Früh bin ich erwacht. Ich brauch da keinen Wecker. Ich mag es, schon zeitig aufzubrechen. Und wer noch nicht gepilgert ist und Tag für Tag ein neues Ziel vor Auge hat, weiß ja nicht, dass nicht nur der Weg mühsam ist, sondern auch die ständigen Vorbereitungen, die am Morgen beginnen. Du hast entweder bei einem Fusspilgerweg deinen Rucksack oder eben wie ich jetzt mit das Rad, deine Packtaschen. Dort ist alles verstaut, was wichtige und nötig ist, dass auf dem Weg gebraucht wird. So bin ich erst immer mal damit beschäftigt, Dinge wieder so zu verstauen, dass ich sie am Abend dann so wiederfinde, wie ich sie brauche. Es ist ein kleines Ritual, das Auspacken, Einpacken und es gibt auch Momente wo mir das mühselig erscheint. Es ist jedoch auch immer ein schönes Bild für die Mühseligkeiten die ich im Alltag auf mich nehmen muß. Nichts geht wie von selbst, oft musst du Dinge wiederholen. Merkwürdigerweise im Alltag macht der Mensch diese sich ständig wiederholenden Arbeiten oder Pflichten wie mechanisch ohne viel drüber nachzudenken. Wenn du unterwegs bist, ist das anders. Fast, habe ich jedenfalls festgestellt, bist du sorgsamer mit den Verrichtungen, aufmerksamer, weil du keinen Fehler machen willst oder gar etwas vergißt. Erst wenn alles gut untergebracht ist, kommt das Frühstück dran. In diesem Falle ein gutes.
Die Männers von gestern Abend sitzen auch schon bei Tisch, sie sind direkt nach ihrem Nachteinsatz an den Frühstückstisch zurückgekehrt. Und dann gehts erst mal für ein paar Stunden ins Bett. Ich verabschiede mich und bin auch froh die teure Stätte zu verlassen. Und merke, gerade jetzt in diesem Moment wurmt es mich doch wieder ein wenig, dass die so viel Geld nehmen. Ist ja so, manchmal denk ich, ich hab etwas los gelassen, aber dann sticht es doch noch einmal wie ein Wurm in einem faulen Apfel. Roeschen denk ich, laß es und erfreu dich jetzt an der schönen Fahrt die vor dir liegt. Und so ist es auch, manch kleiner Unmut verfliegt Gott sei Dank sehr schnell.
Der Himmel ist noch bedeckt, aber es ist nicht kalt. Fahre zurück durch die Fußgängerzone direkt in ein kleines Wäldchen. Es ist ein Schotterweg, den ich befahren muss und das erfordert Konzentration. Schließlich habe ich kein Crossbike oder so was. Muss also aufpassen, dass ich das Gleichgewicht halte mit dem ganzen Gepäck, denn hin-. und wieder rutscht mir der hintere Reifen weg im feuchten Schotter. Ich durchfahre ein wirklich kleines Örtchen namens Offensen und bin froh für eine kleine Zeitspanne den straßenbegleitenden Radweg fahren zu können, nach der Anstrengung direkt eine Wohltat und erreiche den Ort Heeslingen. Ha, hier in Heeslingen gab es mal ein Frauenkloster, dass dann später für seine Disziplinlosigkeit im Klosterleben bekannt wurde. So gar nicht fromm muss es da zu gegangen sein. Ich will mir gar nicht vorstellen, was das muntere Treiben dort wohl gewesen sein mag. Jedenfalls wurde das Kloster einfach umverlegt in das abgeschiedene Zeven. Ich traue frommen Menschen einfach nicht, weniger noch als Menschen, die weder fromm sind noch Glauben besitzen, oft jedenfalls. Ist einfach so. Das Kirchlein St. Vitti gefällt mir aber ausserordentlich. Was können die Bauwerke für die Menschen.
Ich fahre nun auf einer asphaltierten Landstrasse Richtung Boitzen, komme auf einen Weg, der wieder Maisfelder zu einer Seite aufweist aber auch die Sicht auf den großen Windkraftpark in Wense freigibt. Die stehen hier ja überall, auch schon auf meiner ersten Etappe werde ich dieser großen Windmühlen gewahr. Immer wieder werden sie meinen Weg kreuzen. Ragen da hoch hinaus und muten fast ein wenig surreal an, wie sie da in der Landschaft stehen, weit und breit sonst nichts. Wie ich vor einiger Zeit las, gibt es auch heftige Widerstände seitens der Bürger in Schleswig-Holstein, die sich mit aller Kraft gegen den weiteren Ausbau solcher Anlagen verwehren.
Hab ich schon erwähnt, dass es heute recht stürmisch war bei meiner Fahrt. Und Regen gab es auch zwischendurch, als ich den Wald durchfuhr. Hab ich einen Hochstand gefunden. Mich hinaufbegeben und abgewartet. War lustig da oben. Kam mir vor wie der Protagonist im Film *into the wild* Das Geräusch der großen Flügel surrt durch die Luft. Wie ich da so kilometerweit alleine daher fahre, empfinde ich das fast ein wenig gespenstisch. Dennoch ist der Weg sehr schön zu befahren und hier finde ich auch den großen Reformationsstein der am 31. Oktober 1517 dort befestigt wurde und als Erinnerung dienen soll, wie der Weg der Mönche zur Christianisierung Schleswigs verlaufen ist. Aber auch den großen Stein der den großen Napoleonspilgerweg anzeigt ist direkt gegenüber zu erspähen. Napoleonsweg heißt er deswegen, weil hier die Truppen Napoleons diesen Weg nutzten um Richtung Norden zu ziehen. Napoleons Truppen haben diesen Weg auf ganze 24 m verbreitert. Aber nicht nur der Pilgerweg wird hier aufgzeigt, sondern dieser Weg war auch der große Handelsweg zwischen den Orten Schleswigs, der von den Kaufleuten beritten, begangen, wie auch immer wurde. Ich stehe davor und seufze ein wenig, denn es weckt schon Sehnsucht zu sehen, wie auf der einen Seite der Weg 1848 Kilometer nach Rom und in die entgegengesetzte Richtung 2130 km nach Reykjavic führt. Ich könnte ja jetzt, wenn ich alles sausen ließe, einfach mal nach Rom fahren. 1848 km, so lang ist das nicht. bei 100 km täglich wär ich gut in 20 Tagen da. Aber gut, es muss ja nicht alles sofort sein. Und so ist es auch ganz klar, dass sich hier neben der Via Romea auch ein Stück des Jakobspilgerweges kreuzt, dessen Erkennungszeichen, die Muschel, der ich öfters auf meinem Weg begegne und mir das Herz höher schlagen läßt, denn diesen Weg hab ich ja schon absolviert und doch immer noch Sehnsucht, ihn noch einmal zu gehen.
Ein Wunder ist es die 25 beschrifteten Findlinge zu entdecken, die schon 1,5 Milliarden alten Steine sind während der letzten Eiszeit mit den Gletschern aus Skandinavien an diesen Ort transportiert worden. Die Bewohner der umliegenden Orte haben diesen Steinen Namen gegeben. Es gibt einen Stein der *Schobskoovensteen* heißt, leider bekomme ich nicht heraus, welche Bedeutung er hat, das wurmt mich. Ich will ja immer alles wissen. Da ist der *Verkupplungsstein oder Flurordnungsstein* leichter einzuordnen, der 1862 beschriftet wurde und die Verbindungen zwischen den Orten signalisieren sollte. Dann gibt es den Fleegersteen neben dem sogar ein Tragflächenstück der am 28.4.1945 notgelandeten Heinkel HE 111 erinnern soll. Und den *Heimatvertriebenenstein* der mich auch daran erinnert, dass meine Mutter aus Pommern während des Krieges hier ins schöne Schleswig geflüchtet ist und für einige Jahre nähe Itzehoe dort ihre Jugendzeit verbracht hat. Ich will sie gar nicht alle aufzählen, aber sie liegen da aus einer anderen Zeit und ich staune über die Kraft der Natur, die diese Steine hier her gebracht haben.
Ich setze mich noch für eine kleine Weile auf eine dort befindliche Bank, die die Aufschrift *Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht vertrieben werden können* trägt. Ein Dichter namens Jean Paul Richter soll diesen Spruch erfunden haben. Ob er damals schon konfrontiert wurde mit Demenz und Alzheimer, geht mir durch den Kopf. Ich verstehe diesen Spruch schon, aber er hat eben doch keine Gültigkeit in dem Fall, wo es einen Menschen trifft, der von einer dieser Krankheiten befallen wird. Ich darf gar nicht daran denken, wie sich das anfühlt würde, keine Erinnerung mehr zu haben an das Erlebte. Es muss schrecklich sein. Dann verabschiede mich von diesem geschichtsträchtigen Ort und fahre Richtung Ahlerstedt in den sich lang dahinziehenden Naturwald Braken hinein.
Der Weg erstreckt sich über fast 9 km durch den Wald. Und die Wege sind wegen des Regens doppelt für ein Rad eigentlich ungeeignet, vor allen Dingen für meins. Aber mein Rad ist brav und hält das durch und ich juchze zwischendurch immer mal wieder, wenn ich eher den Eindruck habe, ich sitze auf einem Pferd und nicht auf einem Rad, weil das plötzliche Absacken in ein Schlammloch oder wieder Wegrutschen wegen des Wurzelwerks und der Steine, die überall auf dem Weg herumliegen, mich stark herausfordern. Es ist ein leicht Ding auf einer ebenen Strasse Kilometer um Kilometer zu fahren, aber auf solchen Wegen kostet es einfach doppelt Kraft, Aufmerksamkeit und Konzentration. Erschwerend kommt dann noch der Regen hinzu. Ich bin auch immer froh, wenn ich ein solches Stück des schweren Weges hinter mich gebracht habe und nix passiert ist. Denn hin- und wieder kommt mir natürlich schon der Gedanke, auweia Roeschen, wenn du hier fällst, dir was brichst, 9 km, so schnell findet dich hier keiner. Aber immerhin gibts ja die Sicherheit des smarthphones, obwohl, hier im Wald ist der Empfang manchmal auch recht schlecht. Aber ich sag mir immer, Angst essen Seele auf Roeschen und sie ist zwar nicht immer unnütze, aber ich will mich auch niemals von ihr beherrschen lassen.
Der Naturwald Braken besteht übrigens zu großen Teilen noch aus Urwaldresten mit jahrhunderte alter Fauna und Flora. Die früher im Kloster Harsfeld lebenden Mönche haben diesen Wald vor Raubbau geschützt. Der Wald mit seinen angrenzenden Moorflächen steht heute unter Naturschutz und Wanderer dürfen nur auf den vorgeschriebenen Wegen bleiben. Es gibt einen Moment, dem für mich ein besonderer Zauber inne liegt. Während ich holpere und versuche alle Schwierigkeiten vor mir liegend gut und sicher zu passieren oder zu umgehen springen auf einem Querweg plötzlich eine ganze Herde Rehe an mir vorbei. Ich muss den Atem anhalten, so wunderschön ist das, so nahe dran zu sein und sie scheinen auch vor mir nicht zurück zu schrecken und ziehen ungeachtet meiner Gesellschaft ihren Weg weiter. Ich finde das einfach berührend. Nichts auf der Welt kann mir einen solchen Moment nehmen. Es ist zu beglückend.
Als ich aus dem Wald herauskomme, hat es zwar etwas aufgehört zu regnen, aber der Himmel verheißt nichts Gutes. Zudem ist die Lufttemperatur plötzlich erheblich gesunken und ich muss, als ich in Harsefeld angekommen bin, meine zweite warme Jacke herausholen, die ich dann schnell an der Skulpur des Erzabtes im Klosterpark überstreife und dem Abt mal kurz zu zwinkere. Harsfeld hatte im Jahre 969 eine Burganlage vorzuweisen, von der aber heute nur noch Teile des ehemaligen Burggrabens zu sehen sind. Knapp 150 Jahre später entstand dann in Harsfeld ein Kloster, das bis zum 30jährigen Krieg eines der wichtigsten Machtzentren im sogenannten Elbe-Weser-Dreieck zählte. Es war einer der letzten großen Stätte des Katholizismusses, nachdem die Reformation die Region längst erobert hatte
Durch den Klosterpark hindurch finde ich mal wieder den Wegweiser Richtung Stade, dass ich ja heute noch erreichen will. Es wird nun ein unbefestiger sandiger Weg den ich fast bis Bliedersdorf befahren werde. Erst kurz vorher wechselt er auf den strassenbegleitenden Radweg der mich durch Bliedersdorf hindurchführt und jetzt weiß ich auch, was mir während der Fahrt gar nicht so bewußt war, dass ich mich im sogenannten *Alten Land* befinde, genauer gesagt in Horneburg. Entweder habe ich diese Bezeichnung in meinen Vorbereitungen überlesen oder nicht beachtet. Ich weiß es nicht. Jedenfalls reicht diese Region bis nach Stade hinein und ist bekannt für seinen Obstanbau. So fahre ich auf meinen Wegen an großen Plantagen mit Obstbäumen vorbei, die aber leider alle mit hohen Zäunen verspert sind, so daß nicht einmal ein kleiner Mundraub möglich ist. Schade eigentlich, das war früher anders, erinnere ich mich. In meiner Kindheit, als ich noch in Niedersachen bei Verwandten in den Sommerferien Urlaub machte habe ich mich dort oft tagsüber auf den Apfelplantagen herumgetrieben, mir die köstlichsten Äpfel zu Gemüte geführt habe, die mir dann wiederum das ein oder andere mal erhebliche Bauchschmerzen vbeschert haben. Wer weiß denn schon als Kind was von reif oder nicht reif, hauptsache es schmeckte. Aber schön war es immer zwischen den duftenden Apfelbäumen Verstecken oder Fangen zu spielen und so mancher Baum bot sogar die Möglichkeit ihn zu erklimmen und von dort mal hie und da einen Apfel auf den Jäger zu werfen. Ich erinnere mich gern an diesen Spaß damals und habe das Gefühl, dass ich den Duft des Vergangenen gerade jetzt in diesem Moment spüren kann.
Nun in Horneburg auch angelangt, habe ich heftigen Sturm. Die Böen machen es, dass mein Rad trotz meinem Bemühen voran zu kommen, teils fast stehen bleibt auf dem Weg. Ich habe mir meine Regenhose und mein Regencape, dass ich kurz zuvor wieder ausgezogen hatte, weil, die Wärme staut sich halt darunter, wieder anziehen müssen. Daher hab ich so gar kein rechtes Auge mehr für das kleine Städtchen und die kleine Liebfrauenkirche reizt mich trotz ihres hübschen Aussehens überhaupt nicht hier jetzt auch noch ein Päuschen zu machen. Der Weg bis hierhin war recht anstrengend und meine Kräfte haben tatsächlich etwas nachgelassen. Ich möchte jetzt nur noch in Stade ankommen. Ich schäme mich nicht zu erzählen, dass ich am Morgen, bevor ich los gefahren bin, eine Übernachtung in Stade in einer Jugendherberge gebucht habe. Also war ich auf der sicheren Seite, wenn ich ankomme, dort ein Dach über dem Kopf zu haben. Der Gedanke allein treibt mich einfach nur noch an, den jetzt noch zu bewältigenden Weg von ca. 25 km hinter mich zu bringen. Aber irgendwie verfolgt mich das Pech, denn die Wegweiser in Horneburg führen mich ein wenig in die Irre und ich fahre irgendwie im Kreis herum, um meinen vorgegebenen Mönchspilgerweg wieder zu finden. Natürlich hätte ich nun auch die schnelle Verbindungsstrasse über die Landstrasse nehmen können, aber ich bin son Typ, ich will dann auch alles ganz genau machen und daher beiße ich die Zähne zusammen, frage mich durch, bis ich endlich wieder auf der richtigen Route bin.
Was soll ich sagen, die Kilometer ziehen sich dahin, es ist mühsam, weil es tatsächlich auch hin- und wieder sogar ein klein wenig bergauf geht. Ich fahre durch das Guderhandviertel und lasse natürlich den Abstecher nach Jork aus. Das geht einfach gar nicht in dem Sauwetter. Fahre die Hauproute über den Deich weiter bis nach Steinkirchen. Fühle mich ein wenig wie Don Quichote nur ohne Sancho Panza, dem Diener, der mir Mut zuspricht. Immerhin ist meine Rosinante, mein Rad, mir treu und gibt nicht den Geist auf. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und es gibt einen Moment wo ich richtig losheule. Man, das gibts doch gar nicht. Muss das sein.
Also wenn ein Pilgerweg eines bedeutet, dann ist es das, dass der Mensch sich kennenlernt. Ich bemerke, so ganz kommt ich mit den Erschwernissen nicht zu recht und es gibt einen Momente, wo ich denke, es geht nicht mehr weiter oder die Kraft scheint mich zu verlassen und ich murrr so vor mich hin. Beim Murren muss ich immer an die bildhafte Geschichte aus der Schrift denken, als Moses das Volk Israel aus der Knechtschaft befreit hatte und sie ins gelobte Land führen will. Aber unterwegs läuft nicht alles so, wie sie es erhofft haben und sie murren und murren. So ein Weg, wie auch der eigene Lebensweg im Alltag ist halt kein Paradies, in dem Milch und Honig fließen. Willst du solche solche Orte erleben, musst du sie dir erkämpfen und einen Haufen Mühsal auf dich nehmen. Der Weg in die Freiheit ist nun mal beschwerlich, aber am Ende wirst du belohnt. Jedenfalls all solche Gedanken kommen mir während der fast noch immer vor mir liegenden 20 km in den Sinn. Die Wegweiser sind auch nicht das, was sie sein sollten. Denn ich fahre und fahre und mindestens drei Mal komme ich an einem vorbei, der immer noch die selbe Kilometerzahl nach Stadte ausweist, obwohl ich gefühlt mindestens schon 5 gefahren bin. Ich weiß auch nicht, denk ich in meinem Murren, welche Deppen diese Schilder anbringen. Die sind selber anscheinend den Weg noch nie gefahren, sondern haben das nach Karte und pi mal Daumen wohl gemacht. Aber egal, auch diese Gedanken nutzen nichts.
Von Horneburg fahre ich über Grünendeich nach Hollern-Twielenfleth. Fast 10 Kilometer führen mich am Elbufer entlang über den Deich, eigentlich herrlich denke ich und schon ist Regen und Sturm für kurze Zeit vergessen. Zu meiner rechten Seite kann ich sogar noch einen Blick auf das ehemalige Kernkraftwerk Stade werfen. Wie gut, dass dieses Ding im Jahre 2003 stillgelegt wurde. Der gesamte Rückbau der Anlage las ich dann jetzt hier zuhause wird sich noch bis zum Jahre 2023 hinziehen.
So...endlich hab ich mein Ziel erreicht. Am Hafen entlang erreiche ich die Schleuse, die überquert werden muß und zuerst geht es mal in die Jugendherberge, die ich auch sofort finde. Erst mal die nassen Schuhe aus und frisch gemacht. Und siehe da, meine scheinbar nicht mehr vorhandenen Kräfte haben sich wieder aktiviert und ich habe richtig Lust mir die Stadt anzusehen. Der Weg von der Jugendherberge führt gegenüber durch ein kleines Gäßchen in die Altstadt hinein. Merkwürdigerweise ist das erste was ich sehe ein Geschäft mit der oben groß angebrachten Bezeichnung *Waffenhandel Müller* Huch...denk ich, was machen Menschen hier mit einem solchen Geschäft. Mir kommt keine Idee, aber mir fällt auf, dass ich des öfteren an Schiessständen vorbeigekommen bin. Und auf meiner ersten Etappe ist mir sogar ein Konvoi der Bundeswehr entgegen gekommen. Irgendwo muss hier eine Kaserne sein in der Gegend. Aber ich hab es nicht herausbekommen.
Ich will jetzt nicht weiter drüber nachdenken und schon an der nächsten Strassenecke komme ich in die hübsche Altstadt. In einer kleinen Geschichtsbeschreibung der Stadt erahre ich, dass schon vor 2000 Jahren hier Menschen gelebt haben sollen und entwickelt hat sich die Stadt auf einem Geesthügel. Die Wikinger sollen Stade ausgeplündert haben. Das muss sich wohl gelohnt haben, denn Stade war ein wichtiger Ort für Kaufleute. Im 11. und 12. Jahrhundert war die Stadt wohl als Hafenplatz noch wichtiger als Hamburg selbst. Im Laufe der Zeit hat sich das dann jedoch verändert, weil die Technik eben nun mal fortgeschritten ist, die Schiffe größer wurden und somit der Stadener Hafen für die großen Hanseschiffe einfach zu klein wurde. Mir gefallen die alten Fachwerkhäuser, die allesamt hübsch restauriert sind und wie im Bilderbuch daherkommen. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, welch gemütvolle Architektur die Vergangenheit hervorgerufen hat, wenn ich das vergleiche mit den kalten und meinem Empfinden nach überhaupt ausser Kälte und Starre nach nichts aufweisenden Ausdruck aussagen. Kann man hieran vielleicht erkennen, dass die Menschen in früheren Zeiten wärmer und beseelter waren. Jedenfalls ich mag vieles an der modernen Architektur nicht, die einfach nur zweckmässig Platz für Viele bieten soll. Stade ist jedenfalls ein Ort, an dem sich der Mensch noch wohlfühlen kann. Er hat noch Charakter. Imposant der große Holztretkrahn und für eine Weile stelle ich mir vor, wie das Leben in früheren Zeiten hier von statten gegangen ist. Auch die kleinen Schiffe, die bis ins Stadtzentrum hineinfahren, wunderschön. Hier zu sitzen am Abend wenn es warm ist und diese Kulisse vor Augen, ist sicherlich ein Genuß. An diesem Abend ist es jedoch kühl, auch wenn es nun nicht mehr regnet. Nur hie und da finden sich ein paar Unerschrockene dennoch an kleinen Tischen ein, es sind wohl Raucher. Aber selbst ein Zigarettchen, dass ich mir nun nach der Tagesetappe gönnen würde, lockt mich nicht zum Draussensitzen, der Hunger aber schon und direkt finde ich auch ein hübsches kleines Lokal, dass ich erstmal von aussen begutachte, bevor ich eintrete, um mir ein gutes Abendsessen zu gönnen, dass ich am Vorabend in Zeven weggelassen habe. Es gibt Mattjes mit Bratkartoffeln.
Ich genieße das gemütliche Sitzen in der Gaststube, bestelle mir ein Bier dazu. Frage die junge Bedienung, was man denn hier so trinkt und sie empfiehlt mir ein Dithmarschen vom Faß, das ich auch nehme, ein kleines aber. Ganz ehrlich..ich verschlinge mein Essen, so fein ist das. Finds einfach schön, dass die Bedienung noch mal zu mir an den Tisch kommt, nicht nur, um zu fragen, ob es gschmeckt hat, sondern auch wissen möchte, woher ich komme. Erzähle ihr von meiner Pilgertour mit dem Rad und sie ist ganz begeistert. Sie fragt mich, ob ich schon ein Quartier gefunden habe. Ich dachte, mensch, ich werd nicht mehr...Sage ihr, hab in der Jugendherberge was gefunden. Schade, sagte sie, ich hätte da was gehabt. Nun denn...es ist wie es ist... Ich bin es zufrieden, wie es gekommen ist. Wir unterhalten uns noch eine Weile, dann zahle ich und verabschiede mich mit den besten Wünschen und viele nette Gäste weiterhin.
Als ich zur Tür hinaus bin kommt eine Frau aus dem Lokal mir hinterher gelaufen. Sie sagt mir freundlich guten Abend und schenkt mir ein kleines Engelsbildchen. Für Sie, mit auf dem Weg. Ich habe zugehört, was Sie erzählt haben und finde es grossartig, was sie machen. Ich bin ganz beschämt, bedanke mich und wünsche auch ihr eine gut Zeit, sage, ich nehme sie mit. Da freut sie sich.
Ich schlendere noch ein wenig am Hafen entlang, aber es wird noch kühler und ich bin nun auch richtig geschafft, kehre zurück zu meiner Herberge, duschen, ab ins Bett, noch ein wenig in meinem Pippi Langstrumpf-Buch gelesen, einen kleinen Blick in meine Schachseite geworfen und dann sinke ich in den Schlaf. Ein guter Tag!
