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6. Januar 2019 7 06 /01 /Januar /2019 18:52
Harren und Hoffen sind die beiden Worte, mit denen dieses, für mich eines der schönsten Bücher, welches ich je gelesen habe, endet und dass mich oft zum Weinen gebracht hat, weil so Vieles, was Dumas vom Schicksal des Edmont Dantes, natürlich in anderer Art und Weise, einem im Leben doch selber passiert. Ein Buch, dass mich über viele Stunden mit seinen 932 Seiten von der Welt da draußen getrennt hat. Bei mir Zuhaus in meiner kleinen Höhle oder im Zug auf Hin- und Rückfahrt zu den Weihnachtsferien mit meinen Kindern.
 
Selbst dort, in schönem Beisammensein vieler Stunden, die auch Möglichkeiten zum Rückzug gaben, ließ ich es nicht aus der Hand. Dieses Buch wird mir nicht nur wegen seiner Geschichte niemals vergessen sein, sondern auch wegen der Erinnerung die es mir schenkt. Der Moment, wo ich mit meinen Kindern zusammen saß, jeder ging seiner Beschäftigung nach, wir hörten bei unserem Tun die Suite 1 von Bach, für mich das schönste Musikstück für ein Instrument, dem Cello, welches ich neben der Geige so liebe. Ein unvergeßlicher Moment des Zusammenseins voller Nähe und Herzenswärme, ohne dass ein Wort gesprochen wurde und ich mich unglaublich wohl gefühlt habe.
 
Das Buch von Alexandre Dumas erschien in den Jahren 1844 und 1846 als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift Les Journal. Und obwohl es einer der bedeutensten Werke der französischen Literatur ist, habe ich es erst jetzt zur Hand genommen, bin nie zuvor in die Gelegenheit gekommen. Anlaß gab mir der Film mit Robert de Niro *Sleepers*, den ich vor einger Zeit sah, in dem einer der Jugendlichen, die in einer Erziehungsanstalt Furchtbarem ausgesetzt waren, dieses Buch las und ihm so die Zeit des Schreckens  vergessen zu machen, ja, gerade zu half, sie zu überleben. Ich weiß ebenso um diese wunderbare Möglichkeit in Büchern Halt zu finden, wenn die Welt gerade unglücklich erscheint.
 
Ich weiß auch nicht warum. Vielleicht schreckte mich immer die Fülle der Seiten ab, denn als Mensch, der viel mit und an sich selber arbeiten mußte, eine Familie zu versorgen hatte, vielem anderen, aber vor allen Dingen als Buchhändlerin, die ständig damit beschäftigt sein muß, das Aktuelle zu lesen, damit es den Kunden, die, in all den Jahren habe ich das jedenfalls nie erlebt, nach klassischer Literatur suchten, Empfehlungen geben konnte. Denn der Mensch in unserer Zeit verlangt immer nach dem Neuen und mißachtet die Schätze der Vergangenheit, wie so mancher auch die Erinnerung an das Gestern verachtet. Aber was ist ein Leben ohne die Erinnerung nicht nur an die Geschichte der Welt, sondern auch an seine eigene, an Menschen, die nicht mehr bei einem sind, an glückliche oder traurige Momente.
 
Ein Abenteuerroman, so wird das Buch beschrieben. Und ja, es ist ein Abenteuer dieses Buch, wie das ganze Leben doch auch ein Abenteuer des Menschen ist, der durch diese Welt schreitet.
 
Die Geschichte von Edmont Dantes, der von einer Schiffsreise heimkehrte, voller Glück die Ladung seines Reeders gerettet zu haben, nachdem der Kapitän ums Leben gekommen ist, für den er noch auf seinem Sterbebett gekämpft hatte, dort auf der Insel Elba, wo Napoleon im Exil lebte und seine Rückkehr vorbereitete und Dantes, ohne es zu wissen, in diese Verschwörungspläne der Bonarpartisten mit hinein geriet, in dem ihm ein Brief anvertraut wurde, den er nach Paris überführen sollte. Niemand durfte von diesem Brief erfahren. Dantes schien am Anfang des Erfolges zu stehen. Der Reeder, Morrel, sein Chef, den er verehrte ernennt ihn zum neuen Kapitän und der Heirat mit seiner geliebten Mercedes scheint nichts mehr im Wege zu stehen.
 
Aber dieser Brief, das Versprechen, das er dem Absender gab, ihn an den Adressaten zu übergeben, stürzte sein Leben ins Unglück. Natürlich nicht nur dieser Brief allein, sondern der Verrat durch Freunde, die Korruption, die Habgier und die Machtgier der Menschen, die in seinem Umfeld lebten. Wir lesen mit Dumas auch die geschichtlichen Ereignisse bis zur Julirevolution 1830. Ich will dazu gar nicht so sehr viel sagen, dass kann ja alles nachgelesen werden.
 
Edmont Dantes wird nach Verrat und Heimtücke in ein Verließ des berüchtigten Gefängnis Chateau d If, einer Festungsinsel vor Marseilles gebracht, in der er 14 Jahre verbrachte. Dann für Tod erklärt. 
 
Ich möcht nun aber für all die, denen ich dieses Buch wärmstens ans Herz lege, wenn sie es noch nicht kennen, nicht mehr viel verraten, wie dieses Abenteuer des Edmont Dantes, der dann später zum Grafen von Monte Christo wird, verläuft.
 
Ich verpreche aber, dass es gar nicht anders sein kann, als dass diese Geschichte von Glück und Unglück, Liebe und Haß, Rache und Vergeltung, aber auch von Zweifeln, Hoffnung und Glaube einen nicht mehr losläßt.
 
Und sicher wie in allen Büchern, die über das Leben erzählen, gibt es immer Momente, wo sich selber in Frage gestellt werden kann. Ich hab viel über den Sinn der Rache nachgedacht. Ich denke, die meisten Menschen hätten Gründe genug dazu, nicht nur Rachgedanken in ihrem Inneren zu entwickeln, sondern auch den Wunsch sie zu vollziehen. Ja, in manch einem Moment hatte ich sogar den Gedanken, vielleicht kann nur der Antrieb Rache nehmen zu wollen den Menschen zu einem ganz anderen werden lassen, ohne sie jemals auszuführen. Sie kann vielleicht Ansporn sein, ehrgeiziger zu werden, als man es im innersten seines Wesens vielleicht ist. Fast bin ich in der Beschäftigung mit den Gedanken über Rache an einen Punkt gekommen, wo ich es ein klein wenig bedauert habe, niemals Rachegelüste empfunden zu haben, jedenfalls kann ich mich bewußt nicht daran erinnern. In einem Film mit Kevin Spacey, den ich vor einiger Zeit sah *Das Leben des Gale* wurde gesagt: *Wer Rache sucht, gräbt zwei Gräber* Vielleicht war es das, was mir imemr Angst gemacht hat, ich weiß es nicht.
 
Ich habe auch die Sprache geliebt, in der dieser Roman aus einem anderen Jahrhundert erzählt wird. So herrlich altbacken die Dialoge. Mir hat es größtenteils gefallen, mit welcher großer Distanz sich in dieser Zeit Menschen sprachlich begegnet sind, obwohl sie Freunde oder gar Ehepartner waren. Kaum mehr zu glauben in unserer  jetzigen Zeit, wo man immer und überall gleich auf Du und Du steht und es den Anschein hat, es gäbe keine Grenzen mehr zwischen den Menschen. Ich kann mich davon nicht immer ausnehmen. Auch ich überschreite sicherlich hin- und wieder diese Grenzen. Es ist doch schöner, wenn die Zeit der Annäherung zwischen Menschen langsam voranschreitet und nicht mit der Tür ins Haus gefallen wird, wenn es noch Werben und Umwerben gibt und noch Vorsicht waltet mit dem, was man dem Anderen gerne sagen möchte, wenn noch Sorge besteht, ob es nicht anstössig, unverschämt oder gar verletztend, zu neugierig, was auch immer ist. Kommunikation ist ein zerbrechlich Ding, weil ja nicht zerstört, sondern angenähert werden will.
 
Natürlich muß man es mögen, wenn Dumas, wie im Grafen von Monte Christo kein Zeitproblem hat, um Spannung aufzubauen, in dem er alles genau schildert, Örtlichkeiten, Ausstattung der selben, kleine Beschreibungen der Ereignisse, die einem möglicherweise unwichtig vorkommen, aber dennoch zum Ganzen dazu gehören, weil sie genau das ausmachen, was einen wie einen Sog in das Geschehen mit hineinzieht. Heute, wenn du mal etwas länger ausholst, wird einem immer gleich gesagt, komm zum Punkt. Zuhören kann nicht mehr jeder. Dabei gehört doch gerade das Ausschmücken eines Erlebnisses, auch wenn es, bei mir jedenfalls, ich kann nicht anders, zum Erlebten dazu. Und ich meine nicht das erfundene Ausschmücken, sondern all das, was so geschieht, bis zum wirklichen Höhepunkt des Erlebnisses gekommen wird. Doch in Zeiten von Twitter und Facebook oder whatsapp, Kurzmeldungen und der Gier nach immer neuen Informationen, möglichst mit Sensationscharakter, ist das Zuhörenkönnen zu kurz gekommen. Der Mensch hat es heute immer eilig. Auch beim Lesen, weil schon der nächste Roman winkt.
 
Er hat es auch eilig zum Ziel zu kommen, mit dem, was er erreichen will und wenn das Leben, das seine oder das Weltgeschehen nicht schnell so verläuft, wie er sich das vorstellt, gibt es Jammern und Klagen. Wie schnell geht das, gar solche Momente, wo man das Leben als nicht mehr lebenswert betrachtet. Ich zitiere mal einen Satz aus dem Grafen:
 
*Man hat es immer eilig mit dem Glück, Herr Danglars, dass wenn man zu lange gelitten hat, wird es einem schwer, ans Glück zu glauben*
 
Man müßte ein Buch schreiben über die *Ungeduld des Menschen* :)
 
Es gibt unendlich viele Lieblingsstellen in diesem Buch für mich, ich kann sie gar nicht alle aufzählen, aber zwei möchte ich benennen:
 
*In einem Augenblick der Verzweiflung habe ich wie du mir eines Tages das Leben nehmen wollen, in einer verzweifelten Lage hat dein Vater Hand an sich legen wollen. Hätte  man deinen Vater in dem Augenblick, wo er den Lauf der Pistole gegen seinen Kopf richtete, hätte man mir in diesem Augenblick, wo ich das Gefängnisbrot, das ich drei Tage lang nicht anrührte, von meinem Bette stieß, ich sage, hätte man uns beiden in diesem Augenblick gesagt: LEBET! Es wird ein Tag kommen, da ihr glücklich sein und das Leben segnen werdet; mochte die Stimme gekommen sein, woher sie wollte, wir hätten sie mit dem Lächeln des Zweifels oder der Qual des Unglaubens angehört, und wie oft hat dein Vater später, wenn er dich in seine Arme schloß, das Leben gesegnet, wie oft habe ich selbst....*
 
Man muß das Leben lieb behalten, es braucht Geduld, um die Strecken des Schmerzlichen und Unglücklichen auszuhalten, es braucht mehr Mut zum Leben als es sich zu nehmen, so denke ich jedenfalls.
 
Eine andere:
 
*Ich lebe zurückgezogen im Hause meines edlen Beschützers, und ich lebe so, weil ich die Stille liebe, die mir erlaubt, mich mit meinen Gedanken zu beschäftigen. Aber der Herr Graf von Monte Christo widmet mir väterliche Fürsorge, und nichts, was das Leben der Welt ausmacht, ist mir fremd, nur nehme ich aus der Ferne daran teil. So lese ich alle Zeitungen, und indem ich aus der Ferne das Leben der anderen verfolge, habe ich erfahren, was heute morgen in der Pairskammer vorgefallen ist und was heute Abend vor sich gehen sollte*
 
So ist es, dachte ich. Ich kenne das gut. Es ist nicht so, als wenn du nicht weißt, was in der Welt vor sich geht, wie es zugeht zwischen den Menschen, nur, weil du nicht ständig inmitten all dem bist. Du kannst das Leben auf vielfache Weise begreifen und kennenlernen. Und es gibt wohl auch nichts Schöneres, für mich jedenfalls, als die Stille seines Hauses zu genießen und seinen Gedanken nachzugehen, Zeit dazu zu haben und nicht von einem zum anderen zu hüpfen, sondern mit Sorgfalt auszusuchen, was und wem sich zugewandt werden will.
 
Nun denn, ich höre jetzt auf und hoffe, dass ich Einige dazu verleiten kann, sich diesem wunderschönen Buch zu widmen, das eine Zeit voll Miterleben und mit Dabeisein im Leben des Grafen von Monte Christo schenken kann und ganz nebenbei auch zum Nachdenken über das eigene Leben anregt. Ein Buch, dass das nicht tut, hat es nicht verdient, ein Buch zu sein. Jedenfalls kein literarischer Roman.
 
By the way ...ich habe mir natürlich nach dem Lesen des Buches auch, ich glaube die letzte Verfilmung von 2002 unter der Regie von Kevin Reynolds angeschaut. Und ich kann nur sagen...Der Film ist eine Beleidigung an das Buch. Ich werde jedoch versuchen, noch an ältere Verfilmungen heranzukommen um zu vergleichen. Nur eines bitte..niemals zuerst den Film schauen. Immer das Buch lesen.
 
Der Graf von Monte Christo
Anaconda Verlag
ISBN: ISBN: 978-3-86647-292-1
9,95 Euro
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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29. Oktober 2018 1 29 /10 /Oktober /2018 15:32
Die Abende werden länger. Es wird früher dunkel. Es locken uns Kerzenlicht, Teechen und das Sofa mit einem Krimi. Genau...Es ist Krimizeit.
 
Zu keiner Zeit des Jahres liest man einen richtigen Thriller so gern wie zu Anfang des schumrigen Novembermonats. Im Sommer liebt man doch eher die leichte Poesie oder sinnig sitzend in ein wenig philosophischer Lektüre versunken.
 
Und mich hat es auch gepackt. Angeregt wohl durch einen netten Menschen, der ebenfalls zur Zeit einen Thriller las. Könnte ich auch mal wieder, dachte ich, griff in mein Bücherregal und zog den ersten Band der Aichner-Trilogie *Totenfrau* heraus.
 
Ich lernte *Blüm* kennen. Eigentlich heißt sie Brünhilde. Aber sie haßte ihren Namen, den die Eltern ihr gegeben hatten. Der Vater hatte eine Leidenschaft für alte deutsche Sagengestalten. Daher. Sie haßte nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre Eltern, genauer gesagt waren es eigentlich nur ihre Pflegeeltern. Man hatte sie aus einem Weisenhaus herausgeholt und adoptiert. Sie haßte nicht nur ihre Pflegeeltern, sondern die Zeit, die ihr von ihnen gestohlen wurde. Die Kinder- und die Jugendzeit. Denn... Ihre Eltern führten ein Bestattungsinstitut. Und obwohl sie sich vehement wehrte musste sie, während andere Kinder Freunde hatten, draussen auf der Straße rumtobten, ihrem Vater bei der Verrichtung seiner Arbeit in der Leichenhalle helfen. Nein, ihre Eltern waren nicht gut zu ihr. Sie waren grausam.
 
Aber ihr Tag kam. Eines Tages. Sie segelten in den Ferien zumeist mit dem Boot aufs Meer hinaus. Jetzt waren sie alt. Die Eltern. Und Blüm hatte es geplant. Sie mußten weg. Die Eltern. Und sie plante und erledigte. Die Polizei kam, sie schrie, erklärte, sie sei eingeschlafen und die Eltern seien weg gewesen. Man glaubte ihr. Der Polizist hieß Mark. Mark wurde ihr Ehemann. Sie bekamen zwei wunderbare Kinder. Mädchen. Blüm führte das Beerdigungsinstitut weiter. Mittlerweile liebte sie ihren Beruf, baute das Haus um. Kurz...sie waren glücklich. Die Vergangenheit vergessen.
 
Eines Morgens fuhr Mark mit seinem Motorrad zur Arbeit. Da geschah es. Ein Unfall? Er war sofort tot. Blüms Welt brauch auseinander. Die Sicherheit, die ihr die Familie, ihre Liebe zu Mark, gegeben hatte brach auseinander. Nichts war mehr so, wie es hätte sein sollen.
 
Da war noch *Reza*, der Mann, den Mark von der Strasse gerettet hatte, ihn erwischte, als er gerade einen Automaten knacken wollte. Mark war ein Guter. Er nahm ihn mit nach Hause und er arbeitete von da an bei Blüm in der Leichenhalle. Reza war da, er versprach ihr immer für sie da zu sein.
 
Blüm funktionierte. Sie woltle eine gute Mutter für ihre Kinder sein. Ihnen das geben, was sie selber nicht bekommen hat. Sie war für sie da. Sie arbeitete und in den freien Stunden schlich sie in das Arbeitszimmers von Mark und stöberte in seinen Unterlagen der Erinnerungen wegen.
 
Aber da fand sie etwas, was ihr den Atem nahm. Mark hatte vor seinem Tod an einem Fall gearbeitet, der kurz vor der Auflösung stand. Er hatte aber noch keinen Wind drum gemacht. Wollte abwarten, bis er alle Beweise gesichert hatte.
 
