihr Bandname ist übrigens zurückzuführen auf eine Tastenkombination, die auf englischen Mac-Tastaturen mit einem Dreieck, das darunter mit einem waagerechten Strich untermalt ist. Für die Band hat das eine besondere Bedeutung wie ich in ihrer Kurzbiografie bei wiki las. Es ist das sogenannte Delta-Zeichen und wird in mathematischen Gleichungen als Differenz verwendet.
Oha, dachte ich. *Differenz* was ja nichts anderes, wie Unterschied, Verschiedenheit bedeutet. Also es ist nicht nur das eine zu erkennen, es gibt Vieles, so bunt wie die Welt, so wie kein Mensch einem andern gleicht, auch keine Blume einer anderen, einfach nichts gibt es genauso wie eines, irgendwo ist immer ein kleines Detail zu finden, dass das eine vom vom anderen unterscheidet. Und ich finde, das paßt zu ihrer Musik. Jeder Song ist einzigartig. Es gibt so viel zu entdecken, an Klangrythmen, Harmonien, Gesangsnuancen, von A-capella bis spirituellem Chorgesang. Und auch die Gitarre wechselt mal ganz plötzlich von einer klassischen zu einer rockigen Variante.
Und wie ich war das gesamte Publikum verzaubert. Man wiegte sich im Takt mit der Musik und ließ sich von den bunten Lichtern, die wie ich meinte, nicht übermäßig eingesetzt wurden, sondern ganz harmonisch und leicht zur Untermalung, nur ab und zu ließ sie einen inneren Juchzer im Zusammenklang mit der Musik aufkommen. Alle waren wie gebannt. Wie schnell ein Konzert vergeht, in dem man ganz mit der Musik verschmolzen ist, ohne Ablenkung auf großes Theater auf der Bühne, empfand ich phänomenal. Man wünscht sich, anders wie bei der Vorband, es möge nie aufhören. Das dachte ich jedenfalls bei der Vorband, wann hören die endlich auf. Und auch von hinten hörte ich eine Stimme einer auch etwas älteren Frau, die sagte, Vorbands haben sie noch nie vom Hocker gerissen. Es ist wohl aber auch so, dass das nicht tunlich wäre, wenn die Vorband ähnliche Glücksgefühle und Euphorie hervorrufen würde. Das hat wohl System. Da hätte es dann die Hauptband tatsächlich schwerer. Nur einmal in meinem Leben habe ich so etwas erlebt. Es war bei einem Konzert von Supertramp. Natürlich waren die auch ganz großes Kino, sie mal live zu sehen, aber die Vorband damals, Gentle Giant, sprengte tatsächlich ihren Rahmen und ließen den Zuhörer gefangen nehmen.
In andere Welten verzaubert waren wir alle in dem Konzert. Jeder hoffte auf seinen Lieblingssong. Ich natürlich auch. Und als er kam, riefen im selben Moment eine ganz junge Frau und ich aus einem Munde, so wahnsinnig jetzt, so herrlich und wir schauten uns aus seligen Augen an. Vor lauter Glücksseligkeit bot sie mir ihr Bier an, das ich freundlich ablehnte. Ich kann bei einem Konzert weder was essen noch was trinken, Alles braucht meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration und das mich Hineinversenken in die Musik. Ich bin son Typ und bin fast immer ein ganz klein wenig genervt, wenn bei einem Konzert die Leute kwatschen und kwatschen über Themen, über die sie sich genauso gut irgendwann anders unterhalten können, oder gar ständig hin- und her rennen, um sich mit Bier nachzufüllen. Jedenfalls mein absoluter Lieblingssong kam *3WW* hach, so was Schönes. Überhaupt haben viele ihrer Songs etwas Sakrales, ich schrieb es vorweg ja schon, wie z.B. Pleader, man, ich könnte schreien vor lauter Glücksgefühl beim Hören dieser Songs.
Nach 1 3/4 Stunde jedoch war es zu Ende. Schnief. So traurig. Aber zufrieden und erfüllt strömte die Menge der Zuschauer zu den Ausgängen, was leider im Palladium immer etwas schwerlich geschieht, da der Vorraum zu den Eingängen recht schmal und klein ist, so daß ein Gedränge entsteht, bei dem ich mich nie ganz wohlfühle, aber da musste ich durch.