Zeven - Stade
Offensen - Heeslingen - Boitzen - Wense - Camino de Santiago und Via Romana - Oersdorf - Ahlerstedt - Naturwald Braken - Harsefeld - Bliedersdorf - Horneburg - Stade
Ich hatte gut geschlafen, obwohl in der Jugendherberge, in der ich mich befand, 3 Schulklassen untergebracht waren. Ich hab einfach nix mehr gehört. Grundsätzlich sind Jugendherbergen für eine Kurzübernachtung voll in Ordnung. Zumeist gibt es ja mittlerweile sogar Duschen auf den Einzelzimmern. In diesem Falle war das zwar nicht so, wenn man, so wie ich jedoch die Herbergen auf dem Jakobsweg gewohnt ist, dann kann das dennoch ausgehalten werden. Was mich nur wundert ist, dass dann trotz der Einschränkung die Preise für eine Übernachtung fast in nichts mehr den Übernachtungskosten in einer kleinen Pension nachstehen. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen. Aufgefallen ist mir jedoch, dass im Vergleich zu den Jugendherbergen im Osten, in denen ich bei meiner Tour nach Berlin im letzten Jahr des öfteren übernachtet habe, diese fast ein Drittel preiswerter sind und sie insgesamt moderner ausgestattet waren. Nun ja, letzten Endes ist das nicht so wichtig, aber einen kleinen Gedanken hab ich dennoch darüber verschwendet. Meine Sachen sind wieder verpackt, das Frühstück war in Ordnung, ein Brötchen als Proviant eingesteckt und weiter gehts.
Ich fahre durch die Altstadt am Burggraben entlang Richtung Bahnhof. Hier gibt es wieder Wegirritationen. Die Wegweiser sind nicht zu finden, Strassenschilder oft nicht da, wo man sie braucht, also ein wenig hin- und her Kurverei, Passanten fragen, die einen wissen nix, die anderen meinen zu wissen, bis ich endlich an einen Menschen gerate, der mir die Richtung angeben kann. Fahre ca. 20 Minuten durch einen überwiegend unbefestigten Weg bis ich nach Hadorf gelange. Hier dasselbe Spiel. In meinem Führer ist angegeben, dass ich vor einer Bushaltestelle einen kleinen, leicht zu übersehenen Weg nehmen muss. Diesmal liegt erstmal der Fehler bei mir. Ich fahre wohl dran vorbei und radele mindestens 3 km bergab und habe dann den Faden total verloren. Also wieder rauf auf die Höhe, an die selbe Stelle und suche und suche diesen verflixten kleinen Wegeingang, den ich befahren soll. Hinweisschilder wären hier wohl angebracht gewesen. Aber nix da. Steh ich also da ratlos an der Bushaltestelle herum.
Bevor ich mich aufrege denk ich, ist es mir lieber egal. Irgendwann macht es sicher klick oder es kommt Jemand, der mir weiterhelfen kann. Steh da also so herum und denke drüber nach, dass das im Alltagsleben ja auch oft passiert, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht. Manchmal auch an meinem Glück vorbeilaufe, weil ich einfach den Zugang nicht gefunden habe. Besser ist es dann, mich nicht zu grämen. Dann ist es halt sao. Dann wird es eben was anderes geben. Und genau das mach ich jetzt auch. Sch...auf den Eingang der nicht zu finden ist, fahr ich halt einfach mal pi mal Daumen in eine Richtung und nehme einfach die parallel zu dem imaginären Eingang verlaufene Strasse und radele da entlang. Wird schon gut gehen. Auf halber Strecke will ein Ehepaar wohl in sein Auto steigen. Halte sofort an, erkläre ihm meine Situation und er schmunzelt sofort. Ja, das stimmt, der Weg ist zwar da, aber tatsächlich, wenn man es nicht weiß, kaum zu erkennen. Aber ich hätte alles richtig gemacht. Im Grunde sei dieser Eingang nur eine kleine Umgehung der anliegenden Häuser, wenn ich jetzt weiter führe, käme ich ebenso auf den weiteren Wegverlauf. Hurrah. Ich wußte es doch, nur Bewegung schafft Gewißheit und Befreiung.
Der Weg bis nach Himmelpforten ist jetzt ca. 15 km lang und führt überwiegend an kleinen Siedlungen vorbei. Nichts besonderes. Kleinstadtvorortsiedlungen, nur die letzten Kilometer fahre ich gemütlich am Waldrand entlang. Meine Müdigkeit ist verschwunden und ich freue mich, dass ich bald darauf den nächsten Zwischenstop in Himmelpforten erreicht habe. Ich habe hin- und her überlegt, wie der Ort an diesen Namen gekommen ist. Aber weder in meinen kleinen Recherchenotizen noch bei google finde ich etwas. Was ich weiß ist, dass der Ort wohl an Weihnachten seine Postangestellten verdoppeln muß. Denn jedes Jahr gehen hier in Himmelpforten zahlreiche Briefe an den Weihnachtsmann mit den Wunschzetteln der Kinder ein. Also ich habe noch nie etwas davon gehört vorher. Erinnere mich jedoch daran, wie meine Eltern mir, als ich das erste Mal des Schreibens mächtig war und auch wie alle Kinder einen Wunschzettel schreiben wollte, diesen immer auf die Fensterbank legen sollte. In der Nacht würden dann die Engel kommen und ihn abholen. Ehrfürchtig habe ich immer meinen Brief mit meiner saubersten Handschrift, mit Sternchen versehen, geschrieben, verklebt und mit einem schönen kleinen Bildchen bemalt, dass die Briefmarke darstellen sollte und ihn am Abend vor dem Schlafen auf die Fensterbank gelegt. Natürlich habe ich auch versucht die Engel zu überlisten, in dem ich mich schlafend stellte und aufgepaßt habe, ob ich nicht einen Engel vor meinem Fenster erspähen würde. So ganz hab ich das nämlich nicht meinen Eltern abgenommen. Und so lag ich manchmal noch Stunden wach um aufzupassen, bis mich dann doch endlich der Schlaf übermannte und am frühen Morgen bin ich aus dem Bett gesprungen, ans Fenster gelaufen und siehe da, kein Brief mehr da. Aber ich weiß auch, dass ich nicht recht zufrieden war mit meinem Glauben, dass das jetzt stimmen sollte. Mich hat einfach immer ein leiser Zweifel beschlichen, ob solcher Aussagen. Tolkien hat ja mal ein kleines Büchlein geschrieben * Briefe an den Weihnachtsmann*, das sich natürlich in meiner Sammlung befindet. Allerdings geht es da nicht um zu erfüllende Wünsche. Tolkien selber hat sich darin als Weihnachtsmann ausgegeben, der seinen Kindern jedes Jahr vom Nordpol aus schrieb, was er im vergangenen Jahr erlebt hatte. Ein hübsches Büchlein übrigens mit Zeichnungen die Tolkien ebenfalls selber anfertigte. Ich hab die gern gelesen. In Himmelpforten direkt neben der Post steht ein kleines Verkaufshäuschen, darin man allerhand Weihnachtsschnickschnack erwerben kann und davor steht ein aus Holz geschnitzter großer Weihnachtsmann wohl, obwohl er für mich eher wie ein Troll ausschaut. Ich find das irgendwie lustig, sonst gibts nix in dem Dorf. Gut ich kann es nicht verhehlen, es ist schon ein hübscher Ort, sogar mit einem sehr netten kleinen Cafe, in dem ich mir jetzt ein klitzekleines Päuschen erlaube.
Dann geht es weiter nach Großenwörden und von dort aus mache ich einen 3,5 km langen kleinen Abstecher auf einem wunderschönen Deichweg, der mich direkt nach Osten zur Schwebefähre führt. Das wollte ich doch unbedingt sehen. Die Ostener beschlossen schon um die 1899 herum, diese Fähre zu bauen, weil sie meinten, das würde den Transport über Wasser von Fuhrwerken und Personen erheblich erleichtern und ihnen eben auch gute Einnahmen verschaffen. Die haben sich sicherlich nicht verrechnet, denn bis heute ist es eine kleine Sensation die allerhand Touristen, so wie eben auch mich anzieht. Gefahren bin ich aber nun nicht. Es ist übrigens das erste technische Baudenkmal. Neben der Schwebefähre in Osten gibt es nur noch 8 weitere der Art auf der ganzen Welt. Also, dieser Ausflug hat sich echt gelohnt. Wieder was gelernt.
Und da ich den Ort einfach nur wunderschön finde, schaue ich mir natürlich auch noch die schöne alte Barockkirche St.Petri an, denn der rote Backsteinbau leuchtet mir kwasi von der Schwebefähre entgegen und es ist einfach ein Muß. Und ich bin bei der Innenansicht immer mal wieder verwundert, dass evangelische Kirchen gar nicht so unbedingt nüchtern und puristisch gestaltet wurden. Es gibt viel Schmuckschnickschnack in den Gewölben der Kirche zu entdecken und wenn man nach oben schaut, könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, es ist ein kleines Himmelsgewölbe, das über den Kirchbesucher schwebt. Dem Himmel nah sein, was auch immer man sich darunter vorstellen mag, ist jedenfalls eine schöne Vision.
Es geht weiter mit einem weiteren Abstecher nach Hemmoor am Deich entlang. Ich kann nur immer wieder sagen...herrlich. Dort findet sich auch ein Campingplatz und mir kommt der Gedanke, dass ich bei meiner nächsten Tour, wohin auch immer, ein Zelt mitnehmen werde. Hier in Hemmoor gab es viele Fundstellen alter Messingbecher aus der Zeit um 200 n. Ch, der den Ort bekannt gemacht hat. Man nahm an, dass diese Messingbecher als Tafelschmuck den Toten ins Grab beigegeben wurden. Im Landesmuseum Hannover können diese Funde heute besichtigt werden. Wenn ich also mal wieder in Hannover bei einem Schachtreffren dabei sein kann, werde ich mir diese mal in Augenschein nehmen. Nicht, weil ich so ein großer Freund von alten Devotionalien bin, sondern nur als Vervollständigung meines Besuches an diesem Ort hier.
Es geht weiter an der Großen Rhönne entlang über Hüll und Hammelwördermoor und von dort aus weiter nach Wischhafen. Es ist der letzte Ort vor der Elbfähre nach Glücksstadt. Ich finde auf einem kleinen Hügel ein kleines Bänkchen mit wunderschönem Ausblick auf die Boote die dort im Hafen liegen. Eine kleine Augenweide, der Fluß, die Weite der Landschaft, so friedlich und still. An einem solchen Ort kann Pause gemacht werden mit Brot und Apfelschorle. Das tue ich auch und genieße einfach das Sitzen und Staunen über die Schönheit vor mir.
Dann gehts weiter an der B 495 die jetzt ein kleiner Schock für mich ist, denn hier brummt es von LKW´s und Kraftfahrzeugen, die alle auf die Fähre wollen. Die Fahrspuren sind eng und ich überlege einen Augenblick, wie ich zwischen all den Gefährten als kleiner Fahrradwicht mich daran vorbeischleichen kann, um ebenfalls auf die Fähre zu gelangen. Ein großer LKW vor mir. Ich nehme allen meinen Mut zusammen, winke dem LKW-Fahrer mal zu und er gibt mir ein Zeichen, dass er mich vorbei läßt. Ich bin flink wie ein Wiesel beim Übergang auf die Fähre, die Fahrzeuge hinter mir lösen ein wenig Unwohlsein in mir aus und ich bin froh an Deck zu gelangen und mein Fahrrad an der Reling abstellen zu können. Freue mich jetzt auf die kleine Überfahrt. Mir folgen noch einige Fahrzeuge nach, die Fähre ist voll und kann nun ablegen. Vor mir steht ein Auto mit einer SU-Nummer. Oha, denk ich, die kommen ganz aus der Nähe meiner Heimatstadt Köln, genauer gesagt aus Siegburg. Als das Ehepaar aus dem Wagen steigt, sprech ich sie einfach an, sage Hallo, sie kommen ja ganz aus meiner Nähe. Die Ehefrau hat wohl keine Lust auf ein kleines Gespräch und geht zum Ende der Fähre um dort den Ausblick zu genießen. Ihr Mann jedoch plaudert ein bisschen mit mir. Wir kommen von Hütchen auf Stöckchens, ich frage ihn natürlich, wohin die Reise geht. Und lustig ist, es kommt heraus, er fährt zu einem Seniorenschachturnier nach Büsum. Zufälle gibt es. Bin auch Schachspielerin, sag ich ihm und das ist sein Stichwort. Denn nun schildert er mir unaufhörlich, was für ein DWZ-Hero er mal war und immer noch ist. Ich weiß nicht, ich kann mich des Eindrucks während seiner Erzählungen nicht erwehren, dass das bestimmt ein richtiger Schachstinker ist, so wie der das schon zwanghaft ernst schildert, alle seine Spiele, wo man ihn angeblicherweise um den Sieg betrogen habe. Man kennt sie ja die Schachstinker, die nix anderes im Kopf haben, als zu siegen und zu siegen, die nicht damit zufrieden sind, dass sie ein schönes Spiel hatten, auch wenn sie am Ende verloren haben. Ich verstehe so was ja nicht. Ich bin dann auch recht froh, als die Fähre anlangt und ich mich von ihm und seiner Frau verabschieden kann. Nicht aber habe ich vergessen, ein bisschen Werbung für die schöne Schachseite zu machen, auf der ich selber spiele.
Runter von der Elbfähre, schnell weg von der stark befahrenen Strasse und schon nach knappen 3 km befinde ich mich auf dem Marktplatz in Glücksstadt.
Sie liegt an der Unterelbe und ist nach Itzehoe die zweitgrößte Stadt des Kreises Steinburg. Sie gefällt mir auf Anhieb. Man muß ein Glückskind sein hier in Glücksstadt geboren zu sein, nah an der Elbe, inmitten der schönen historischen alten Häuser mit wunderschönen Haustüren, von denen ich nicht genug Bilder machen kann. Ich bin ein ausgesprochener Türentyp. Das erste worauf ich immer bei Häusern schaue sind die Türen. Und hier gibt es viele wunderschön gestaltete Haustüren, leuchtend farbig angestrichen, mit Verzierungen kleiner Ornamente. So schön. Ich kann da regelrecht ausser mir sein vor Freude beim Anblick schöner Haustüren. Wer will denn schon durch eine liderliche, dreckige, schmitzge Haustür in ein Haus treten. Türen müssen einladend sein, egal aus welcher Epoche und in welchem Design sie gestaltet sind. Ich denk einfach so. Ich bin son Typ. Bei meinem Rundgang erfahre ich, dass das Städtchen nicht gewachsen ist, sondern eine Planstadt war. Christian der IV., König von Dänemark, hat sie kwasi am Reißbrett entstehen lassen. Sie ist sternenförmig angeordnet. Alle Straßen laufen auf den Markplatz rundherum zu. Jetzt wo ich im Nachhinein die Aufzeichnugnen mache, fällt mir tatsächlich nicht mehr ein, wo ich nun den alten Grundriß der Stadt habe sehen können. So geht das manchmal mit der Erinnerung. Glücksstadt sollte dem ständig größer werdenden Hamburg ein Gegengewicht bieten und sein Wahlspruch für die Stadt war: *Dat schall glücken und dat mutt glücken, und denn schall se ok Glückstadt heten*... Und es ist ja auch geglückt, zum Glück. Es wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein eine wohlhabende Stadt, später jedoch von Hamburg und Altona was den Reichtum betraf abgelöst. Aber noch heute glaub ich zumindestens nach meinem Rundgang durch die Stadt ist der Ort hier geprägt von guten mittelständischen Betrieben und Menschen, die davon leben. Es sieht an keiner Ecke so aus, als wenn es hier Armut gäbe.
Nach meinem gemütlichen Kaffeeschnuddelchen mit Blick auf Sonne und blauen Himmel und dem schönen Marktplatz besuche ich natürlich die Glücksstädter Stadtkirche, in der am Eingang drinnen direkt ein Mann sitzt, der Besucher begrüßt und einlädt, ihn Wissenswertes zu fragen. Mir gefällt die Kirche sofort. Sie hat etwas warmes behagliches. Und wenn man schon an etwas glaubt, dass über uns Menschen schwebt, dann soll es doch ein Ort sein, an dem es warm und gemütlich ist und der Mensch sich wohlfühlen kann. Erbaut wurde die Kirche zwischen 1618-1623. Sie war die erste ev.-luth. Kirche nach der Reformation in Holstein. Es gibt ein Triumpfkreuz. Wenn Kreuze, dann Triumpfkreuze. Das muss so sein, finde ich. Alles andere wäre ja schrecklich. Wenn es keine Hoffnung gäbe, in Situationen, die den Menschen leiden lassen, wie soll denn ein Leben dann weitergehen. Es ist für mich die wichtigste bildhafte Botschaft des christlichen Glaubens überhaupt. Daher sitze ich gerne in diesem Moment vor dem Kreuz und denke nicht nur an die Situationen meines Lebens, sondern auch an die vielen Menschen, die ich mitgenommen habe in Gedanken auf diesem Weg und die gerade einen schweren Kampf zu bestehen haben. Warum sollte ich sonst in eine Kirche gehen, wenn nicht aus diesem Grunde. Ich bin kein Kirchenkunsthistoriker. Sicher laß ich mich auch von der Schönheit des Äusseren gern ansprechen, aber Kirchen sind für mich mehr kleine Rückzugsorte der Stille und Meditation. Daher genieße ich jetzt auch, dass ich da ganz alleine bin.
Dann geht es raus an den Binnenhafen. Hier finden sich auch die alten Salzspeicher und natürlich die fast alle unter Denkmalschutz stehenden hübschen Häuser. Die Sonne versteckt sich nun zwischen den Wolken und ein kühler Wind weht. Während ich wieder zurück zum Markplatz schlendere entdecke ich tatsächlich an einer Häuserwand einen Automaten, an dem man Fahrradschläuche ziehen kann. Staunend stehe ich davor, so was hab ich ja noch nie gesehen. Aber klar, wer hier nicht radelt, der verpaßt was, finde ich. Und es scheinen doch viele zu sein, die hin- und wieder plattmäßig in Not geraten, dass so ein Automat nötig war. Mich auf ein Mäuerchen am Stadtkanal setzend denke ich drüber nach, wie es sich wohl anfühlen mag, in dieser Stadt geboren worden zu sein mit dieser Nähe zum Wasser und den Weiten der Landschaft. Es hat meines Erachtens eine Geschmäckle von Geborgenheit, die man in einer Großstadt wohl nie erfahren wird. Hier kann man sich gut aufgehoben wissen. Es ist alles überschaubar, klein und doch fein. Man hat hier alles, was man braucht. Mehr noch, es ist vieles nicht da, was in Großstädten zu finden ist und was doch eigentlich nur Ersatz für das Fehlen vieler anderer Dinge ist, die sich ein Mensch im Leben wirklich wünscht. Bei Anbruch der Dunkelheit ziehe ich mich in mein hübsches Gästezimmer einer kleinen Pension zurück, das so liebevoll ausgestattet ist, dass ich mich darin nur wohlfühlen kann. Und beim Frühstück, dass ich von den Pensionsinhabern geschenkt bekomme, habe ich einen wunderbaren Ausblick auf einen kleinen Zengarten, der hier liebevoll angelegt wurde. Ich bin satt von den Erlebnissen des Tages und kann meine Freude ein wenig teilen mit meinen Kindern auf dem smarthphone und wenig anderen Menschen, die sich dafür interessieren, wie es mir geht und was ich so mache. Ein paar Sätze genügen mir da zumeist Mir ist nicht nach groß Reden zumute. Immer wieder nur nach allem das Liegen oder Sitzen in meinem Zimmer und das Nachwirken lassen. Das reicht.
Glücksstadt, neben Stade, bisher die beiden schönsten Orte bzw. Städte, die ich sicher nicht vergessen und hoffentlich noch einmal wiedersehen werde, es würde sich auf jeden Fall lohnen. Ein guter Tag!
Als ich aufwache, rüttelt der Sturm an mein Fenster und es schüttet wie aus Eimern. Auweia...Heute ganzer Regentag. Soll ich einfach einen Tag länger hier bleiben, mein Gedanke. Aber Pilgern heißt den Weg fortsetzen, egal welche Umstände gerade herrschen. Also Regenhose an, Regencape übergezogen. Die Pensionsinhaberin fragt noch, ob ich wenigstens ein E-bike habe, erklärt mir einen kürzeren Weg nach Kellinghusen, meiner Station, die ich heute erreichen will auf meinem Weg. Ne, ich trete selber, sag ich ihr. Und das bei diesem Sauwetter sagt sie. Na dann mal gute Fahrt, kommen sie gut an.
Klar, ich bin auch nicht hocherfreut, als ich im störmenden Regen meine Taschen wieder aufs Rad lade und die ersten Meter losfahre. Heftig. Die Umstände machen es, dass ich mich noch alleiner fühle, wie an den anderen Tagen. Noch weniger Menschen unterwegs. Nur ich ziehe einsam meine Radrunden durch die Landschaft. Aber das ist in Ordnung. Ich mag es einfach auch jetzt in diesem Moment mit mir allein zu sein. Noch bin ich fit, noch sage ich dem Regen...na und...Ich fahre Richtung Borsfleth, zuerst einen kleinen Deichweg entlang, später dann auf befestigten Radwegen neben der Bundesstrasse. Auch das gibt es ab und an mal auf dem Pilgerradweg. Bin auch froh gerade gute Strassenradverhältnisse zu haben. Muß nun nicht sein, dass auch noch Wegunwägbarkeiten vorherrschen.
Borsflet ist ein klitzekleines Häuserörtchen, da gibt es nix. Wie überhaupt in den Ortschaften, die ich so hin- und wieder durchfahre nix ist. Keinen Bäcker mehr, keinen Lebensmittelladen, Metzger oder ähnliches. Die Menschen müssen hier alle mit ihren Autos irgendwohin in die nächst größeren Städte, um sich mit allem zu versorgen. Das würde mich persönlich echt nerven. Also wenigstens so ein kleiner Laden müßte sein. Eh bin ich kein Freund von großen Supermärkten. Die machen mich nervös. Für mich ist Einkaufen auch Begegnungsstätte und ich kann mir vorstellen, dass gerade die alten Menschen in den Dörfern das sehr vermissen. Aber letzten Endes sind die Menschen es ja selber schuld, wenn sie nur wegen ein paar Pfennigen billiger in den entfernten Supermarkt mit dem Auto fahren, brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn die kleinen Geschäfte vor ihrer Nase dicht machen müssen. Versteh das nicht. Dass Menschen sich ihr eigenes Grab schaufeln. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, in welchem Dorf das war, da fragte ich auch einen Mann, der vor seinem Haus stand, ob es keine Bäckerei hier gäbe, wo man einen Kaffee trinken könne. Er verwies mich auf ein Dorf weiter, da sei eine Bäckerei. Ich habe jetzt den Namen vergessen war irgendwas mit drei Buchstaben. Ich sah die unterwegs mehrmals an verschiedenen Orten. Nä, sagte ich ihm, das ist eine Kette, da geh ich nicht hin. Ja, dann können sie noch lange fahren, bis sie was finden, meinte er dann. Mach ich auch und fahre weiter. Merke, wie ich mich wirklich ein wenig darüber ärgere, überall dasselbe in dieser Beziehung. Aber nach paar Minuten natürlich vergessen.
Es regnet unerschütterlich weiter, mein Regencape, dass sich zwischen Lenkrad und meinen Beinen stülpt, ist ein kleiner See, den ich ab und an mal ausschütten muss. Meine Schuhe sind mittlerweile durch und durch nass, die Füße kalt und im Kragen zieht es auch nasskalt rein. Also fahren, fahren, damit ich warm bleibe.
Als ich Krempe erreicht habe, reicht es mir. Ich fahre auf die schöne St. Peter-Kirche zu, mache einen Stop und kehre ein. Der Innenraum wurde so gebaut, dass er nach Osten sich richtet. Gefällt mir. Ich habe nämlich ein hübsches Buch mit dem Titel *Von Osten strahlt ein Licht herein * Es sind kleine heimelige Geschichten zu Advent, Weihnachten und Dreikönig, die ich gern mit meinen Kindern gelesen habe. Daran muss ich gerade in diesem Moment denken, an die Zeiten, als wir gemütliche Vorlesestündchen hatten. Ich hab das immer mit so viel Freude gemacht. Pilgernd unterwegs sein, heißt auch manchmal, das gelebte Leben an sich vorüberziehen lassen und die Erinnerungen kommen eben wie in diesem Moment ganz unerwartet. Ja, meine Kinder, an sie denke ich jetzt ganz besonders in diesem Augenblick. Sie unterstützen mich auf vielfache Weise auf meiner Tour und das ist ein schönes Gefühl. Wir haben täglich mehrmals Kontakt durch das kleine Ding in meiner Tassche. Wenigstens in dieser Beziehung ist so ein smarthphone doch schon ein Segen. Man muß halt mit umgehen können, wie mit so vielen Dingen.