Einem furchtbarem Verbrechen war er auf der Spur. Drei Menschen, zwei Frauen, ein  junger Mann waren entführt und jahrelang in einem Keller gefangengehalten und dort bestialisch gefoltert worden.
 
Blüm war klar, der Tod ihres Mannes war kein Unfall mit Fahrerflucht. Das muß Mord gewesen sein.
 
Blum greift die Ermittlungen auf. Heimlich. Man hat ihr Mark genommen. Sie fand eine der Überlebenden der Gefangenen, eine Frau namens Dunja, ließ sich von ihr die Geschichte erzählen und bestätigen. Sie glaubte.
 
Es war nicht nur Rache, die sie ausüben wollte, weil man ihr Mark und damit ihr ganzes Glück genommen hatte. Sie wollte auch diese drei jungen Menschen rächen, die so grausam gequält und gefoltert wurden. Der Gerechtigkeitssinn. Wer sich so bestialisch an anderen unschuldigen Menschen verging, der verdiente den Tod.
 
Und so machte sie sich ans Werk die Männer, die diese Tat verübt hatten, denen  Mark auf die Spur gekommen war,  zu finden. Ich erzähl nun nicht mehr weiter...Es soll ja nur ein Einstieg sein.
 
Blüm hat mich mitgezogen in ihren Rausch der Rache. Und ich konnte mich nicht erwehren, ganz bei ihr zu sein. Genau dachte ich, diese Untiere haben es nicht verdient zu leben. Kennt Ihr das? Dass solche Gedanken manchmal in einem wohnen? Daß man so gerne mal seinen Peinigern (gedanklich) ein Messer in die Brust sticht oder einfach niederschießt. Tot für immer. Weg. Kein Unheil sollen sie mehr anrichten. Also, ich kenn das jedenfalls. Ich schäm mich auch nicht dafür. Ich weiß ja, dass in jedem Menschen alles wohnt. Niemand ist nur gut, liebevoll, nett, freundlich. Es kann Situationen in deinem Leben geben, denen du ausgesetzt bist oder warst, die solche Gedanken möglich machen. Und ich sage immer, ein Glück, dass man sich unter Kontrolle gehabt hatte oder irgendetwas einen davor beschützt hat, das zu tun, was man gern hätte tun wollen. Niemand ist vollkommen.
 
Ich habe alle drei Bände, ca. 1500 Seiten, wie in einem Rausch gelesen und mich hineinziehen lassen in Blüms Rachewelt, mit Empathie für Sie, aber auch dann wieder mit Ablehnung und doch hab ich immer mit ihr gebangt, dass sie selber es überleben wird. Weil..irgendwie konnte ich diese Rachewelt verstehen. Und es geht doch auch immer darum, zumindestens zu verstehen, warum Menschen Menschen Schreckliches antun. Das Verstehen ist zwar kein Trost, es macht nichts ungeschehen, doch es kann so etwas wie Frieden schenken mit sich selber.
 
Viel Vergnügen und packende Stunden auf dem Sofa allen, die sich gerne in dieser Zeit den Abrgünden des Lebens in Form eines Thrillers widmen möchten.
 
Totenfrau (Band 1), btb-Verlag
ISBN: 9783442749263
10,00 Euro  
 
Totenhaus (Band 2). btb-Verlag
ISBN:  9783442714421
9,99 Euro
 
Totenrausch (Band3), btb-Verlag
ISBN:9783442716942
9,99 Euro
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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24. Oktober 2018 3 24 /10 /Oktober /2018 08:29

 

Geschwaffel, Gebrabbel, Geblubber,

überall

wo du hinkommst,

wer dir begegnet

 

Geschwafel, Gebrabbel, Geblubber

die Ohren tuen weh.

 

Dadurch wird nichts verändert

schon gar nicht

ist man dem Anderen näher

gekommen.

 

Geschwafel, Gebrabbel, Geblubber

und nichts wird gesagt.

 

Seid doch mal still.

 

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15. Oktober 2018 1 15 /10 /Oktober /2018 09:10
Es gab eine Wanderung. Eine spontane Idee von mir. Ich wurschtele in meinem Leben immer so rum, gern gehe ich meine Wege allein. Aber immer möcht man auch nicht allein sein. Da gibts eine schöne Wandergruppe, der ich mich angeschlossen habe. Regelmäßig finden geführte auf den schönen Kulturpfadwegen statt. Manchmal klappt es nicht, zeitlich oder eine andere Unternehmung steht dem Termin entgegen. Das geht nicht nur mir so, sondern auch anderen ab und an mal.
 
In der großen Gruppe hat sich eine nette Truppe gefunden, die dann, wie auch an diesem Tag, die Touren nachholt, die in der großen Gruppe nicht mitgemacht werden konnten.
 
Also, spontaner Gedanke von mir über meine Wandergruppen-whats-app-Einrichtung die Leuts zu mobilisieren. Sollen wir nicht am Sonntag. Ein kleines Hin- und Her, welche der verpaßten Route wir gehen sollen, einigten wir uns sehr schnell. Da ist Niemand bei uns, der die Oberhand behalten will oder sich durchsetzen möchte. Das paßt richtig gut miteinander.
 
Also, Sonntagmorgen vor der großen 2020 am Wiener Platz trafen sich vier Menschen, um diese schöne Etappe des Kölnpfades zu laufen. Als ich ankam, stand da ein Mann mit Rucksack, den ich nicht kannte, dachte, huch..ein Neuer... sprach ihn an und fragte, ach gehören sie auch zu uns, der kleinen Wandergruppe? Es hätte ja sein können, dass einer der Mitläufer ihn mobilisiert hatte. Jedoch stellte sich heraus, es war nur ein KVB-Mann, der vor Antritt seiner Arbeit ein Zigarettchen rauchen wollte. Er lachte übers ganze Gesicht und meinte, gern würde er mitlaufen, aber die Pflicht. Und Dienst ist nun mal Dienst. Wir plauderten noch eine Weile, dann zog er von dannen. Meine netten Leutchen trafen ein und wir fuhren mit der Bahn zur Endhaltestelle Thielenbruch. Von dort sollte der Weg beginnen.
 
Übrigens, ich weiß nicht wieso die Bahnen unserer Kölner KVB so unendlich laut daherschrammeln. Das ist der helle Wahnsinn. Man kann kein Wort wechseln während der Fahrt. Gut, muss ja auch nicht sein. Dennoch ist der Lärm ohrenbetäubend. Die Technik scheint da weit hinterher zu hinken, wenn ich an Bahnfahrten in anderen großen deutschen Städten denke, von Wien, der Stadt, der ich erst kürzlich einen Besuch abgestattet hatte, ganz zu schweigen. Nunja, in unserem schönen Deutschland ist halt die Automobilindustrie der Herrscher und die Politik tut wenig daran, das zu ändern, den Menschen in ihren Möglichkeiten zu pendeln oder aus anderen Gründen Wege zurückzulegen, Erleichterung zu schaffen. Ist einfach so.
 
Egal, in Thielenbruch angekommen, die Sonne scheint vom Himmel herab, der blau leuchtet und wir maschieren los. Am Waldrand entlang ziehen wir an einer kleinen Häusersiedlung vorbei, lassen Dellbrück seitlich liegen, überqueren ein paar Strassen um wieder in den Wald, der unter Naturschutz steht, zu gelangen. Kleine Bäche müssen überquert werden.
 
Ich will jetzt auch gar nicht den gesamten Weg beschreiben, das kann ja alles nachgelesen werden in dem schönen Büchlein *Kölnpfad*...Aber zu erwähnen ist sicherlich auf jeden Fall der wildromantisch gelegene Rübezahlwald. Da wir wissen, dass der olle Rübezahl ja seine Heimat im Riesengebirge hat, fürchten wir uns gar nicht, sondern juchzen innerlich vor Freude über die verwunschenen kleinen Wege, die oft über umgestürzten Baumriesen überklettert werden oder von kleinen bergauf-bergab-Hindernisse überwunden werden müssen. So verwunschen dieses kleine Wäldchen, das es der Phantasie genügend Raum gibt, sich kleine Märchenwelten zu erfinden. Aber es wird auch gebabbelt, so daß dem Geist nicht all zu viel Raum gegeben wird.
 
A bisserl erschrecken wir uns dann doch, als wir nach der Durchquerung des kleinen Wäldchens einen etwas merkwürdig ausschauenden älteren Mann mit langem Bart , der da ein wenig unheimlich an einer Ecke einer Lichtung steht, bevor es hinauf in die Höhen geht. Vielleicht war es ja doch der Rübezahl. Ich jedenfalls hatte ein wenig Ehrfurcht vor ihm und war froh, dass ich die Wanderung nicht alleine gemacht hatte. Allein wär ich ihm nicht so gern begegnet. Wie der da stand und uns alle anschaute, still und regungslos wie ein Denkmal. Und der olle Rübezahl ist ja bekannt dafür, dass er einen großen Widerspruchsgeist in sich trägt. Einmal kann er freundlich und hilfsbereit sein, dann wieder bös und arglistig. Und man weiß ja nie, in welcher Gemütsverfassung sich so ein Rübezahl befindet, wenn man ihm unverhofft begegnet. Manchmal gibts auch Menschen, also echte, keine Naturgeister, mit denen man Tag für Tag zu tun hat und du hast das Gefühl, du kannst sie nicht richtig einordnen. Mal sind sie freundlich, zugänglich, hilfsbereit, ja gar liebevoll und dann plötzlich aus heiterem Himmel scheinen sie unerreichbar, kurz angebunden und du überlegst, liegt es nun an dir, hast du ihnen auf die Füße getreten oder ist ihr Leben gar zur Zeit etwas in Unordnung geraten, so daß du selbst nur der Empfänger ihrer Laune bist.
 
Ich halte es dann immer so. Die Zeit wirds zeigen. Entweder sagt derjenige dann, Roeschen ich hab mich über dich geärgert, sollte dies der Fall sein und er tut es nicht, dann wirds wohl nicht so tragisch gewesen sein und alles spielt sich wieder ein. Und im günstigsten Fall, davon geh ich zumeist aus, wenn ich mir nun gar keiner Schuld bewußt bin, halte ich mich einfach still, trete ihm wie immer mit all meiner Freundlichkeit und Wohlwollen entgegen und warte bis sich die Wolken wieder verzogen haben. Was soll auch anderes getan werden. Es muß ja nicht alles auf die Goldwaage gelegt werden. Und wenn ich einen menschen mag, dann mag ich ihn, auch wenn er mal grantig daherkommt.
 
Übrigens diesem *Rübezahl* begegnen wir tatsächlich auf der Höhe noch einmal in der Nähe der Rochuskapelle, ein wirklich hübsches kleines Bauwerk mit einem Ruheplatz und einer schönen Aussicht. Wieder steht er da ganz plötzlich vor uns und schaut still und unheimlich in unsere Richtung. Alle guten Dinge sind drei, so wird gesagt, aber wir trafen ihn kein drittes Mal, genauso wenig wie ich auch kein drittes Mal über im Boden verwachsenem Wurzelwerk gestolpert bin, sondern es bei zwei Malen belassen habe. Und es ist auch gar nichts passiert. Und ausserderm sind nicht alle Dinge, die dreimalig eintreten sollen immer gut, nur dass das mal klar ist. Man könnte also genauso gut sagen, alle unguten Dinge sind drei.
 
Wir haben jetzt fast 2/3 der angegebenen Strecke hinter uns gelassen. Es ist heiß, die Getränkevorräte sind zusammengeschmolzen und wir freuen uns aufs Milchborntal, das kenn ich gut, da gibts das Naturfreundehaus, da wollen wir rasten und ein wenig ruhen, uns laben, die einen mit Apfelschorle, die anderen mit einem Bierchen. Bier geht gar nicht für mich, sowieso, da ich kein großer Biertrinker bin und schon gar nicht auf einer Wanderung, da würd ich sofort ins Koma fallen und keinen Schritt mehr laufen können. Aber vieles ist Gewohnheit, auch bei Biertrinkern, wie das Zigerattchen bei den Rauchern oder das gute Essen bei Molligen oder anderem gewohnheitsmäßig Geliebtem.
 
Ich freue mich schon deswegen aufs Milchborntal, weil es so was wie eine kleine Heimat für mich ist. Jetzt war ich schon seit Jahren nicht mehr hier, auch weil ich ja einige Jährchen in einer anderen Stadt gelebt habe. Aber hier verbrachte ich viele vergnügliche Stunden beim Laufen mit meinem Hund zu in jungen Jahren, später dann mit den Kindern, die dort Bäume erkletterten, beim Töchterchen erstmalig der Wunsch geäußert wurde, wenn sie mal groß ist, dann wird sie Bergsteigerin.l Gut, professionell ist da nun nichts draus geworden, aber die Berge hat sie schon so einige Male erklettert in überschaubaren Größenordnungen oder eben auch höhenerwandert. Also die Liebe zu Natur haben wir ihr wohl dadurch vermitteln können. Auch Baumhäuser sind hier in verwunschenen Ecken gebaut worden, die wir übers Jahr hin immer mal wieder überprüft haben, ob sie noch da stehen, wo sie errichtet worden sind. Jedenfalls viel Freud haben wir im Wäldchen rund ums Milchborntal erlebt. Und Erinnerungen sind ja immer der Beweis dafür, dass Leben gelebt wurde und nicht alles nur ein Traum, ein schöner, manchmal auch ein böser, war. Denn manchmal gibt es Momente, da denk ich das. Ich wär gar nicht hier in dieser Welt, alles nur ein Traum und dann muß ich mich mal kneifen, um zu spüren, dass ich Wirklichkeit bin und die Welt um mich herum ebenso.
 
Aber nun lag es endlich vor uns, das schöne Naturfreundehaus im Bensberger Wäldchen. Erfrischung naht. Endlich. Der Durst konnte gestillt werden. Ein Blick rundum. Alle Tische besetzt. Einen Augenblick stehen wir da so rum, schauen hier und dorthin, ob nicht vielleicht irgendeine Geselligkeit an einem der Tischchen sich auflöst. Ich weiß das genau. Der schöne Ort hat sich herumgesprochen in den Jahren. Da sitzen nicht nur Wanderer auf dem Weg, sondern auch einige Hundespaziergänger, die dort verweilen wollen oder einfach nur SUV-Fahrer, ihren Wagen auf dem Parkplatz abgestellt und dann die schöne Sitzgelegenheit bei billigem Essen genießen. So, wie man vor den Discounter-Läden ebenfalls die SUV´s mit Bullengitter oder große Mercedesklassenautos stehen sieht. Von nix kommt ja bekanntlich nix. Wenn das Auto schon teuer, dann wenigstens woanders die Schnäppchen ergattern. Naja, mir egal, sollen sie machen, wenns sie glücklicher sein läßt.
 
Wir entscheiden uns dafür, einfach eine nahegelegene Bank unser eigen zu nennen und wollen uns was *to go*, wie man heute sagt, kaufen. Ein Mitnehmgetränk. Also nix wie rein in die gute Wirtsstube. Vor dem Tresen hantieren eifrig die Kellner/innen, sogar der Inhaber ist vor Ort. Als ich an die Reihe komme, geb ich meine Wünsche auf. Huch...die Antwort: Wir bedienen nur an den Tischen. Aber die sind alle besetzt sag ich. Wir wollen uns einfach was mitnehmen und uns auf einer Bank vergnügen. Geht nicht, die Antwort. Wir haben zu viel mit der Tischbewirtung zu tun. Hallo! meine Antwort. Das ist doch wohl nicht ihr Ernst. Wir sind eine Riesenstrecke von Köln aus gewandert, haben Durst und sie verweigern uns  eine Getränkeausgabe! Ja, ist so, wir können leider nichts für sie tun, tut uns leid. Ich bin so was von empört, mehr als empört. Fassungslos, nicht glauben wollend zetere ich vor mich hin. Das mach ich selten, ehrlich, ich schwöre. Aber das ist der absolute Oberhammer. Wanderern nicht mal ein Glas Wasser anzubieten. Das macht doch keine Mühe. Wenigstens das hätten sie tun können. Aber nichts da. Lassen uns einfach stehen. Das nennt sich Naturfreundehaus sag ich. Sie werden noch von mir hören, meine Empörung weiter.
 
Aber wir ziehen ab. Was sollen wir auch anderes tun. Ungelöscht unser Durst, vertrösten wir uns auf eine vielleicht noch kommende Einkehrmöglichkeit. Nein, ich bin nicht launisch. Nie gewesen. Aber empört bin ich noch lange. Jetzt noch einmal, krieg ich die Antwort von meinen Mitwanderern, dann ist es gut Roeschen. Ich kann mich einfach nicht beruhigen ob einer solchen Unverschämtheit. Das passiert mir selten. Und von nun an ist alles einfach nur noch bescheuert. Der ganze Ort Bensberg. Das liegt auch nicht nur an meiner Empörung, sondern entspricht der Wirklichkeit. Wer will denn hier wohnen. An Autostraßen, Möbeleinrichtungshäusern, Sanitär- und anderen merkwürdigen ansässigen Firmen. Kein Mensch zu sehen auf den Straßen, alles liegt da steril vor uns und von einer Einkehrmöglichkeit ganz zu schweigen. Naja egal, eigentlich sind wir trotz allem guter Dinge, scherzen und lachen, meiner Wanderhose, die ich schon auf dem Jakobsweg getragen habe, bekommt sogar einen Namen. Sie heißt jetzt *Jakob*, die einzige Hose auf der Welt die einen Namen hat. So. Und wir müssen lachen.
 