Wohlgestimmt und zufrieden begleitete mich mein Sohnemann noch nach Hause. Schließlich soll die Frau Mama sicher in ihrer Höhle ankommen. Unterwegs ein wenig reflektierend über das eben Erlebte. Aber auch das nicht im Übermaß. Weniger ist mehr. So dachte ich auch über mein Leben in diesem Moment auf dem Nachhauseweg. Welch wunderschöner Tag nach so langer Zeit. Und jetzt, während ich diesen kleinen Blog über das Konzert schreibe, höre ich natürlich Alt-J und bin noch ganz in dem Geschehen und Erlebtem. Das wird sich auch so schnell nicht ändern. Ich versuche mich immer in Menschen hineinzuversetzen, die ganz schnell zum Nächsten übergehen. Ich kann das einfach nicht, sondern harre erst mal lange bei dem aus, das ich erlebt und erfahren durfte.
Ein schönes Konzert, ich werde bei nächster Gelegenheit, die sich bieten würde, ganz sicher noch einmal in den Genuß verfallen. Auch Wiederholen wie das Widerkäuen ist einfach mein Art und Weise, wie ich durchs Leben gehe.
Also, falls irgendwo in der Nähe, es lohnt sich ein Besuch! Mein Töchterchen darf sich freuen. Und überhaupt, hab ich es schon geschrieben? Ich habe die wunderbarsten Kinder der Welt:)
Heute war ich früh auf den Beinen. In schummriger Morgendämmerung erwachte ich. Mit langsamen Füßen schritt ich zur Balkontür, die ich langsam öffnete und ein feiner weißer Flaum von Schneeflöckchen und liegengebliebener weißer Pracht auf den Dächern verzauberte mich. In meinem Blumenkasten entdeckte ich eine vom Sommer übrig gebliebene aufgegangene gelbe Blüte, wie ein eigenes kleines Leuchten hinein in die weiße Winterwelt. Ein Zeichen oder Mahnung, warte warte Winter, ich, der Frühling, komme wieder, du wirst nicht ewig hier verweilen.
Der Zauber verführte mich zu einem morgendlichen Lauf hinaus in die stille Welt. Schnell zog ich mir die Laufsachen an, nahm meine Stöcke in die Hand und schloss leise die Tür hinter mir. Niemand sollte von mir gestört werden, auch die Stille des Morgens nicht.
Mit sanften, dennoch schnellen Schritten lief ich los, hinein in die vor mir liegende Welt. Kahle Bäume schauten mich an, sagten nichts. Alle Vögel hielten ihre Schnäbel. Hie und da hüpfte ein Eichhörnchen über die Straße. Die Einzigen, die wohl immer beschäftigt sind.
An den Fenstern manchmal bunte Lichterketten, die einen großspurig, die anderen still und verschämt, wie wir Menschen auch oft, die einen laut und eitel, die anderen leise und zart, ihr Wesen zum Leuchten bringen.
Ein warmes Herz und Winter am ersten Advent. Was kann es Schöneres geben. Ich bin selig während all meiner Schritte im einsamen Morgen und nur das klack klack meiner Stöcke, das jedoch nicht entzaubert, ist das einzige Geräusch um mich herum.
Der Rhein plätschert still vor sich hin. Die Frachtschiffer hatten wohl auch keine Lust zu reisen, egal wohin. Einige seh ich ankern im Hafen weit vorne. Die Möwen sitzen friedlich auf den Brüstungen des Geländers und haben ihre Köpfe weit ins Gefieder gesteckt. Sind wohl nicht mal morgenhungrig.
Es wird nur eine kleine Runde heute Morgen, mir hats jedoch gereicht. Wohlig durchwärmt vom Lauf und von der Vorfreude aufs Anzünden gleich der ersten Kerze trabe ich heim durch die Verlassenheit der Welt. Von mir aus könnte sie so bleiben.
Da sitze ich an meinem Tisch, der schon so viel erlebt hat. Vor mir der Kranz mit den roten Kerzen, zart geschmückt. Feierlich ist mir zumute. Ganz herrlich still und friedlich ist es in mir.