Ich fahre weiter am Uhrendorfer Deich nahe der Stör entlang Richtung Neuenkirchen. Hab ich schon gesagt, dass es immer noch regnet. Aber die Pause in der Kirche hat mich beschenkt. Mir ist der jetzt egal der Regen, ich lache ihm ins Gesicht, singe vor mich her einen Psalm, den ich so gerne mag und genieße trotz der Wassermassen vom Himmel die wunderbaren Ausblicke auf die Felder. Irgendwie verlier ich hier den Mönchsweg. Vielleicht das Schild nicht gesehen, ich weiß es nicht. Denn nach meinen Aufzeichnungen nach müßte ich mit der Fähre das Flüsschen Stör überqueren, finde den Weg aber nicht mehr, habe auch keine große Lust in dieser Situation zu suchen und fahre einfach dem normalen grünen Radwegweiser Richtung Beidenfleth nach. Immerhin gehört das zu meiner Route und hoffe dort wieder den Einstieg zum Mönchsweg wieder zu finden. Es geht Richtung Itzehoe erst einmal. Unterwegs während des Fahrens fällt mir auf, dass ich auf meinen Etappen vor Glücksstadt zumeist hochmoderne, luxuriöse, teure Autos habe fahren sehen. Die sehen ja heutzutage alle gleich aus. Jetzt, hinter Glücksstadt kommt es sehr oft vor, dass ich auch des öfteren schöne alte Autos sehe, Oldtimer aller Automarken. Das gefällt mir. Früher waren Autos einfach geschmackvoller, individueller, da hats noch Spaß gemacht in einer fahrenden Karre zu sitzen und den Held am Lenkrad zu spielen.
Ich bin jetzt ganz gespannt auf dieses kleine Städtchen, denn hier in der Nähe lebte meine Mutter, wie ich schon schrieb, nach der Flucht aus Pommern und sie schwärmte immer so von der Gegend, wie gern sie dort gelebt und das Landleben genossen habe. Es geht zuerst durch die Wilstermarsch, die bekannt dafür ist, dass es die tiefste Landstelle Deutschlands ist. 3,54 tief unter dem Meeresspiegel liegt der Ort. Finde auch ein kleines Hinweisschild, dass mir Auskunft gibt über Tidenhub, Sturmfluthöhe und Wasserstände, die ohne die Deichbauten erreicht werden würden. Ich mag diese Deichlandschaften. Einerseits weisen sie daraufhin, dass es gefährlich werden könnte hier zu leben und erinnern daran, wie sehr wir uns auf die Sicherheit verlassen müssen. Es gibt jedoch keine endgültige Sicherheit im Leben, egal wo du lebst. Das wird mir in diesem Augenblick wieder so bewußt. Und daher empfinde ich auch gerade jetzt eine große Dankbarkeit, dass es bisher alles so gut gegangen ist mit mir allein unterwegs mit allen Schwierigkeiten, die sich in den Weg gestellt haben.
Jetzt hab ich noch Heiligenstedten passiert, teils Asphaltwege, teils durch einen kleinen Wald an zwei Seen vorbei, deren Namen ich nun aber nicht herausbekommen habe und erreiche endlich Itzehoe, das mich aber sofort streßt. Ist so. Kommt selten vor bei mir. Liegt sicher auch am Dauerregen. Fahre auf der typischen Industriebundesstrasse, die so oft in die größeren Städte hineinführen und will erstmal irgendwo aufs Klo. So. Muss ja schließlich auch mal sein. Irgendwo finde ich an der Strasse, kurz bevor es in die Einkaufsstrasse geht eine Bäckerei mit Cafeausschank, eine richtige aber, keine Kette. Rad abgestellt, mühsam das Regencape heruntergezogen, Mütze klitschnaß mal ausgekloppt, alles auf den Stuhl gelegt und dann rein in den Laden. Drinnen ist nicht all zu viel los und es richten sich direkt 6 Augenpaare auf mich, um mich zu bedienen. Oha...Machen ein paar Scherze, bei sonem Sauwetter mitm Rad, meinten sie. Jo, sag ich, fahr den Pilgerweg, komm schon aus Glücksstadt. The same Procedere...Staunen, mutig,, so allein, als Frau, kenn ich nu jetzt, winke ab, ist halt so, mach ich gern,s chon immer, möcht nen Kaffee und mal Örtchen benutzen, wenns geht. Klaro, sagen sie freundlich, Kaffee ist umsonst. Freu ich mich. Setz mich draussen vor die Tür unetrs Dach, schau dem Regen zu, genieße meinen Kaffee und überlege wie es weitergeht. Jedenfalls Regen wird wohl nicht aufhören. Schau kurz in meine Unterlagen, bin mal wieder zu weit gefahren, muss ein Stück zurück gleich, wenns weitergeht, in die Fussgängerzone hinein, von dort aus führt der Mönchsradweg dann weiter.
Lange Sitzen geht halt nicht, einfach zu kühl, daher gehts weiter. Da muss man vom Rad absteigen in der Fußgängerzone und die ist nicht mal kurz. Dat auch noch denk ich. Und die Strassen kreuzen sich. Finde diese Strasse nicht, von wo aus der Weg weitergehen soll. Mal wieder hin- und her, diesmal mit geschobenem Rad zu Fuß. Endlich komm ich an an einer Kirche vorbei, der Name ist mir jetzt wurscht, steht auch nix in meinen Aufzeichnungen von drin, aber da finde ich ein großes Schild angebracht, der auf den Mönchsweg und seine Entfernungen in alle Richtungen hinweis. Supi, denke ich,d ann kommt hier ja nun auch ein Wegweiser, wie es jetzt weitergeht. Aber denkste, es ist nicht imemr so, wie du glaubst, dass es sein müßte oder sollte. Da ist kein Wegweiser. Kleines Murren in mir, Regentropfen über mein Gesicht laufend. Hach, da ist ein Touribüro, Rad abstellen, nix wie rein. Die werdens ja wohl wissen. Freundlich isse ja die Dame, aber von nix ne Ahnung hat sie. Mönchsweg? wo der jetzt weitergeht? Oh..das wüßte sie jetzt gar nicht und lacht dabei. Ist die doof, denk ich, sorry, aber diesem Gedanken konnte ich mich einfach nicht erwehren. Was arbeitet die denn hier, wenn die nix weiß. Ist doch ein wichtiges touristisches Attraktionsmerkmal Schleswig-Holsteins. Jedenfalls wird es überall so propagiert, auch wenn ich ausser mir bisher keinen anderen Pilger weder zu Fuß noch mitm Rad getroffen habe. Müsse sie mal googeln und sagt, warten sie einen kleinen Moment. Sorry, aber ich bin echt genervt in diesem Moment, das kann ich selber, sage tschüss, verabschiede mich und wünsche noch einen guten Tag. Unhöflich bin ich ja nu nicht und meine Gedanken kann sie ja Gott sei Dank auch nicht lesen. Die sind ja auch gemäß eines alten Volksliedes frei. Hurrah. Schön auch mal Böses zu denken, find ich gerade in diesem Moment. Herrlich, tut gut. Hat sie verdient, die Dame.
Und nach doof in der Welt herumgucken beim Laufen entdecke ich dann auch endlich wieder ein kleines Hinweisschild. Rauf aufs Rad, weiterfahren, bloß raus hier. Die Stadt gefällt mir nicht. Denk an meine Mutter. Aber sicher war das früher hier beschaulicher. Muss wieder auf diese große Industriestrasse, von der es weitergehen soll. Hier wieder Pause. Finds wieder nicht, das Schild. Gibts doch nicht. Fahre mindestens viermal denselben Weg vor- und zurück, irgendwo muss das verdammte Schild doch sein. Man...stehe, gucke alles genau hinter, vor, neben mir, rundherum durch und da seh ich es plötzlich, klein und unscheinbar auf der anderen Strassenseite. Sind die blöd, denk ich, Ihr wißt schon, die Täter dieser Befestigung. Sagte ich ja schon. Bringen die Dinger an, denken aber nicht drüber nach, wie es ist, aufm Rad zu sitzen und obs dann noch gesehen werden kann. Überhaupt sind die Schilder immerr nur auf einer Strassenseite angebracht. Schon blöd, wenn du dann auf der anderen Strassenseite gerad bist und Dich verrenken musst, um zu erkennen, was auf den Hinweistafeln, die oft in drei, vier Richtungen gehen, draufsteht. Toursimus wollen wir haben, aber sparen auch.
Egal, ich hake es ab, überquere die Strase und endlich raus aus der Stadt, komme wieder an die Stör, bei der ich über eine kleine malerische Brücke fahren muss und sofort ist mein kleiner Unmut verflogen. Ich durchfahre Münsterdorf, es folgt ein recht hübscher Weg an der Deichstrasse entlang bis nach Breitenburg, das über ein altes Schloß verfügt, das ich ganz sicher auch mal angeschaut hätte, aber der Regen eben. Angeschaut deswegen, weil es eben nicht wie sonst alle Schlösser ein Prunkbau sein soll, sondern eher profan, schlicht und einfach gebaut wurde. Ich hätt mich ja auch eher für den Garten interessiert, ich bin sonst nicht son Schloßguckertyp. Und immerhin sollte es ja im 16. und 17. Jahrhundert in Schleswig die Hochburg für politische und kulturelle Geschehnisse gewesen sein. Also keine Schloßbesichtigung, weiter gehts.
Es folgen nun kleinere Orte, Kronsmoor, Westermoor, Breitenberg und Wittenberge. Die schönste Strecke, wenn auch nicht asphaltiert ist der Weg am Deich entlang. Hier gabs auch mal ein kleiens Verkehrshindernis, dass ich versuchte zu umfahren, denn die Hindernisse ließen sich durch mich in keiner Weise beirren. Schafe lagen auf dem Weg, herrlich. Und sagte ich es schon, irgendwann, bis auf kleine Momente, war es mir egal, ob es regnete oder nicht, ich naß und kalt war, es gab ja imemr was Schönes zu entdecken. In diesem Falle die da vor mir lagernde Schafherde, herrlich. Waren auch paar Schwarze dabei, so wie ich eins bin, kicherte ich vor mich hin.
Kellinghusen, auweia, liegt zwar hügelig hübsch, die Zentrumsstrasse führt rauf und runter, aber mehr ist da auch nicht. Gut drumherum gibts schon noch was, aber nix, was sich lohnt zu entdecken. Der Naturpark Aukrug sicherlich rundherum würd sich lohnen, aber ne, nicht mehr heute und jetzt. Nass genug ich bin. Erstmal mein Rad und Bett-Herberge gesucht. Bin auch froh mal wieder, diese Übernachtungsmöglichkeit egfunden zu haben, denn Menschen laufen hier im Ort, klar, auch wegen des Regens, nicht herum und Pensionen oder ein Hotel entdecke ich auch nirgendwo. Und ehrlich, ich schwöre, ich hätte nun auch nicht mehr weiterfahren wollen. Jede Menge Restaurants aber so im Vorbeiradeln aus einem Augenwinkel sehend gesichtet. Inder, Chinesen, Türken, Italienern, Griechen. Man, voll multikulti die Kellinghusener, zumindestens was das Essen angeht.
Hab ich Hunger? Ne gerade nicht, mal wieder. Sag ja, Anstrengung bedeutet nicht immer, dass viel Appetit da ist. Oft bei mir jedenfalls, das Gegenteil. Essen also erst mal warten. Die Pension überrascht mich total. Ein 330 Jahre altes Bauernhaus direkt an der Kellinghusener Fussgängerhauptstrassenzone, wenn man die denn so benennen will, liegt, Immerhin keine Autos, jedenfalls selten, das hier mal vorbei kommen sollte. Und die Leuts so nett, kann ich nicht anders sagen. Alte Leute schon, die Inhaberin, eine alte Dame von 72 Jahren, begrüßt mich warmherzig. Man, kommen sie herein, brauchen nicht die Schuhe auszuziehen, wird eh nachher noch geputzt, sagt sie. Erst mal Rad abstellen, sag ich, Taschen abmontiert, ind en Flur egstellt und im Hinterhof wartet ihr Mann, der schon 84 Jahre alt ist, aber so drollig, nett und liebenswürdig ist und hilft mir mit dem Rad. Dann komm ich richtig ins Haus hinein und staune über das schöne alte Mobiliar, die großen weiten Räume, wie in einem Haus, dass ich sonst nur so aus Freilichtmuseen kenne. Wohlfühlcharakter per exellence, finde ich und dazu noch diese lieben, freundlichen Menschen. Ich muss gerad echt ein wenig heulen, erstens weil die so nett sind, zweitens, weil ich merke, geschlaucht bin ich jetzt, habs nur verdrängt unetrwegs, wie so oft in früehren Zeiten in meinem Alltagsleben mit Familie, Beruf, Ehrenamt und dem ganzen Kram, den man sich so zu eigen gemacht hat.
Wir steigen treppauf, erste Etage, dann nochmal eine schmale Stiege und dort oben gibts ein hübsches Zimmer mit davorliegender Küche nur für mich. Denn ausser mir befindet sich Niemand in der Herberge. Es ist nicht nur der Regentag heute, sagt mir die Herbergsinhaberin, es ist der ganze Sommer der ihnen so gut wie keine Gäste beschert hat. Insgesamt seien es den Sommer durch gerade mal 5o gewesen, sonst gab es schon mal 200 an der Zahl. Aber gut, sie seien nicht darauf angewiesen, machen das zum Vergnügen, sind selber in jungen Jahren immer sehr beweglich gewesen. Ist aber auch Arbeit entgegne ich ihr, das große Haus hier mit allem zu hegen und zu pflegen. Ach das geht schon, sagt sie, sie habe Enkel, die gerne helfen. Fein finde ich das. Dann bekomme ich den Schlüssel fürs Zimmer udn Haustür und Obacht, ich bekomme auch den Schlüssel für die St. Cyriacus-Kirche im Ort, deren Schlüsselgewalt ihr obliegt. Denn die Kirche ist abgeschlossen zu dieser Zedit. Also solle ich gut damit umgehen, schön wieder abschließen,w enn ich raus gehe. Sie geht einfach davon aus, dass ich als Mönchsradpilgerin natürlich die Kirche auch von innen besuchen will. Sie steht ja auch hoch oben da auf einem Hügel mitten in der Stadt neben den abzweigenden Strassen aus dem Ort heraus. Ich bedanke mich sehr für das Vertrauen, bin dann aber doch erstmal froh, die Tür hinter mir schließen zu können, nasse Schuhe aus, auf die Heizung gestellt, die sollte ich nämlich tüchtig andrehen, hat sie gesagt, die Herbergsmama. Alle Klamotten aus und das erste Mal hole ich meine gute Ersatzhose für alle Fälle für einen Flanierspaziergang in besuchten Orten heraus. Bisher war das nicht nötig, jedenfalls wenig. Es geht auch schon mal mit ein wenig feuchtem Schuhwerk herum zu laufen. Ich will ja auch vorsichtig sein. Muss ja auskommen mit dem mitgenommenen Bekleidungsgut. Pilgern ist wie gesagt kein Schönheitswettbewerb, aber zwischendurch wenigstens nicht ganz so vermatscht herumlaufen tut dann auch mal gut.
Einen Moment mal auf das schöne, gemütliche Bett gelegt und dann seh ich auch, worauf mich die Herbergsmama hingewiesen hat. Direkt vor meinem Fenster befindet sich ein großes Storchennest. Sie meinte, wenn ich Glück habe, werde ich ihn sehen, wenn er von seinen Ausflügen zurückkommt. Darauf freue ich mich jetzt schon, denke ich. Ein halbes Stündchen genügt, die Kräfte kehren einw enig zurück und ich beschließe mal den Ort zu erkunden. Also raus. Gehe die Strasse bergauf herauf, begutachte alles neben mir liegende, will eigentlich ein Cafe finden, Kaffeeschnuddelchen, das wärs jetzt. Find aber nix. Nur einen dritten Welt-Laden, darin ein paar Tische, kann man wohl, wenn man will. Sitzen aber so merkwürdig Alternative Damen an den Tischen, nä, keinen Bock jetzt auf die und gehe weiter. Daneben ein weiteres Domizil, stellt sich als *bei uns tu huss+ Cafe heraus, Sitzen auch paar Leute drin und durch die Fensterscheibe spinxend entdecke ich eine Theke in deren Glasauslage ein lecker aussehender Schokoladenkuchen steht. Der Einzige wohl. Also, das mach ich gleich, denke ich. Hier werd ich pausieren. Aber erstmal weiter gucken. Aber gibt nix grossartig zu entdecken, irgendwie gruselig troslos das ganze Kellinghusen. Also mal zur Kirche.
Komm mir ja ein bisserl komisch vor, da jetzt allein rein mit Schlüssel und so. Mach es aber. Gucke aber sofort, als ich drin bin, ob das Aufschließen und rauskommen wieder problemlos geht. Der Gedanke, ne Nacht in einer Kirche eingeschlossen zu sein, weiß nicht, würde mir dann doch Unbehagen verschaffen und hören würd mich hier sicherlich erstmal lange keiner. Erinnere mich aber gerade an meine Tage im Kloster Karmel in Köln, in dem ich auch ganz allein des öfteren in der Nacht in der Kirche saß. Aber da war ja auch die Gewissheit, da ist Jemand in der Nähe. Vielleicht ist die vermeintliche Gottesnähe an diesem Ort doch nicht so ganz allein auszuhalten, ich weiß es nicht, vielleicht bin ich dazu ja noch nicht genug erleuchtet oder fortgeschritten in der Erkenntnis. Aber gut, ich laß das mal so stehen und empfinde die Kirche ganz hübsch, zwar schmucklos, nur vorne hinter dem Altar leuchtet ein bunt gemaltes Wolkenbild vor mir auf, das beruhigend wirkt, sitze einige Zeit dort, alles wieder Revue passierend lassend, was die Menschen angeht, die ich mit genommen habe und gehe wieder hinaus, sorgsam verschließend den *heiligen Ort* und nochmal prüfend, ob ich auch richtig und so, abgeschlossen habe.
Dann gehts runter zu dem *bei uns tu huus* Cafe. rein in die warme Stube. Milchkaffee bitte und ein Stückchen von dem feinen Schokokuchen bittend. Bekomme extra Milch warm gemacht und frisch geschlagene Sahne auf den Kuchen. Lecker. Will sogar ein zweites Stück, man weiß ja nie, vielleicht wars das heut mit dem Essen. Die anderen Gäste und die Bedienung erklären mir, dass dieses Cafe eine Bürgerinitiative ist, hier kann man nicht nur Kaffee trinken, sondern auch allerlei Flohmarktszeug erwerben, aber auch Bücher, CD´s, alles gesammelt von Menschen, die es nicht mehr brauchen für die, die es brauchen könnten und sich nichts leisten können. Auch finden kulturelle Veranstaltungen hier statt. Es soll ein Treffpunkt sein für die Bürger, ohne dass es teuer wird für sie. Ein schöner Gedanke und sicher auch ein gutes Projekt. Habe ein gemütliches Plauderkaffeeschnuddelchen hier mit den Menschen und gehe dann zufrieden zurück zu meienr Pension. Es ist noch nicht spät. Gerade mal 17.00 Uhr. Ich war früh durch heute mit meinen Kilometern, war ja auch früh raus und durch den Regen bin ich halt auch recht flott gefahren und habe weniger Pausen gemacht als sonst.
Erstmal schön warm geduscht und dann leg ich mich aufs Bett und spüre wie bleiernde Müdigkeit in mir hochzieht. Während ich zwischendurch imemr mal einnicke, bemerke ich zwischendurch endlich den Stroch, der von seinem Ausflug zurückgemkommen ist. Majestätisch thront er da auf seinem richtig großen ausgebauten Storchennest und schaut in die Welt hinaus. Wie ich, denk ich so vor mich hin und schmunzele. Er guckt auch mal in meine Richtung, da winke ich ihm mal zu. Und so lieg ich da den Nachmittag über und mache eigentlich nix, ausser den Stroch zu beobachten. Herrliche Meditation ist das. Es ist überhaupt herrlich, sich mal einfcah mit nix zu beschäftigen. Zwei Bücher hätte ich ja, die ich mitnahm. Bisher aber nur recht wenig reingeschaut. Einfach nur liegen und gucken, ist wunderbar. Wie immer ziehen ja allerhand Gedanken an einem vorüber, die es meistens wert sind, sie mal zu beachten.
Es wird Abend, ein wenig Hunger meldet sich schon. Jedoch draussen regnet es wieder tüchtig und schon beim Rausschauen hab ich das Gefühl, ne heute nich Roeschen, du gehst jetzt nirgends mehr hin. Gott sei Dank hab ich noch ein Brötchen in der Tasche vom Morgen. Das reicht. Früh bin ich an diesem Abend eingeschlafen, aber selig und zufrieden.
Es ist ein Riesending, aber so wahr, wie ich es hier schreibe. Als ich am frühen Morgen, da ich ja tief und fest zeitig eingeschlafen war, erwachte, da fiel mein Blick sofort auf meinen Storch vor meinem Fenster. Ich denke mal, der war ganz sicher schon früher wach als wie ich, aber jedenfalls, er hielt gerade Morgenputz. Seine Flügel weit ausgebreitet, putzte und zupfte er sich und ich sah seinem Treiben gerne zu. Dachte, siehste, die Tiere vergessen sich niemals. Sie wissen, was zu tun ist, um sich in Schuß zu halten. Wenn ich dann an die Menschen denke, denen ich manchmal bei meinem Pflegediensteinsatz begegne, auweia, die haben sich einfach aufgegeben, sich selber und das Umfeld, in dem sie leben. Das hat sicher mit dem Denkvermögen zu tun. Obwohl die Wissenschaft es ja niemals bestätigen konnte bisher, sollen Tiere ja nicht denken kännen. Hm...ich weiß es nicht, so recht will ich das ja nicht glauben. Also, wenn es so ist, dann ist es auch nicht verkehrt,intuitiv zu wissen, was zu tun ist, um sich, die Art und das Leben, das ihnen zur Verfügung steht, zu erhalten und zwar so, dass sie sich selber keinen Schaden zufügen. Und so stieg ich ebenfalls schnell aus meinem Bett, machte mich morgenfrisch, packte meine Sachen wieder zusammen. Nochmal ein Blick ganz nah ans Fenster heran auf den Storch, der sich von mir nicht beirren ließ und ins weite Land und in den Himmel. Es regnete. Was sonst. Na gut, denke ich, dann eben nochmal heute. Irgendwann muss es ja auch mal wieder aufhören.
Runter zum Frühstück, dass ein reichhaltiges Angebot zeigte. Ausser mir saß am Tisch eine alte Dame, Engländerin, wie ich dann erfuhr. Kam Jahr für Jahr nach Kellinghusen, um hier zwei Wochen ihren Urlaub zu verbringen. Hatte sich mit den Herbergsleuten angefreundet. Sie ist so eine liebe, nette, so richtig das Klischee alter englischer Damen entsprechend. Herrlich und ihr Englisch einfach zu drollig. Aber ich kann sie ganz gut verstehen. Aber was sie Jahr für Jahr hier an diesen gottverlassenen Ort treibt, erschließt sich mir nicht. Aber es ist ja, wie ich immer sage, wenn mir an anderen Menschen etwas nicht verständlich ist, nicht mein Leben. So halten wir gemeinsam gemütlich das Frühstück ab. Ich bedanke mich für die wirklich sehr nette Gastfreundschaft hier, die nicht mal teuer war und wünsche der Engländerin einen noch schönen Aufenthalt und den lieben alten Herbergswirten nette Gäste. Dann zieh ich meine Regensachen an, hole mein Rad aus dem Stall und auf gehts Richtung Wrist.