Die Haltestelle der KVB ist nicht mehr weit, müde, aber selig fahren wir davon Richtung Köln, aus dem Fenster schauend ob da nicht am Wegesrand doch noch ein netter kleiner Biergarten liegt. Da wären wir sofort ausgestiegen. Aber laufen wollen wir nicht mehr, weit jedenfalls. Der zurückgelegte Weg hat weit mehr Meter verschlungen, als der eigentlich angegebene Kilometerstand. Aber das macht ja nichts. Wir sind erfüllt vom Waldbaden. Freuen uns jetzt auf Zuhause. Dann eben nicht. Trinken wir ein ander Mal noch was zusammen. Irgendwie haben wir kein Glück mit den Einkehrmöglichkeiten auf unseren Wandertouren, denn ich erinnere mich, auf der letzten sind wir ebenfalls einmal abgewiesen worden wegen geladener Gäste. Auch hier wurde uns nicht mal ein Gläschen kühler Erfrischung angeboten. Geld regiert halt die Welt. Und ich muss ehrlich sagen wieder einmal...Deutschland ist eine Servicewüste. Ich bin schon viel rumgekommen, aber so was ist mir noch nie irgendwo auf der Welt passiert. Naturfreundehaus! Ich sage nur Naturfreundehaus! Pffff... Niemals mehr geh ich da hin. Aber das wird denen egal sein. Denn es gibt ja genug SUV-Fahrer, die das Geld bringen. Ich will nochmal empört sein, jetzt, wo ich meine Gedanken an meine geneigten Leser preisgebe. Aber dann ist gut. Letzten Endes gehört ja alles zum Leben, zum Erleben, auch das, was man nicht will und wenn zurückgeschaut wird, ist alles für irgendwas gut gewesen. Zumindestens ist der Mensch an Erfahrungen reicher und hat daraus gelernt.
 
Und am Ende kann ich wirklich sagen. Diese 8. Etappe des Kölnpfades ist wirklich eine Königsetappe wegen der vielen unterschiedlichen Wegqualitäten, kleinen Wäldchen, Wiesen und Auen, kleinen Sehenswürdigkeiten und ja, fast hätte ich es vergessen. An einem schönen Oldtimer-Treffen sind wir auch noch vorbeigekommen. Haben auf unserem Weg kurz innegehalten und haben uns die schönen alten Karossen, die mit viel Liebe und Sorgfalt gepflegt werden, angeschaut und ich hab mich tatsächlich daran erfreuen können. Die alten Herren zumeist standen stolz davor um ihre Karren zu zeigen. Das waren doch noch Autos. Dagegen ein SUV mit Bullengitter....schwarz, weiß oder grau... Ich sag jetzt nichts mehr.
 
Viel Vergnügen auf dem Kölnpfad Nummero 8. Es gibt immer was zu entdecken. Und es wird nicht geglaubt, wie schön es rundum Köln sein kann, wenn es nicht erlebt worden ist.
 
 
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7. Oktober 2018 7 07 /10 /Oktober /2018 13:49

 

 

 
Manchmal ist das Gesichterbuch und damit meine ich unser aller Facebook doch auch zu etwas nütze. Es muß ja dort nicht Tag für Tag jedes Detail des Lebens mitgeteilt werden. Wozu auch. Jedoch nennt man es ein *soziales Netzwerk* Sozial daraus resultierend, dass es Menschen verbinden kann und sie so in Kontakt bleiben. Das ist wichtig nicht nur in der virtuellen Welt. Denn Einsamkeit zu empfinden ist gar nicht so schlimm, es kann sogar wildromantisch sein. Aber Einsamkeit, die aus Isolation herrührt, scheint mir gefährlich und hat wohl auch oft zur Folge, dass Menschen an psychischen Störungen erkranken. Glaube ich, ich weiß es aber nicht.
 
Ich für meinen Teil kann auch sagen, dass ich zu 95% aller meiner Kontakte die Menschen persönlich kenne, wenn ich sie auch manchmal des längeren nicht gesehen habe. Das bedeutet aber nichts, vor allen Dingen wenn es zwei, drei Freunde sind. Wenn du wirklich richtig gute Freunde hast, ist es unerheblich wie oft du sie siehst, Grundlage einer Freundschaft ist, dass du immer auf sie zurückgreifen kannst, du für sie und sie für dich da sind, wenn du sie brauchst. Brauchen nicht nur im Sinne von *wenn es dir mal nicht gut geht* sondern wenn du einfach Sehnsucht nach ihnen hast und etwas mit ihnen unternehmen möchtest.
 
So war das bei mir vor ein paar Tagen. Ich fand einen Hinweis auf die bevorstehende *Theaternacht in Köln* vor, klickte spontan auf *Interesse*, weil dieses schon vor einiger Zeit auf meinem Plan stand. Und als ich nach einiger Zeit noch einmal reinschaute, sah ich, dass eine liebe Freundin mich angeschrieben hatte, ob wir nicht zusammen in dieser Nacht unterwegs sein wollen. Diese meine Freundin schreibt gerne Kulturkolumnen und hat somit immer den Vorteil an Eintrittskarten zu kommen und in diesem Falle war da auch eine für mich dabei. Wie schön. Na klar, sagte ich ihr, wunderbar, endlich sehen wir uns mal wieder und dann zu einem schönen Ereignis wie dieses. Hab ich schon gesagt, dass ich diese meine Freundin sehr sehr gern habe. Natürlich wie alle meine Freunde. Und ich kann behaupten, jeder meiner Freunde hat ein grundsätzlich anderes Naturell, für welches ich sie liebe. Diese meine liebe Freundin ist ein kleiner Chaot, weswegen ich sie so unfaßbar gern habe, weil ich es so drollig finde, wie sie immer total überdreht von Eindrücken durch die Welt latscht. Sie kommt von Hütchen auf Stöckchen und das von jetzt auf gleich. Wenn wir uns sehen, ist es überhaupt nicht so, als wenn eine lange Zeit dazwischen gelegen hat. Das ist das Schöne an guten Freundschaften. Dass die Nähe auch durch räumliche und zeitliche Entfernung niemals verlorengeht.
 
Wir haben uns verabredet. Um 19.30 Uhr beim Jakubowski in Köln-Mülheim. Wenn ich ohne sie gewesen wäre, wäre ich in dieser Nacht aus meinem rechtsrheinischen Bezirk nicht herausgetreten. Da wir aber gemeinsam unterwegs waren, sie mit Auto, sind wir auch zur anderen Rheinseite, nämlich der *richtigen* wie wir Kölner zu sagen pflegen, gewechselt und haben dieses nicht bereut. Meine liebe nette Freundin kommt immer zu spät. Das weiß ich. Es nutzt auch nix, sich einfach früher zu verabreden, denn sie käme auch dann zu spät. Mir macht das nichts aus zumeist. Ich kenn sie ja. Ich dagegen beherrsche nunmal (ich kann nichts dafür, ich will damit auch gar nichts bezwecken, es liegt einfach in meiner Natur) die Pünktlichkeit, nein, noch viel mehr die Überpünktlichkeit. Selbstverständlich bin auch ich schon einmal verspätet zu einem Termin gekommen, aber niemals lag das an mir sondern an irgendwelchen nicht einzukalkulierenden Vorkommnissen.
 
Ich war also schon um 19.15 Uhr am besagten Treffpunkt, dem Jakubowski. Das Jakubowski ist ein gemütliches Cafe hier im Mülheimer Veedel, dass sich seit ca. 11 Jahren hier etabliert hat und wo man nicht nur lecker zu Mittagessen kann, sondern sich auch zeitungs- oder buchlesend bei einem Cafe sowohl drinnen  oder drauen (bei Sonnenschein) aufhalten kann.Die  Inhaber des Cafes haben übrigens Namen gewählt, weil in dem Haus, in dem es sich befindet, einmal ein Mieter dieses Namens gewohnt hat, der dann aber später in das gegenüberliegende gezogen ist. So hat der Name einen Bezug und drückt somit auch die Verbundenheit zum Veedel Köln-Mülheim der Besitzer aus, was ihnen sehr wichtig war.
 
Ich stand da also früher wie immer. Die Cafe-Besitzerin kam auf mich zu und fragte mich, ob ich zu der Vorstellung käme. Na klar, sagte ich ihr, ich warte nur noch auf meine Freundin, sie hat die Karten. Ich fragte mich in diesem Moment, wieso sie gerade mich ansprach. Irgendwas muss ich an mir haben, wieso die Leuts immer auf mich zukommen, wenn ich da so irgendwo herumstehe. Waren doch auch noch andere da und schmunzelte vor mich hin. Die Freundin kam kurz vor Beginn des Einlaßes. Eine halbe Stunde Verspätung. Dicke Umarmung, hurrah wir sind dabei. Sie bewaffnet mit ihrer Kamera durch den Raum Momente fotografierend. Ich sitze da und einer der Protagonisten kommt zu meinem Platz und begrüßt mich persönlich, aber so, als wenn er mich kenne. Ich fand das merkwürdig. Sagte es ihm auch. Ich sags ja, ich versteh das nicht und ein wenig hat mich das gar unangenehm berührt. Aber egal. Die Vorstellung begann. Es war so eine Art gezeigter Workshop der Schauspieler, die uns zuteil wurde. Es ging um Glück, Eitelkeiten und Emotionen des Menschen, die über Gesang in musikalischer Begleitung dargebracht wurden. Wo ist das Glück zu finden? Was bedeutet überhaupt Glück. Und was macht Mensch mit der Enttäuschung, wenn sich das erwartete Glück nicht einstellt? Gute Gedanken, lohnenswert drüber nachzudenken? Ich weiß es nicht. Mehr und mehr komme ich dazu, nichts zu erwarten, sondern zu tun und dann zu schauen. Vielleicht wollten sie das auch mit den Texten ihrer Lieder vermitteln oder gar mit dem Titel ihrer Vorstellung * Buddha trifft Jägerzaun* Die ganze Zeit schwirrte mir dieser während der Aufführung im Kopf herum. Warum dieser Titel? Ich bin dann zu dem Ergebnis gekommen, dass es rein gar nichts bedeutet. Es ist unwichtig. Unwichtig wie all die Fragen nach dem Glück. Denn es gibt keine allumfassende Antwort. Für jeden Menschen bedeutet Glück etwas anderes. Und jeder Mensch geht ebenso anders gemäß seiner Individualität mit Enttäuschungen über nicht eingetretenes  Glück um. Daher, leb einfach das Leben und schaue. Ähnlich hat ja auch Adorno gesagt: *Leben das Sinn hätte, fragt nicht danach. Laß dich leben, es geht ohne Motiv*  Es war sehr lebendig und ich hab mich gefreut zwei Lieder zu hören, die ich natürlich kannte....*Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen von Zarah Leander* ...und *sie mögen sich* von Käptn Peng... Von der Liebe als Glücksbote und dem Kampf sie nicht zu verlieren. Ein ewiges Thema der Menschen.
 
Nun wollen wir weiter. In der Wallstrasse. Dort gibt es den Raketenklub. Aber erstmal Wallstrasse finden. Es ist dunkel, die Freundin, ein Chaot, und ich hab die Brille nicht auf. So laufen wir erst in die verkehrte Richtung um dann der Technik zu vertrauen und die Wallstrasse finden lassen. Da ist es dunkel. Nur von fern sehen wir einen Lastwagen mitten auf der Strasse stehen. Dahinter Beleuchtung. Da ist schon was zugange. Mist, zu spät gekommen, aber egal, da sind noch Plätze zu finden auf dem Fussgängerweg. Eine aufgestellte Bank lädt ein. Nette Frauen neben mir. Hab ich sofort gespürt. Auf der Strasse bietet das Atelier Mobile-TravelinTheatre das Poetry-Tanzspiel *Troittoiriotort* Jösses, was fürn Wort.  Was für ein Wort. Wann es begonnen hat, keine Ahnung, aber es fesselt mich sogleich. Eine dystopische Stimmung liegt über allem. Die Schauspieler bewegen sich über die Straße, während elektronische Musik leise wummert. Eine Frau im Soldatenmantel mit nacktem Schädel trägt einen Text vor, dessen Stimmung in den Gebärden der Tanzenden wiedergespiegelt wird. Es geht um Vernichtung durch die Gier der Menschen, Verwüstung des Planeten, Endzeitsatimmung. Ich muss unweigerlich an das Buch des US-Autoren CormacMccarthy *Die Straße* denken. Irgendwas von einem Traktormann wird erzählt, Glyphosat hat die Natur vernichtet. Ich weiß bescheid, auch wenn ich nicht von Anfang an erlebt habe. Der Mensch ist mehr als Baum, Strauch, Blume, Erde, viel viel mehr. Er könnte einen Neuanfang schaffen. Nach all dem. Eine Hoffnung? Ich weiß es nicht. Die Bewegungen, die Musik, diese ganze Stimmung bringen mich fast zum Weinen. Alles ist ganz still...wenn nicht da plötzlich während der Darbietung immerr wieder vorbeifahrende Autos oder Spaziergänger, die von all dem gar nichts wissen, was hier vorgeht, einfach durch die Szenerie laufen würden.
 
Ein merkwürdiges Bild, so kommt es mir vor. Genauso wie es sich mir oft im Schauen auf das Leben in unserer Gesellschaft darbietet. Mehr und mehr wird beherrscht von Zerstörung, Haß, Neid und Gier. Wir alle sehen das, tun nichts und machen einfach weiter wie bisher. Doch ehrlich, so was läßt mich weinen. Dieses nicht dazugehörende Vorbeifahren der Autos und dem Vorüberspazierenden gehört irgendwie unplanmäßig zum ganzen Schauspiel. Oder war das mit angedacht als Bild? Könnte sein. Nur der Wagen, der sich plötzlich, mit nix was zu tun, einfach so in die Bühne des Spiels hinein platziert geht mir reichlich auf den Keks. Der merkt aber auch rein gar nichts. Steht da wie blöd herum und läßt seelenruhig seine Theaternachtbesucher angeführt von nem Guide, aussteigen. Der sacht auch nix. Gibts doch nicht. Ist der blöd, sag ich zu meiner Nachbarin. Aber nur vor sich hingebrummelte Sachen helfen da auch nicht weiter. Sie meint auch, der ist doch voll blöd. Aber nix ändert sich. Irgendwann steht sie auf, geht zum Fahrer des Busses und sagts ihm. Ich hätte ja sonst auch, aber warum immer ich. Sollen auch mal die anderen. Mein Leben lang hab ich immer den Mund aufgemacht und geernet hab ich nur Ablehnung. Nicht, dass mir das egal ist, aber in diesem Moment hatte ich einfach keine Lust, weil mich die Vorstellung trotz des Zwischenspiels immer noch so gefesselt hat und ich wollte mir das nicht stehlen lassen. Hat übrigens auch eh nix genutzt. Der Depp hat weitergemacht, bis alle raus aus dem Bus waren und ist erst dann weiter. Ich weiß schon, warum ich bei solchen Veranstaltungen mich niemals einer solchen Truppe anschließen würde. Im ürbigen, ich mag eh nicht diese Zusammenrottung von Gemeinschaften, das beruht auf meinem Erfahrungsschatz. Ist so.
 
Ein Musiker steigt auf das Dach des LKWs, spielt mit einer Geige Endzeitstimmungstöne, die Tänzer wandeln durch die Szene, ein Schauspieler nimmt die vom Traktormann abgelegte Eisenrüstung und zerstört sie mit einem Schweißgerät. Weg mit der Gleichgültigkeit der Menschen, denke ich bei diesem Anblick. Und dann ist es auch schon zu Ende. Es war großartig. Echt. Sag ich denen auch, den Schauspielern. Einfach großartig. Sie freuen sich.
 
Wir machen uns weiter auf dem Weg. Das Auto, wo ist es. Wir wollen nun rüber auf die richtige Seite Köln zum Offenbachplatz ins Schauspielhaus. Dort gibt es *Draußen vor der Tür* von Borchert. Hab ich schon erzählt, dass sie, die Freundin fährt wie ein Teufel. Manchmal auch bei rot. Aber das ist schon lang her. Jedoch man weiß ja nie. Isch hab Angst, ein klein wenig. Da nutzt nur Vertrauen. Aber sie macht es gut. Wir kommen sicher am Offenbachplatz an und finden auch sogleich einen Parkplatz. Ich war lange nicht mehr dort an der Aussenspielstätte des Schauspielhauses. Zuletzt bei einem Talking-Head-Projekt, welches ich in guter Erinnerung habe. Der Offenbachplatz ist nun gestaltet wie alle Museums- und Kunstmeilen mit großen Sitzelementen, diese hier in pink. Leider wird scheinbar der Platz nicht gut gepflegt, denn schon beim letzten Besuch sah ich ihn ein wenig verwahrlost von herumliegendem Müll. Aber das ist halt Köln. Ich liebe Köln, aber es ist und bleibt ne dreckige Stadt.
 