Die Streichholzschachtel beäugend, innerlich vorgenießend, wenn ich sie zur Hand nehme und das Kästchen öffne über das Geräusch, dass sie macht, wenn ich sie öffne. Sandig ist der Klang des Öffnens. Ein chrrrrr ganz leise, macht es, als ich die Lade herausziehe. Ich mache sie noch einmal zu, um es noch einmal zu hören. Den Klang, chrrrr, wie er sich da lang durch die Stille meiner Wohnung zieht.
Ich habe mir das gar nicht vorgenommen, es war ganz einfach plötzlich da. Die Welt steht noch mal mehr still, wenn du sie still stehen läßt. Nur jede kleine Bewegung, jeden Handgriff langsam vollziehen, alles spüren, alles wahrnehmen.
Da lagen sie in der geöffneten Lade vor mir. Prall gefüllt, kleine Hölzer mit roten Köpfen. Manche Menschen müßten solche roten Köpfe beim Lügen und Betrügen bekommen, damit sie besser erkennbar sind, schon von weitem.
Dem Hölzchen in meinen Fingern spüre ich seiner Beschaffenheit nach. Ganz rauh fühlt es sich an, ein wenig splittrig an manchen Stellen. Gibt es wohl einen Qualitätsunterschied bei Streichhölzern? Gibt es gute und schlechte? Diese hier, die vor mir liegen, habe ich noch von meinem verstorbenen Freund. Sie sind bedruckt mit der Anschrift des Ratskellers in Kronberg im Taunus, der seinen Eltern gehörte. Er hat sie mir geschenkt zum Abschied als Erinnerung. Ich habe nicht mehr viel von ihnen. Sie neigen sich dem Ende zu. Habe sie alle verbraucht, weil ich das Anzünden mit Streichhölzern seit längerer Zeit dem Klicken eines Feuerzeuges vorziehe.
Auch mein Zigarettchen zünde ich mir gern mit einem Streichholz an. Die Zigarettchen, sparsam über den Tag verteilt, genieße ich dann. Es hat ein ganz anderes Geschmäckle, das Zigarettchen mit einem Streichholz anzuzünden. Es hat etwas Sinnliches, ja so empfinde ich es. Es zeugt von Weile, nicht von Eile, von Genuß und nicht von Muß.
Jetzt aber will ich nicht rauchen, sondern das Streichholz anzünden, um die erste Kerze an meinem Adventskranz leuchten zu sehen. Ich reibe es mit einem langsamen, aber doch starkem ratsch an der rauhen Reibungsfläche ab und zack hab ich eine kleine Flamme am Hölzchen. Mit langsamer Hand führe ich es zu meinem Kerzchen und sofort ist sie da, die Flamme des ersten Adventslichts. Dann ziehe ich die Hand zurück, halte die Flamme vor meinen Mund und blase sie langsam aus. Ein leichter würziger Brandgeruch steigt in meine Nase, den ich aufsauge. Mir ist es wohlig zumute. Die kleine Streichholzzeremonie hat etwas heimeliges, etwas, was nur mir gehört, was die Zeit hat still stehen lassen. So ist es.
Jetzt sitze ich da vor meinem Lichtlein und bin ganz still. Wieder still. Immer noch still. Schön ist das. Auf meinem kleinen Smarthphone summen die Nachrichten von denen, die ich kenne. Ich verspüre keine große Lust zu antworten. Wie ich das oft nicht zugleich tue. Manchmal nicht, weil ich nicht will, sondern weil ich nicht kann. Sofort immer eine Antwort parat haben. Erst viel später schaue ich nach.
Die Streichholzschachtel liegt da, obenauf das abgebrannte Hölzchen. Oft lasse ich es dort liegen. Ich mag es, wenn es da noch etwas verweilt und mich erinnert, an das, was da vorher war. Manchmal auch an gelebtes Leben, meines, Vergangenes. Auch an Menschen, die ich vermisse, die nicht mehr da sind, plötzlich oder erwartungsgemäß.
Und so bleibt es heut den ganzen Tag in und bei mir. Still und friedlich. Schon ist der Tag fast rum. Das Buch, liegt jetzt neben dem Adventskranz. Es ist ausgelesen. Alle Worte herausgenommen hab ich und wieder ein Stückchen reicher geworden.