Fahre am Kellinghusener Friedhof vorbei. Groß ist der nicht. Gestorben wird hier nicht viel, jedenfalls nicht schnell, denke ich, denn er ist recht übersichtlich. Guter Dinge bin ich an diesem Morgen bei der Fahrt trotz des Regens, der eher stetig nieselnd vor sich hin tropft. Auszuhalten. Und der Weg ist wieder mal wunderschön, durch kleine Siedlungen hindurch, bis ich nach Bokel in den Wald komme. Unbefestigt, aufgeschwemmt, schlecht zu befahren mit meinem Rad, aber da muss ich durch. Es ist leicht hügelig geworden jetzt. Das war mir klar, als ich sah, dass es jetzt ja in die Richtung Holsteinische Schweiz ging. So kam es, dass ich zeitweise vom Rad absteigen musste, erstens wegen der großen Regenmatschlöcher, zweitens weil es einfach unter diesen Umständen schwierig war, bergauf zu fahren. Mein Rad ist ein altes, treu wie gold, aber einiges funktioniert nicht mehr so richtig. Das Herunterschalten vom 5. Gang ist immer ein kleines Risiko, ich habe Sorge, dass mir die Kette abspringt. Und so maschiere ich hin- und wieder mit dem Rad durch den einsamen Wald.
Erreiche den nächsten Ort Mönkloh, dessen bewaldete Umgebung wie ich später lese, auch das Naherholungsgebiet für alle umreichenden Orte ist und in deren Waldgebite sich wohl viele alte Baumbestände finden lassen sollen, die unter Naturschutz stehen. Ich habe auch eine 300 Jahre alte Eiche entdeckt, von der ich mir natürlich ein Foto gemacht habe. Mönkeloh grenzt an die Gemeinden Pinneberg und Steinfurt. Eigentlich ist es ein unscheinbarer Ort. Hier wohnen die Alteingesessenen, aber auch Zugezogenen aus Hamburg, die hier ihren zweiten Wohnsitz haben. Warum, wie ich an einem Schild lese, die Umgebung hier Klein-Italien benannt ist, erschließt sich mir allerdings nicht. Aber eine Attraktion gibt es nun doch. Und das ist eine kleine Kapelle, eine Waldkapelle, zu der ich auch gelange, am Wegesrand in einem Waldstück. Wunderbar. Und da der Regen gerade ein wenig nachgelassen hat, mache ich hier eine kleine Rast. Gehe in die Kapelle sitze still und zünde noch einmal Kerzchen für die Menschen an, die, wie ich es schon erwähnte, mich drum gebeten haben, aber auch für die, die es gar nicht wissen. Ein friedlicher Ort. Das Bemerkenswerte an der kleinen Waldkapelle ist jedoch, dass genau einer dieser zugereisten Menschen aus Hamburg, ein älterer Herr, diese Waldkapelle auf eigene Kosten errichtet und der Gemeinde Mönkloh gestiftet hat. Immer wieder kommen Menschen mit Bussen angereist, um diese kleine Kapelle zu besuchen. Herrlich. Im kleinen Kapellenbuch lese ich ein wenig und finde unglaubliche viele Danksagungen für diesen schönen Ort. Die Kapelle ist übrigens ökumenisch. Sie ist jetzt 15 Jahre alt. Der Erbauer war als Kind ein Waisenkind und aus Dankbarkeit, dass dennoch in seinem Leben alles gut verlaufen ist, hat er diese kleine Kapelle bauen wollen. Man muss ja nun keine Kapellen aus lauter Dankbarkeit für das eigene Leben bauen. Es gibt so viele Möglichkeiten seine Dankbarkeit zu zeigen. Manchmal ist es einfach auch die Lebensfreude die man anderen Menschen schenken kann, die sich ja aus der Dankbarkeit des hinter einem Liegenden ergibt. Vielleicht ist es ja auch gerade der Ort hier, der viele Menschen möglicherweise zum Nachdenken bringt, wofür sie eigentlich dankbar sein können. Wenn ich so durch meinen Alltag schreite, hab ich oft das Gefühl, dass die Dankbarkeit vielen Menschen verloren gegangen ist. Das ist mir aber schon auf vielen meiner kleineren und größeren Reisen durch den Kopf gegangen. Es gibt gerade in unserer Gesellschaft in Deutschland ein so großes Jammern auf hohem Niveau, dass es mir des öfteren schon einmal unerträglich erscheint. Lustig fand ich, dass der alte Herr eigentlich immer den Wunsch gehegt hatte, im Alter einen Porsche zu besitzen. Als er dann einsehen mußte, dass er da ja gar nicht mehr rein und rauskommt, hat er eben diese kleine Kapelle gebaut. Mir hat diese kleine Rast gut getan und ich radele frohgemut weiter.
Es geht jetzt zum Teil auf asphaltierten Radwegen, aber auch immer wieder auf unbefestigten Feldwegen Richtung Bad Bramstedt. Mittlerweile hat der Regen wieder unermeßlich zugenommen. Es schüttet wieder oder wie der Engländer sagen würde: * Its rain Cats and dogs* Das Wasser läuft mir wieder übers Gesicht und daher bin ich froh, dass ich diesen Ort erreiche, an dem ich sofort an der Strasse liegend ein Cafe mit Überdach entdecke, dort Halt mache, mein Rad abstelle, mein nasses Regenzeug ausziehe und mir Kaffee und ein Franzbrötchen bestelle. Ich habe zuvor in meinem Leben noch nie ein Franzbrötchen gegessen und bin wie verrückt nach diesen Dingern jetzt. Ich bin sozusagen auf dieser Reise ein Franzbrötchenfan geworden. Am Nebentisch sitzt eine Gruppe Frauen. Ich weiß nicht, ob die aus dem Dorf sind, oder ob das ein Kegelverein ist. Jedenfalls sehen die so aus und verhalten sich auch so. Zweideutige Anspielungen, lautes Gelächter, wo ich gar nicht weiß, an welcher Stelle ich da jetzt lachen sollte und ein unermüdliches Geschnattere. Jösses, aber schmunzeln muss ich ja doch. Meine Welt ist das jedenfalls nicht. Da mein Feuerzeug unterwegs nass geworden ist und sich keine Flamme mehr ergibt, mit der ich mein Zigarettchen anzünden könnte, bitte ich eine der Frauen um ihr Feuer und so kommen wir natürlich auch ins Gespräch, wie immer. So was gelingt mir ja, wenn ich will in null komma nix. Naja, viel zu erzählen gibt es da nun nicht, das Übliche halt, wie ich schon mehrmals erwähnte. Mutig, allein als Frau, blablabla...Man könnte ja heutzutage nicht mehr als Frau allein über die Strasse gehen und schon gar nicht am späten Abend. Jösses, entgegne ich ihnen, wer soll schon mitten in einem 10 km langen Wald auf mich warten und das auch noch im Regen. Irgendwie scheint ihnen das einzuleuchten. Auch mal gut, wenn man die Menschen auf die Fakten hinweist. Jedenfalls, das Leben ist immer gefährlich, sag ich ihnen noch, es endet nämlich mit dem Tod. Hihi, ich muss dabei echt kichern. Irgendwie gucken die mich komisch an, aber das ist mir jetzt auch egal. Unfreundlich sind sie aber nicht, ich ja auch nicht. Bedanke mich fürs Feuer, Gespräch und ziehe in aller Seelenruhe meine Regenklamotten wieder an und weiter gehts.
Wie ich im Nachhinein von einem von mir geschätzten Menschen erfahre, als ich ihm sagte, Bad Bramstedt, ein gruseliger Ort, erfahre ich noch, dass es hier weit über die Grenzen hinaus eine große Rehaklinik für psychosomatische Leiden gibt. Es Ist ja auch ein *Bad* also Kurort. Also für die Umgebung hat sich das *Bad* es jedenfalls verdient. Den Ort selber empfinde ich nicht gerade erholungsgewichtig, aber wer weiß, vielleicht im Sonnenschein sieht ja alles ganz anders aus.
Ich fahre am Bramstedter Schloß über die kleine Mühlenbrücke am Bahnhof vorbei, muss nun wieder bergauf fahren, komme am großen Gutshof Gayen vorbei, der majestätisch da vor mir liegt. Dass es so was heute noch gibt, denke ich, Gutshöfe und fahre eine längere Strecke und dann geht es wieder in den Wald hinein, mit...ihr ratet es schon . wunderschönen unbefestigten, Ralley-Wegen. Genau, das dachte ich nämlich jetzt bei meiner Fahrt durch diesen Wald. Zum Teil mutet mir meine Radtour wie die Ralley Dakar, nur mit Rad und ohne Beifahrer an. Jedenfalls mein Rad sieht aus wie nach einer Schlammschlacht und ich bin auch nicht weit davon entfernt an den Abenden nach diesen beiden Regentagen. Aber gerade finde ich das herrlich. Ich hab mich lang nicht mehr so wohl gefühlt. Natur pur. Man weiß ja heutzutage gar nicht mehr als Städter was Wetter eigentlich bedeutet. Ich schon jetzt mal wieder. Ich habs ja oft schon durchgemacht bei meinen Touren. Aber der Mensch vergißt auch schnell.
Den Ort Großenaspe durchquerend komme ich nach ca. 1 km in den *Wildpark Eekholt* Gerade hat sich der Himmel mal wieder etwas erbarmt und es kommt sogar für einen Moment die Sonne durch, obwohl sich rundherum die schwarzen Wolken schon wieder auftürmen. Aber gerade jetzt in diesem Moment, als ich in den Wildpark einbiege, leuchtet das Laub herbstlich rostrot und habe ich es schon geschrieben, ich weiß es jetzt gar nicht mehr. Jedenfalls es ist so wunderbar über am Boden liegende Eicheln, Kastanien, Hölzchen und Stöcken zu fahren, es knistert so fein. Falls ich es schon geschrieben habe, auch egal, dann weiß mein geneigter Leser eben, dass ich ausser mir mit dieser Stille und nur dem Hören des Geräusches auf meinem Radwege.
Ich verabschiede den Sommer, ging mir auch irgendwann durch den Kopf und begrüße den Herbst, die Jahreszeit, die ich wie den Frühling so liebe. Klare, etwas kühlere Luft, Sonnenschein, buntes Laubwerk, der duftende Herbst einfach. Wie ich später in meiner Herberge in einer Broschüre lese, gibt es allerlei Getiers hier in diesem schönen Wildpark. Von Waschbären, Schwarzstörchen, Steinadlern Heidschnucken, Rehen und Zwergziegen, fast an die 700 Tiere können hier beobachtet werden. Ich jedenfalls hatte hier kurz nach dem Hineinfahren in den Wildpark auch ein besonderes Erlebnis. Ich weiß nicht, woher der kam, aber plötzlich war er da. Ein riesengroßer braun-schwarzer Schäferhund. Jösses. Ich merkte plötzlich, dass er mir folgte, teils lief er neben meinem Rad her und schniefte und schnuffte. Habs erst gar nicht bemerkt, das Hecheln hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Ich guck ja auch nicht nach hinten beim Fahren, Ich hatte genug damit zu tun, darauf zu achten, wie ich mein Rad und mich unbeschafet durch die aufgewühlten Wege bugsierte. Jedenfalls irgendwann schaute ich nach links hinten, wie beim Autofahren, wo du guckst, ob dich einer überholt und da seh ich ihn. Ich hab im ersten Moment schon einen Riesenschrecken bekommen muss ich sagen. Ich sags gleich, ich bin so was von einem Hundenarr, damit das klar ist. Daher weiß ich aber auch, vor freilaufenden Hunden immer vorsichtig sein, man weiß nie, was mit denen los ist. Ich bin dann einfach mal stehen geblieben, der Hund aber auch. Wir haben uns dann eine Weile angeschaut. Weiß auch nicht wieso jetzt, jedenfalls fiel mir der Satz ein *du mußt dem Wolf ins Gesicht schauen*...Aus irgendeinem Film, auf den Titel komm ich gerade nicht. Ja genau, man muss der Angst ins Gesicht schauen, dann zieht sie sich zurück. Und so war es auch jetzt. Also, der Hund hat sich nicht sofort zurückgezogen, aber er wedelte mit dem Schwanz. Und ich weiß ja, dass, wenn Hunde mit dem Schwanz wedeln, freundlich gesinnt sind. Auf Hunde ist Verlaß. Bei denen weiß man immer wo man dran ist. Wedeln sie, ist alles klar, knurren sie, besser Rückzug. Der Hund ist nicht verheuchelt wie der Mensch, der vorne dich anlächelt und dir hinten das Messer in den Rücken sticht. Hahaha, jedenfalls denk ich gerade so und meine Erfahrung hat mich das auch des öfteren erleben lassen. Ich halt mich da auch lieber an den Satz *Dem Freund die Hand, dem Feind die Stirn* Hab ich mal gelesen den Spruch bei einem von mir geschätzten Menschen, fand ich gut und ist auch richtig so. Nun denn, wahrscheinlich wollte der mich nur mal beschnüffeln, der Hund, er verschwand dann auch irgendwann und ich zog ebenfalls weiter meines Weges. Coellho sagte ja in seinem Büchlein über den Jakobsweg, ein Pilger muss einem Hund begegnen, es sei eine mystische Erfahrung. Und ja, tatsächlich, als ich auf dem Jakobsweg war, beide Male, einmal in der Kurzform von Lyon aus, das andere Mal dann den gesamten Weg, sind mir auch beide Male Hunde begegnet und tatsächlich auch einige Zeit neben mir her gelaufen. Nun denn...ich mag Spiritualität, solange sie nicht dogmatisch ist und mir etwas aufzwingen will. Das hab ich hinter mir gelassen.
Ich fahre nicht den Umweg über das Kloster Nütschau, das zwar sehenswert sein soll, wie ich später nachlese, aber ich muss ja nicht alle Sehenswürdigkeiten mitnehmen auf diese Reise. Das Draussen sein, mich bewegen, die Natur und meine Sinneseindrücke genügen mir vollends. Ich komme raus aus dem Wildpark, durchquere den klitzekleinen Ort Bark sowie Todesfelde. Ups denk ich, kein schöner Name für einen Ort in dem man lebt. Muss mich aber eines besseren belehren lassen, denn eigentlich hat der Name eine ganz anderen Ursprung. Er entwickelte sich aus dem ursprünglichen Namen *Odesfelde* und kann mit *Zum Felde des Ode* übersetzt werden. Also jetzt mal ehrlich, ich krieg den Zusammenhang nicht hin, auch wenn ich noch immer mal wieder drüber nachgedacht habe. Manches versteh ich einfach nicht. Muss ich ja auch nicht. Es lebt sich auch so recht gut.,
Es geht jetzt ein wenig über Landstrassen und Radwegen entlang zum Ort Groß Niendorf. Aus diesem Ort ist zu erwähnen, kommt der deutsche Maler Christian Rohlfs Niendorf. Er zählt zu den wichtigsten deutschen Expressionisten und hat auch mit Nolde zusammen gearbeitet. Aber das wars schon zum Ort. Ich bleibe weiter auf Land- und Dorfstrassen und den danebenliegenden Radwegen komme nach Tralau und Neversdorf. Beide Orte sind hübsch, still gelegen in die Weiten der Landschaft, aber ansonsten unspektakulär. Nur zu Neversdorf gibt es zwei Legenden, die sich erzählt werden. Angeblich soll es im Neversdorfer See eine Insel gegeben haben. Z.b. sollte sich auf dieser Insel eine Schule befunden haben, zu der die Kinder des Ortes mit einem Boot gebracht wurden. Die andere Legende erzählt von einem Kloster, in deren Mauern eine Nonne eingesperrt worden sein soll. Beweise für diese Geschichten gibt es natürlich nicht, wie immer. Legeden haben oft einfach den Nutzen etwas interessant zu machen und es ist ja auch schön, wenn etwas Geheimnisvolles um einen Ort oder einen Menschen webt.
Von Neversdorf gibts wieder einen hübschen Weg mit Mittelgrasnarbe, was bedeutet, ufbasse Roeschen. Gott sei Dank sind die Spuren so breit, dass sie einigermaßen gut zu befahren sind. Nur hin- und wieder muss ich von der rechten zur linken Spur ausweichen, wegen zu großer Pfützen. Ich habe auch schon solcher art Wege befahren diesen Tagen, da war die Fahrspur gerade mal so breit, dass mein Radreifen noch hineinpaßte in die Spur. Aber das kannte ich ja auch schon von meiner Tour im letzten Jahr nach Berlin. Das ist halt Abenteuer pur, welches ich nicht missen möchte. Mir geht bei so was das Herz auf.
Nun hab ich nach ein paar Kilometern noch und der Durchfahrt nach Mözen, Wahlstedt und Fahnenkrug endlich Bad Segeberg erreicht. Hurrah. Gerade hat es auch aufgehört zu regnen. Die Fußgängerzone kommt mir gähnend menschenleer entgegen und das um 16.00 Uhr nachmittags. Naja, was soll ich sagen, fahre da gemütlich hindurch und habe gleich den Gedanken, die haben sie mit großer Mühe versucht hübsch auszugestalten. Aber wie ich schon schrieb, für mich haben diese Fussgängerzonen immer etwas Kaltes, Steriles an sich, ich kann mir da nicht helfen. Und sicher lebt der ganze Ort nur von den Karl-May-Festspielen. Dann geht hier sicherlich der Bär ab, ansonsten ist wohl tote Hose angesagt. Was machen heir eigentlich die Jugendlichen frag ich mich, als ich mal hie und da eine kleine Gruppe irgendwo entdecke, wenn sie es nicht gewohnt sind, mit ihrer Zeit auch sonst was anfangen zu können, ausser sich in Vergnügungsstätten herumzulümmeln.
Ich finde jedenfalls den Weg zu meiner Jugendherberge recht schnell, die direkt am Bad Segeberger See liegt, also vielleicht 200 m entfernt. Ich habe ein Zimmer im Erdgeschoß, zwar nicht mit Dusche auf dem Zimmer, aber alles ist gut. Rad untergebracht, bisserl frischgemacht, und dann gehts los. Ich bevorzuge es, nicht in die Stadt zu laufen, da es gerade noch trocken ist, sondern zum See hinunter zu gehen. Dort finde ich nach einigen Metern genau vis a vis eines großen Gesundheitszentrums ein kleines Restaurant, direkt am Ufer des Sees gelegen. Das ist es, was ich jetzt will. Suche mir ein hübsches Plätzchen in einem Strandkorb, hol mir was zu essen, ist Selbstbedienung, aber voll ok und mach es mir gemütlich. Wunderbar, ein tiefes Seufzen durchfährt mich, so schön der Blick auf den See, in denen Entchen munter herumplätschern. Alles friedlich. Ich schicke ein paar Grüße zu den lieben Menschen, die mich gedanklich begleiten. Zünde mir nach dem Essen mein wohlverdientes Abendzigarettchen an und naja, was soll ich sagen, da gehts schon wieder los mit dem Regen. Aber ich sitz ja im Strandkorb, zieh die Füße ein und lass den Regen Regen sein. Weil sich trotz des Regens auch die Sonne zeigen will, leuchtet plötzlich mitten über den See ein riesengroßer Regenbogen. Ich liebe Regenbögen weil sie mich immer an das Bild aus der Schrift erinnern, wo der Regenbogen als Friedenszeichen Gottes mit den Menschen ist. Also, ich glaub ja nicht, wie auch immer dieser Gott sein soll, dass er in Unfrieden mit den Menschen gelebt hat. Natürlich sagt das die Schrift, aber ich hab da meine eigene Sichtweise, ist einfach so. Aber den Regenbogen als Zeichen des Friedens, aber auch des Glücks zu sehen, empfinde ich wunderbar. Kann mich immer wieder daran erfreuen. Und so fotografiere und fotgrafiere ich ihn in allen Farbnuancen. Manchmal denke ich, ich fotografiere zwar so gern, aber das wirklich tiefe Erleben kann man mit einem Bild nicht festhalten. Aber es kann das Erlebte beim Anschauen wieder lebendig machen.
Eine schöne Abendstunde hab ich hier am See verbracht, schlendere noch ein wenig durch das Städtchen, aber kann mich für nix mehr begeistern. Sie kommt mir immer noch gähnend leer entgegen und ich verspüre keine große Lust mehr auf Exkursionen, maschiere zurück zu meiner Jugendherberge und lasse den Tag ausklingen. Schön wars wieder, voller Eindrücke und Begegnungen, wenn auch zumeist nur mit Hunden, Vögeln, Schnecken und Katzen.
Jösses, was bin ich froh. Aufgewacht, rausgeguckt, kein Regen. Hurrah. Die Prognosen für den heutigen Tag sind auch bestens. Ich freu mich so was auf die Tour heute, auch wenn ich weiß, das wird schon recht mühsam. Denn die Holsteinische Schweiz ist wie man dem Namen vertrauen kann, nun mal nicht geradeaus, sondern es werden Hügel, kleinere Berge zu erklimmen sein mit meinem Rad. Das bin ich als Langgeradeausstreckenfahrerin nicht unbedingt gewohnt. Erinnere mich gerade an die mühselige Tour im letzten Jahr, in der die ersten beiden Etappen nach Fulda über die Rhön durch Thüringen auch nicht gerade ein Zuckerschlecken waren. Aber gut, es komme was wolle, ich halte durch sag ich mir, mal sehen, ob ich trotz diesen mir sich entgegenblickenden Schwierigkeiten bis Plön komme, dahin will ich ja.
Erst mal einpacken, frühstücken, aufladen und los gehts. Fahre zurück durch die Fussgängerzone Bad Segebergs und habe meinen Weg nun fortgesetzt auf einer ehemaligen Bahntrasse, die wunderhübsch an dem frühen Morgen im Sonnenlicht glitzert und rechts und links von Hecken und Baumreihen umsäumt ist. Komme am Ihlsee vorbei. Geniesse einfach den Morgen, das Radeln und komme so zum Ort Groß Rhönau, der weiter auf einem strassenbegleitenden Radweg nach Hamdorf führt. Irgendwie kommt mir dieser Song, den man eine zeitlang ständig im Radio hörte, weiß jetzt gar nicht, aus welchem Jahr das war, jedenfalls der Refrain war irgendwie *Dieser Weg wird kein leichter sein*, man war das ein doofer Song, aber daran sieht man mal wieder, wie solche Sachen einem regelrecht eingeimpft werden, kriegt man nicht mehr weg, aber schmunzeln muss ich ja doch.
Es ist ja Sonntag stelle ich fest, denn es ist alles noch ruhiger und stiller als die Tage zuvor, wo ich wenigstens ab und an in den kleinen Dorfsiedlungen mal einen Menschen vor seinem Haus hab sehen können, der gerade mit Rasenmäher, Heckenschere oder sonst einer Maschine sein Anwesen pflegte. Hin- und wieder hab ich gedacht beim Anblick der fleissigen Hauseigentümer, was bin ich so froh, dass ich kein Haus habe, gerade jetzt, wo ich älter werde. Ich fühle mich freier mit dem Wenigen, das ich habe.. Natürlich verstehe ich das, für manche Menschen ist es einfach eine Freude, ihren Garten zu pflegen, ich kann das auch gut nachvollziehen. Meistens jedoch stöhnen die Leuts. Verstehe das nicht. Habe ja selber Schrebergarten, Garten vorm Haus und Garten im Ferienhäuschen zu pflegen gehabt all die Jahre. Dennoch, es gibt so vieles, an dem ich mich freuen kann. Heute denk ich, wenn ich in meinen nächstgelegenen Stadtpark gehe, mich auf das Bänkchen vor dem kleinen See setze, mein Buch zur Hand oder ganz einfach nur auf meinem kleinen Balkon sitze, das reicht. Ich hörte mal den Satz: Bescheidenheit kann auch Reichtum bedeuten. Wer viel besitzen möchte, muß dafür auch viel tun und was nützt der ganze Besitz, wenn der Mensch am Ende ausgelaugt, zwar einerseits ein wenig stolz auf das Errungene ist, andererseits in seinem Herzen doch ganz andere Wünsche trägt. Jedenfalls wenn ich unterwegs bin, denk ich nie über Wochentage oder Uhrzeiten nach. Ist einfach so. Viel zu viel beschäftigt mir mir, meinem Körper und dem Fahren und Schauen, dass es mir gar nicht in den Sinn käme, morgens zu fragen, welcher Tag ist heute. Ich habe mir ja eigentlich auch kein Zeitlimit gesetzt. Ich dachte von Anfang an, es geht so, wie es eben mit mir geht. Und bisher ist es mehr als gut gegangen mit der Überwindung des Weges, besser als ich dachte. Ich war recht flott für die Verhältnisse unterwegs.