Wir sind etwas über eine halbe Stunde zu früh bevor die nächste Vorstellung beginnt. Das macht gar nichts, weil es dort eine kleine Bar gibt, wo gemütlich ein Glas Wein getrunken werden kann. Das tun wir auch. Sauteuer und nun wirklich nicht viel im Glas. Ich kenn mich aus. Schließlich kenn ich einen Menschen, der in einer Weinstube arbeitet und weiß, wie voll ein Weinglas sein muß. Aber was soll´s, die Nacht ist schön, die Aufführungen bisher überraschend gut, also sitzen wir da und nippeln an unserem Gläschen und plaudern ein wenig. Es gibt auch ein Lotteriespiel mit Rubbelbildchen, was wir natürlich ausprobiert haben. Wie immer hab ich kein Glück beim Spiel, aber was sollsich auch mit einer Tragetasche mit dem Aufdruck *Schauspielhaus* Können sie behalten. Nein, Scherz, ich verstehe schon die nette Geste. Immerhin bekommen wir zwei Freikarten für Vorstellungen unserer Wahl. Na also, geht doch.
 
Als wir auf die Uhr schauen, ist es kurz vor 22.00 Uhr, nix wie hin an den Einlaß. Auweia...plötzlich stehen da Mengen von Leuten, die rein wollen. Wir wurschteln uns durch, zeigen unsere Karten und rein in den Saal, wo wir zwei der vorderen Plätze belegen. Die Bühne ist in angenehm warmen Licht gehalten. Junge Schauspieler auf der Bühne zeigen den *Real Fake* Mit montonen und stereotypen Bewegungsabläufen wie das Leben des Menschen in der virtuellen und realen Welt sich abspielt. Überall spielt der Mensch seine Rollen, trägt seine Masken. Niemand will wirklich so sein und sich zeigen, wie er ist. Zu viel Angst? Vor Ablehnung, angreifbar sein. Und überall wo wir sind, werden uns Zuschreibungen gegeben...alle diese werden mit dem Wörtchen *zu* umschrieben...zu dick, zu dünn, zu politisch, zu unpolitisch, zu feministisch, zu kritisch, zu religiös...usw.usw...Aber wie schaffen wir es, uns dagegen zu wehren? wie gehen wir damit um und wie können wir Andere davon überzeugen, dass wir mehr sind als dass, was uns vom *zu* zugeordnet wird. Eine muntere und anschauenswerte, zum Nachdenken anregende Performance, wie wir Beide fanden. Hat Spaß gemacht.
 
Und wieder rein ins Auto. Unser Weg führt uns zum Alten Heizkraftwerk. Zur Theaternacht findet in dem seit 1890 errichteten und die Kölner Südstadt versorgenden Kraftwerk eine Veranstaltungsreihe statt. Ebenso auch zum Tag der Deutschen Denkmäler werden dort die Tore geöffnet. Ein Besuch in der Theaternacht hat immer ein besonderes Geschmäckle, denn in der Dunkelheit sind die Gebäude bunt illuminiert, so daß das Auge sich nicht sattsehen kann, an den erstrahlenden den Gebäudekomplex beleuchteten Mauern. Einfach nur schön, ich war fasziniert, hätte eigentlich nicht mal mehr noch etwas anderes sehen müssen. Meine Kamera stand nicht still. Aber es gab ja auch was und das wollten wir anschauen.
 
Die Kammeroper, die ja eigentlich in Pulheim ihren Veranstaltungsraum hat, zeigte *Orpheus in der Unterwelt* Was wir wußten, die Beziehung zwischen Orpheus und seiner Gemahlin Eurydike war nicht das, was wünschenswert war. Die Problematik der Untreue hat sich bis heute in den Beziehungen nicht verändert. Ständig ist der Partner entweder von der Langeweile und der Gewohnheit in der Ehe verführt, sich einem Anderen zuzuwenden oder einfach schlicht und ergreifend die Neu- oder Abenteuerlust. Zurück bleibt immer Schmerz des Betrogenen, Trennung und Alleinsein. Der Mensch kann wohl nicht anders. Orpheus aber will sich nicht im Schmerz ertränken, er entdeckt dass der Verlust von Eurydike, sie wird ja der wirklichen Geschichte nach von ihrem Liebhaber Pluto in die Unterwelt entführt, gar nicht so tragisch für ihn ist. Vielleicht hat er sie doch nicht so geliebt, wie er vorzugeben versuchte. Er fühlt sich gar frei vom Joch der Ehe und entdeckt seine eigene Abenteuerlust. Bei all dem gibt es auch immer die, die drum herum das Spektakel von Betrug, Ursache und Auswirkung voyeurhaft beobachten und beurteilen und das Ansehen der Beteiligten rutscht ins Negative. Wie wir wissen, führt dieses Szenario zweier Menschen nicht immer ins Glück und manchmal tritt die Reue ein, so auch bei Orpheus, der seine Gattin aus der Unterwelt befreien will. Und das gibt ein heftiges Gerangel.
 
Munter und lebendig hat die Kammeroper das Spektakel in eine Firma transformiert. Und wie wir wissen, der beste Ort für kleine und größere Seitensprünge. Ich sage nur Betriebsfeste. Erst kommt der Alkohol, dann die Entspannung, dann die Entfessung und schon ist man beim *du* und nach dem *du* brauchts zumeist nicht mehr lang, bis kommt, was wohl kommen muß oder soll, weil die zwei, die sich da näher kommen, schon immer ganz heimlich ein Auge aufeinander geworfen haben, Man kennt das ja. Schöne Stimmen erzählen die Geschichte von Betrug, Leid, Eifersucht und Kampf zwischen den Beziehungen. Ein echter Hingucker. Macht Lust auf mehr. Und wer denkt, auweia, da muss man ja nach Pulheim raus. Das ist doch gar nicht so schwer. Die S-Bahn von Köln braucht nur 10 Minuten bis sie in dem kleinen Örtchen zum Halten kommt. Keine Ausrede. Nix wie hin.
 
Aber dann ist Schluß für uns mit Kunst und Kultur und Lustig und Nachdenklichem. Es reicht. 4 Veranstaltungen, mehr kann einfach nicht verarbeitert werden. Und die Zeit ist wie im Flug verschwunden. Die Uhr zeigt Mitternacht. Meine nette Freundin ist die Beste. Sie fährt mich mit ihrem Auto wieder rüber auf meine schäl Sick, wo mein Rad noch am Jakubowski auf mich wartet. Aber nicht, dass sie mich dort einfach absetzt, nein, wir montieren das Auto auf die Schnelle um, werfen das Raderl hinein und ab gehts mit uns beiden bis vor meine Haustüre. Sie ist einfach zu nett. Aber  am anderen Tag fährt sie in Urlaub, es macht ihr nichts aus. Wir drücken uns nochmal tüchtig. Ich wünsch ihr eine gute Fahrt an den Urlaubsort am nächsten Tag und dann schließe ich die Haustüre hinter mir.
 
Ein gelungener Abend, eine gelungene Veranstaltung diese Kölner Theaternacht, die für Jedermann etwas bietet. Es sollte sich jedoch im Vorfeld das Programm angeschaut werden. Es sind so viele Möglichkeiten zur Auswahl. Man muß wissen, was man will, das gilt ja auch für das Leben an sich. Der Mensch muß sich immer entscheiden für das eine und das andere sein lassen.
 
Also nichts wie hin im nächsten Jahr. Viel Vergnügen!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 

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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:49

1. Etappe Köln - Leutesdorf

 

Am Dienstag, den 10.07. sollte es nun endlich losgehen. Ich hatte die Nacht schlecht geschlafen, kommt selten bei mir vor. Aber ein wenig war ich aufgeregter als wie sonst, wenn ich mit meinem Rad auf Tour gehe. Zum einen lag es sicherlich daran, dass ich nicht wie sonst wegen des *Weges* fuhr, sondern wegen einer Stadt * Strassburg* Strecke fahren wollte. Zudem hatte ich daher dieses Mal meine Unterkünfte auf den Etappen vorgebucht. Was bedeutete, ich musste dann auch an den jeweiligen Tagen meine Zielorte erreichen. Zweitens war die Wettervorhersage auf Hochsommer mit Temperaturen um die 30 Grad angesagt und ich weiß, was es bedeutet in Gluthitze seine Runden zu ziehen.
 
Nun denn...meine Taschen waren am Vortag schon gepackt, noch das Letzte schnell hinzugepackt, aufs Fahrrad geschnallt und ab gings. Ich hatte immerhin Glück an diesem meinem ersten Tag. Das Wetter war, auch wie vorhergesagt, an diesem Tag eher herbstlich gestimmt. Gerade mal 12 Grad in der Früh um 7.30 Uhr, als ich Richtung Rhein fuhr und ein frischer Wind wehte. Die ersten paar Kilometer bis nach Porz-Zündorf sind ja sozusagen meine Hausstrecke, die ich oft mehrmals in der Woche so zum Training fahre. In Porz-Zündorf fahre ich mit der Fähre auf die andere Rheinseite und dann geht es wieder zurück.
 
Ich dachte,  dass es am frühen Morgen recht still und ruhig auf dem Wege ist. Jedoch hatte ich mich getäuscht und wunderte mich, wie viele Menschen mit dem Rad wohl zur Arbeit unterwegs waren. Ich fühlte mich jedenfalls plötzlich pudelwohl trotz der heftigen Rückenprobleme, die mir durch falsches Liegen in der Nacht zu schaffen machten. Und die schwirrenden Ahornsamen, die wie kleine Propeller von den Bäumen der langen Ahornallee hinter Deutz auf dem Damm herunterwirbelten und den Weg mit einem Teppich ausstatteten taten ihr übriges zu meinem Vergnügen. Ich erinnere mich daran, dass ich sie mir als Kind  immer uf die Nasenspitze gesteckt hatte. Im Alter, lachte ich vor mich hin, brauchste die Nase nicht mehr künstlich zu verlängern, sie wird eh größer, wie die Ohren, beides die einzigen Körperteile, die ja noch wachsen. Und meine Nase ist ganz schön lang und spitz geworden, auch ohne Ahornpropeller. Nach einigen Metern sah ich selber wie ein Baum aus, über und über mit den Ahornsamen überzogen, sie hafteten an mir wie Kleber. Ich fühlte mich wie ein Baum der Rad fuhr. Ach es war herrlich, ich liebe es so von der Natur berührt zu werden.
 
Mittlerweile hatte ich auch meinen Alltag, das Zuhause und alles was noch zu bewältigen ist, wenn ich wieder daheim bin, losgelassen. Und innerlich frei zu werden, ist ein schönes Gefühl. Nichts stört mehr, um sich dem zu widmen, was genau vor einem liegt.
 
In Zündorf, sonst ja die Ausflugsstelle in Köln, war tote Hose, alles gähnend leer. Tische und Stühle der Restaurationen hochgekippt. Ein einsamer Strassenkehrer zog seine Runden. Ich hätte nix dagegen es ihm gleich zu tun mit der Arbeit. Es gibt doch nix Schöneres als ganz für sich seine Arbeit zu tun und das auch noch im Freien. Aber ich mußte mal. Ihr wißt schon. Der Kaffee zuhause, das Wasser das ich schon getrunken hatte, zollten ihren Tribut. Was tun?
 
Da kam ein Mann aus einer Tür und ich fragte ihn, wo man hier mal könnte. Nirgends, sagte er. Es gibt kein öffentliches hier meinte er. Mist. Ich wäre unterwegs und nu? Naja, dachte ich, fahre ich weiter um zu gucken, wo ich mich irgendwo hinter nem Baum verstecken könnte. Aber dann kam mir die Idee. Ich sah die Eisdiele, die, wo ich immer meine Rast mit drei Bällchen Eis mache auf meiner Tagesfahrt und versuchte dort die Türe zu öffnen. Der Mann hatte mich aber bemerkt, kam mir hinterher und meinte, hehe, die gehöre auch zu seiner Arbeitsstätte. Da ist noch zu. Aber ich hab so ein Bedürfnis, lachte ich. Und was soll ich sagen. Das ist das Schönste auf einer solchen Tour, man ist angewiesen auf die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, das macht demütig. Murrend war er, ehrlich, sagte, er habe eigentlich keine Lust, ein langer Tag liegt vor ihm und er wollte sich in Ruhe auf seine Arbeit vorbereiten, er müsse erstmal alle Gegenstände aus dem begehrten Ort entfernen. Das ist jetzt mühsam. Aber mit weiter mürrischem Gesicht tat er es doch für mich. Ich war beglückt.
 
Ich bedankte mich fein, wünschte ihm einen guten Arbeitstag, nette Gäste und würde an ihn und seine Hilfsbereitschaft denken. Dann konnte ich befreit weiter fahren. Herrlich.
 
Es ging nun Richtung Mondorf bei Niederkassel, wo man die erste Gelegenheit hat, mit der Autofähre auf die andere Rheinseite überzusetzen. Mondorf ist ein hübsches kleines Städtchen mit ca. 7000 Einwohnern, das schon im Jahre 795 in den Urkunden erstmalig erwähnt wurde. Der Name des Städtchen weist darauf zurück, dass sie im Mündungsbereich der Sieg liegt. Ursprünglich wurde sie *Munnenthorp* oder *Mundorp* bezeichnet, was so viel wie Mündungsdorf bedeutet. Im 20.ten Jahrhundert war Mondorf die Stadt der Korbflechter. Ein hübsches Städtchen und für Fussballkenner kann ich sagen, das hier der bekannte FC-Köln-Stammspieler Stephan Engels geboren wurde. Das nur am Rande.
 
Übrigens ich bekam nicht nur wegen des Hungers, früh am Morgen kann ich nie so viel Essen, sondern auch wegen des hübschen Ortes Lust eine kleine Rast einzulegen. Hielt an einer Bäckerei und verpflegte mich einerseits mit Proviant für den weiteren Weg und setzte mich mit einem Käffchen vor die Tür und ließ für einen Moment den lieben Gott nen juten Mann sein. Die Frühaufsteher gingen ein und aus, aber eine Frau ungefähr in meinem Alter, hielt an meinem Tischchen und fragte mich, woher ich käme. Erzählte ich ihr also, dass ich auf dem Weg nach Strassburg sei. Allein, fragte sie. Jo, sagte ich. Man das ist ja toll, sie war ganz ausser sich. So was würde sie ja auch gern mal machen. Aber sie würde sich nicht trauen. Sie schaute auf mein Rad und stellte fest, nicht mal ein E-bike. Aber sie hatte eins, wie ich sah, vom Feinsten. Na, sagte ich ihr, für sie doch gar kein Problem und lachte. Jaja, Mut müßte sie haben. Stimmt, sagte ich, ein wenig Mut braucht es schon, auch wenn sich das vielleicht merkwürdig anhört bei den Hochleistungen, die andere so an Bergen, auf der See und sonst wo unternehmen. Dennoch, eine kleine unspektakuläre Abenteuerfahrt mit dem Rad allein braucht auch ein ganz klein wenig Mut. Ich will ja nun nicht immer so cool tun.  Eigentlich braucht es für alle neuen Schritte im Leben Mut sagte ich ihr. Ich gab ihr noch meine Blogadresse, denn sie fragte, ob ich kleine Reiseberichte schreiben würde, die sie gerne lesen wollte. Ich hab mich gefreut.
 
Und kaum fuhr ich ein Stückchen kam ich an die unglaublich sensationelle traumhaft schöne kleine Fährstelle an der Sieg, die mich auf die andere Seite zum Weiterfahren am Rhein bringen sollte. Verwunschen lag sie da mit einer hübschen Gartenrestauration. Der Fährmann stand allein auf seinem kleinen Boot und winkte mich direkt heran. Ich fand das herrlich, erinnerte mich an den Fährmann in Hesses Siddartha, Vasudeva hieß er. Nunja, einen so malerischen Namen hatte er nicht, aber wildromantisch mutete er auch an, wie er da so mit der langen Stange das Boot in die Richtung zur Überfahrt aufs andere Ufer balancierte. Siddartha fühlte sich ja auch zum Fluß hingezogen, als er nach neuen Wegen suchte. Ich fühle mich ihm immer ein wenig wesensverwandt, all die weil, ein Leben ohne Wasser in meiner Nähe kann ich mir gar nicht vorstellen. Die Berge sind schon schön, sie zu besteigen, oben auf den Gipfeln zu verweilen und alles unter sich liegen zu sehen, aber es gibt nichts Schöneres als am Wasser zu spazieren, dem Rauschen der Wellen zuzuhören und Sehnsucht nach unbekannten Orten in dir aufsteigen zu lassen.
 
Nun fuhr ich beschwingt am Rhein entlang Richtung Bonn, sah rechts die Friedrich-Ebert-Brücke liegen, vor dem Flussufer Felder mit abgeerntetem Heu, die zu Ballen gerollt da lagen und dufteten wie der Sommer eben duften sollte. Ich musste immer mal wieder tief durchatmen um das Glück, das ich empfand zu verarbeiten.
 
Dass ich die Rheinschiffe liebe und ihnen gern zuschaue, manchmal, wenn ich verträumt auf einem Bänkchen sitze, erzählte ich ja früher schon. Nun aber fuhr ich neben ihnen her und es machte mir eine kindische Freude mit einem Frachter namens Ben-Gus eine kleine Wettfahrt zu machen. Manchmal überholte ich es, ein anderes Mal, da ich anhielt und den Ausblick genießen wollte, fuhr es wieder an mir vorbei, wir beide in Richtung Königswinter.
 