Das nächste wartet schon auf mich. Die Bücher, meine allerbesten Freunde. Während ich sitze und meinen Gedanken hier dem virtuellen Äther überlasse kommt die Frage in mir auf: Hast du heute schon was erlebt Roeschen? Ich weiß nicht, woher sie plötzlich kam, diese Frage in mir.
Vielleicht weil ich am Morgen von einem lieben Schachemailpartner eine Antwort auf eine kleine Erzählung meinerseits bekam, die da lautete: "Da hast Du mal wieder sehr viel erlebt"
Und sofort kann ich die Frage mit Ja beantworten, auch wenn gar nix passiert ist und doch so viel. Das verstehe, wer kann! Erleben kann so Vieles sein.
Eine friedliche und stille Adventszeit, so gut wie es geht, wünsche ich allen meinen geneigten Lesern.
Erling Kagge, der Autor des Büchleins *Stille*, dass ich nun als letztes vorstellen und empfehlen möchte, ist Abenteurer, Rechtsanwalt und Verleger. Aber Vor allen Dingen ist er wohl Abenteurer. Als einziger Mensch bisher hat er die drei Extreme, Nord- und Südpol sowie den Mont Everest erreicht. Wenn er ein Buch über die Stille schreibt, kann man ihm wohl schon vorweg trauen und vertrauen, dass er weiß, worüber er schreibt und wie er über Stille denkt und die Notwendigkeit, sie sich zu nehmen.
In seinem Buch folgen wir in 33 Kapiteln seinen philosophischen Betrachtungen über den Zeitgeist und dem Unterschied zwischen äußerer und innerer Stille.
Als ich das Büchlein zur Hand nahm, hat mich sofort der einfache, weiße Buchumschlang gefangen genommen. Eine Wohltat für das Auge, dachte ich...Man sieht nur den Namen des Autors, das Wort *Stille* den Hinweis *Wegweiser* und den Namen des Verlages, in dem es erschienen ist. Ganz im Gegenteil zum Cover des Buches, wenn der Buchumschlag beiseite gelegt wird. Das sagt schon sehr viel aus, ohne etwas gelesen zu haben.
Ich denke, jeder von uns hat schon einmal die eigene Empfindlichkeit des Lärms um einen herum machen dürfen, diesen Wahnsinn Tag für Tag durch den Auto- und Flugverkehr, den Maschinen im Straßenbau zur Müll- und Abfallbeseitigung usw.usw... Wir könnten da vieles aufzählen. Dinge, die wohl nicht zu ändern sind. Was wir ändern können sind wir selbst.
Kagge weist in seinem Buch nicht unbedingt auf Entspannungstechniken hin, wie wir mit diesem Lärm von Außen umgehen können, angefangen von Yoga, Zen und anderen, kennen wir diese ja, viel wichtiger ist ihm die Stille in uns selber zu entdecken. Derer Anleitungen gibt es genug. Er sagt einfach nur: werdet still.
Als er den Entschluß faßt, ein Buch über *Stille* zu schreiben erzählt er davon seinen Kindern beim Sonntagsessen, dem einzigen Tag, bei dem die Familie gemütlich beisammensitzt und Zeit für das Miteinander und Gespräche hat. Seine Kinder waren der Meinung, Stille sei doch nichts, Stille sei einfach nur ein Ausweg, wenn der Mensch alles andere satt hat, ansonsten hätte sie keinen Wert. Und er bemerkt in ihren Aussagen wie seinen Kindern das Staunen verloren gegangen ist. Das Staunen, dass nur Kinder noch in sich haben, in dem sie aufmerksam wahrnehmen, neugierig sind und fragen. Und nun stellt er fest, staunen sie immer weniger.
Ist das Staunen den Menschen verloren gegangen? Und was hat das Staunen mit der Stille zu tun?