Ich fahre durch die stille Landschaft, komme durch Groß Rhönau, anschließend Hamdorf kreuzend, wo es wieder durch einen kleinen Wald geht. Herrliches Wetter heute, klare Luft, die Sonne läßt sich sehen. So schön. Manchmal sagt der Mensch, die Zeit stand still. Dieses Gefühl hab ich gerade auch. Wieviel Zeit der Mensch hat, wenn er keine Zeit verschwendet wird mir bewußt. Einfach nur sein, keine großen Aussenreize. Nur Wald, Felder, Wiesen, Bilderbuchlandschaften, in denen ich mich bewege, sonst nichts. Das so starke Spüren meiner selbst ist so heftig, dass ich das Gefühl habe ich muß einfach mal losschreien. Tu ich auch, in dem Wäldchen, immer wieder, weil ich es fast nicht aushalten kann, dieses starke Gefühl zu sein, zu leben, mich zu bewegen. Das ist Leben denk ich, und nicht das in der Hektik des Großstadtlebens, wo einem die Gesellschaft eintrichtern will, wer und was man zu sein hat.
Es geht nun nach Daldorf und von dort aus in den Erlebniswald Trappenkamp. Es duftet herrlich nach feuchtem Moos und Laub. Ich muss ein wenig schmunzeln, als ich das Schild *Erlebniswald Trappenkamp* lese. Frage mich, wieviele Menschen heute eigentlich noch einen Wald als Erlebnisplatz ansehen. Freizeitparks bestimmen doch heute das Erleben, Sensationen, höher, weiter, schneller, spektakulärer. Ich denke dran zurück, wie wir Wochenend für Wochenend mit den Kindern und dem Bollerwagen in den Wald gefahren sind. Dort konnten sie sich austoben, auf Bäume klettern, kleine Waldhütten bauen und der Proviant schmeckte nach langem Herumtollen noch mal so gut, als das Mittagessen am heimischen Tisch. Jedenfalls hier im Trappenkampwald geht es nicht nur um das einfache Erleben und Entdecken des Waldes, sondern es gibt zahlreiche Angebote für Familien mit Kindern vor allen Dingen, wie ich dann später in einer Broschüre in Plön lese. Zum einen werden natürlich Führungen durch Fauna und Flora gemacht, dann gibt es Aussichts- und Klettertürme, Waldwasserwelten, Holzspielland und sogar einen Schmetterlingsarten. Der würd mich ja am allermeisten reizen. Vor ein paar Tagen hatte ich das Erlebnis dass für eine ganze Weile ein Schmetterling vor meinem Rad hergeflogen ist. So als wenn er mit mir reisen wollte. Ist ständig um meine Nase herumgeflogen. Mir ist dabei ganz warm ums Herz geworden. So wenig bedarf es zur Freude, dachte ich. Ich finde jetzt eine schöne Bank, stell mein Rad ab, hole mir mein zweites Frühstück aus der Tasche und genieße die Ruhepause, nach dem recht anstrengenden Rauf und Runter. Es geht insgesamt heute etwas langsamer voran, aber das macht ja nichts. Auch langsam kommt der Mensch ans Ziel.
Aus dem Wald heraus geht es bergauf am Stocksee entlang. Wunderschön glitzert er da vor mir in der vormittäglichen Sonne. Ich könnt direkt nen Sprung wagen kommt mir in den Sinn. Zumindestens einfach mal nah ran an den See, dort sitzen und gucken. Aber der See scheint nur zugänglich für Hausbesitzer die direkt ihr Anwesen bis zum Ufer ausgebreitet haben. Alles privat. Jedenfalls auf dem Stück des Weges, an dem ich an ihm vorbeifahre. Ich suche verzweifelt nach einem Zugang und wahrscheinlich wegen des Augenmerks auf ein anderes Ziel verpaße ich mal wieder meinen Wegweiser zum Mönchsweg und muss ca 5 km zurück, wieder in den Wald rein, das Rad den Berg hinaufschieben, wenigstens ein kleines Stück, bis ich zu der Stelle komme, wo die Wegmakierungen in verschiedene Richtungen zeigten und sehe, falsch abgebogen. Naja, macht nix, also nochmal neu. Ist jetzt auch nicht so tragisch gewesen, denn ich komme einfach nur an einer anderen Stelle des Waldes und somit auch am Stocksee heraus.
Während ich gemächlich vor mich dahinfahre, befällt mich dann doch plötzlich der Gedanke, dass ich nun bald mein Ziel, das kleine Städtchen Oldenburg auch erreicht haben werde. Zwei Tage braucht es noch. Wehmut durchfährt mich. Und deswegen finde ich es auch richtig schön jetzt, dass der Weg seit dem vorigen Tag mühsamer und anstregender geworden ist wegen der vielen Steigungen. Ein schönes Bild finde ich für das Älterwerden, dessen einziges Ziel es ja nunmal ist, dem Tod zu begegnen. Ich habe keine Angst vor dem Tod, das kann ich sagen, nur vor dem Sterbeprozeß. Ich möchte nicht leiden, das ist gewiss. Nicht, dass ich nicht den Wunsch hege, noch viele Jahre glücklich und erfüllt zu leben. Das möchte ich. Ich habe noch so viel Verlangen in mir, Sehnsüchte, Träume und Wünsche, auf deren Erfüllung ich schon große Hoffnung setze. Aber ich weiß auch, dass das Erreichen eines Zieles im letzten Moment doch immer noch einmal eine große Herausforderung ist. Das Loslassen bedarf eben auch einer hohe Kunst. Letzten Endes muss der Mensch dann wohl auch die nicht erfüllten Sehnsüchte und Wünsche loslassen. Eine schwere Aufgabe. Es geht nichts von selbst. Und was danach ist, nach dem Tod? Ich weiß es nicht, ich werde es ja sehen. Heute weiß ich, dass nach dieser Fahrt der kleinen Mühsal gemessen an den Mühlsalen und Erschwernissen meines Lebens das Ziel erst einmal Plön sein wird.
Die Gedanken begleiten mich eine ganze Weile auf meinem weiteren Weg und eine tiefe Dankbarkeit ist wieder in mir für mein Leben, für diese Zeit jetzt, die mir geschenkt und ich allein mit meiner eigenen Kraft durch diese schöne Umgebung fahren kann. So erreiche ich Bosau, das Örtchen, das schon am Ostufer des Großen Plöner Sees liegt. Hier mache ich Rast vor der hübschen St.Petri-Kirche im Ort. Die Kirche ist geöffnet und ich kann eintreten. Erfahre, dass sie erbaut worden ist von einem Missionar namens Vicelin zur Zeit der slawischen Besiedelung Ostholsteins. Der wurde nämlich im 11.ten Jahrhundert von Heinrich dem Löwen zum Bischhof ernannt und aus lauter Dankbarkeit ließ er dieses hübsche kleine Kirchlein bauen. Das Kirchlein gefällt mir auch von der Innengestaltung her. Die Wände eher weiß-grau, nur im vorderen Altarbereich leuchtet ein schönes Gelb auf und wieder ein Triumpfkreuz das über dem Altar schwebt. Die wunderschöne Orgel in der Kirche, die über 16 Register verfügt wird jedes Jahr zum Orgelmusikfestival im Sommer eingesetzt, zu dem viele Kirchenmusikliebhaber eintreffen. Es ist weit über die Grenzen hinaus bekannt. Ich würde da gern einmal zu hören wollen. Genug eingekehrt.
Wieder rauf aufs Rad und nun ist es nicht mehr weit. Nach wenigen Kilometern erreiche ich den Ort Plön, fahre an der Hauptstrasse entlang, sehe zu meiner rechten Seite einen großen Parkplatz, auf dem eine Vielzahl von Motorradfahrern an einem Standbistro ein Päuschen machen. Ich fahr da auch mal hin und werde, jedenfalls hab ich das Gefühl, von den behelmten in Mototrradkleidung verpackten Damen und Herren, die alle wie Wächter vor ihren eigenen Kisten stehen und Pommes essen, bisserl merkwürdig angeschaut. Es ist aber auch glaub ich ein lustiges Bild, wie ich kleiner Zwerg da mit meinem bematschten Rad zwischen all den Motorisierten herumstehe, aber dennoch selbstbewußt mein Rad abstelle, mir ne Fritz-Cola kaufe und am Bootssteg sitze um den Ausblick zu genießen und meinen Kindern ein kleines Fotos via smarthphone zu senden. Verstehe, die Gegend hier ist wie geschaffen für die Abenteuerfahrlust von Motorradfahrern. Denke daran, dass ich noch gar nicht vor all zu langer Zeit auch den Wunsch gehegt habe, noch einen Motorradführerschein zu machen. Es erschien mir wild mit einem tollen Motorrad durch die Gegend zu fahren. Aber wie so oft siegte dann doch die Vernunft, warum soltle ich mich im fortgeschrittenen Alter dann doch noch einer Gefahr aussetzen. Denn die Unfallstatistik zeigt, dass Motorradfahren gefährlich ist. Und so bin ich dann bei meinem Rad geblieben.
Als ich dann am Eingang der Fußgängerzone in Plön ankomme entdecke ich, dass ich leider am Wegweiser zur Jugendherberge Plöns vorbeigeradelt bin. Also wieder den Weg ca. 1,5 km zurück und da liegt sie auch vor mir, direkt am See. Schön. Ich kann direkt hinter dem Haus einen Fußmarsch wenige Meter runter zum See machen, was ich nach Abladen meines Gepäckes auch tue. Sonne ist da, aber ein kühler Wind weht. Und nach kurzer Zeit gehe ich zum Haus zurück, wo gerade Musik ertönt. Es hatte sich übers Wochenend hier ein kleines Orchester eingemietet um Zeit zum Proben und Gemeinsamkeit zu haben. Wie ich von einem der Musiker erfahre, reisen sie aber nach dem Kaffee ab und ich muss feststellen, dass ich mit noch einem anderen Päärchen an diesem Sonntag bis zum anderen Morgen völlig allein in der großen Jugendherberge sein werde. Komisches Gefühl und, wie ich dann später am Abend nach dem Nachhausekommen bemerke, auch ein wenig gespenstisch.
Eigentlich kenne ich Plön ja schon. Als ich vor ein paar Jahren meine Schleswig-Tour mit dem Rad fuhr, lag das Städtchen auch auf meiner Route, übernachtet hatte ich da allerdings in Preetz, und zwar ümmesonst. Eingeladen von einer alten Dame, die immer mal wieder gern ein Zimmer für Radlerinnen zur Verfügung stellte, da sie selber in jungen Jahren viel mit dem Rad unterwegs war. Ich hatte damals großes Glück, denn es war ein anstrengender Tag und ich kam erst spät abends in Preetz an und fand kein Zimmer. Und eine Passantin, die mich damals ansprach, als ich müde und ko auf der Kirchentreppe saß und dachte, ok, dann musste halt in der Kirche übernachten, gab mir diesen Tipp. Sie kannte die Frau und hatte auch ihre Telefonnummer, rief sie an und siehe da, ich hatte eine Unterkunft. Naja, so hatte ich mir das ja für diese meine jetzige Tour auch vorgestellt. Aber es kommt eben immer anders, als wie der Mensch denkt.
Dennoch mache ich mich natürlich auf den Weg wieder runter ins Städtchen. Kurz überlege ich und mir kommt der Gedanke, ein wenig ist mir nach all diesen Tagen nach netter Gesellschaft zumute. Ich könnte ja mal schauen, ob es den Fahrradhändler aus Preetz, den ich damals bei meinem zweitägigen Aufenthalt dort kennenlernte, noch gibt. Gedacht, kurz auf ne Bank gesetzt, mal gegoogelt, Fahrradhändler Preetz und ja, da steht er noch drin. Soll ich oder soll ich nicht. Mensch, das ist jetzt ja 10 Jahre her, ob der sich noch an mich erinnert. Leise Zweifel beiseite schiebend, ob ich das machen kann, am heiligen Sonntag, einfach anrufen und sagen, hier bin ich, erinnerst du dich noch, hast du nicht Lust auf nen Kaffee, erreiche ich ihn tatsächlich am Telefon. Ist ja ein Ding sagt er gerade aus einem Mittagsnickerchen erwachend. Aber natürlich erinnere ich mich an dich, sagt er. Wir haben doch schöne Gespräche und nette gemeinsame Erkundungen durchs schöne Umland von Plön gemacht. Klar habe er Lust auf ein Kaffeeschnuddelchen. Großartig, ich finde das sensationell. Freue mich wie Bolle und wir verabreden uns eine Stunde später in einem Cafe in der Fussgängerzone Plöns. Ich bin ganz ausser mir. Das erste Mal nach 6 Tagen, dass ich mal wieder richtige Gesellschaft haben werde.
Angekommen, schließe ich mein Rad an einer Laterne ab, spaziere erst mal allein rauf und runter die belebte sonntägliche Innenzone Plöns, ganz anders, wie ich es bisher auf meinen Inspektionen durch Fussgängerzonen der anderen Orte bemerkt habe und statte der im Zentrum gelegenen Nikolaikirche direkt am Marktplatz einen Besuch ab. In der Kirche wird zur Zeit eine Ausstellung verschiedener Künstler präsentiert. Finde es gut, dass mittlerweile die Kirchen ihre Räume auch für kulturelle Ereignisse zur Verfügung stellen. Warum sollen die leerstehen. Mir gefällt der große Zeitsetzkasten, der von einem Künstler namens Schwichtenberg im Jahre 2000 entworfen wurde und in seinem ersten Entwurf auf dem Katholikentag in Hamburg vorgestellt wurde mit dem Motto: *Dein ist die Zeit*. 2000 war das Jubiläumsjahr 600 Jahre Johannes Gutenberg, ohne den Luthers Bibel nun ja nicht hätte gedruckt werden können.
Dein ist die Zeit, schöner Spruch denke ich, während ich da auf dem Bänkchen sitzend drüber nachdenke, dass die Menschen immer sagen, mir ist die Zeit gestohlen worden. Dabei hat jeder selbst in der Hand, was er mit seiner Zeit macht, abgesehen von der Arbeit, der er leisten muss, um seinen Lebensunterhalt zu sichern oder eben den Verpflichtungen, denen er in seiner Familie nachkommen muss. Ansonsten, wir sind uns gar nicht drüber bewußt, dass wir mehr als jemals zuvor in einer Epoche leben, in der wir Menschen Zeit ohne Ende haben. Wir lassen sie nur all zu oft ungenutzt verstreichen oder füllen sie mit Dingen, die uns nur Zeit rauben, aber nichts hinterlassen.
Mit diesen Gedanken verlasse ich das Kirchlein, nachdem ich auch hier die Wegeskerzchen entzündet habe und gehe zum verabredeten Treffunkt mit meinem Fahrradhändler. Große Freude, mensch, du hast dich ja gar nicht verändert kommt mir entgegen. Charmeur antworte ich, du aber auch nicht und wir müssen beide lachen ob der netten Floskeln, wir wissen ja Bescheid. Und so sitzen wir da, tauschen Erinenrungen aus, erzählen wie unser Lebensweg seit den damaligen Jahren verlaufen ist und stellen fest, alles war und ist gut, wir sind es beide, jeder in seiner Weise und Lebensalltag zufrieden. Es gibt noch einen gemeinsamen Rundgang in und um Plön herum und ich bekomme noch so dies und das erzählt. Und ja, wenn ich Zeit hätte, er könnte mir doch noch einiges, was wir damals nicht geschafft haben, zeigen. Aber ich möchte nicht verweilen, weiter auf meinem Weg. Es ist gut so, wie es heute ist. Aber wir wollen versuchen, den Kontakt ein wenig aufrecht zu erhalten und vielleicht komm ich ja noch mal wieder und dann nehmen wir die Dinge in Angriff, die ich noch nicht gesehen habe. Schön wars, ein netter Mensch, den ich gern im Herzen behalte und dafür danke, ihn kennengelernt zu haben.
Plön war wie immer fein, nicht nur wegen dem Fahrradhändler. Ein hübsches Städtchen am schönen Plöner See, auf dem ich auch sehr gern mal eine Rundfahrt machen möchte. Das nächste Mal. Das feine Plöner Schloß ist im Privatbesitz der großen Optikerkette *Fielmann*, dort wird ihr Nachwuchs ausgebildet und Seminare abgehalten. Die Akademie ist weit bekannt. Es bedarf guter Augenoptiker wohl immer mehr. Wenn ich durch Stadtviertel gehe, entdecke ich immer, wie viele Optikergeschäfte es mittlerweile gibt. Die Menschen scheinen mehr und mehr Sehschwierigkeiten zu haben. Im übertragenen Sinne sag ich mal, sie sehen nicht, was wichtig ist oder sie sehen vielleicht zuviel von all dem, was ihnen die Sicht darauf versperrt, weiß mans. Ich denk dann immer an das Büchlein von Jose Saramago, die Stadt der Blinden. Chaos und Verwüstung überall dort, wenn der Mensch blind für das Wesentliche durch das Leben geht. Naja, das will ich nun hier nicht ausweiten, sondern einfach bei Plön bleiben. Ca. 9000 Einwohner soll das Städtchen haben und der Große Plöner See ist nun nicht der einzige, der das Städtchen umgibt. Das Städtchen war schon im 13.ten Jahrhundert ein recht ansehnlicher Handelsplatz und für Kaufleute sehr beliebt. Hier ist auch die Marineunteroffiziersschule untergebracht, die man vom See aus gut einsehen kann. Ach ich hab genug von Sehenswürdigkeiten und Geschichte und mache einen Punkt. Für mich sind eh andere Dinge sehenswürdig, fahre zufrieden hinauf zu meiner Jugendherberge und will Feierabend machen für heute.
Als ich die Türe mit meiner Chipkarte öffne, wie gesagt, ausser den beiden anderen, ist Niemand da in der Herberge, treffe ich sie auch, das Päärchen, sitzt unten am Tisch. Nett sind die. Wir kommen auch gleich ins Gespräch. Sie sind auch unterwegs mit Rad, aber auf einer anderen Route. Viel rumgekommen sind sie. Aber eines haben wir gemeinsam, die Erfahrung, dass es unglaublich schwierig ist, ein Übernachtungsquartier, sei es als gastfreundschaftliches Angebot noch als bezahlte Möglichkeit, im ganzen Umkreis zu bekommen. Das sei auch ihre Erfahrung und sie waren ebenfalls schon sehr oft verzweifelt. Nur konnten sie ihre Verzweiflung natürlich gemeinsam teilen und sich gegenseitig Mut zu sprechen, wenn gesucht und gesucht wurde. Nach ihrer Beobachtung, so meinten sie, läge das auch gerade in den letzten Jahren an dem zunehmenden innerdeutschen Tourismus. Immer mehr Deutsche würden wegen der Angst vor Terroranschlägen im Ausland Urlaub in der eigenen Heimat machen, aber eben auch an dieser Monteurunterbringungsgeschichte. Es geht heut nicht mehr so wie vor einem Jahrzehnt noch, dass man guter Dinge einfach darauf hoffen darf, mal so eben eine Übernachtung irgendwo an einem Ort zu bekommen. Auch Landgasthöfe und einfache Gasthöfe sind mehr und mehr von der Bildfläche verschwunden. Ich weißt jetzt bescheid für meine nächste Tour. Wir sitzen ein gemütliches Stündchen zusammen, dann zieh ich mich auf mein Zimemr zurück.
Ein guter Tag wie immer und schlafe nach Grüßen versenden und ein wenig lesen noch in meinem Büchlein zufrieden und schnell ein.
Vorletzte Runde steht heute an. Ich bin früh wach. Frühstück gibts aber erst um 7.30 Uhr. Ich scharre mit den Hufen. Wer einmal in die Bewegung gekommen ist, kann einfach nicht mehr aufhören. Diese Erfahrung hab ich auch nach knapp 1000 km Jakobsweg gemacht. Ich hätte immer weiter gehen können. Erinnere mich gerade daran, wie ich vom Ryan-Air-Flug mich dann mit dem Bus fahrend nach Köln am Rodenkirchener Ufer hab aussteigen lassen um die letzten Kilometer nach Köln-Nippes zu Fuß laufen zu können. Schön war das, die Heimatstadt wieder mit eigenen Kräften auf den letzten Kilometern zu erreichen. Und fein war es, da, wo ich angehalten habe, so freundlich wieder zurückerwartet wurde. In einer Buchhandlung, wo eine ehemalige Kollegin von mir arbeitete, gabs ein großes Hallo, was zu trinken und herzliche Umarmungen. Wenn ich jetzt nach Hause kommen werde, wird das anders sein, denke ich. Denn in Köln-Mülheim kenn ich noch nicht so viele Menschen. Aber das ist auch nicht tragisch, ich komm ja gut mit mir allein zu recht, wie ich jetzt auf meiner Fahrt wieder festgestellt habe.
Also weg mit den Gedanken, runter zum Frühstück, dass für drei Leute angerichtet wurde. Ist spärlich, trotz des wie gesagt auch nicht mehr günstigen Preises für eine Übernachtung in einer Jugendherberge. Ist aber auch unterschiedlich, je nach dem, von Herberge zu Herberge verschieden. Aber richtig sauer werde ich als ich mir wie immer noch ein Brötchen mitnehmen wollte für mein zweites Frühstück unterwegs, all die weil ich am frühen Morgen meistens nicht so viel essen kann. Ein Brötchen, das reicht. Und in meinem Körbchen lagen 2 Brötchen und zwei Scheiben Brot. Also war das ja für mich bestimmt. So hab ich mir kurzer Hand das 2.te Brötchen als Wegzehrung zubereitet und um eine Tüte gebeten. Man stelle sich vor, die wollten mir keine geben, meinten, das sei nicht erlaubt. Da bin ich aber so was von empört geworden. Gehts noch, hab ich geantwortet, hab eins gegessen, ob ich das zweite hier esse oder später, das sei ja wohl egal. Nä, wären Vorschriften, Lunchpakete würden sie ja machen gegen Bezahlung. Hallo, Lunchpakete, wenn ich das schon höre. Völliger Blödsinn, will ich nicht, ich will nur dieses eine Brötchen mehr nicht. Und nach langem zähen Ringen haben sie mir dann die Tüte gegeben. Gibts ja wohl nicht. Hallo! Da bin ich stur und manchmal nützt Sturheit auch, um das zu bekommen, was man will. So. Mit einem Schmunzeln und einem freundlichen Tschüss, nicht Auf Wiedersehen, auf gar keinen Fall, ziehe ich von dannen.
Wetter? Hab ich es schon gesagt. Es regnet nun wieder. Juchhu. Auch egal.
Am See entlang eine Weile, dann rauf auf die große Bundesstrasse, von dort aus durch eine kleine Häusersiedlung geht es Richtung Timmdorf. Es geht recht üppig weiterhin bergauf, bergab. Merke aber, dass ich es besser kann jetzt, Training ist alles. Ein, zwei Tage und der Körper hat sich daran gewöhnt und neue Kräfte freigesetzt. So komme ich nach Bad-Malente, ein kleines Örtchen, das zwischen Kellersee und Dieksee malerisch sich ausbreitet. Gegründet wurde es im 13.ten Jahrhundert. Es soll für längere Zeit recht unbedeutend gewesen sein, was sich auch im Namen *Malente* ausdrückt. Der bedeutet nichts anderes als *klein* Später gab es dann die Eisenbahnverbindung und es gab Kurgäste, die den schönen Ort mit der guten Luft zur Erholung besuchten. Gäste aus Kiel, aber auch aus Berlin kehrten zu Anfangszeiten hier ein. Aber erst seit 1925 ist Bad-Malente anerkannter Luftkurort.
Hab ich schon gesagt, dass mir die Holsteinische Schweiz mit ihren gemütlichen, beschaulichen und sanfthügeligen Landschaften so gut gefällt. Hier kann wirklich Naturverbundenheit geübt werden. Die vielen Seen, die durch den Gletscherrückzug nach der letzten Eiszeit entstanden sind zwischen all den Hügeln, Wäldern und Wiesen sind das I-Tüpfelchen in der Region. Die gesamte Holsteinische Schweiz steht unter Naturschutz und die Verantwortlichen haben es sich zur Aufgabe gemacht, alles so ursprünglich zu erhalten, wie es möglich ist. Viel Getiers ist hier anzufinden, wie Wasservögel, aber auch Reptilien, die ja bekanntlicherweise in Deutschland insgesamt rar geworden sind. Man findet hier noch Eisvögel und Seeadler, Laubfrösche und Fischotter, Eidechsen und Haselmäuse, die gerade auch für diese Region sehr wichtig sind zwecks Erhaltung des Ökosystems. Auf meiner Fahrt durch diese Region hab ich immer mal eines der Arten erspähen dürfen in Wald und Feld.