Eine etwas längere Rast machte ich dann beim Heiligen Nepomuk. Heilige ziehen mich, ungeachtet des vermieften Katholizismus, doch immer wieder an. Sagte ich schon, dass der Heilige Philipp Neri und natürlich Franz von Assisi, der Barfüßler, meine Lieblingsheiligen sind? Der Nepomuk, geboren in Böhmen, ist Schutzpatron der Schiffer, Fischer und Brücken. Jetzt wißt ihrs. Er wurde 1729 heilig gesprochen. Der Legende nach hatte er einen Streit mit König Wenzel IV, nicht nur wegen politischer Auseinandersetzungen, sondern vor allen Dingen, weil er das Beichtgeheimnis nicht habe brechen wollen und nicht verriet, was die holde Gemahlin Wenzels des IVten. ihm anvertraute. Scheinbar soll sie ihren Gatten betrogen habe, der wiederum wollte von ihm wissen, wer der Nebenbuhler war. Und weil er sich weigerte, habe man ihn gefoltert und anschließend von der Prager Karlsbrücke in den Fluß geworfen. So kanns gehen. Jaja, die Legenden... Ich mag solche Geschichten. Geheimnisse in sich zu bewahren, die einem anvertraut werden, ist eine große Gabe. Menschen sind immer dem Verrat nahe. Menschen verraten doch so oft einander, ohne manchmal darüber nachzudenken, dass es ein Verrat ist. Und oft sind es die, die dir am nahesten stehen, die dich verraten auf vielfache Weise. Nun gut...
 
Es geht weiter Richtung Rhöndorf, Bad Honnef, Unkel, Erpel. Einen kleinen Moment hadere ich mit mir, ob ich in Rhöndorf eine Rast machen soll und nach langer Zeit nochmal vielleicht einen Blick ins Adenauer-Haus werfe. Es ist mindestens 30 Jahre her, seit ich das letzte Mal dort war. Im Cafe Profittlich, das ich jedem Rhöndorf-Besucher nur empfehlen kann, ein über 125 Jahre altes Cafe, in der man sich tatsächlich bei dem leckersten Kuchen der Welt in eine andere Welt zurückversetzt fühlt. Das alte Fachwerkhaus ist an die 300 Jahre alt.
 
Aber dann verwerfe ich den Gedanken, denn...ich habe eine Tagesetappe zu bewältigen. Leutesdorf ist mein Zielort, da dort meine Jugendherberge steht, bei der ich vorgebucht habe. Und man kann sich letzten Endes gar nicht mit allen  am Weg liegenden Orten und den damit verbundenen geschichtlichen Ereignissen beschäftigen, wenn man nicht wegen des Weges fährt, sondern um Strecke zurückzulegen. Daher fahre ich weiter, um dann eher in Unkel und Erpel kurz ein wenig inne zu halten. Weil die beiden Dörfer einfach für mich zu den schönsten am Rhein liegenden gehören.
 
Unkel soll schon 600 n. Ch. besiedelt worden sein. Der Name abgeleitet wohl aus dem lateinischen *uncus* , was *Bogen* bedeutet, daher, weil der Rhein hier einen großen Bogen macht. Es ist traumhaft schön, den Bögen, Kurven des Rheinverlaufs zu folgen und ich muss sagen, diese erste Etappe am Rhein entlang gehört für mich zu den schönsten auf der ganzen Strecke. Und dass am ersten Tag. In Unkel hat ein Künstler übrigens ein altes leerstehendes Haus sich zu nutze gemacht und viele Eingänge und Fenster mit rotem Tüll, der überall aufgebauscht herausragt, ausgestattet. Ich weiß nicht, was es bedeuten soll, finde keine Erklärung, was er damit zum Ausdruck bringen möchte. Es ist auch Niemand da, denn wie in  fast allen kleinen Dörfer, die ich durchfahre, sieht man meistens kaum einen Menschen. Also bin ich meiner eigenen Assoziation ausgeliefert. Was soll ich davon halten. Es sieht wirklich hübsch aus. Aber was soll es bedeuten? Das Haus schaut alt und verfallen aus. Vielleicht, so denke ich, will er sagen, auch aus dem Alten und Brüchigem kann Buntes, Neues, entstehen. Wie im Leben des Menschen, in jedem Lebensjahrzehnt, im Älterwerden, gibt es Wunderbares zu entdecken, dass dem Menschen seinen Weg erhellt bis zum Ende seines Lebens. Aber ich weiß es nicht, vielleicht ist das zu simpel. Egal, es hat mir Freude gemacht, es eine Zeit lang auf mich wirken zu lassen.
 
Weiter radelnd gelange ich kurz danach nach Erpel, dessen Name so viel wie *Herrlichkeit* bedeutet. Ein ebenfalls schmuckes altes Fachwerkdörfchen, in denen die Einwohner ihre Gassen und Häuser liebevoll geschmückt haben mit Blumenkästen, kleinen Sitzbänken, auf denen man nach vollendetem Tageswerk am Abend seinen Feierabend genießen und möglicherweise mit den Nachbarn ein Pläuschchen halten kann. Ich hoffe, das ist so und nicht nur Schmuckwerk.
 
In Linz angekommen, fahre ich nicht mit der Fähre auf die linke Seite. Ich möchte rechts bleiben, da auch dort meine Unterkünfte sind. An der Erpeler Ley finde ich den alten Eisenbahntunnel, in deren Gänge sich nun ein Theater befindet, in dem gerade das Stück *Die Brücke* gezeigt wird. Da hätte ich direkt Lust zu schauen, aber wie gesagt, mein Weg muss weiter gehen, denn die Zeit läßt sich nicht aufhalten und es sind noch einige Kilometer bis Leutesdorf. Vor dem Eingang des Theatertunnels stehen zwei große Brückentürme. Über die Mauer geschaut seh ich den Rhein unten liegen und habe eine gute weite Aussicht auch auf die andere Rheinseite nach Remagen. Hier finden sich viele Gedenktafeln, die an Frieden und Freiheit erinnern wolle und an die Geschichte, die hier stattgefunden hat.
 
Denn am 7. März 1945 erreichten hier amerikanische Truppen das Gebiet am Rhein und finden die Ludendorfbrücke unzerstört vor. Sie kamen von Meckenheim über die Rheinhöhe nach Remagen. Die Deutschen waren damals bei dem Versuch die Brücke zu sprengen gescheitert. Der Tunnel unter der Brücke wurde von den Amerikanern unter Beschuß genommen. Dramatisch ist es damals verlaufen, denn dort befanden sich noch deutsche Soldaten und viele Zivilbürger. Die deutsche Zivilbevölkerung ergab sich schließlich und konnten in ihre Häuser zurückkehren und  die deutschen Soldaten wurden in Kriegsgefangenschaft geführt. Wie ich im Nachhinein bei Recherche las in meiner Jugendherberge am Abend, messen Historiker der Schlacht um die Ludendorf-Brücke eine große Bedeutung zu, gar ein Ereignis, das zum schnellen Ende des 2. Weltkrieges geführt haben soll. Nun denn, dem Rhein folgend begegnet man unglaublich viel Geschichte. Sich erinnern ist immer gut. Wer sich erinnert an Schrecklichem, das zurückliegt, kann im Heute menschlicher werden. Ich kann die Leuts nicht verstehen, die sagen, mit der Vergangenheit haben sie nichts am Hut, ist rum. Natürlich ist es rum, aber sie hilft erstens zu verstehen, zweitens zum anders handeln. Wer die Vergangenheit leugnet, weiß nicht wer er ist. So sage ich jedenfalls.
 
Es geht nun weiter über Hönningen, Rheinbrohl nach Leutesdorf. Teils führt der Weg noch ein gutes Stück am Rhein entlang, aber dann verläuft er etwas hinauf in die Weinberge, neben der Bahnstrecke und rechter Hand liegt unter mir die Straße und der Rheinverlauf. Hinter den Weinbergen geht es steil hoch hinauf, oft von mächtigen Steinfelsen zerklüftet, die ganz plötzlich aus den Bäumen herausragen,dann wieder runter an den Rhein, wo ich hie und da Angler in kleinen Buchten entdecke, die da still sitzen und auf einen guten Fang warten. Ich glaube, wer Angler ist, weiß was Geduld bedeutet. Da können wir Nichtangler nicht mitreden.
 
Der Wein steht in voller Blüte. Ich hab mir erzählen lassen, dass die Weinernte je nach Lage dieses Jahr vier bis sechs Wochen früher ist. Aber ich kenn mich ja da nicht aus.  Ich halte immer mal wieder um Fotos zu machen, doch ist es immer recht mühsam mit dem Rad, anhalten, absteigen, Fotokamera herausholen, knipsen, alles wieder verstauen. Manchmal hab ich gar keine rechte Lust dazu und will einfach nur fahren. In der Ferne kann ich den hohen Kühlturm des stillgelegten Kernkraftwerks in Mühlheim-Kärlich erblicken. Obwohl nicht aktiv, ragt er bedrohlich in die Landschaft. 1986 wurde er zwar in Betrieb genommen, aber schon zwei Jahre später stillgelegt. Es gab Schwierigkeiten mit den Genehmigungsverfahren, wie ich später las, und ach, es ist mir egal, hauptsache das Ding funktioniert nicht.
 
Eine schöne Strecke fahr ich nun durch das Naturschautzgebiet Engerser Feld. Es ist das größte Trinkwasserreservoir der Region. Es versorgt mehr als 150.000 Menschen mit frischem Trinkwasser. Das Trinkwasser, lese ich an einer Tafel am Wegesrand, bedarf keiner Aufbereitung, denn es liegt deutlich unter den von der EU-Kommission angegebenen Grenzwerten. Das Naturschutzgebiet beherbergt viele Vogelarten und ist ein idealer Rastplatz für durchziehende oder einfach nur überwinternde Zugvögel.
 
Die Strecke ist super schön, urig, erstreckt sich über ca. 8 km durch das Naturschutzgebiet. Eingangs des Weges seh ich ein lustiges Schild, auf dem steht: Rüttelweg, Hämorrhoidengefährdend. Ich steh und guck und guck und schmunzele vor mich hin. So was hab ich noch nie nirgendwo gesehen. Na dann...Ich fahre mal los und ehrlich, es ist schon herrlich, rüttelnd und schüttelnd. Dennoch muss ich sagen, ich hab schon Schlimmeres befahren, aber Spaß macht es allethalben.
 
Direkt hinter diesem Naturschutzgebiet erstreckt sich ein weiteres, nämlich das der Urmitzer Werth, das direkt nahe des Rheins liegt und ein Inselchen beherbergt, auf dem ebenfalls viele Pflanzen und Vogelarten ihren Schutzraum haben. Bisserl unheimlich mutet mich der Weg an, ich kann nicht erklären warum und abends in der Herberge wird mir erzählt, dass dort sogar mal eine Leiche gefunden wurde.
 
Es ist 15.30 Uhr, als ich schließlich in der Jugendherberge Leutesdorf ankomme, die direkt am Rhein gelegen ist und ein Vorzeigeexemplar an Jugendherberge ist. Sie ist noch recht neu, einegweiht im Jahre 2015 und mit allem Schnickschnack der Moderne ausgestattet. Keine Schlüssel mehr, sondern nur noch Chipkarten, Aufzügen, hell und freundlich möbliert, von Sauberkeit gar nicht zu reden, freundlichem Personal und gemütlichen Zimmern mit Dusche und WC. Das Frühstücks- und Abendessenbuffet ist ein Wahnsinn, besser kannste es im Hotel nicht haben. Also ich hab mich dort recht wohlgefühlt. Nach Frischmachen gabs dann fast schon das Abendessen und danach spazierte ich still vor mich in durchs kleine, aber feine Dorf, das erstmals im Jahre 588 Erwähnung findet und bekannt für seinen Weinanbau ist. So sieht man auch viele kleine Weinhöfe im Ort, die ihre Erzeugnisse anbieten. Durch die engen Gasen schlendernd auch hier das Gefühl, wie in einer anderen Welt zu sein und mir vorstellend, wie düster es früher hier zugegangen sein muss, wie eng das Leben miteinander war, man konnte sich janicht ausweichen, es sei denn man begab sich auf Wanderschaft.
 
Ich war es zufrieden als ich dann wohlig in meinem Bette lag. Und der Rücken hatte sich auch etwas gebessert. Manchmal muß man dem Schmerz einfach davonlaufen oder eben davonfahren. Was solls. Es gibt kein Leben ohne Schmerz. Irgendwo drückt der Schuh immer. Und Stillstand hat noch nie weitergebracht.
 
Meine erste Tagesetappe erstrecke sich über 95 km. Ich war es zufrieden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:46
Am Morgen bin ich recht frisch erwacht und nach einem reichhaltigen Frühstück mache ich mich auf den Weg.  Rüdesheim sollte heute mein Ziel sein.
 
Der Weg führt am Rhein entlang durch das Neuwieder Becken. Es gibt dort einige Baustellen, die ich umfahren muss und den Weg zurück nicht gleich finde. Also das erste Mal Begegnung mit Umwegen, Verfahrwegen um wieder zum rechten Wegzu finden. Eine solche Tour ist immer auch ein Suchen und Finden. Wie im Leben halt. Aber es gibt schöne kleine Haltestellen, wo es Unerwartetes zu entdecken gibt, oft auch Kurioses. So an einer Anlegestelle ein Stromkasten auf dem FC-Fans ihre Liebe zum Verein dokumentiert haben. Ich hab natürlich direkt für den Sohnemann ein Foto geschossen. FC-Fans gibts halt überall.
 
In Engers entdecke ich das Schloß Enger. Das Schloß wurde von den Erzbischhöfen und Kurfürsten im Spätbarockstil im 18. Jahrhundert erbaut, also gar nicht so alt und ist mit das einzige, das erhalten geblieben ist. Heute wird das Schloß als Tagungsstätte oder für Veranstaltungen genutzt und man kann es natürlich besichtigen. Aber ich war noch nie son Schloßgucker. Aber herrschaftlich schön schauts schon aus.
 
Es wird heiß heute. Ich merke es. Mein Vegetativum reagiert da sofort. Das bedeutet es wird anstrengend. Darauf muss ich mich einstellen. Vor allen Dingen in der Mittagshitze. Manchmal kann man dem Wetterbericht auch trauen.
 
Aber schön still liegen die Wege vor mir und das Wummern der manchmal vorbeiziehenden Schiffe geben einen schönen Klang von sich, in dem ich mich einbetten lasse und ebenfalls das Gefühl habe, ich schwebe auf meinem Rad so vor mich hin.  Ich halte immer mal an, Pausen sind wichtig bei Hitze.
 
Hatte ich schon erwähnt, das neben dem Rheinradweg auch der Limesradweg zu befahren ist. Wer auf Entdeckung der Römerzeit ist, sollte ihn unbedingt befahren, denn Geschichte aus dieser Zeit ist hier groß.
 
Ich komme nach Bensdorfy-Sayn, das landschaftlich gelegen an den Ausläufern des Westerwaldes liegt. Schöne Strecken führen hier direkt am Rhein entlang. Sayn selber soll schon in der Bronzezeit besiedelt gewesen sein. Der Ort wird von zwei Bächen, dem Sayn und dem Brex durchzogen, die beide in den Rhein münden. Es gibt die Burg Sayn und das Schloss Sayn. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Burg allerdings von den Schweden gänzlich zerstört. Die Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn soll im Garten des Schlosses eine große Schmetterlingssammlung beherbergt haben, daher heißt er auch der Garten der Schmetterlinge. Ein wenig tut es mir gerad wieder leid, keine Zeit zu haben, um solche Dinge zu bestaunen. Ich muss mich wie im Leben mal wieder damit abfinden, es kann nicht alles erkundet, gewußt und bestaunt werden, die Lebenszeit reicht einfach dafür nicht aus.
 
Und ich habe auch gut daran getan, keine größeren Stops zu machen, denn der Weg, der jetzt bis anch Rüdesheim folgt, ist echt riesenanstrengend. Ich muss sagen, ich komme ein wenig an meine Grenzen.
 
Der Weg folgt nun bis nach Lahnstein und auf der linken Seite seh ich im Vorbeiradeln Koblenz liegen, wo mir das große Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck hinüberwinkt. Ich erinnere mich an meine Tagestour mit dem Rad von Frankfurt nach Köln, wo ich eigentlich in Koblenz Rast machen wollte, aber dann noch so fit war, dass ich dachte, fährste weiter Roeschen, wenigstens noch ein wenig, aber dann hab ich nix mehr zum Unterkommen gefunden und musste die komplette Strecke bis Köln durchfahren. Das war ein Wahnsinn, den ich nie vergessen werde.
 
Ich habe einen schönen Ausblick auf die Burg Lahneck, die wirklich prächtig auf dem Hügel ehrauslugt. Hier kann auch ein Teil des Deutschen Jakobsweges absolviert werden. Da hab ich ja bei meinen Touren immer ein Auge drauf. Obwohl ich den Originalweg von Frankreich nach Spanien durchlaufen bin, hab ich aber nie groß ein Bedürfnis verspürt, die deutschen Wege einmal abzulaufen, vielleicht kommt das ja noch.
 
Zu erwähnen ist noch, wie ich bei Abendrecherchen erfahre, auf meinem Bette liegend, dass auch Goethe im Anblick der Burg Lahneck sich inspiriert gefühlt hat und sogleich ein Gedichtlein verfaßt hat, dass ich hier einfügen möchte: 
 
Hoch auf dem alten Turme steht
Des Helden edler Geist,
Der, wie das Schiff vorübergeht,
Es wohl zu fahren heißt.
Sieh, diese Senne war so stark,
Dies Herz so fest und wild,
Die Knochen voll von Rittermark,
Der Becher angefüllt;
Mein halbes Leben stürmt' ich fort,
Verdehnt' die Hälft' in Ruh'
Und Du, Du Menschen-Schifflein dort,
Fahr immer, immer zu!
 