Worum es Kagge in seinem Büchlein geht ist die Stille in sich selber zu finden. Wie kann der Mensch diese Stille finden? Es ist ein einfacher Weg, sagt Kagge, man muss dafür nicht weit reisen oder eine besondere Technik anwenden. Der Mensch muss nur beginnen, sich Zeit zu nehmen, um das was er gerade an dem Ort, wo er sich befindet, beobachtet, wahrnimmt, es betrachtet und nur dass, sich nicht ablenken lassen von all dem, was sonst noch um ihn herumschwirrt. Es bedeutet auch nicht nichts zu tun, sondern in jedeweder Betätigung kann die Stille gefunden werden, wenn tatsächlich sich auch nur auf diese einzige Tätigkeit beschränkt wird.
Man könnte auf den Gedanken kommen, dass Kagges Büchlein eine moralisches Ansinnen hat. Wie böse doch die Welt ist, in der der Mensch absorbiert wird durch alles Mögliche. Aber davon ist er weit entfernt. Nach Ende der Lektüre wird man verstanden haben, dass es um einen Gewinn geht.
Wenn er Heideggers Zitat:* Die Welt verschwindet, wenn man darin aufgeht* zitiert, weist er auf die Qualität des wirklichen Erlebens hin, des anderen und des eigenen Seins.
Ich konnte seinen Ausführungen nicht nur gut folgen, sondern auch die Erfahrungen, die damit verbunden sind, nachvollziehen. Selber bin ich Einzelgäner und oft und sehr viel mit meinem Rad auf längeren Touren durch die Natur unterwegs. Auch mein langer Pilgerweg, völlig allein, auf dem Jakobsweg hat mich mit all dem beschenkt, was nach Kagge das Wichtigste im Leben ist. Sich selber aushalten in der Stille, den eigenen inneren Reichtum zu entdecken, aus dem heraus wir ganz anders leben werden. Innere Stille und Schweigen bedeutet auch, Antworten zu hören, die wir sonst nicht erhalten hätten.
Alleine sein, sich aushalten, zur Ruhe kommen, sich in der Stille entdecken, um wieder zu wissen, wer wir selber sind aber auch zu lernen, wirklich wahrzunehmen. Denn nicht alles ist so, wie wir in unserem oberflächlichen Sehen es meinen vorzufinden.
*kann ich der Welt nicht durch Gehen, Klettern oder Segeln entkommen, habe ich gelernt, sie auszusperren* so sagt Kagge am Anfang seines Büchleins.
Die Welt einmal aussperren, still zu sein, wann passt das besser als gerade jetzt zur beginnenden Weihnachtszeit.
Ja das ist mal einTitel von meinem Lieblingskrimiautor Friedrich Ani. Ich muss vorwegnehmen, ich bin kein großer Krimileser. Aber von Ani habe ich alle gelesen.
Friedrich Ani ist deutscher Schriftsteller. Sohn eines Syriers und einer Schlesierin, geboren 1959 in Kochel am See. Schon kurz nach seinem Abitur hat er Hörspiele und Theaterstücke geschrieben. Geprägt hat ihn sicher auch seine zivildienstliche Arbeit in einem Heim für schwer erziehbare Jungen, als auch seine Arbeit als Polizeireporter, die beide sicherlich einige Abgründe des menschlichen Seins vor ihm aufgetan haben und derer er sich in seinen Büchern bedienen konnte.
Bekannt und erfolgreich wurde er durch seine Krimireihe um den Ermittler Tabor Süden, der als Ermittler bei der Kriminalpolizei nach vermissten Personen forschte, später dann als Privatdedektiv diese Arbeit weiter verfolgte. Nach dem Abschluß seiner Süden-Reihe entwickelte er die Figur des Polonius Fischer, ein ehemaliger Mönch und einen blinden Kommissar namens Jonas Vogel und dessen Sohn Max, der in der Mordkommission arbeitete. Dass er ausgerechnet eine Figur, der einst ein Mönch war, spricht dafür, dass seine Texte in diesem Fall auch auf philosophische und zutiefst menschliche Erkenntniswelten zurückgreifen. Das macht seine Bücher für mich jedenfalls so interessant.
Hervorzuheben ist vor allen Dingen, dass seine Romane sich immer um die Gegenwart drehen, Ani greift Themenwelten auf, die unsere Zeit im Heute aufzeigen. Er beschäftigt sich mit aktuellen Geschehnissen, vor allen Dingen wird das deutlich in seinem Roman *German Angst, für den er 2001 den Deutschen Krimipreis erhielt. Kein deutschsprachiger Autor ist so oft wie Ani mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet worden. Und der Deutschlandfunk meinte in seiner Besprechung seines neusten Buches, dass ich heute empfehlen möchte *Die Ermordung des Glücks* dass auch dieses ebenfalls wieder preisverdächtig sei.