Ich komme wieder an einen See, den Kellersee, mache aber hier nicht den Abstecher nach Eutin, weil ich später noch die Möglichkeit haben werde, Eutin zu sehen, sondern fahre auf der Hauptroute weiter Richtung Neukirchen. Fahre auf befestigten Radwegen durch Sieversdorf, dann Neukirchen und weiter nach Söhren. Von dort aus noch einmal zum höchsten Punkt Schleswig-Holsteins, dem Bungsberg. Das Wäldchen, dass ich auf diesem Weg dorthin durchfahren muss, in dem ich mich auch mal wieder verfahre, weil ich einen Wegweiser übersehen habe, hat mich in eine Schreckenssituation gebracht. Mitten im Wald springt mir die Kette vom Rad. Auweia. Was tun. Ich muss gestehen, ich bin da handwerklich nicht so geschickt. Hab auch kein Werkzeug mit dabei, nicht mal ne Luftpumpe. Ich bin einhoffnungsloser Optimist Aber bisher ist ja auch immer alles gut gegangen. Luftpumpe hatte ich einfach vergessen. Aber sie nützt ja auch eh nix, wenn der Reifen platt ist. Und nun ja, ich könnte schon mit ach und krach den Reifen flicken, aber besonders gut ginge mir das eben auch nicht von der Hand. Aber jetzt muss ich was tun. Schieben oder versuchen zu reparieren. Erst mal Pause, zweites Brötchen. So. Satt geht alles viel besser. Nehme die Packtaschen ab, drehe das Rad um, versuche es an einen Platz zu stellen, wo es auf dem aufgeweichten Boden nicht nachgibt und wurschtele so lange herum, bis die Kette wieder druff ist. Hurrah, ich fühl mich wie ein kleiner Held. Darf ich ja auch mal. Dann gehts weiter. Ich bin natürlich jetzt super vorsichtig, schalte kaum noch die Gänge, weil es knackt und zieht. Ist aber auch logisch, nach so langer Fahrt dehnt sich halt die Kette etwas. Verstehen tu ich das schon, auch wenn ich handwerklich nicht so geschickt bin.
Die letzten Meter rauf auf den Bungsberg, der genau 168 m hoch liegt und vor 150.000 Jahren während der Saale-Eiszeit durch das von Gletschern mitgebrachte Geröll und Gestein entstanden ist. Obwohl ein beliebter Ausflugsort bei schönem Wetter mit guter Aussicht, die man an besonders guten Tagen wohl bis zur Ostsee haben kann, ließ ich mir sagen, bin ich dennoch heute an diesem Sonntagvormittag hier ganz allein. Nach Höhe ist mir aber in diesem Moment nicht, also laß ich es, die Aussichtsplattform auf dem Fernmeldeturm zu ersteigen. Bleib einfach für eine Weile dort oben und genieße auch so die schöne Aussicht auf die Weite der lieblichen Landschaft. Dann suche ich den Weg bergab zurück Richtung Bergfeld und Kirchnüchel, um wieder zum Kellersee zu gelangen.
Komme in Sielbeck, schon ein Stadtteil Eutins, am alten Uklei-Fährhaus vorbei, ein hübsches Hotel direkt am See. Könnte mir gefallen, denn von hier aus kann man wunderschöne Wanderungen unternehmen. Bei meinen Recherchen am Abend hab ich erfahren, dass der Uklei-See wohl sagenumwoben ist. Die Legende sagt, dass hier einmal ein junger, reicher schöner Ritter gelebt haben soll, der sich in die Tochter eines armen Bauerns verliebt hatte. Er näherte sich ihr mit Geschenken und Liebesschwüren, aber das junge Mädchen hielt lange stand. Sie war der Ansicht, dass sie als armes Mädchen niemals seine Frau werden könne. Aber wie das so ist mit der Liebe, der Leidenschaft und dem Begehren, eiens Tages konnte sie keinen Widerstand mehr leisten und gab sich dem jungen Ritter hin. Der Ritter, der listige Kerl, hatte sie betrogen, indem er sie mitnahm zu einer kleinen Kapelle und ihr dort nicht nur die Treue auf ewig schwor, sondern ihr versprach, sich mit ihr zu vermählen. Und sie glaubte es. Und so haben sie sich Morgen für Morgen an dem schönen See getroffen und das getan, was Liebende nunmal auch gern tun. Als sie ihn eines Tages an sein Versprechen erinnerte, kam er zuerst seltener am Ende gar nicht mehr. Das Mädchen wurde krank, lief in schwarzer Trauerkleidung umher, am Ende starb sie vor Kummer. Der Bösewicht, hatte sich zwischenzeitlich mit einer reichen Gräfin verlobt. Die Hochzeit mit der Gräfin sollte eben genau in dieser kleinen Kapelle stattfinden, in der der Ritter einst dem jungen unbescholtenen Mädchen die Treue geschworen hatte. Als jedoch der Pfarrer bei der Hochzeitszeremonie das Paar zusammenführen wollte, erschien plötzlich der Geist des Mädchens und zeigte mit dem Finger auf den Bräutigam, der vor Schreck umfiel. Ein furchtbares Gewitter soll hervorgebrochen sein und die Kapelle und mit allem, was darin verweilte, versank im Boden und es entstand der Uklei-See. Und wer noch Ohren hat zu hören, der soll in der Abenddämmerung das ganz leise Läuten des Kapellenglöckchens hören. Wunderschön und wildromantisch diese hübsche kleine Legende.
Wenige Kilometer noch und ich habe Eutin nun auch erreicht. Eutin hieß ursprünglich *Utin* und wie man annimmt vom Personennamen *Uta* abgeleitet und ist slawischer Herkunft. Es wurde im 7/8. Jahrhundert von Slawen erstmalig besiedelt die dort dort eine Burg bauten. Später kamen auch viele holländische Siedler hinzu. Mir gefällt die Kreisstadt des Kreises Ostholstein ausserordentlich gut. Ein wunderhübscher Marktplatz der einlädt im Sonnenschein in einem der Cafes zu sitzen. Was ich auch tue. Genieße die Wärme der Sonne für eine Weile bis ich ebenfalls zwcks Erinnerung noch einmal einen kleinen Abstecher mache zur Bräutigamseiche, die ich ebenfalls vor 10 Jahren auf meiner Tour mit meinem Fahrradhändler aus Preetz besucht habe. 500 Jahre alt soll die Eiche sein und wer noch keinen Partner hat und gerne einen hätte, der kann hier sein Zettelchen mit Postanschrift hinterlassen mit der Hoffnung, dass sich Jemand meldet. Was ich natürlich nicht tue. Jösses. Jedenfalls finde ich diese Möglichkeit auf jeden Fall wildromantischer als so komische online-datings-portale oder wie dat heißt. Ich kann mir so was grundsätzlich überhaupt nicht vorstellen, bewußt einen Partner zu suchen. Entweder mir fällt er vor die Füße oder ich laß es sein. Ich bin son Typ.
Übrigens was ich ganz vergaß, in Eutin wurde der bekannte Carl Maria von Weber geboren, deren Opern bei den in Eutin zur Sommerzeit stattfindenden Festspielen aufgeführt werden. Und auch der Maler Tischbein hat hier das Licht der Welt erblickt. Also, ich glaube, wie auch in Stade, Glücksstadt oder Plön, das sind Orte, die Menschen gut leben läßt. Das Eutiner Schloß ist übrigens noch zu erwähnen, auf das man vom Seeufer einen schönen Blick hat. Die Uferpromenade lädt zu kleinen Spaziergängen ein, die hinter dem Schloß auch in den schönen Seepark führt, durch den ich radschiebend ein wenig spazieren gehe.
Eutin verlasse, noch einmal kurz ein Blick auf die schöne Seepromenade und dann gehts weiter über den Jungfernstieg zur Oldenburger Strasse, die sehr verkehrsreich ist und mich gerade ein wenig stresst nach der Idylle und Richtung Gömnitz und von dort nach Roge, den kleinen Ort durchfahrend. Von hier aus fahre ich ca. 20 km durch hübsche Radalleen neben Landstrassen, immer mal wieder kleinen Feldwegen, die unbefestigt sind und gelange schließlich an mein heutiges Ziel, Neustadt.
Komme am Hafen an und juchze beim Anblick auf die Ostsee und den unzählig vielen großen und kleinen Yachten und Segelbooten. Wunderbar. Schiffe und Meer wecken in mir immer sofort Sehnsucht nach weiten Zielen. Bevor ich nach meiner Unterkunft Ausschau halte fahre ich erstmal die große belebte Fußgängerzone hinauf, die etwas den Berg hinaufführt und gelange an den großen Marktplatz. Gefällt mir das Städtchen. Allerdings muss ich sagen, was der Stadt etwas den Charme nimmt und das Erleben ist der unglaublich starke Autoverkehr kreuz und quer. Empfinde ich so. Stelle mein Rad an der Stadtkirche ab, die mir mit ihren rotem Backsteinbau entgegenleuchtet. Ich mache das deswegen sofort, weil, wenn es einen Lieblingsheiligen für mich gibt, dann ist es der Heilige Franziskus von Assisi, unter deren Schutzherrschaft diese hübsche Kirche gestellt ist. Seine Lebensgeschichte hat mich immer faszniert. Das radikale Aufgeben, Loslassen, Verlassen allen Schutzes und dem Besitz, mit dem er gelebt hat, um seinem Glauben zu Folge, nur noch für seinen Gott zu leben. Auch wenn ich selber ein ungläubiger Thomas bin, faszinierte mich dieser Lebensweg immer wieder. Auch weil er sich ebenso naturverbunden fühlte, wie es auch in meiner Natur liegt. Die Art und Weise wie er in eine Bekehrung gekommen ist, durch eine schwere Krankheit hindurch, hochfiebernd, am Rande des Todes, hat mir den Sinn und das Verständnis geöffnet, dass Krankheit oft ein Weg in eine neue Erkenntnis ist. Ich las seine Lebensgeschichte in recht jungen Jahren und habe immer daran gedacht, wenn es mich selber einmal schwer dahin sinken ließ. Auch seine kleine Methode, wenn er unterwegs auf Pilgerschaft war und sein Ziel aus den Augen verloren hat, eine Münze zu werfen, um dem Schicksal zu überlassen, welchen Weg er gehen sollte, empfand ich abenteuerlich und herausfordernd, so daß ich schon des öfteren im Leben bei ungeklärten Entscheidungen das selbe tat und bin immer sehr gut damit gefahren. Hört sich vielleicht für den einen oder anderen Leser schrullig an, aber Franziskus war halt auch schrullig und ich ebenso. Also wenn ich mich mit einem Heiligen verbunden fühle, dann ist es Franziskus, dicht gefolgt vom Heiligen Philipp Neri, der bekannt war für seine überaus große Lebensfreude. Ich mag Heiligengeschichten einfach.
Ganz erfüllt von meinem schönen Weg heute und dem Erleben radele ich die Strasse wieder bergab, mache Halt in einem schönen Cafe, bestelle mir, die Sonne lachte ja noch, einen Eiscafe, rauche mein 2.tes Zigarettchen an diesem Tag und versuche im Stadtplan, den ich mir zuvor aus dem Touri-Büro geholt habe, zu erkunden, wo die Strasse liegt, in dem die kleine Pension ist, wo ich heute übernachten werde. Muss ich wieder zurück über die Hafenbrücke und finde sie auch gleich. Das Zimmer ist klein, aber in Ordnung, alles was ich brauche. Ziehe mich schnell um, weil ich erstens Hunger verspüre und zweitens die Sonne ausnutzen möchte, um mich möglicherweise in eines der schönen Lokale am Hafen setzenzu können. . Finde auch, wie ich mir dann später hab sagen lassen, das wohl beste Hafenlokal mit dem Namen *Klüvers Brauhaus* Ich lasse den Blick schweifen und entdecke einen Tisch, an dem sich bereits ein Päärchen befindet und frage freundlich, ob es stören würde, wenn ich mich dazu setze. Geht in Ordnung. Ich bestelle Matjes mit Bratkartoffeln, ist einfach mein Lieblingsgericht bei meiner Tour und habe nun auch für ein gutes Stündchen nette Gesellschaft und Gespräch. Sind auch Radler, die Beiden. Oft unterwegs in dieser Region. Bestätigen alles, was ich erlebt habe in Bezug auf Unterkunft. Also, es ist nicht nur mein Erleben gewesen. Als die Sonne langsam untergehen möchte, verabschiede ich mich und mache einen langen Spaziergang am Ufer entlang des Hafens und betrachte die vielen schönen Boote, die dort ankern. Der Uferweg ist hübsch gestaltet mit kleinen Skulpturen und viel Möglichkeiten zum Sitzen und Schauen, aber es ist zu kühl um noch lange zu sitzen. Mittlerweile ist es fast 21.00 Uhr geworden über allem und ich trete den Weg zurück zu meiner Pension an, wo ich dieses Mal nicht direkt einschlafen kann. Vielleicht ist es die Seeluft, die mich ein wenig aufgedreht sein läßt oder der bevorstehende Wetterwechsel, der angekündigt wurde, ich weiß es nicht. Ich lese noch ein wenig über das Städtchen Neustadt, dass wohl, so läßt der Autoverkehr es ja auch erahnen, ein beliebter Ausflugsort für die Menschen in dieser Region ist. Die historischen Backsteinbauten sind aber auch eine Augenweide. Wenn sich die vielen Getreidespeicher oder die Häuser der Kaufleute angeschaut werden, weiß man das Neustadt sicherlich nicht an Geldmangel gelitten hat und Armut eher seltener anzutreffen war. Durch den Zugang des Hafens war der Handel natürlich ein Leichtes. Bekannt waren wohl auch die gesalzenen Heringe in Fässern, die hier gelagert wurden. Wer Fernsehen in Serien schaut, weiß vielleicht auch, dass hier eine beliebte Vorabendserie lief, die *Küstenwache* Ich meine mich erinnern zu können, dass mit meinen Kindern einmal geschaut zu haben, ist aber schon ewig her. Aber das reicht auch wieder an geschichtsträchtigen Informationen. Ich kann da einfach nach einem Tag voller Eindrücke dann nicht mehr so viel aufnehmen und eine Pilgertour eignet sich auch nicht besonders für das Einverleiben all zu vieler Daten. Pilgern ist eben der Weg, das Unterwegs sein. Für alles andere müßte sich eine andere Zeit genommen werden. Es war wie immer ein guter Tag und irgendwann schlafe ich dann auch ein.
Heute gibt es kein Frühstück in der Pension. Also Sachen zusammen gepackt, rauf aufs Rad und erstmal irgendwo halt machen. Es regnet, aber nicht viel. Ein wenig schwer ums Herz ist mir jetzt schon, denn der letzte Tag ist angebrochen. Wenn etwas zu Ende geht, dann mag ich oft gar nicht den ersten Schritt tun. Ich warte oft viel zu lange, obwohl es nötig wäre, ihn zu machen. Es ist, als wenn ich mit Zwang etwas verlängern möchte. Oft hat mir das im Leben nicht gut getan. Auch beim Pilgern sollte nie zu lange gewartet werden, bis man los geht. Man weiß eben nie, was Unvorhergesehenes einem entgegentritt und schnell kann es sein, dass man in den Abend kommt und dann wirds mit allem auch schwerer, vor allen Dingen mit den Kräften.
Eine Bäckerei gibts, zwar an der Hauptstrasse, aber sie ist etwas zurückgebaut und hat eine große überdachte Terrasse, so dass ich draussen sitzen kann. Es ist wettermässig einw enig trübe, tröpfelt auch ein wenig. Sturmwarnung wurde gemeldet, aber bisher ist es noch angenehm. Ich hab ja auch heute nicht mehr viele Kilometer vor mir. Bis Oldenburg sinds wohl der Route gemäß noch ca. 45 km. Das ist ja kein Problem für mich. Also laß ich mir fürs Frühstück Zeit. Und dann gehts los. Schwer ist mir ums Herz. Zu Ende wird sie sein, meine Tour. Seufzen muss ich. Ich könnt ja immer weiter radeln jetzt. Dennoch möchte ich die letzte Etappe *Puttgarden* nicht anfahren auf der Insel Fehmarn. Da war ich schon bei meienr letzten Schleswig-Tour und erinnere mich daran, wie ich damals in Burg einfuhr und mir das Getümmel der Touristen im Städtchen Burg dermaßen auf die Nerven ging, dass ich, nachdem ich mich in der damaligen Pension eingemietet hatte, noch eine Rundfahrt über die Insel zum Hafen hinab machte, am anderen Morgen flugs wieder davon machte. Hat mir nicht gefallen. Kann es nicht sagen, warum, fühlte mich da einfach nicht wohl. Es gibt schönere Inseln an Nord- und Ostsee, auf denen ich schonw ar. Daher sollte Oldenburg mein letztes Ziel sein.
Der Weg hinaus aus dem Städtchen Neustadt ist wunderbar an diesem Morgen. Es geht noch eine Weile am See entlang, wo Enten und Schwäne munter auf der See daherschwimmen. Mal wieder Idylle und ruhig ist es auch. Allein bin ich ebenfalls, was will ich mehr. Gelange nach Altenkrempe, wo ich mächtig beeindruckt bin von der dreischiffigen Backsteinkirche, der Basilika Altenkrempe. Sie soll dem Ratzeburger Dom, den ich nun nicht kenne, ähnlich sehen und es ist nicht genau bekannt wann der Baubeginn dieses schönen Kirchleins stattefunden hat. Leider ist die Tür zur Kirche verschlossen an diesem frühen Morgen. Ist mir selten passiert, aber ich weiß, dass erfahrungsgemäß auf vielen meienr Touren Kirchentüren oft verschlossen waren. Hab dann immer gedacht, merkwürdig, es wird doch in der Schrift gesagt, das Haus meiens Vaters soll erstens nicht fremdgenutzt werden, zweitens offen sein für die Menschen. Aber egal, müssen die Kirchenherren selber wisen, dass sie sichd amit unglaubwürdig machen. Lustig war, als ich einmal an einer Kirche auf dieser Tour vorbeikam, ich ein großes Schild an der Einganstür fand, auf dem geschrieben stan *tritt ein, die Tür ist offen* und ich die Klinke drückend, um hineinzugehen, fast mit dem Kopf gegen die Tür gepoltert wäre. Da war nix mit *offen* Sachen gibts.
Also fahre ich weiter, leider oder doch nicht leider, weil Abenteuer pur mal wieder, der Weg jetzt unbefestigt und wirklich schlecht zu befahren ist, holperig, matschig, steinig, sandig, alles was das Abenteuerherz begehrt. Ich tu aber nicht schieben, niemals im Leben, denk ich mir. Wollen wir doch mal sehen und schaffe es auch, unebschadet diesen Weg mit mir und meinem Rad zu meistern.
Irgendwann wieder auf einen guten Radweg kommend erreiche ich den Ort Brodau, dem ich auf diesem Radweg bis Bliesdorf und dann Grömnitz folge. Fahre dort zum Yachthafen, genieße den Ausblick und dann zum Strand, muss das Rad hier aber weitgehend an der Promenade schieben. Kein Ding, ist gerad eh gemütlicher. Sonne ist auch da. Wer hätts gedacht nach dem trüben Start in der Früh. Die Geschäfte interessieren mich null aber der Ausblick auf die Ostsee läßt mir das Herz höher schlagen. Möwen fliegen umher, natürlich heißen die nicht alle *Emma* , wäre auch komisch. Ich weiß auch nicht was Christian Morgenstern sich dabei gedacht hat, als er schrieb, die Möwen sähen alle aus, als wenn sie Emma hießen.
Auf dem Blankwasserweg radele ich dann weiter Richtung Cismar, an einem Campingplatz vorbei, komme zum kleinen Örtchen Lentse und mache selbstverständlich den Abstecher zum Kloster Cismar. Ein traumhafter, unbefestigter Weg, schmal, kleinspurig, wunderbar wildromantisch, über einen kleinen Steg, Wiesen zu meiner rechten und linken, kleine Baumalleen, ach, wunderbar, wie im Traum fahre ich daher. Hatten nen langen Weg die Mönche damals, wenn sie mal in den Ort wollten. Aber schön ist er. Die Klosteranlage liegt friedlich vor mir, mit dem schön gestalteten Innenhof. Ich fahre noch hinein, stelle mein Rad ab und spaziere den Rundgang herum, mich dem Eindruck überlassend. Ich mag Klöster. War schon oft zu Einkehrtagen dort in schönen, ruhigen Gegenden. Habe oftmals in meinem Leben den gedanken gehabt, vielleicht sollte ich auch, ins Kloster. Manchmal kommt mir ein solcher Gedanke. Aber dann denk ich, romantisiere das nicht Roeschen, auch dort gibt es sicherlich Schwierigkeiten und Freiheit hast du dann nicht mehr. Im Grunde hab ich in meiner kleinen Höhle daheim ja auch ein kleiens Klosterleben, dem ich doch all zu gern fröhne. Und wenn ich mal ausbrechen will aus meiner Stille und Ruhe, dann kann ich das ja und tue das auch.
Entstanden ist diese hübsche Klosteranlage im Jahre 1240 von einem Grafen namens Adolf dem IV. von Holstein. Damals sollten wohl Mönche aus dem Lübecker Kloster, weil es wie bekannt ist und es da zu mal oft vorkam, Auseinandersetzungen +ber Zucht und Ordnung gab, in diese Klosteranlage umgesiedelt worden sein. Kennt man ja heute auch noch. Wird öffentlich bekannt, welcher Kirchendiener sich fehlerhaft verhalten hat, ich will gar nicht auf den Dreck eingehen, der immer mal wieder aufgedeckt wird, gibt es kein *ausschließen* sondern allenfalls eine Versetzung. Na dann... Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Kloster Cismar wegen seiner Blut-Christi-Relique und einer Heilquelle zu einem viel bereisten Pilgerort. Die Mönche verfügten über großen landwirtschaftlichen besitz, aber vor allen Dingen auch über eine große Klosterbibliothek. Das Kloster war lange Jahre das geisteswissenschaftliche und wirtschaftliche Zentrums in Schleswig-Holstein. Erst im Jahre 1561 wurde das Kloster aufgelöst. Die Klosterschätze wurden geplündert und das Kloster selbst als einfacher Gutshof weitergeführt. Es gehört heute dem Land Schleswig-Holstein und wird genutzt als Ausstellungsraum des Landesmuseums genutzt.
Nachdem ich eine Weile hier herumgelümmelt habe fahre ich weiter Richtung Poggenpohl über Gosdorf nach Riepsdorf. Jedes dieser kleinen Örtchen sind wohl beliebte Ferienorte, wo Urlauber abseits der größeren Örtchen und dennoch Nähe zur Ostsee haben, eine erholsame Ferienzeit verbringen können. Kommt mir jedenfalls so vor und alles kann schnell mit dem Rad erreicht werden. Ich sags ja immer, warum in die Ferne schweifen, Deutschland ist auch schön.
Nach einigen Kilometern asphaltiertem Radweg an der Strasse entlang bis nach Koselau komm ich zum Damloser Wald, überquere einen kleinen Bach, kommt mir gerade alles so verspielt vor meine ganze Fahrerei und gelange zum Schwarzen Damm. Hier wieder unbefestigte Wege, aber einigermaßen zu befahren, auch herrscht imemr noch Sonne vor und ich habe null komma null nix davon gemerkt, dass ich nach Riespdorf kwasi an mein Ziel gelangt bin. Das Städtchen Oldenburg taucht aus der Ferne auf. Ich bekomme richtig einen Schreck, will nicht, denk ich und mache am Oldenburger Graben, an dem ich entlang fuhr auf einem Bänkchen eine Pause. Zünde mir ein Zigarettchen an, halte mein Gesicht in die warme Sonne. Es ist aus Roeschen, das Spiel ist aus.
Fühle mich in diesem Moment ein wenig durcheinander, weil, kann das alles gar nicht fassen. Diesen Moment wo ich angekommen bin. Erscheint mir fast sofort als wenn alles nur ein Traum gewesen wäre. Solche Momente hab ich oft im Leben, dass das Zurückliegende nicht mehr erfaßt werden kann. Es braucht eine zeit, einen Abstand, um wieder ganz in der Erinnerung zu schwelgen und zu begreifen, was da eigentlich gewesen ist.