Des Helden edler Geist, also ich muss sagen, so hab ich nun nie gedacht beim Anblick mächtiger geschichtlicher Orte, aber an des Menschen Geist im Allgemeinen schon, der hier über Jahrhunderte gelebt und gewaltet hat. Immer wieder versuche ich mir vorzustellen, wie das so war in früheren Zeiten, wie gelebt wurde, was gefühlt und gedacht wurde und wie die Menschen so mit dem Fortschritt zu recht gekommen sind. Ebenso wie wir Menschen uns ja heutzutage ebenfalls mit dem rasanten Fortschritt von Technik beschäftigen und ihn verkraften und einen Weg finden müssen, damit zu recht zu kommen. Vor allen Dingen im Alter wird das doch immer schwerer, weil einem oft der Gedanke kommt, du kannst da nicht mehr mithalten. Ist so.
 
Und eine weitere Begebenheit hat mich ebenfalls berührt. Dort oben auf der Burg Lahneck soll im Jahre 1851 eine 17jährige Touristin verhungert sein, nachdem eine marode Treppe hinetr ihr eingestürzt war. Gefunden hat man ihre Leiche bzw. ihr Skelett erst bei der Renovierung eines der Türme, aber immerhin ihr Tagebuch von ihren letzten vier Tagen. Das hätte ich nun gern gelesen. Ob man es da wohl bei eienr Burgbesichtigung zu sehen bekommt. Ich weiß es nicht, werds aber noch herausfinden und es ist sicherlich eine Zukunftsoption meinerseits dann noch einmal dort anzureisen, um es mir anzuschauen. Ich weiß, ich weiß, ich bin merkwürdig, was andere Leuts vielleicht nicht interessiert, mich aber um so mehr. Ich bin son Typ.
 
Nun geht es weiter vorbei an Orten wie Felsen, Kamp-Bornhofen, Kestert bis nach St. Goarshausen. Für Wanderer übrigens, hier schon beginnen die wunderschönen Rheinsteigwanderungen, von denen ich auch einige schon durchlaufen habe, vor allen Dingen erinnere ich mich an die schöne Wanderung von Lorch aus hoch über den Rheinsteig, wo mir in der Abenddämmerung noch eine Bache mit ihren Jungen begegnet ist. Es ist immer schön, an Orte zu kommen, wo viele schöne Erinnerungen lebendig werden.
 
St Goarshausen gehört schon zum Loreleykreis und die Stadt gehört seit 2002 zum Unesco-Weltkulturerbe. Ich habs vorher nicht gewußt, ehrlich.Sie wird umgeben vom Rheinischen Schiefergebirge. Urkundlich erwähnt ist die Stadt im Jahre 1222. Das ganze Königs-, Fürsten- und Herzigsgedöns macht mich schwindelig. Ich hab eh Probleme mit Namen, also laß ich das mal lieber.
 
Weinanbau ist hier seltener zu finden, weil die Gebiete,  um Pflanzungen anzulegen schwer zugänglich sind, zu zerklüftet die Lagen. Als es noch Weinanbau gab, wurden schon zu früheren Zeiten die Arbeiter dort hoch entlohnt, weil die Arbeit vor allen Dingen bei großer Hitze äusserst anstregend war. Apropos große Hitze. Ich schwitze und das nicht schlecht und es ist sauanstregend.
 
Von St. Goarshausen aus befahre ich eine der stressigsten Strecke auf meinem Wege. Fast nur an der Schnellautostrasse vorbei. Der Radweg keinen Meter breit und die LKW´s und Busse rasen 1o cm neben dem Bordstein an mir vorbei. Es kommt kein Haus, kein Dorf, nix, nur Strasse, Strasse, Strasse und rechts neben mir der glitzernde Rhein. Ich weiß gar nicht wieviele Kilometer ich schon gefahren bin, ich schaue zwischendurch nie nach meinem Zähler, erst am Abend, wenn ich angekommen bin.
 
In Kaub mach ich eine kleine Rast am Ortsufer. Ein Mann kommt mir entgegen und ich frage ihn, ob dieser Weg nun wirklich immer so weiter geht bis nach Rüdesheim und schau ihn ein wenig zermürbt an. Er bestätigt dies und ich seufze. Als ich mich bedanken will und weiterfahren möchte, sagt er, dass wahrscheinlich die Strecke kurz hinter Lorch immer noch für Radfahrer gesperrt sei und man dann ganz auf die Autostrasse ausweichen müßte, was aber, wie er denke, nicht mal erlaubt sei, weil es viel zu gefährlich sei. Er könne sich daran erinnern, dass er vor einigen Wochen diese Strecke zurücklegen wollte und durch die Baustelle aufgehalten wurde und so die Rheinseite wechseln mußte. Er sei sich aber nicht sicher. Er ist sehr nett, denn er versucht einen Kollegen mit dem Telefon zu erreichen, der genauer bescheid wisse, damit ich Gewißheit erlange. Leider erreicht er ihn nicht und er empfiehlt mir besser auch  die Rheinseite zu wechseln und dort bis nach Bingen weiter zu fahren, um von dort aus mit der Fähre wieder rüber nach Rüdesheim zu gelangen, wo ja meine Herberge liegt. 
 
Auch, weil ich dort einen in der Nähe lebenden alten Freund treffen werde, dem ich versprochen habe, auf meiner Radtour meine alte Kamera zu überlassen. Ich hatte nämlich zum Geburtstag von meinen Kindern eine neue bekommen, weil sie meinten, die Qualität der Bilder sei nicht mehr so gut. Ich weiß es nicht, vielleicht hatten sie nur Bilder gesehen, die ich machte, weil ich ohne Brille ein wenig schäl bin und sie dachten deswegen, es müßte eine neue her. Ich häng immer so an meinen Sachen und war dann auch total überrascht, als die neue auf meinem Geburtstagstisch lag. Aber nun bin ich natürlich froh, dass ich die niggelnagelneue habe, denn sie ist doch noch besser zu handhaben und weist noch mehr Möglichkeiten auf. Dennoch, die alte tats ja noch und was soll die zuhause rumliegen, wenn sie ein anderer Mensch nutzen kann. Also wie versprochen Übergabe in Rüdesheim.
 
Also höre ich auf seinen Rat und wie ich am Abend dann erfahre, habe ich gut daran getan, denn es war genauso wie der freundliche Mensch mir sagte. Bis nach Niederrheinbach-Lorch ist es noch ein Stückchen des Weges, da muss ich durch, entnervt, mittlerweile hungrig und von der Gluthitze malat fahre ich dann mit der Fähre auf die andere Rheinseite. Es ist eine Autofähre. Der Fährbetrieb übrigens wird schon seit 5 Generationen von einerFamilie betrieben.
 
Es gibt ein nettes Video zum Familienfährbetrieb, dass ich ebenfalls gern einfüge:
 
 
Es ist ganz interessant, was Herr Schnaas, der jetzige Fährmann so erzählt. Seit 12 Jahren habe er keinen Urlaub mehr gemacht. Die Fähre ist ein Ganzjahresjob. Unvorstellbar denk ich mir. Ein Alltag ohne Atempause. Wie kann das gehen?
 
Auf der anderen Seite angekommen, knicke ich echt ein. Sehe das Schild, Kilometer nach Bingen, noch ganze 30... Ich glaub, ich schaff das nicht mehr, so fühl ich mich jedenfalls, aber ich weiß, dass ich muß. Und wie es auch im Leben oft ist, wenn du denkst, es geht nicht mehr weiter, irgendwie geht es dann doch. Also sitz ich auf und fahre, werde aber belohnt, denn der Weg nun auf der Bingenerseite ist wirklich hübsch, links liegt mir nun der Rhein, rechts lauter kleine Schrebergärten, so daß es mir echt Antrieb gibt. Wo es viel Abwechslung gibt, ist ein Weg immer besser zu bewältigen, als wenn du lange eintönige Strecken fährst. Auch das ist ja ein schönes Bild für den Alltag, wenn du ständig im langweiligen Alltagstrott hängst, wirst du schneller müde, als wenn du erfreuliche Abwechslungen hast, neue Erfahrungen und Begegnungen.
 
In Bingen angekommen, ein kurzes Stück noch über die Flaniermeile am Rhein, wo gut betuchte Urlauber sich zeigen, rauf auf die Fähre und rüber nach Rüdesheim. Ich bin jetzt echt total erleichtert und froh, als ich den Freund auf der anderen Seite am Bahnhof stehen sehe und ruf ihm schon von weitem zu. Freudige Begrüßung. Er lädt mich zum Essen ein und wir maschieren durch die weltberühmte Drosselgasse. Mensch Drosselgasse, sollte jeder kennen. Ich hab ehrlich gesagt noch nie vorher davon gehört. Sicher auch, weil ich mich für derartige Dinge nicht interessiere. Aber sie ist nunmal weltberühmt, 2 Meter breit und erstreckt sich über eine Länge von 122  Metern und laut wiki sollen da Jahr für Jahr 3 Millionen Menschen ihre Runden drehen. Unfaßbar. Für mich jedenfalls. Was wollen die da.
 
Im 15. Jahrhundert wurde die Gasse von den Rheinschiffern bewohnt. Im Jahre 1833 wurde ein großer Teil der Gebäude dort durch Feuer vernichtet. Und im Nationalsozialismus war die Drosselgasse ein beliebter Ausflugsort für die Angehörigen der Nazi-Freizeitorganisation *Kraft durch Freude* Mir wird schlecht bei dem Gedanken. Es wurde angeordnet, dass dort nur Musik gespielt werden durfte, die dem deutschen Empfinden nach genehm ist. Manoman, wie krank das alles. Schon allein deswegen würde ich ncht an diesen Ort zurückkehren wollen. Ich kann mir nicht helfen, ich hab immer den Verdacht, dass etwas von diesem Geist noch herumschwirrt.
 
Nun denn, ich hätte eh durch diese Gasse gemußt, denn meine Jugendherberge lag noch 2 km entfernt, hoch oben auf dem Berg. Und ich war froh, dass ich mit dem Freund gemeinsam eine kleine Rast in einer dann etwas abgelegeneren Pizzeria machen konnte, wo ich selber zwar kaum etwas herunter bekam, aber immerhin ein wenig ruhen konnte. Manchmal vertreibt eine unglaubliche Anstrengung den Hunger, jedenfalls erleb ich das oft auf solchen Touren und kehrt erst viel später, leider zur ungünstigen Zeit, wenn es nix mehr gibt, zurück. So ist das Leben halt. Kannste, willste nicht, willste, kannste nicht. Der Mensch ist ein merkwürdig Wesen.
 
Und jetzt sag ich was, was bin ich so froh gewesen, dass ich den Freund an meiner Seite hatte. Denn, obwohl man mich beim Buchen der Jugendherberge schon vorgewarnt hat, von wegen 2 km 7%ige Steigung bergauf, war ich von dem vorliegenden Weg total schon beim Anblick geschafft. Ich meine, ich hätte es schon schaffen müssen, auch alleine, aber ich war so was von dankbar, dass der Freund mir mein Rad abnahm, es mit den schwerbepackten Radtaschen auf dem steinig-gerölligen Weg bergauf schob. Man, ist das schwer, dein Rad sagte er. Jo, nickte ich.
 
Die Jugendherberge erreicht, stelte ich fest, sie war von der einfachen Art, aber alles was ich brauchte war da. Bett, Dusche, wenn auch nicht auf dem Zimmer, aber sie war nicht voll belegt, so daß es kein Problem war. Wir saßen dann noch gemeinsam ein gutes Stündchen auf einem Bänkchen, genossen den schönen Anblick aufs Tal und hinüber auf die andere Rheinseite und dann verabschiedete er sich. Ich hoffe, meine Kamera bringt ihm Freude. Und ich fiel nach dem Duschen schachmatt aufs Bett, aber auch ein wenig glücklich.
 
Mein letzter Blick auf meinen Tageskilometerstand: 118 km. Hurrah! Gute Nacht
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:34
Es ist 6.00 Uhr und ich werde wach. Wach, aber ein wenig zerschlagen. Aber ein neuer Tag und ich muss weiter. Nun ja, theoretisch gibt es immer kein *muss*, doch hab ich meinen Zeitrahmen,  also sage ich, ich will weiter.
 
Frühstück ist voll in Ordnung. Wie immer pack ich mir eine Semmel für unterwegs ein, schnüre meine Päckel und ab gehts. Ich nehme nicht den steinig-gerölligen Weg runter, sondern eine Landstrasse, die natürlich ebenfalls zur Herberge heraufführt. Es geht in Serpentinien runter nach Rüdesheim, wo mittlerweile ein munterer Betrieb herrscht. 
 
Ich bin froh, dass ich davonfahren kann. Es geht Richtung Ingelheim, recht hübsch an einem Weg am Rhein entlang. Ruhig ist es und still und ich habe das Gefühl ich komme ein wenig zu Kräften. Ich kann mich an dem romantisch sich schlängelnden Rheinwindungen mit dem vielen grün am Uferrand, der durch die Windstille ganz ruhig fließt, nicht sattsehen. Immer mal wieder mach ich ein kurzes Päuschen und sitz einfach nur da.
 
Ingelheim, gehört zum Landkreis Mainz-Bingen und ist in sechs Stadtgebiete aufgeteilt. Die Stadt hat ihren Namen von einem Franken namens Ingilo, der sich schon anfang des 6. Jahrhunderts hier niederließ. Später folgte das für Rheinhessen typische *heim* dazu.
 
Ich hab mich aber nun nicht weiter mit der Stadt beschäftigt. Interessant zu erwähnen ist vielleicht noch, dass Fritz Teufel, ploitischer Aktivist der Studentenbewegung in den 60ern hier geboren wurde. Ich wollte einfach weiter. 
 
Um so hübscher begegnete ich dann der Rheinpromenade in Eltville am Rhein. Die Stadt selber fand auch hier eine frühe Erwähnung um das 4.ten Jahrhundert. Die gesamte Promenade ist von Platanen beschattet und man entdeckt den Eltzer Hof und den dahinter liegenden Turm der kurfürstlichen Burg. Ich habe mir dort ein hübsches Plätzchen gesucht und mir ne schöne Apfelschorle genehmigt. Es ist ja so, du fährst und fährst, kilometerlang, machst Rast und denkst ja nicht daran, was noch vor dir liegt. Das ist, wie im Leben auch, ganz gut so, sonst würden wir sofort einknicken, manchmal jedenfalls. Und am heutigen Tage ist bis auf einige kleinere Umwege alles gut gelaufen. Zu erwähnen ist sicher aber noch, dass Eltville nicht nur Sekthochburg ist, sondern auch Rosenstadt genannt wird. Die Rosen der Stadt sind weltweit bekannt und sogar der Zarenhof in St. Petersburg soll sich der Eltviller Rosenpracht bedient haben. 2006 wurde eine neu gezüchtete Rosen auf den Namen *Johannes Gutenberg* zu seinen Ehren getauft.
 
Eine schöne Sache entdeckte ich am Rande der Promenade. Dort fand ich einen Bücherschrank. Klar, dass mir da das Herz aufging. Es war ein alter Anhänger, auf dem überdacht ein Bücherregal stand mit vielen schönen Werken. Ich hab mich ein wenig gewundert, an einem solchen Ort solches zu finden, aber der Betreiber des Bücherwägelchens sagte mir, es kämen tagsüber viele Menschen hier vorbei. Die Bücher seien grundsätzlich zwar umsonst, aber er sammle Spenden für ein afrikanisches Dorf, an die er das Geld schickte. Eine schöne Idee. Kurz dahinter befand sich eine schöne Strandbar, die meinme Aufmerksamkeit weckt mit Liegestühlen, die einem das Gefühl gaben, man läge nicht am Rhein am Strand sondern irgendwo in der Karibik, natürlich nur, wenn der Himmel blau war und strahlte und die Getränke erfrischend kühl waren, so wie an diesem Tage.
 
Aber weiter, Richtung Mainz, wo ich mich saumässig verfahren habe, weil die Hinweisschilder mal wieder total durcheinander mal in die, mal in die andere Richtung zeigten. Und eh ich mich versehen hatte, war ich nicht mehr am Rhein, sondern am Main angelangt. Ich habs aber schnell gemekt. Manchmal hatte ich auch nen Tunnelblick und hab einen falschen Weg zui spät bemerkt. Es war aber auch ein Irrgarten, den Weg rüber auf die andere Rheinseite zu finden, Brückenüberquerung war notwendig, aber vorerst galt es kleinere Brücken zu überwinden, die zur großen Brücke führten. Gelobt sei die Polizei, dein Freund und Helfer, die ich antraf in ihrem Streifenwagen und die mir den richtigen Weg wiesen. So ging es dann schnurrstracks hinüber und nun befuhr ich die linke Seite des Rheins.
 