In *Ermordung des Glücks* sein zweiter Roman um den pensionierten Kriminalkommissar Jakob Frank wird das Glück ermordet aufgefunden. Das Glück ist der fröhliche Sohn einer Familie, der nicht nur ein großes Fußballtalent ist, sonern auch über eine musikalische Begabung verfügt namens Lennard. Lennard kommt an einem stürmisch-regnerischen Nachmittag von der Schule nicht heim und wird 34 Tage danach ermordet aufgefunden.
Jakob Frank, der ins einer Dienstzeit schon die Aufgabe innehatte, die Nachricht vom Tod eines Menschen an die Hinterbliebenen zu überbringen, geht dieser Aufgabe auch nach seiner Pensionierung nach. So auch hier im Falle des kleinen ermordeten Lennard. Frank ist ein zutiefst sensibler, nachdenklicher und reflektierender Mensch. Er weiß nicht nur um die Abgründe des Menschen sondern auch um erlittenen Schmerz. Und es geht ihm um so mehr darum, Menschen zu helfen, das Erlittene irgendwie ertragen zu können. Und er kann nicht von seiner Arbeit lassen, so scheint es mir. Er hat sie gern getan. Das Aufklären von Morden. Vier seiner Fälle sind im Unaufgeklärten verblieben. Bei diesem Mord möchte er auch seinen Kollegen helfen, dass der Mörder gefunden wird. Und so mischt er sich in der Ermittlungen ein. Die Ermordung des Glücks nenne ich einen Ermittlerkrimi. Es geht nicht um thrillerartigen Blutrausch, Morde am Stück, sondern um feinfühliges Hinterfragen der möglicherweise in Frage kommenden Täter, aber auch um Empathie mit den Hinterbliebenen. Aus dem Buch heraus kann gelesen werden, wie geht eine Familie, in diesem Fall mit dem Verlust des einzigen Sohnes, um. Diese Frage kann auf jedwede andere Lebenssituation angewandt werden. Wie gehen Menschen mit Verlust und Trauer um. Können sie sich herausholen aus der schwarzen Nacht des Schmerzes? Und wie kann das gehen?
Wortgewaltig empfinde ich diesen Roman, wortgewaltig in dem Sinne, dass er Worte findet für das Unaussprechliche, im Geheimen Verborgene. Er sieht was andere nicht sehen. Das ist seine Gabe oder Begabung, wohl herauskristallisiert aus seinen eigenen Lebensverlusten. Er weiß einfach, was Menschen empfinden und was Leid mit ihnen anrichtet.
Und so versucht er diesen Fall, der scheinbar bei der Spurensuche unlösbar auszusehen scheint, aufzudecken, den Mörder zu finden. Er kniet sich fast schon zwanghaft in Aussagen, Protokolle und Tatortsbesichtigungen hinein, um nach und nach dem Geschehen auf die Spur zu kommen.
Ob er am Ende den Mörder gefunden hat? Und ob das den Eltern des ermordeten Lennard hilft? Gibt es einen Frieden nach dem Schmerz im Menschen?
Aber lest selbst. Es lohnt sich. Die Ermordung des Glücks ist nicht nur ein Sofakrimibuch für schmuddelige Novembertage, sondern auch eine Anregung über wichtige Dinge des Lebens nachzudenken.
Eins ist sicher, es ist nicht immer der Tod, der dem Menschen das Glück raubt, es gibt sehr viele Dinge im Leben eines Menschen, die einem gestohlen werden können und somit das Glück vernichten. Es ist vor allen Dingen zu seinen Lebzeiten immer die Würde des Einzelnen, die ihm auf vielfältige Weise im Miteinander gestohlen wird und somit unmöglich macht, dass der Einzelne Zutrauen zu sich selber findet. Ich habe mich beim Lesen des Buches jedenfalls daran erinnert, in welchen Lebenssituationen mir das Glück für eine Weile gestohlen wurde.