Aber so ganz ist das Spiel noch nicht aus. Ich weiß es in diesem Moment zwar noch nicht, aber werde es bald wissen. Steige auf mein Rad, fahre nun hinein ins Städtchen Oldenburg, komme direkt auf dem Marktplatz an, wo sich Massen von Schülern, wohl gerade Schulschluß, herumtümmeln. Kaffee wäre gut, denke ich erstmal, bevor ich an die Zimmersuche gehe. Habe ja vor, hier einen Tag länger zu bleiben, ausklingen zu lassen, vielleicht am anderen Tag noch mal Heiligenhaften anzufahren, wo ich zwar schonw ar, aber es einerseits hübsch fand mit seinem kleinen Hafen, andererseits es auch eine Kindheitserinnerung ist, denn hier hab ich mit meinen Eltern eine Zeit lang die wenigen Urlaube verbracht.
Die Zimmersuche stellt sich an diesem letzten Tag wieder schwierig heraus. Ich finde einfach nix. Bin ratlos. Fahre zur Touristeninformation, die etwas versteckt in der Bibliothek zu finden ist aber leider bis 15.00 Uhr geschlossen hat. Es ist 12.30 Uhr, man, was tun. Ich fahre noch eine Weile herum, aber ergebnislos. Irgendwie bin ich durch den Wind. Weiß nicht, was ich machen soll. Wenn ich hier nix kriege, was dann. Und wie ich manchmal so bin, spontan denk ich, dann laß ich es, fahre zum Bahnhof und erkundige mich, ob es einen Zug nach Hamburg gibt. Hurrah, kurz entschlossen, der Zug fährt nämlich in genau 6 Minuten ab, kaufe ich mir ein Ticket, nehme mein Rad, steige ein und ab gehts.
Der Zug ist pickepackevoll. Gerade noch nen Abnstellplatz für mein Rad gefunden. 2 Stunden soll die Fahrt bis nach Hamburg andauern. Im engen Gang, direkt vor dem Zug-WC sitzen zwei junge Männer. Zwischen den Beiden ist noch ein Plötzchen frei. Ich rücke auf und bitte mit meinem freundlichsten Blick einen der jungen Männer, ganz schwarz gekleidet, grimmig oder ängstlich, das hab ich nicht auf Anhieb herausgefunden, doch etwas mit seiner Riesentasche aufzurücken, damit ich mich setzen kann. Aber der guckt mich so was von verstört und fast ein wenig aggressiv an, dass es mir ganz unbehaglich wird. Was hat der denn. Aber er machts irgendwie. Ich fühle mich neben dem einfach nicht wohl. Die ganze Zeit guckt der so gehetzt, auf mich, auf die anderen Fahrgäste, in die Umgebung und dann wieder auf seine Riesentasche. Was da wohl drin sein mag, dass er die so bewacht. Keine Ahnung. Ich stelle aber dann gefühlsmässig fest, der hat Angst. Warum weiß ich natürlich nicht. Keine Ahnung. Einen Moment durchzuckt mich der Gedanke, ob das son Typ ist...Ihr wißt schon...Bomben und sons kwatsch. Man weiß ja nie und wieder für einen Augenblick durchzuckt mich ein unbehagliches, fast schon ängstliches Gefühl. So kanns gehen mit der Medienanmgstmacherei. Manchmal erwischt es einen selber dann. Aber ich bin ja son Typ, ich ruh mich auf solchen gefühlen nicht aus. Ich sprech den einfach an. Gehts dir nicht gut, frag ich ihn. Er guckt, keine Antwort. Hm...vielleicht evrsteht er mich ja nicht. Ich wieder, are you fine, where you come from, dachte, versuch es mal auf englisch. Hat auch gepaßt. Aus Griechenland komme er. Aha, denke ich, Flüchtling? Aber er will nicht weiter reden, eher schaut er wieder gehetzt und ängstlich drein. Zwischendurch steht er imemr mal kurz auf, geht ein Stück hin- und her, setzt sich wieder und wirkt total verwirrt. Mir geht dann irgendwann ein Licht auf. Ich glaube der hat ne Phobie in eingeschlossenen Räumen, wie jetzt in diesem Zug und fiebert seiner Ankunft entgegen. Auweia, das kann ich nachvollziehen. So eine Phase hatte ich auch mal in meinem leben. Hat mich viel Kraft und Arbeit gekostet, mich davon zu befreien. Und in diesem Moment hat er mein ganzes Mitgefühl. Ich fühle mich selber nicht mehr unwohl neben mir und denke wünsche eher inenrlich, dass er damit zu recht kommt, bis er da ist, wo er hin will.
Ich sprech jetzt einfach mal den anderen jungen Mann, links von mir, an. Der ist auch mitm Rad, hinten drauf ein großes Zelt und zwei Packtaschen. Na, sag ich, auch unterwegs gewesen. Und er erzählt, dass er wie jedes Jahr aus Rostock kommend eine vierzehntägige Radtour machen wollte, sie aber nach 4 Tagen abbrechen mußte, weil seine Knie ihm große Probleme beschert hätten. Auweia, so jung noch und schon Probleme sag ich ihm. Ja, hätte er immer mal wieder und er wüsse bescheid, wenn das so anfängt, hätte es einfach keinen Zweck mehr. Er habe auch sein Rad viel zu schwer beladen. Er führe jetzt einfach nach Haus und mache es sich daheim gemütlich. Ja, wenns nicht geht, sag ich, erzwingen kann man nix. Und so vergeht die Fahrt dann doch weiter unspektakulär. Noch ein nettes Gespräch mit zwei Frauen, Mutter und Tochter, aus Münster kommend, die in Hamburg umsteigen müssen.
Als ich dann im Hamburger Hauptbahnhof ankomme trifft mich fast der Schlag ob der Menschenmassen. Jösses...das geht ja gar nicht, ich will wieder zurück in meine Einsamkeit. Überlege kurz, direkt weiter nach Köln? Mal sehen, ins Reisezentrum nachfragen, ob noch ein Zug geht heute. Aber das ist schon nervig. Fahrrad draussen abstellen, Packtaschen abmontieren. Man, wie blöd, dass Fahrradreisende nicht mit dem Rad ins Reisezentrum hineindürfen. Stört doch Niemanden. So viele Radfahrer sind das auch nicht, die da täglich das selbe besuchen wollen. Und das Rad mit den Packtaschen draussen stehen zu lassen, erscheint mir nun nicht gerade empfehlenswert. Nicht, dass ich nicht loslassen könnte, aber in diesem Falle muss das ja nicht sein. Leider erfahre ich dann, heute geht nix mehr nach Köln. Also hierbleiben wohl. Gegenüber des Reisezentrums ist eine Touri-Information, also rein, mal nachfrage, wie das so mit den Übernachtungsmöglichkeiten in Hamburg sich verhält. Was die mir anbieten, ist schon heftig. Zimemrübernachtungen für ab 8o Euro di Nacht. Bin ich blöd. Das erste Mal in Zeven hat mir gereicht. Ich bin ne arme Kirchenmaus, sag ich zu der Frau. Die muss lachen. Aber hat auch keinen Rat sonst. Aber gegenüber vom Bahnhof ist direkt ein großes Hostell, da könnte ich ja mal nachfragen, denn mit denen arbeiten sie nicht zusammen. Also wieder raus, Rad, Packtaschen und rüber.
Ein großer Komplex dieses Hostell da direkt am Bahnhof mitten im Zentrum. Wirkt feudal. Frage den Securitymann, der vor der Tür steht, man kommt da nämlich nicht so eifnach rein, ob er mal kurz auf mein Rad achtgeben könne, will nur nach nem Zimmer fragen. Geht klar, sagt er. Freundlicher junger Mann an der Rezeption, Einzelzimmer 75,00 Euro. Auweia, Hostellpreise. Naja, ist Hamburg halt. Nachher denk ich, so sauber und ordentlich und alles praktisch gestaltet, ist das sicherlich imemr noch preiswert hier. Aber mir auch zu teuer und so nehme ich das angebote 6-Bett-Frauenzimmer für nur ein Drittel des Preise.s Geht doch. Aufm Jakobsweg hab ich mit deutlich mehr Menschen in einem Raum geschlafen und ich will ja nur hier eine Nacht bleiben, sonst nix und morgen dann nach Haus. Töchterchen meint zwar über smarthphone, bleib doch Mutti, Hamburg ist ne feine Stadt. Jaja, ist mir klar, war ja auch schon mal, wenn auch kurz hier, aber mir ist jetzt nicht nach Stadtleben nach meiner schönen Tour, das würde mir die andere Erinenrung sofort stehlen und meine Eindrücke. Das will ich nicht.
Fahrrad zum Abstellplatz des Hostells gebracht und untergestellt. Packtaschen nehme und rauf mit dem Fahrstuhl aufs Zimmer. Man hat eine Chipkarte, mit der man ins Zimemr kommt. Niemand anders kann das betreten. Find ich gut. Als ich die Tür öffne, begrüßen mich drei Japanerinnen. Total süß die drei wie sie mich da mit ihrem feinen Lächeln anblicken. Grüße fein zurück, suche mein Bett, Angekommen. Duschen, umgezogen und wieder runter. Den netten Jungen Mann an der Rezeption nach einem Tipp fürs gemütliche Sitzen und gute Essen gefragt. Verweist mich auf eine Strasse, die die *Lange Reihe* heißt und wo ich Bars, Cafes, Restaurants finde, die allesamt gemütlich sind. Eines kann er mir besonders empfehlen, es heißt *Max und Konsorten*. Na denn, mal sehen, ob ichs finde. Die Strasse ist nicht weit entfernt vom Bahnhof und ich finde es auch sofort. Man hab ich Hunger. Setze mich an einen Tisch auf eine Bank. Sehe zwar, dass neben mir ein Glas steht, aber das kann ja noch nicht abgeräumt worden sein. Aber ich täusche mich, kurz danach kommt ein ca. 45jähriger Mann zu mir an den Tisch und sagt hallo. Oh, ich hoffe, ich störe sie nun nicht. Ne meint er, ganz im Gegenteil. Ich bestell mir erstmal ein kleines Bier und was zu essen und zwischen uns Beiden entwickelt sich ein sehr nettes Gespräch. Er sei beruflich immer mal wieder in Hamburg. Will natürlich auch wissen, was ich hier mache, Hamburgerin oder was. Ne kölsch Mädscher, sag ich ihm, war auf Radtour. Coo meint er, würd er auch gern mal machen. Aber habe zu viele Verpflichtugnen als selbständiger. Aber er hat ja auch noch was Zeit, meint er. Ach ich wills nun nicht alles erzählen, jedenfalls, es war ein gemütlicher Abend. Des weiteren noch andere Leuts draussen an den Rauchertischchen kennengelernt. Eine junge Frau, die am anderen Tag nach Köln, genauer gesagt nach Köln-Nippes fährt, will ich auch in Köln treffen, haben wir uns versprochen. Und weil alles so nett war mit diesem doch für mich am morgen des Tages noch unverhofften Abschluß des Tages nehme ich gern den spendierten Aquavit an und beim Anstossen verspricht der nette Mann mir, mich auch brav zu meinem Hostell am Bahnhof zurückzubringen. Richtig fein ist das. Und das tut er dann auch. Wir haben noch unsere emailadressen ausgetauscht. Man weiß ja nie, im Leben soll man sich ja immer zwei mal sehen. Schaun mer mal. Ich weiß ja jetzt ne Menge über ihn und sein Leben, beruflich, privat und auch sonst...
Ich bin malaat, als ich dann in mein Zimmer auf meinem Bett liege und schlafe sogleich ein.
Am anderen Morgen stürmt und regnet es wie jeck in Hamburg Mein Zug fährt erst um 13.45 Uhr. Da geht nun auch nix mehr mit Stadt gucken. Macht nix. Ich geh runter zum Frühstück, das echt fein ist im Helter Skelter des Hostells, feine Musik läuft und unbewußt hab ich mir ein Einzelplätzchen gesucht an eienr Säule, die mit lauter alten Beatles.Plakatten bestückt ist. Seh ich aber erst später. Hat doch gepaßt. EIn Platz an der Sonne für mich. Kann ich gemütlich lesen, bisserl in meine Schachseite hineinschauen und die zeit vergehjt wie im Fluge zur Abfahrt.
Aber das Spiel ist imemr noch nicht aus. Auf meinem Bahnsteig ankommend, erkundige ich mich, in welchem Wagen meine Reservierung für das Rad sein soll, und auf welchem Abschnitt des Gleises der Waggon hält. Gesucht, gefunden. Alles prima, begebe mich zu dem angegebenen Ort. 1o Mnuten später läuft der Zug ein. Wagen 3 auf Abschniott F soll es sein. Da ist aber keienr. Da ist nur Wagen 1 und 2. Hä...Der Bahnsteig ist proppevoll. Bor, ich hab jetzt echt keine Lust wie blöd mit meinem Rad den Zug entlang zu laufen, um den Waggon zu suchen. Steig einfach ein. Ist natürlich kein Radplatz, nur der ganz normale Zwischenraum, zwischen zwei Abteilen. Mir doch egal. Stells Rad hin, will ins Abteil, total Überfüllung. Leute stehen aufm Gang herum. Gibts doch gar nicht. Das mit dem Rad heir abstellen, funktioniert auch nicht richtig. Ist wackelig. Setz ich mich auf den Boden direkt daneben und beaufsichtige es. Na toll, 4 Stunden Fahrt aufm Boden sitzen, klasse. Freu ich mich. Was solls, ich bin drin und es geht nach Hause. Paar Leuts kommen aus dem Abteil. Die Lautsprecheransage hat wohl verkündet, dieser Zug, der eigentlich auch über Bremen fahren soll, wird das nicht tun wegen des aufkommenden Sturms. Alle Bremer müßten in Harburg aussteigen. Jösses. Für mich ist das prima, denn dadurch wird sich das mir gegenüberliegende Abteil erheblich leeren. Vielleicht kann ich ja doch später einen Sitzplatz ergattern.
Irgendwann kommt die Kontrolleurin und stutzt, guckt, das ginge aber nun nicht mit dem Fahrrad hier. Halloo sag ich, hab ich gezahlt und eigentlich reserviert, aber der angegebene Waggon für Fahrräder hat dann nicht auf dem angegebenen Abschnitt gehalten. Ja, wüßte sie, meint se, sei aber durchgegeben worden per Lautsprecher wo dann. Haha, sag ich, ich bin erst 10 Minuten vor Abfahrt gekommen, hab ich nix gehört und sowieso das Genuschel aus den Lautsprechern könne man sowieso nie verstehen. Irgendwie wirke ich auf die geladen, was eigentlich nicht so ist, vielleicht einw enig unmutig aber sonst alles im grünen Bereich. Na meinetwegen bleiben se sitzen. Mach ich auch. Pfff...Es sei denn, sie würde mir anbieten an der nächsten Haltestelle mich zum entsprechenden Waggon zu begleiten. Würde denen aber nie einfallen. Service kennt die Deutsche Bahn nicht. Ist so. Später find ich endlich einen Platz im Abteil, kann mein Rad so verschachteln, dass es nicht mehr umkommt, muss nur an den Haltestellen immer schnell raus, damit aus- oder einsteigende Fahrgäste kein Problem haben. Passiert selten aber.
Im aufe der Fahrt gibt es dennoch Unwetterprobleme und der Zug muss mehrmals auf der Strecke halten, so dass sich insgesamt eine Verspätung von 2 Stunden ergibt. Mir auch wurscht jetzt alles. Ich sitze bequem und kann nun endlich meine Tour abschließen.
7 Tage bin ich gefahren. Mein Tacho zeigte am Ende 628 km an. Mehr als ich gedacht habe, zustandegekommen, durch manche Um- und Irrwege aber auch kleine Abstecher. Alles prima. Fein war es. Ich gräme mich nicht, dass mein Experiment gescheitert ist. Es hat halt nicht sollen sein. Immerhin bin ich sehr oft auf diesem Weg beköstigt worden aus lauter Gastfreundschaft und sich Mitfreuen darüber, dass ich als Frau allein diesen Weg auf mich genommen habe. Und ich musste ja nun erfahren, schwierig auf dem Weg das so hätte praktizieren wollen, wie mein großes Vorbild der Hausacher ins einem Jahr umsonst durch Deutschland. Vielleicht ist dann die Zeit, die mir zur Verfügung stand, doch viel zu kurz gewesen, um das ausreichend zu erforschen. Möglicherweise sind die Menschen ängstlicher geworden. Ich weiß es nicht.
Was mir keiner nehmen kann ist die Freiheit die ich genossen habe, die Bewegung, ich mit mir allein, kaum einem Menschen begegnend und die Herrlichkeit der Natur um mich herum mit allen Sinneseindrücken. Es hat mich wieder ein Stück stark gemacht, im Alleinsein und in der Gewißheit, ich kann etwas bewältigen, weil ich mich auf mich selber verlassen kann. Und ich bin jetzt auch ein bisschen stolz auf mich. Ich werde sicherlich noch lange wie von allen meinen Unternehmungen zehren und mal sehen, ich hab jetzt ja wieder ein Stückchen Schleswig.-Holstein kennengelernt, vielleicht das nächste Mal die Nordseeseite. Und wie sagte mein bester Sohn der Welt zu mir *Mutti, du bist die Beste* Stimmt, nicke ich vor mich hin. Ich weiß, dass auch meine Kinder auf mich stolz sind und das ist schön.
Hallo! Eigentlich wollte ich gestern schon einen Beitrag reinstellen, aber das System hat gepatzt! Als ich auf "Absenden" drückte, war ich plötzlich ausgeloggt und da war der Beitrag futsch! Na ja, sollte wohl nicht sein!
Jedenfalls mit dem ersten Tag des Urlaubs war alles an mir abgefallen. Alle Belastungen der letzten Wochen konnte ich gut loslassen. In der Frühe hab ich mich auf den Weg gemacht! Die Strassen in Nippes waren noch leer, ab und zu ein Frühaufsteher oder ein "Übriggebliebener" von der Nacht, schläfrig, übernächtigt, irgendwie desillusioniert.
Am Bahnhof dann das Rad samt Gepäck die Treppen hoch geschleppt, da ich vor lauter Aufregung den Aufzug nicht gefunden hatte. Oben erwartete mich schon das ohrenbetäubende Quitschen der Zugbremsen und das Vorbeirasen der Züge. Endlich konnte nun auch ein Croissant essen, denn die Bäckereien in Nippes waren noch zu. Ein kleiner Plausch mit den bereits anwesenden und ebenfalls auf den Zug wartenden Fahrgästen verkürtzte mir die Zeit. Ich weiß nicht warum, aber die Leute erzählen mir immer ihre ganze Lebensgeschichte innerhalb von fünf Minuten. Ich glaub, ich nehm das nächste Mal ne Beichtstola mit. Endlich kam der Zug. Erst die Taschen und den Rucksack, dann noch mal raus und das Fahrrad reingehoben. Klappte alles, wie am Schnürchen. Ich hatte mich mal wieder völlig umsonst aufgeregt.
Einen schönen Fensterplatz hatte ich auch gefunden, sogar mit einem kleinen Tischchen. Endlich ging es los. Noch ein letzter Blick auf den Dom, den Rhein, dann sank ich nach hinten, machte die Augen zu und konnte es nicht fassen. Es war wahr geworden. Ich verreiste alleine! Es war wunderbar, dieses Gefühl.
In Düsseldorf stieg eine Schar lärmender und schnattender Frauen dazu. die Gesprächsfetzen, die ich auffange, sind belanglos und ich wollte mich ihnen nicht ausliefern. Daher zog ich den I-Pod an. Ich hörte gerade Ben Harper, The better way, und plötzlich mußte ich einfach einmal laut juchzen:"genial, einfach genial"! Die Leute um mich herum schauten ein wenig überrascht. Es war mir egal.
Musikhörend und träumend schau ich aus dem Fenster. Das Reisen mit dem Zug hat eine ganz besondere Qualität. Der Urlaub beginnt sofort mit dem Anfahren des Zuges. Alle Gedanken, Gefühle und Erinnerungen verweben mit den Landschaftsbildern. Eine schöne Zeit um Abstand zu gewinnen.
Merkwürdigerweise kamen mir Gedanken ans Sterben. Manch einer stirbt schnell, von jetzt auf gleich. Andere wiederum treten eine längere Reise an, um sich zu verabnschieden. Es bleibt ihnen eine Zeit zum Loslassen. Aber genug, dachte ich, ich widmete meine Gedanken wieder der Landschaft und der Menschen um mich herum zu. Wohin sie wohl fahren?
So wie ich, in Urlaub, oder vielleicht zu ihrer Liebe, die schon sehnsüchtig wartet. Jedenfalls schauten die meisten Gesichter freundlich, ruhig und gelassen aus. Die einen Zeitung oder ein Buch lesend, bis natürlich auf die Frauengruppe, dieunaufhörlich weiter schnatterte, andere wiederum schauen aus dem Fenster. Irgendweann holte ich mir einen Kaffee, der erste an diesem Morgen. Dann schrieb ich in mein Tagebuch. Die Zeit verging wie im Fluge.
Die Sonne schien immer noch. Ich war voller Freude. Um 11.1o uhr dann pünklich Ankommen in Hamburg, Hauptbahnhof. Wieder das Procedere mit dem Rad und dem Gepäck. Dieses Mal fühlte ich mich ein wenig gestreßt, denn es war schon recht heiß.
Als ich aus dem Bahnhof herauskam, traf mich fast der Schlag. Was war denn da los? Bunt, frivol und halbnackte Menschen, schrill geschminkt liefen auf der Straße rum. Ach du liebe Güte, dachte ich, es war CSD in Hamburg. Na wunderbar! Schnell suchte ich mir den Weg zu meiner Pension. Angekommen klingelte ich und erblickte so ca. 3o eng verwinkelte Holz-Treppenstufen nach oben. Puh und das mit dem ganzen Gepäck. EIn Mann kam herunter und fragte mich, ob ich ein Einzelzimmer reserviert hätte. Ja, sagte ich. Na dann Mahlzeit, meinte er. Dann müssen sie in den fünften Stock. Eine Müdigkeit überfiel mich plötzlich.
Oben endlich angekommen fiel ich sofort aufs Bett und schlief sofort ein, eine halbe Stunde war es bestimmt, bis ich vom Surren meines Handy geweckt wurde, eine SMS hatte sich angesagt. Ich griff nach dem Handy, schaute und war hocherfreut, ja sehr glücklich. Gute Botschaften hört man doch gerne, oder?
Das Zimmer schaute ich mir danach erst an. Es war mini.klein, ein Fenster hoch oben, fast bis zur Decke. Es erinnerte an eine Kloster-Klausur. Aber es war gut, alles war gut., Ich war zufrieden. Dann hörte ich plötzlich Kirchenglocken läuten, ganz nah. Also doch Klosterklausur, dachte ich.
Dann machte ich mich frisch, der Magen meldete sich langsam, ging runter und machte einen Gang durch die Stadt. Landete sofort in der Fußgängerzone, Alster-Arkaden, alle Geschäfte mit teuren Auslgen. Menschen flanierten, schöne Frauen tragen Taschen mit ihren begehrten Objekten nach Hause. Auf dem Platz vor dem Rathaus Schützenfest, auch das noch. Ich flüchtete regelrecht. Überall an jeder Ecke das Gewummere von Lautsprecherboxen, der Stadtmensch ist vergnügungssüchtig. Eine Werbebotschaft fiel mir ins Auge:"Machen sie ihre Welt lauter"! Na super, dachte ich, lauter geht ja nicht mehr.
Am Gänsemarklt angekommen, ging ich in ein kleines italienisches Restaurant, gönnte mir ein Glas Weißweinschorle und eine Pasta und schaute dem bunten Treiben noch ein wenig zu.
Nach einer Stunde holte ich mein Rad und ließ den Rummel hinter mich. Fuhr zuerst in die Speicherstadt, die mich immer wieder fasziniert mit ihren vielen Museen, dann weiter am Hafen entlang. Dort sehe ich zumeiner Linken ein kleines Traumschiff mit Namen Aida. Sah schon klasse aus, aber für mich wär das nichts.