Über Mainz könnt ich nun natürlich auch viel erzählen, aber da ich auch hier wirklich nur vorübergefahren bin, laß ich es. Natürlich ist es eine hübsche Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, Geschichte usw..., die ich auch kenne, weil ich zur Zeit, als ich in Frankfurt lebte, dorthin mal eine Tagestour gemacht hatte. Mannheim war noch weit. Es ist nur lustig, wenn ich Mainz höre, denke ich automatisch auch immer an Mainz wie es singt und lacht und an Margot Spohnheimer und ihr...gell du hast mich gelle gern, gelle i di a oder wie das geht:) das ist so in mir drin, ich kann mir da nicht helfen. Es gibt einfach so Dinge aus der Kinderzeit die haften an dir und du wirst sie nicht mehr los.
 
Und für alle meine geneigten Leser mal ein urig drollig altes Video von der ollen Margot:  
 
So am Rhein entlang komm ich an ein Brückchen, dass den Namen eines von mir hochgeschätzten Kaberettisten trägt, nämlich Hanss-Dieter-Hüsch-Brücke. Darüber freue ich mich über alle Maßen, hier in Gedanken dem ollen Hüsch zu begegnen, der am Niederrhein groß geworden ist und ein Mensch voller Humor und gutem Geist war. Seine Biografie hab ich schon 2 mal gelesen. Ich wußte zwar, dass er zum Ehrenbürger der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz gekürt wurde, dass sie ihm auch eine Brücke gewidmet hatten, war mir bisher nicht bekannt. Ich erinnere mich vor allen Dingen an sein schönes Büchlein *Das Schwere leicht gesagt* Es war nach dem Lesen sozusagen ein Mantra von mir. Denn es gibt so Vieles, dass wir nicht auszusprechen wagen, weil es uns zu schwer erscheint, aber es gibt eine Leichtigkeit, die erlernt werden kann und die besteht darin, keine Angst zu haben vor den eigenen ausgesprochenen Worten, keine Angst zu haben vor Ablehnung, keine Angst zu haben vor dem, was an Schwerem geschieht und das erzählt werden will. Ein schönes Büchlein.
 
Aber nun genug von Hüsch es geht weiter Richtung Weisenau, Nackenheim nach Nierstein am Rhein entlang, jedenfalls bis Nackenstein. Dort bricht der Weg ab und führt an den Bahngleisen entlang hinauf in die Weinberge bis nach Nierstein. Ich laß mich von der Höhe direkt nach Nierstein hineinrollen. Hübsche kleine Strässchen durchfahrend führen mich zu einem kleinen Cafe auf einem Plätzchen, an dem ich anhalte und mir eine selbstgemachte Kürbis-Tomaten-Ingwer-Suppe servieren lasse, die saugut ist. Nette Leute die Cafebetreiber, mit denen ich noch ein wenig plaudere und die mir den weiteren Weg Richtung Mannheim weisen. Oha, meinen sie, da haben sie aber noch was vor sich.
 
Und nun wirds nochmal richtig richtig anstrengend. Denn der Weg führt über einen Damm, der nicht asphaltiert ist mit schmaler Spur und das in der Gluthitze, mittlerweile ist es 13.30 und kein Schatten in Sicht, kein Lüftchen weht. Auweia. Ich fahre und fahre, Kilometer um Kilometer, irgendwann find ich den Weg runter vom Damm wenigstens auf die unterhalb gelegene asphaltierte Radstrasse, der zwar wunderschön ist aber nicht aufzuhören scheint, immer geradeaus und weiter und weiter, kein Plätzchen, um sich mal kurz zu verkriechen oder gar irgendwo noch einmal eine Apfelschorle zu Gemüte zu führen. Nix...Ich bin so froh, dass ich dann ab Oppenheim wieder an den Rhein gelange, denn hier steht ab und an mal ein Baum rechter Hand und vom Wasser her weht immer mal ein Lüftchen. Ich glaube, ich habs bald geschafft, denk ich so für mich hin, denn nun tauchen auch die ersten Schilder Worms und Mannheim auf. Hurrah.
 
Auf noch recht gut befahrbaren Wegen mit guter Aussicht komme ich dann aber auf die Strecke, an der auf der rechten Seite das Industriegebiet bis nach Worms hineinreicht und linker hand der Rhein liegt. Mühselig ist es, aber nun nicht mehr weit. Ludwigshafen noch zu überwinden und dann hab ich es geschafft und laufe in Mannheim ein. Total am Ende für heute, ehrlich.
 
Ich hatte von unterwegs kurz meine Unterkunft in der Herberge abgesagt, weil ich wußte, dass ich dort kein Zimmer für mich allein habe und etwas anderes gesucht. Eine Bed & Breakfest Übernachtung nicht weit vom Rhein entfernt. Entlang des Stephanienufers in Mannheim liegt die Waldparkstrasse, zu der ich nach einigen Malen nachfragen dann auch hinfinde.
 
Bisserl geschockt bin ich dann doch, all die weil es schon heftig ist. Mein Zimmer liegt im Keller, ganz oben im Raum die vergitterten Fenster. Da hat Jemand wohl alles aus seinem Haus herausholen wollen. Es ist sauber und ordentlich wohl, aber miefig und keine Dusche und WC auf dem Zimmer. Nun denn...auch hier muss ich durch. Ich bin sowieso so ko, dass ich nicht mehr raus will am Abend, dusche noch, eß noch ein Brötchen, dass ich mir unterwegs erstanden habe und schlafe schnell weg.
 
Ein Blick am Abend auf meinen Kilometerzähler, zeigte mir 145 km an. Jösses. Ich habs gemerkt.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:22
Ich bin froh, dass ich gut geschlafen habe, fühle mich aber dennoch wieder wie erschlagen. Die gestrige Tour hat mich geschafft. Frühstück gibts gar nicht im Haus, sondern in einer Bäckerei ein paar Straßen weiter, mit dem das Unterkunftshaus eine Abmachung getroffen hat. Naja, geht schon. Dann schnell raus aus Mannheim. Ich kann  es mir nicht erklären, obwohl ich nicht viel von der Stadt gesehen habe, ist sie mir ein wenig unsympathisch. Überall Baustellen wie blöd, Industrieanlagen, dichter Verkehr, Menschen wohin man guckt. Ich bin das nicht mehr gewohnt nach den vorherigen Strecken solche Menschenansammlungen, die morgens im Berufsverkehr herumschwirren.
 
Der Weg führt auch nicht sonderlich schön hinaus. Über zig Strassen den Schildern Richtung Speyer folgend, auf Land- und Bundesstrassen, dann mal wieder abweichend auf irgendwelche Nebenstrassen, manche nur Schotterstrassen wo dann auch nach ca. 20 km das passiert, das sogenannte Unerwartete, mit dem ich nicht gerechnet habe und das ganz plötzlich über mich hereinbricht.
 
An einer etwas abschüssigen Stelle sah ich schon weiter vorn dicke Steine liegen. Ich fuhr recht schnell, wollte abbremsen und bums aus aus die Maus, riß eine meiner Bremsen und ich versuchte mit den Füßen weiter zu stoppen, kippte samt meines Rades um und schlurfte über das Geröll. Habe ich schon gesagt, dass ich nicht ängstlich bin? Bin ich wirklich nicht, aber in diesem Moment war ich echt geschockt. Es saß mir in den Gliedern, mein Herz klopfte wie verrückt. Ich konnt erst gar nicht aufstehen. Das Rad samt Packtaschen ist ja schwer und ich wuchtete mich hoch. Meine Beine waren aufgekratzt und bluteten, aber vor allen Dingen zitterte ich. Mir wurde bewußt, dass ich trotz allem großes Glück hatte, ich hätte auch kopfüber stürzen können oder was weiß ich, ich trag ja keinen Helm, ich kann den einfach nicht vertragen. Ist ja auch noch nie was passiert, jedenfalls nix Großes, nur so wie jetzt eben gerade.
 
Als ich mich wieder etwas gefangen hatte, überlegte ich, was mach ich nun. Da ich ja nicht wußte wie die Strecke weiter verlief, hab ich mich nicht getraut mit der einen Bremse weiter zu fahren. Immerhin waren für die Strecke nochmal über 100 km ausgerechnet, jedenfalls direkter Weg. Da ich aber immer vom Weg abweiche und vor Ort auf den Radwanderwegen radele, wären es sicher wieder mehr geworden. Ich bin sehr oft nicht vernünftig, das weiß ich, aber in diesem Moment war ich es. Eine innere Stimme sagte mir, Roeschen, Roeschen, mach kein Mist, laß deinen Stolz und fahr zurück und von Mannheim aus mit dem Zug nach Baden Baden. Dort kannste du in Ruhe dein Rad reparieren lassen und morgen gehts dann eben gut weiter. Schweren Herzens, ich geb es zu, so ganz kann ich es mir nicht verzeihen, gegen meine Regel, egal was passiert, solange es irgendwie geht, zieht du es durch, verstoßen zu haben. Aber meine Vernunft sagt mir, es war richtig. Denn wir wissen ja, manchmal ist der Mensch zur falschen Zeit am falschen Ort und dann ist es ganz aus. Es war so etwas wie eine Ahnung in mir es besser nicht zu tun.
 
Ich fuhr also ganz vorsichtig wieder zurück nach Mannheim hinein.  Ich war ich ein wenig von der Rolle. Ich wollte zum Bahnhof und  befuhr eine Strasse, konnte aber nicht wissen, dass diese auf eine Schnellstrasse seitlich vom Bahnhof an einer Baustelle vorbeiführte. An der Ampel standen Autos, die hätten ja auch mal was sagen können. Fensterscheibe runter drehen und erklären, liebe Radfahrerin, fahren sie besser nicht auf dieser Strasse, völlig ungeeignet für Radfahrer. Sagte aber keiner was. Also fuhr ich munter drauf los.
 
Es dauerte bis ich die Unterführung wahrnahm und bemerkte, ne Roeschen, das geht gar nicht. Da kannst du nicht weiter und stoppte einfach auf einem mini Seitenstreifen, um die Strasse zu überqueren, damit ich wieder zurückkam. Ich fühlte mich dermaßen verloren, das kann ich wirklich keinem erzählen in diesem Moment. Meine Beine schmerzten, die Autos rasten an mir vorbei und ich stand und stand und dachte, hier kommst du niemals mehr weg. Keine Lücke durch die du wenigstens bis zum Mittelstreifen herüberhuschen kannst. Es ging immer weiter mit dem Autoverkehr. Gefühlt waren es mindestens 20 Minuten, die ich da stand. Ich kämpfte mit den Tränen. Ich empfand das schlimmer als den Sturz vom Rad und die gerissene Bremse, da eingekesselt zu sein von dem Autoverkehr und nicht wegzukommen. Natürlich war ich das selber schuld, ich hätte ja besser aufpassen können, aber so geht es nun mal im Leben zu, ein Einschlag, du gerätst ausser Kontrolle und schon passiert der nächste, bums aus die Maus.
 
Natürlich hab ich die Hoffnung nicht aufgegeben, denn irgendwann geschah das Wunder und ich gelangte tatsächlich erstmal auf den Mittelstreifen. Dort stand ich da wie Hein Blöd und das ganze Procedere wiederholte sich, dieses Mal aus der anderen Richtung. Autos um Autos und ich wartete und wartete und seufzte und schluckte, aber dann, aber dann, plötzlich auch hier eine Möglichkeit und nix wie rüber. Man war ich froh, dem Ganzen entronnen zu sein. Nochmal gut gegangen.
 
Jösses, nun hatte ich die Nase voll und schob mein Fahrrad zum Bahnhof.  Wie ich dann entdeckte war die Unterführung dorthin direkt neben der Abbiegespur der Strasse, der ich dummerweise gefolgt war. Aber wie soll man das wissen in einer fremden Stadt.
 
Ich weiß nicht, ich fühlte mich am Bahnhof angekommen wie aufgeweicht innerlich, brüchig und verletzlich, auch ein wenig desorientiert oder besser gesagt von der Rolle. Ich wollte jetzt einfach nur noch weg hier. Vor dem Bahnhofseingang stand ein Bahnangestellter den ich fragte, wie ich am besten nach Baden Baden käme. Super freundlich war der, endlich wieder was Erfreuliches. Am besten sei es, wenn ich mit der S-Bahn nach Karlsruhe fahren würde und von dort aus mit dem Zug weiter. Er ging sogar mit mir zum Automaten, damit ich das richtige Ticket für die S-Bahn erwerben konnte. Und ich war bass erstaunt wie schnell man diese Strecke mit der Bahn zurücklegte. Mir war es recht. Rein in die Bahn und nach knapper halben Stunde stand ich im Bahnhof Karlsruhe.
 
Dort erwarb ich dann das Ticket weiter nach Baden Baden. Erleichtert fand ich das Radabteil, stellte mein Rad ab, warf mich auf den Sitz und dachte, alles gut. Es ist alles gut. Du hast alles richtig gemacht Roeschen. Entspann dich jetzt.
 
Gegen Mittag kam ich in Baden Baden mit dem Zug an und war tatsächlich wieder ich selbst. Mein Quartier war am anderen Ende der Stadt, in Geroldsau, auf der Geroldsauer Strasse. Also fuhr ich nach Nachfragen von Passanten auf einem schönen Radweg erstmal hinein in die Stadt, denn der Bahnhof liegt etwas ausserhalb. Die Stadt war laut und voll, wie auch in Mannheim. Überall Baustellen. Auch diese Stadt zog mich nicht an. Viel zu dekadent. Ich kannte sie zwar von einem Besuch bei einer Gerhard Richter Ausstellung von vor zwei Jahren, aber da erschien sie mir wenigstens etwas gemütlicher, das lag aber wohl daran, dass ich an einem Sonntag dort war. Eine lustige Begebenheit, obwohl es eigentlich unverschämt war, aber so sind sie halt die Autofahrer, passierte mir noch innnerhalb der Stadt. Ich fuhr auf einer etwas zugegebenen schmalen Strasse, durchweg für Radfahrer erlaubt und auch ganz wie es sich gehört am rechten Fahrrandstreifen, als mich plötzlich eine Tussi, jawohl Tussi, in ihrem dollen Auto, was weiß ich, was es für eins war, ich konnte es auf die Schnelle nicht erkennen, jedenfalls was dolles, überholte, und mir durchs Fenster zurief: Sie stören mich beim Autofahren. Hahaha, hat man so was schon erlebt? Ich jedenfalls noch nie.
 
Ich bin ja selten frech, ich musste auch ehrlich gesagt staunen und lachen zugleich, wirklich. Aber ich rief ihr zu: Du hast doch wohl den Schuß nicht gehört oder?, blöde Kuh. Ehrlich so bin ich, ich kann auch anders. Natürlich hat sie sich davon sicherlich nicht beeindrucken lassen, solche Leute sind so was von sich selbst eingenommen, die merken nicht mal, wie blöd sie sind. Ist so. Jedenfalls, wenn ich jetzt daran denke, muß ich doch wieder lachen. Das war einfach so schräg.
 
Durch eine schöne schattige Baumallee fuhr ich den Weg stadtauswärts Richtung Geroldsau vorbei an der Abtei Lichtenthal wo ich kurz zu einem Eiscafe einkehrte, weiter am Brahmshaus vorbei, das aber gerade geschlossen hatte, sonst hätte ich es mir wirklich angeschaut, denn ich hatte ja nun auch Zeit.
 
Auch gleich die Unterkunft gefunden. Ein altes Hotel an der Geroldsauer Strasse, das sicher einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Aber es war ein hübsches, altes Haus im Schwarzwaldstil und nette ältere Herrschaften betrieben es noch. Sie würden nicht mehr viel vermieten. Ich hatte Glück gehabt. Zwei schöne Zimmer ganz für mich alleine warteten auf mich und ich kann gar nicht sagen, ich war so froh angekommen zu sein nach diesem Tag. Ich warf mich auf das große breite bequeme Sofa, ließ alles an mir vorbeiziehen und schlief darüber ein. Herrlich. Frisch geduscht machte ich mich auf den Weg um endlich mal in Ruhe was Ordentliches zu essen.
 
Es passierte aber auch nun wieder etwas Unerwartetes. Ich kehrte in einem gemütlich aussehenden Gartenlokal ein, klein aber fein. An einem langen Tisch saß eine etwas größere Gesellschaft, jedoch waren die anderen Tische leer. Also machte ich es mir bequem. Ich hatte schon mein Augenmerk auf Spätzle mit Schweinsbraten und Pfifferlingen gerichtet. Aber die Bedienung kam ewig nicht. Sie sah mich, aber schien mich nicht sehen zu wollen. Merkwürdig dachte ich. Irgendwann erbarmte sie sich und fragte nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen Radler und sagte, dass ich auch gern etwas essen möchte. Sie verschwand, ich dachte, sie käme mit der Karte und dem Radler wieder, aber nix da. Erst einer längeren Weile kehrte sie zurück, um mir mitzuteilen, bevor sie das Getränk bringen würde, sage sie mir gleich, auf das Essen müßte ich aber eine gute Stunde warten. Der Koch hätte viel zu tun mit der Gesellschaft. Ich guckte wohl etwas verdutzt und war im ersten Moment sprachlos. Nanu, so was hatte ich auch noch nicht erlebt, dass ein Gast wegen Überarbeitung abgewiesen wird. Dabei sah ich nun wirklich nicht schlimm aus und unfreundlich war ich schon mal gar nicht. Ganz im Gegenteil. Aber ich merkte ihr sogleich an, selbst wenn ich zugestimmt hätte, diese eine Stunde zu warten, sie war nicht erpicht darauf, dass ich blieb. Irgendwie schien ich ihre Kreise zu stören. Nun ja, das bin ich ja gewohnt. Das ergeht mir öfter so. Scheinbar bin ich doch komisch. Ich zog es vor, mich zurückzuziehen und bedankte mich und zog meines Weges.
 
Scheinbar war das nicht mein Tag insgesamt. Aber unten am Plätzchen angekommen gabs ein nettes italienisches Restaurant. Es lag zwar direkt an der Straße, aber es war nun schon später und ich setzte mich gemütlich an einen der Tische und wurde auch ebenso freundlich bedient, zwar auch nicht ganz nach meinen Wünschen, denn ich suchte mir ein Pastagericht aus und bestellte auch hier einen Radler. Auch hier verschwand die zwar freundliche Bedienung, kam aber mit einem Radler wieder und meinte, sie müsse mir leider sagen, dass Pasta-Gerichte im Moment noch nicht zur Verfügung ständen, weil der entsprechende Koch noch nicht da wäre. Das einzige, was sie mir anbieten könne, sei Pizza. Was soll ich sagen. Ich wußte nicht mehr was ich sagen sollte. Selbst in meinem Kopf war alles leer. Isch schwöre. Mir war es auch wurscht jetzt. Ich bestellte eine Pizza, die war gut und saulecker und genoß mein Sitzen dort an dem Plätzchen und schaute dem Treiben um mich herum zu. Fertig.
 
Pickepacke satt kehrte ich gemütlich zu meiner Unbterkunft zurück. Feierabend für heute.
 
Ach ne, was ich ganz vergessen habe, natürlich hatte ich, vom Bahnhof kommend, die einzige Fahrradwerkstätte vor Ort angefahren, um ihnen meinen Schaden an der Bremse zu zeigen und gehofft, sie würden mir diesen, da ich ja unterwegs und darauf angewiesen war am nächsten Tag gut weiter kommen, mehr oder weniger in schneller Zeit reparieren. Ich hatte aber fehl gedacht. Sie seien voll bis zum Rande mit Auftragsarbeiten und könnten nix für mich tun. Jösses, was solls dachte ich, gefaßt wie ich wieder war, fährste halt am anderen Tag mit einer Bremse weiter Roeschen. Der Weg bis nach Strassburg hatte keine Höhenüberwindungen mehr, also brauchte ich wohl auch nicht viel zu bremsen. Das war jedenfalls mein Plan.
 
So kam es, dass ich auf meiner vierten Etappe mit dem Zug fahren mußte und insgesamt an diesem Tag nur 40 km gefahren hatte.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:05
An diesem Morgen bin ich das erste Mal total erholt erwacht aus dem Bett gesprungen.
Jedoch hatte ich in der Nacht ein sehr sehr merkwürdiges Erlebnis. Es ist immer so, dass mir auf allen meinen Touren etwas Unerklärbares begegnet. Etwas worüber ich lange nachsinne, aber keine Antwort finde, was da eigentlich geschehen ist. Etwas, das zwischen der Welt, die wir sehen und dem geheimen Verborgenen liegt.
 
So auch dieses mal. Ich wachte in der Nacht auf und fühlte mit meiner rechten Hand an meine linke. Warum ich das tat, ich weiß es nicht. Ich mach so was ja sonst nie. Ich tastete mich zu meinem linken Ringfinger und bemerkte, dass der Ring, der dort immer saß, nicht mehr da war. Ich schwöre, dieser Ring sitzt seit Jahren an meinem linken Ringfinger. Er geht eigentlich gar nicht mehr ab, man muss schon ordentlich dran herumzerren, manchmal hilft nur Wasser und Seife. Mir hat das nie etwas ausgemacht. Er gehört zu mir, weil er voller Erinnerungen ist. Er war ein Geschenk. Ich tastete und tastete, konnte es nicht begreifen, dass er nicht mehr da war und sinnierte drüber nach, wie das passieren konnte. Wo ich ihn verloren hatte. Aber das wiederum, so erklärte ich mir, konnte doch gar nicht passiert sein, denn gerade beim Radeln lag meine Hand immer auf dem Lenker. Ich verstand es einfach nicht. Ich spürte Traurigkeit in mir aufsteigen, dass er nun fort war. Ich lag eine ganze Weile wach, konnte nicht mehr richtig einschlafen. Drehte und wendete mich immer noch in Gedanken versunken. Plötzlich drehte ich mich zur linken Seite, wollte meine linke Hand unter meinen Kopf legen und da spürte ich ihn. Den Ring. Er lag da einfach neben mir. Ich konnte das alles nicht verstehen. Ich schüttelte den Kopf, nahm den Ring und zog ihn mir wieder über den linken Ringfinger. Es ging nicht einfach. Genauso schwierig, wie ich ihn hätte abzuziehen versucht. Dann ließ ich es dabei beruhen und schlief wieder ein. Noch jetzt, wo ich darüber schreibe, ist mir das ganze unerklärlich. Ich muss es wohl dabei belassen.
 
Taschen wieder gepackt und ab aufs Rad. An einer kleinen Bäckerei an der Strasse halte ich kurz für ein Frühstück, habe noch ein nettes Gespräch mit einem altern Herrn und dann gehts los. Die Stadt ist schon recht lebendig. In der langen Allee, durch die ich bei meiner Ankunft geradelt bin stehen die alten Oldtimer. Jetzt wurde mir auch klar, wieso ich am vorherigen Abend hin- und wieder mal einen alten Autoklassiker bestaunen konnte. Es war Internationales Oldtimertreffen in Baden Baden. Wie ich später nachlesen konnte, waren ca. 350 alte blinkend-funkelnde Liebhaberstücke angemeldet. Der große Autofan bin ich nun nicht, jedoch diese alten Karren zu sehen, hat echt Spaß gemacht.
 
Alle Baustellen umfahrend durch die Stadt am Bahnhof angekommen, versuche ich mich an den Radwanderwegen zu orientieren und wähle die Richtung nach Sinzheim aus. Der Weg führt über Landstrassen, teils mit befahrbaren Radwegen, viel Verkehr ist nicht. Ich muss mich ein wenigg durchwurschteln durch die vielen kleinen Dörfer bis ich in die Richtung nach Greffern entdecke, wo mich kurz danach das blaue Strassenschild mit 12 gelben Sternen darauf hinweist, dass ich in 1000 m in Frankreich angelangt bin.
 
Ich fühle mich fast ein wenig euphorisch. Abgesehen vom Suchen und Finden des Weges war es eine erfrischende Fahrt an Wald und Feldern vorbei, die Hitze noch nicht so stark, denn es war gerade mal 11.00 Uhr. An der Fähre gab es ein kleines Bistro. Autos standen schon in der Schlange und warteten. Ich fragte einen Autofahrer, wie oft die Fähre fahre, sah sie auf der anderen Seite liegen. Ständig hin und her, gab man mir zur Antwort. Na dann, dachte ich, kann ich mich beruhigt auf ein kühles Wässerchen noch ins Bistro setzen. Zwei Franzosen begrüßten mich mit dem ersten Bonyour. Das Bonjour  hüpfte mir weich und zart entgegen. Ja, so empfand ich es. Eine wunderschöne Sprache, das Französisch. Sie redeten irgendwas weiter, was ich natürlich nicht verstand, aber es klang alles sehr freundlich. Ich ging davon aus, dass sie wissen wollten, woher ich kam und erzählte mit Händen und Füßen, dass ich mit diesem meinem Rad, das neben mir stand, von Köln gekommen bin. Ich war fest davon überzeugt, dass sie mich verstanden hatten. Und da das miteinander Reden in unserer beiden Sprachen recht fließend ging, sprach ich sie auf das am Sonntag stattfindene Endspiel Frankreich / Kroatien an. War klar, das hatten sie absolut verstanden. Wir lachten und ich drückte meine Daumen in ihre Richtung und sagte: vive la france und verabschiedete mich, denn die Fähre legte an und ich zog mit meinem Rad davon. Ein schöner Service übrigens, man brauchte nichts zu zahlen. Wo gibts heutzutage noch was umsonst.
 
Ruhig schipperte die Fähre über den Rhein ans andere Ufer, immer noch war ich ganz von Glücksgefühlen durchwärmt. Jetzt kann es ja nicht mehr weit sein, dachte ich. Einen entgegenkommenden Radfahrer fragte ich sicherheitshalber, ob der Weg jetzt hier am Rhein direkt nach Strassburg führte. Jaja, meinte er, zeigte mit der Hand immer geradeaus. Na dann. Ich schwang mich auf und fuhr los. Kein asphaltierter Weg, Schotter und Gestein. Jösses, das jetzt noch 40 km und die Sonne stand nun schon wieder hoch am Himmel und warf ihre Glut zur Erde. Kein Schatten nicht, nirgendswo. Naja, fahrn wir mal dachte ich. Schön war es ja, der Rhein glitzerte ruhig in der Sonne, funkelnde Sterne auf dem Wasser, wie ich sie liebe, ab und an wabberte ein Schiff daher und rechts Baum und Strauch.
 
So fuhr und fuhr ich, keine Menschenseele zu sehen.  irgendwann kam mir ein Radler entgegen, schon älter, bisserl geschafft sah er aus. Ich hielt an und fragte ihn, ob das alles noch seine Richtigkeit habe mit dem Weg, es sei sehr müßig. Und dann legte er sofort los, welche Hindernisse mir nun bevorstehen würden. An einer Sandfabrik müsse ich vorbei bzw. mich durch dichten Sand schleppen bis zu einer Brücke. Über die müßte ich, um auf die andere Rheinseite zu kommen, damit ich dort ein Stück entlang fahren könne, um später wieder die Seiten zu wechseln. Dazu hatte ich nun eigentlich gar keine Lust. Die Brücke sagte er, sei schwierig zu überwinden. Es führe eine so schmale Treppe nach oben, fünf Stockwerke lang, dass man Rad mit Packtaschen nicht hinaufbekäme. Man müsse beides separat nach oben tragen und auf der anderen Seite wieder runter. Ich ahnte Fürchterliches.
Auf solche Hindernisse verbunden mit Riesenanstrengung hatte ich nun wirklich keine Lust mehr. Ob ich denn nicht anders fahren könne. Aber das wußte er nicht. Manchmal ist es doch gut, auf sein Bauchgefühl zu hören. Ich mach das nicht, dachte ich mir, den nächstbesten Weg herunter vom Damm und dann versuchen über die Dörfer weiter zu kommen.
 
Gesagt getan und das ging auch alles recht problemlos, denn es gab tatsächlich auch hier Radwanderschilder in Richtung Strassburg, denen ich nur folgen mußte. Straßen und Dörfer, die ich durchfuhr, unterschieden sich in keiner Weise von den vorherigen am Vormittag befahrenen in Deutschland. Alles gähnend leer. Immer wieder frage ich mich wo das Leben hier in den Dörfern stattfindet. Alle scheinen sich hinter ihren Häusermauern verschanzt zu haben. Natürlich passierte es einmal wieder, dass ich ein Richtungsschild übersah und fuhr über La Wantzenau in die verkehrte Richtung. Merkte es, weil nun kein Radwanderschild mehr sichtbar war. Dennoch fuhr ich weiter bis ich in ein kleines Dörfchen kam, wo mir ein junges Ehepaar begegnete, Ich hielt an und fragte sprachbarrierend überwindend  nach dem Weg. Es klappte tatsächlich und sie erklärten mir, dass ich bis nach La Watzenau zurückmüsse und von dort an der Strassenkreuzung zeige sich dann wieder der Weg nach Strassburg auf. 12 km umsonst gefahren, 12 km auch wieder zurück. Nun ja, es muß ja bald ein Ende haben.
Fehler machen kannste ja Roeschen, so dachte ich, nur musst du sie auch wieder glattbügeln, wie in diesem Falle, auch wenns weh tut.
 
An der Strassenkreuzung aber fand ich die Richtung und sah, es waren nur noch 12 km bis nach Strassburg. Hurrah. Langsam kehrte das euphorische Glücksgefühl wieder und ich radelte, was das Zeug hielt.
 
Ich kam im Norden der Stadt an, wo auch bei Ill und Rhein-Marne-Kanal das Europaviertel angesiedelt ist. Sogleich entdeckte ich auch das Palais de´l Europe. Die vielen Fahnen der europäischen Nationen flatterten im Wind. Es fühlte sich merkwürdig an vor dem Gebäude zu stehen und daran zu denken, dass hier der Europarat mit mittlerweile 47 Mitgliedstaaten über Wohl und Wehe entschied. Der Bau wurde übrigens 1976 fertiggestellt. Drum herum befinden sich dann das IPE, Gebäude des europäischen Parlamentes und  IPE I und II, die Büros der Parlamentarier. Es hatte ja Zeit, das alles noch zu erkunden. Zuerst einmal wollte ich ins Zentrum, um von dort zu erforschen, wo genau denn nun meine Jugendherberge ansässig war.
 
Die Innenstadt war leer und bevor ich mich wunderte, erfuhr ich auch sogleich auf meine Frage nach dem Weg, gerichtet an drei junge Leute, die mir deutsch zu sprechen schienen, dass ja heute Nationalfeiertag sei. Sie hätten es auch nicht gewußt, wollten shoppen und nu ging nix. Total hilfsbereit die drei. Mit meinem Smarthphone konnte ich leide rnichts schauen, all die weil ich kein  Auslandsinternet habe. Einer von Ihnen erklärte sich daher bereit auf seinem einmal die Karte zu studieren. Als ich meine Lesebrille herausholte, um mir aufzuschreiben, was er mir an Strassen, die ich zu befahren habe, ansagte, noch mal ein kleines Unglück. Ja, wirklich Unglück. Denn ohne Brille beim Lesen bin ich schäl wie ne Ühl, wie wir hier in Kölle zu sagen pflegen. Ein Brillenglas war rausgefallen und ein Seitenbügel gebrochen. Na toll. Wenn eins nicht klappt,.dann das andere auch nicht. Ich bemühte mich mit der Brille an einem Ohr und dem Spinxen auf einem Auge irgendwas zu Papier zu bringen, es war chaotisch, denn ständig fiel das noch übrig gebliebene von der Brille herunter. Jedenfalls hatten wir mächtig Spaß. Immerhin.
 
Naja, so halbwegs hatte ich ein paar Hinweise. Der Tromb, Linie D ( es muss gesagt werden, in Frankreich sind die Strassenbahnlinien mit Buchstaben gekennzeichnet und die Busse mit Zahlen, so sagte es mir später der Rezeptionist meiner Jugendherberge) immer folgen, bis sie abbiegt und dann einfach mal weiter schauen. Ganz sicher hatte ich nicht damit gerechnet, dass es ca. 5 km waren, die da nochmal an den Stadtrand führten, direkt an den Rhein gegenüber der deutschen Stadt Kehl. Beide Städte sind mit der Trom-Brücke, die erst 2017 fertiggestellt und eingeweiht vom Altmaier, als Zeichen deutsch-französischer Freundschaft verbunden, so daß man bequem als Radler oder eben mit der Trom D über den Rhein nach Deutschland gelangt. Das erfuhr ich natürlich erst am Abend alles.
 
Nach einigem weiteren Durchfragen, sorry, überfiel mich ein derartiger Durst nach einem Kaltgetränk, dass ich an eine Tanke fuhr und mir eine Riesenflasche Zitronenwasser erstand, die ich fast in einem Zuge leertrank. Gibts nicht, gibts nicht, dachte ich so bei mir. Was muß, das muß. Immerhin, die Trom machte ihren Bogen zur Brücke, ich schaute ein wenig auf der stark befahrenen Autostrasse um mich und erhaschte tatsächlich ein Hiwneisschild zur Auberge de jeunesse. Erleichterung pur. Ich folgte dem Schild, das an einem großen Park vorbei an das Rheinufer führte und erblickte nach 1 km meine Jugendherberge. Angekommen. Seufz. Jetzt ist Ruhe angesagt.
 
Abwicklung an der Rezeption, man sprach englisch, wunderbar. Ich bekam meine Chipkarte für mein Zimmer und zog mit meinen Packtaschen in den zweiten Stock. Der erste Eindruck war ein wenig enttäuschend, durch die Vorerfahrung an Komfort in Jugendherbergen. Ich hatte zwar das Zimmer für mich allein, sicherheitshalber fragte ich nochmal an der Rezeption nach, denn im Zimmer standen drei Betten. Schreck laß nach, dachte ich noch, wenn ich hier mit zwei Leuten nun liegen muss, weil bei der Reservierung was schief gelaufen ist, dann lauf ich davon. Aber alles gut, hatte ich eben drei Betten, konnte ich gut meine Sachen drauf verteilen. War gut, dass die mal aus den Taschen kamen. Bett war so lalala, sehr hart und diese oft typische Gummiauflage in Jugendherbergen drunter, ich nahm einfach zwei Bettücher und stopfte die druff und dann einfach mal liegen lernen. Hab ich auch gemacht und war so wunderbar. Dachte bei mir, Roeschen, Roeschen, du warst in Indien, schlimmer gehts nimmer. Also nimm an, was ist und mach es dir so gemütlich, wie es nur geht.
 
Ich hab den Abend dann ausklingen lassen auf der angenehmen Gartenterrasse hinterm Haus, wo bei größter Hitze immer ein erfrischendes Lüftchen wehte und hab die letzten Tage noch mal an mir Revue passieren lassen. Alles war gut, wie es war.  Und ab Morgen sollen dann meine Strassburgspaziergänge folgen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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