Ich fuhr weiter die Uferpromenade entlang, finde unterwegs ein ruhiges Plätzchen mit Blick auf die große Hafenanlage, setze mich auf ein Mäuerchen und träumte vor mich hin. Ich fühlte mich glücklich!
Weiter gings, unterwegs kam ich an den buntbamlten Graffity-Häusern vorbei, die früher von Hausbesetzern belagert waren. Ich fand sie immer schon sehr schön,und auch heute übten sie noch denselben Reiz auf mich aus. Ich stieg vom Rad, um mir eines näher anzuschauen. Vor einem Haus, mit schön angelegtem Garten standen ein paar Leute herum. Ich kam mit ihnen ins Gespräch und sie erzählen mir, dass mittlerweile einige der ehemaligen Hausbesetzer zu Hauseigentümern geworden sind. Sogar ein bekannter Künstler, mit Namen Richter, ist aus ihren Reihen hervorgegangen. So kann es gehen, dachte ich. Sie luden mich zu einem Kaffee ein, als ich ihnen auf ihre Frage, woher ich komme, Antwort gab. Nach einer halben Stunde machte ich mich wieder auf den Weg.
Fahre weiter quer durch Hamburg und komme ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof in ein Geschäftsviertel, dass nur von türkischen, persischen und griechischen Landsleuten betrieben wird. So nah am Zentrum dachte ich, da soll mal einer noch was über Köln-Ehrenfeld sagen.
Mittlerweile ist es fast 17.3o Uhr und ich fuhr zurück zur Pension. Unten in der Kneipe bestellte ich mir noch ein Bierchen und ließ den Tag ausklingen.
Als ich an der Rezeption vorbeikam, sah ich ein Hinweisschlild, das Internetzugang möglich war. Klar, konnte ich es nicht lassen und schaute meine Mails an und warf auch einen Blick in den Blog.
Danach fiel ich ins Bett, las noch eine Weile in meinem Buch. Ach ja, Abendessen fiel aus, ein bißchen Studenfutter, denn mein Budgett von diesem Tage war leider schon leicht überschritten.
Am Anderen Tag, also heute morgen o8.oo Uhr ging es dann zur ersten Tour los. Aber vielleicht davon später!
Der Wecker klingelt um o6.oo Uhr in der Früh. Ich hab geschlafen, wie ein Murmeltier. Von außen dringen trotz allem schon Gesprächsfetzen an mich heran. Die Wände sind sehr dünn. Das Bad muß ich mit anderen Gästen teilen. Ich lausche, ob es ruhiger wird, suche meine Sachen zusammen. Wer schon mal mit Rucksack gereist, jeden Tag woanders ist, weiß, dass es jedesmal am Morgen eine fast schon kleine Andacht ist, die Sachen wieder zu sortieren, sie wieder in Packtaschen und Rucksack zu verteilen, wo sie vorher auch gut gelegen haben. Einige hatten mir vorher gesagt, schon dass alleine würde sie nerven. Aber ich genieße jede dieser Minuten, ist ein bißchen wie Meditation, bin nur mit dem beschäftigt, was ich da gerade so mache.
Endlich die Dusche ist frei. Danach fühle ich mich frisch und ausgeruht und ab gehts! Ich mache mich auf Richtung Fischmarkt. Teilweise muß ich auf hartem Kopfsteinpflaster fahren und ich hab ein bißchen Angst, dass mein altes Fahrrad das nicht aushält. Aber alles geht gut. Den Rucksack spüre ich kaum. Kurz vor dem Fischmarkt sehe ich dann die Massen schon am frühen Morgen. Der Fischmarkt ist wohl ein absolutes Muß für den Hamburg-Touristen. Für mich nicht. Kein Bedürfnis auf Massen. Schnell umfahre ich den Fischmarkt. Ich mag diese künstliche heiterkeit nicht, die merkwürdigen Seemansslieder, die aus den Lautsprechern dröhnen. Ich frag mich mal wieder, was suchen die menschen.
Ich verlasse die Straße, muß ein wenig bergauf, um an dem strahlend weißen Altonaer Rathaus die Karlstrasse wieder hinunter zur Elbe zu gelangen.
Schon nach 8 km komme ich an dem kleinen Museumshafen "Övelgönne". Von dort führt ein schmaler Weg durch das Mini-Dorf Övelgönne. Der Routenführer sagt, dass ich eigentlich vom Rad absteigen muß, weil normalerweise sich hier auch die Massen durch die Strassen bewegen. Aber so früh ist noch keiner unterwegs, nur ab und zu ein Jogger oder einer mit den Stöcken, klck, klck.. Övelgönne begeistert mich sehr. Schnuckelige, kleine, gemütliche Häuschen, Reih an Reih und alle haben einen wunderschönen Ausblick auf die Elbe.
Ein bißchen weiter sehe ich rechts einen Riesen-Findling stehen. Ich laß mir erzählen, dass die Hamburger ihn "Alter Schwede" nennen und dass er stolze 1,8 Mrd. auf dem Buckel hat und ca. 217 Tonnen schwer ist. Die Eiszeit hat ihn hierher gespült (hallo Uncites:-)). Ich bin wirklich sehr beeindruckt von dem Koloß!
Nach weiteren 8 km komme ich an dem Nobelort "Blankenese", rechts sehe ich die weißen Villen liegen. Auf mich wirken die eher kalt, ich kann daran nichts finden, da war Övelgönne gemütlicher, lebendiger.
Ich erreiche schließlich "Wedel", das übrigens das erste Städtchen auf schleswig-holsteinischem Boden ist. Muß auch am Heizkraftwerk Wedel vorbei und muß unweigerlich an den Film Koyaanisqaatsi denken. Monumentale Bauwerke, von Menschenhand errichtet, um das Leben zu verschönern und einfacher zu machen. Sieht ein bißchen gespenstisch aus, das ganze.
Langsam nähere ich mich den "Elbmarschen" fahre wieder ein Stück an der Elbe entlang. In einem kleinen Cafe mache ich Rast und trinke einen ganzen Liter Wasser. Plötzlich höre ich die deutsche Nationalhymne. Nanu, sage ich laut. Der Herr neben mir erklärt mir, dass am gegenüberliegenden Fährhaus eine Schiffbegrüßungsanlage ist. Nähert sich ein Schiff, dröhnt aus den Lautsprechern:"Willkommen in Hamburg, wir freuen uns, sie in unserem Hafen begrüßen zu können"! Nette Geste, find ich. Dazu wird dann die Nationalhymne des jeweiligen Landes gespielt, aus dem das Schiff kommt.
Nach 25 km erreiche ich endlich die "Elbmarschen". Hier fahre ich kilometerlang mutterseelenallein. Niemand begegnet mir, denn es ist ja noch früh. Linker Hand der Deich, rechts großflächige Weiden, kleine Seen, Kanäle, in denen sich allerlei tummelt. Ab und zu ein Bauernhaus und immer wieder Schaafherden, durch die ich manchmal mitten hindurch fahren muß und die sich absolut nicht in ihrer Ruhe stören lassen. Solch eine Gelassenheit hätte ich auch gern mal. Nach kurzen Wegstrecken muß ich immer wieder ein Tiergatter öffnen, um in den jeweiligen nächsten Abschnitt kommen. Beim ersten Mal bin ich noch ungeübt mit dem Procedere und lasse das gatter zu früh los, das schlägt mir voll in die Hacken und ich lass einen Jauler los. Shit, denke ich, verdränge es aber sofort wieder und fahre weiter. Ist halt im Leben auch oft so, manche Türen, die man öffnet und man nicht weiß, was einen dahinter erwartet, fügen einem schon mal Schmerzen zu.
Für eine kleine zeit ziehe ich den I-Pod an und höre Ben Harper und ich kann nicht anders, ich muß einfach mal laut schreien, ist ja niemand da, außer mir. Es tut ricvhtig gut.
Nachdem ich die Elbmarsch verlassen habe, fahre ich durchs Hinterland nach Elmshorn, dass ich gegen 13.oo Uhr erreiche. Ich bin ein bißchen enttäuscht. Elmshorn erinnert mich an all die Städte, wie Viersen, Gevelsberg, Linz usw.usw., ein bißchen ohne Seele, wirkt verlassen und depremierend. Wie kann man hier leben, denke ich.
Nun geht die Zimmer-Suche los. Schon das erste Hotel, in das ich gehe, bietet mir ein Zimmer an. Prima denke ich., Will mein Fahrrad holen und merke, dass ich noch nicht nach dem preis gefragt habe. ich dreh mich um und sag zu der Rezeptionistin:"Hey, kann ich mir das erlauben"? "5o,--? die Nacht", antwortet sie. Das überschreitet nmein Budget und ich ziehe weiter.
In der Stadt sehe ich in einem netten Bistro ein Päärchen sitzern. Ich geh auf sie zu und frage sie, ob sie nicht eine preiswerte pension in der Stadt wüßten. Der Mann schlägt einen "Jens" vor, der würde manchmal Zimmer an Gäste vermieten. Ich greife das sofort auf, frage nach dem Nachnamen und rufe die Auskunft an, die mich auch sofort verbindet. Eine sympathische Stimme meldet sich am anderen Ende, klar, sagt er, er habe noch ein Zimmer, wenn ich nicht anspruchsvoll wäre. Ne, alles gut, ich brauch nur ein Bett, sag ich ihm.
Wir verabreden uns und er holt mich mit seinem Bully ab, weil ich zehn Minuten lang gesucht und nicht gefunden habe. Er ist ein richtiuger Freak, echt nett. Wir unterhalten uns ein bißchen und er erzählt mir, dass er gestern beim Pauly-Spiel war. Ja dann, sag ich, sind wir ja quasi Freunde, wegen des FC, ich komme ja schließlich aus Kölle.
Am Haus angekommen, bin ich hin- und weg. Das Haus liegt zwar direkt an der Straße, aber der Garten ist es wert. Ein wirklicher "Zen-Ort", mit Teich, Seerosen, Lilien, Schilf und vielen, vielen schönen Blumen. Wirklich traumhaft, ein kleines Paradies. Alles ist super.
Endlich nehme ich meine wohlverdiente Dusche, setze mich aufs Rad und fahre die 5 km zurück in die Stadt, weil ich mal wieder Hunger verspüre. Jetzt erst nehme ich die "Peter Kölln-Tafel" wahr. Die Haferflocken-GFabrik befindet sich in Elmshorn und schon meine ich den Duft von geröstetem Hafer zu riechen.
In einer kleinen Pizzeria kehre ich ein. Am Nebentisch sitzen junge leute, dem Aussehen nach und den Gesprächsfetzen zufolge, sie unterhalten sich gerade über Horrorfilme, abgeschlachtete Kinderköpfe und ähnlichem, würde man sie allgemein als "asi" bezeichnen. Ich merke auch, wie ein kleines urteil in mir hpochsteigen will, dass ich aber sofort durchbreche und sie einfach anspreche.
Ich frage sie nach einem Internet-Cafe und so kommen wir ein bißchen ins Gespräch. Wird richtig nett. Eine der jungen Frauen sagt noch zu mir, dass ihnen das nicht langweilig ist, so ganz allein, drei Wochen lang. Aber wie kanne es mir langweilig sein, bei soviel Natur, den Melodien der rauschenden Bäume, Sträucher und dem Schilf. Fast ist es so, als wenn sie sich gegenseitig die Geheimnisse der Schöpfung erzählen und ich darf ihnen zuhören.
Nach einer Stunde verabschiede ich mich von ihnen und denke, siehst Röschen, keine Urteile, dier sind einfach nur anders, aber trotzdem nett.
Ich radele wieder in mein Domizil zurück. Dort angekommen, staune ich nicht schlecht. Auf der großen Veranda sitzen vier Türken und haben ihr Abendessen vorbereitet Grillen, haben frischen Salat gemacht. Alles sieht nett aus. Sie begrüßen mich sofort herzlich, fragen mich, woher ich komme. Sind begeistert von meiner Tour und bitten mich an ihren Tisch., Ich werde sowas von überhäuft mit Nettigkeiten. Ismael, Youssof, Karim und Musa bemühen sich unglaublich, Willst du Wein, komm du mußt essen, willst du eine Zigarette. Ismael bringt mir aus seinem Zimemr frische Rosinen und Datteln aus der Heimat, einen Teller Kekse für mich allein und schließlich fährt Musa an die Tankstelle um eigens für mich ein Fläschchen Bier zu holen. Ich bin sehr berührt, wann hat sich jemand so uneingeschränkt und ohne Erwartung so rührehnd um mich gekümmert. Wir sitzen, erzählen, lachen und später tanzen wir nach ihrer Musik. Ist echt schön. Irgendwann steht Ismael auf und kommt mit einer fast roten Hortensie für mich zurück, die er kir schenkt. Er wünscht mir, dass alle meine Sehnsucht nach Liebe in Erfüllung geht. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Rote Rosen seien ja nicht im Garten gewesen, schmunzelt er. Es sind wirklich feine kerle. Uns so ene Gastfreundschaft hab ich lange nicht erlebt. Sie erzählen mir, jeder einzeln, ihre Leben, die sehr traurig verlaufen sind. Youssof ist sei Jahren geschieden und muß Unterhalt für seine Frau und seine sechs Kinder zahlen, die ihn verlassen hat. Ismael hat Angst, dass er Krebs bekommt, denn die Probleme mit seinmem Sohn, der noch in der Türkei lebt und immer geld von ihm haben will, zehren ihn auf und machen ihn traurig. Karim, dessen eigene Firma Konkurs gegangen ist. Alle vier arbeiten jetzt für eine Baufirma auf Montage. Sie sind von einer Traurigkeit und Auswegslosigkeit umgeben,m die mich sehr berührt. Aber an diesem Abend sind sie fröhlich und lachen mit mir.
Ein unglaublich schöner Abschluß, eines schönen Tages.
Und am Morgen höre ich sie schon rufen, Erika, willst Du Kaffee? Klar will ich, und wieder werd ich umsorgt.Ismael versorgt noch meine Wunde und dann wünschen wir uns alles Gute und freuen uns aneinander, dass wir uns kennengelernt haben. Sie wollen noch meine Telefonnummer, damit sie mich am Abend und fragen können, wie es mir an diesem Tag ergangen sein wird.
Um 7.3o Uhr morgens verlasse ich die gastfreundliche Unterkunft und fahre 5 km zurück nach Elmshorn. Dort angekommen, mache ich in einer Bäckerei halt, um ein Brötchen zu essen und einen Kakao zu trinken. Hier komme ich mit einer älteren Dame ins Gespräch, weil sie erstaunt ist, dass ich so ganz alleine unterwegs bin. Immer wieder diese staunenden Bemerkungen, mensch so ganz allein. Ich kann es echt nicht verstehen. Die meisten verpassen einfach was, man lernt sich besser kennen als im Alltag, weil man viel näher bei sich ist. Nun denn, die alte Dame ist schon 78 Jahre, sie sitzt etwas gebückt vor mir und erzählt von ihren Schicksalsschlägen. Einsam sei sie, sagt sie mir, daher komme sie jeden Morgen in dieses Cafe um zu frühstücken und Menschen um sich zu haben. Wie überall denke ich. Ich nehm sie im Herzen mit, verabschiede mich und fahre dem Routenplaner gemäß erst einmal die Landstraße nach Itzehoe.
Vor vier großen Windrädern sollte ich allerdings aufpassen und links an einem Weg zum Deich hin abbiegen. Leider bin ich an diesem Morgen so verträumt und auf die sich im Wind heftig drehenden Windräder auf andere Weise angetan und fixiert, so dass es mir erst wieder einfällt, als ich sie schon weit hinter mir gelassen hatte.
Shit, denke ich, also wieder zurück und der Wind bläst mir zur unwirtlich entgegen. Dafür werde ich aber danach belohnt, denn der Weg, er nach einer Weile tatsächlich am Deich entlang beginnt, ist einfach traumhaft romantisch. Es gibt nur zwei kleine Fahrspuren von ca. 3o cm Breite, in der Mitte ein breiter Streifen hügeliges Gras. An meiner rechten Seite fließt ein Kanal, abgegrenzt mit Schilf und Sträuchern. Da die Fahrspur so eng ist, streife ich immer wieder das Schilf, dass jedesmal ein klatschendes Geräusch von sich gibt. Ich muß unweigerlich an ein Rätsel aus dem Zen denken:" Wie ist der Ton des Klatschens zweier Hände"? Man kann es eigentlich nicht beschreiben, oder, weil es sich für jeden anders anhört. Und damit philosophierend beschäftigt komme ich 12 km weiter an ein Hinweisschild "Zur Fähre"!
Außerdem befällt mich gerade der heiße Wunsch, einen frischen Apfel zu essen. Morgen, denke ich, werd ich mir welche kaufen. Nun komme ich an einen kleinen Weg, wo es zur Fähe hinauf geht. Ich schiebe mein ad die kleine Steigung hinauf, in der Erwartung, was sich jetzt dahinter wohl verbergen könte. Bei Fähre denkt man ja eher an was Größeres. Dann gehe ich durch eine schmale Öffnung, und bin sofort wie verzaubert. Denke, das ist jetzt nicht wirklich, was du hier vorfindest, Röschen. Ich gehe auf einen der wunderschönsten Plätze, den ich je gesehen habe. Vor mir ein ca. 2o m breiter Kanal, ich kann das schlecht einschätzen. Auf dem Wasser liegt ein zugedecktes Bott, die Fähre. Fährbetrieb nur an den Wochenenden, wohl für Touristen, die dann eher gehäuft hier borbeikommen, um sich auf die anderen Seite bringen zu lassen, oder einfach für die Menschen, die hier leben, um schnell dem Gegenüber einen Besuch abzustatten. Große Birken und Pappeln am Ufer, die sich leise vom Wind wiegen lassen, und wieder die schöne Melodie, die er macht, der Wind. Rechts daneben ein kleines Eckchen mit einer Bank, dahiner ein kleiner grüner Bauwagen, der wohl das Fährhäuschen darstellen soll. Ich lasse mich auf der Bank nieder. Stille und Einsamkeit pur. Kein Mensch weit und breit. Unfaßbar. Ich fühlte mich mit allem eins um mich herum. So saß ich, vielleicht eine halbe Stunde völlig versunken, bis ich aus meinen Trämen gerissen wurde.
Auf der anderen Seite des Kanals stand plötzlich ein Mann mit Rad, bepackt wie ich selber und rief hinüber, was mit der Fähre ist. Fährt nur am Wochenende, ruf ich zurück. Oh, sagt er. Da mußt du halt rüberschwimmen, ruf ich ihm lachend hinüber. Würd ich ja gerne machen, aber mein Rad, sagt er. Tja, sag ich ihm, wir sind wie die beiden Königskinder, die nicht zusammenkommen konnten. Gibt es denn keine Brücke, fragt er. Weiß nicht, sag ich. Er schaute in seinen Plan und meinte, oh, erst in Elmshorn. Von da komme ich gerade, ruf ich ihm zu. Wo fährst du hin, frag ich ihn. Nach Husum, seine Antwort. Das ist die andere Richtung, ic fahre nach Itzehoe, meine Antwort. Schade, ruft er. Ja, sag ich ihm, das Schicksal, das Schicksal will es nicht. Wir stehen uns noch eine Weile gegenüber, winken uns zu und dann verabschieden wir uns. Wer weiß, sagt er, vielleicht sehen wir uns doch wieder. Ich lächele vor mich hin.
Dann mache ich mich wieder auf den Weg, denke so bei mir, so ist das manchmal im Leben, man begegnet sich, hätte sich was zu sagen, aber man kommt nicht zusammen, warum auch immer.
Ich fahre 3 km, bis ich zu einer Kreuzung gelange, dort will ich den Routenplaner schauen. Sonnenbrille ab, Lesebrille auf. Aber oh Schreck, wo ist die? Ich hab sie verloren, denke ich, dass ist jetzt da zweite Mal. Das zweite Mal auch heute, dass ich wenden muß, um zurückzufahren. Fahre also die ganze Chausse wieder Rg. Fährhaus zurück. Unterwegs kommt mir ein Milchwagen entgegen. Sch... denke ich, wieso fährt der gerade jetzt hier. Ich sehe meine Brille schon von seinen Reifenm zerquetscht auf dem Boden liegen. Hatte ich nicht gerade vorher noch einen meiner Lieblingspsalme rezitiert:" Gott, du bist meine Hilfe, in Deinem Schatten berge ich mich"! Was soll ich sagen, die Brille lag nicht auf der Straße, sondern genau an der Stelle, wo ich dem Unbekannten zugewunken hatte. Heilfroh stecke ich sie ein und fahre endlich weiter.
Ich fahre noch eine Zeitlang die Baumchaussee, bevor ich wieder auf den Elb-Deich angelangt bin. Das es auch hier wieder Einsamkeit pur ist, brauch ich wohl nicht lange z erklären. Hier gibt es sogar kleine Sandstrände und einer davon ist so wnderschön und ich bin ja ganz allein, daher gehe ich runter, stelle mein Rad ab, zieh mich aus und springe in die herrlich erfrischenden Fluten. Wahnsinn, ich jauchze, platsche, dreh mich im Wasser voller Freude. Ist nicht schlecht da Elbwasser. Danach lass ich mich trocknen, ziehe mich wieder an und fahre weiter. Die Hitze wird langsam unerträglich.
Nach 25 km komme ich nach Glücksstadt, fahre am Hafen entlang zum Zentrum. Glücksstad gefällt mir sehr gut. Am Hafen liegen Segelboote und kleine Motorboote. Die Häuser sind historisch gesehen schon eine AUgenweide, unglaublick schnuckelig und ich kann mich sofort in die Zeit hineinversetzen, als die Menschen hier noch weit ab von allem gelebt haben.
Glücksstadt hat eine nette Geschichte. Es war der dänische König Christian der IV., der sie erbauen ließ. Dänemark beherrschte früher ja weite Teile von Schleswig-Holstein. Wer sich mit Theodor-Storm beschäftigt hat, weiß welche Leiden er und das Volk der Schleswiger im 17. Jahrhundert durchgemacht haben. Vorbild des Königs also war die damals selständige Stadt Altona mit ihrem Hafen, der für großen Wohlstand der Bürger sorgte. Das wollte der dänische König auch und ließ er auf der Stelle einen Hafen an der Elbe bauen, um "Glück und Wohlstand" entstehen zu lassen. So entstandt der Name der Stadt.
Ich mache hier ene Rast bei einem Eiscafe, bis ich wieder Richtung Brunsbüttel fahre, wo ich ein letztes Mal auf dem Dech entlang fahre. Ich kann von dort aus das Kernkraftwerk Brockdorf und die Industrieanlagen von Brunsbüttel sehen. Am Sperrwerk der Spör komme ich mit der ausgewiesenen Route nicht zu recht, verfahre mich mal wieder um ca. 5 km in die falsche Richtung. Ein bißchen lähmt das meine Kräfte heute, auch wegen der stechenden Sonne, es ist 13.3o Uhr, Hoch-Hitze-Zeit. Gerade in diesem Moment rufen meine türkischen Jungs an, ob es mir gutgeht, wollen sie wissen. Ich erzähle ihnen, dass ich mich verfahren habe, und sie hätten mir besser ihr Navi mitgeben sollen, meinten sie. Ich lache. Ne, ne, laßt mal stecken Jungs, ist schon in Ordnung, jeder Umweg hat seinen Sinn, sag ich.
Röschen, sag ich und stimme mir selber zu, das stimmt einfach, was du gerade gesagt hast. Im Zen gibt es den "Pfad der Achtsamkeit" und wir tuen gut daran, alles was wir tun, ganzz genau zu machenund ganz bei der Sache zu sein, im Augenblick des Geschehens. Und ich war nunmal heute nicht achtsam, an mehreren Stellen nicht. Nicht der Routenplaner war falsch beschrieben, sondern ich hatte mal wieder geträumt.
Trotzdem mache ich mich nach 4o km auf, einen Abstecher zu unternehmen zu einem Dorf namens Aebtissinenwirsch! Dort liegt die tiefste Stelle Deutschlands. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Es ist nicht spektakulär, ein Pfahl von ca. 8 m Höhe und eine Schleswig-Holstein-Fahne steht dort. Das wars, aber immerhin, ich war an der tiefsten Stelle Deutschlands. Das ist übrigens am 5. September 1988 amtlich geworden, denn da gab das Innenministerium seinen amtlichen Segen, Der Pfahl zeigt auch die Dimensionen der Pegelstände der verschiedenen Sturmfluten an.
So, dann geht es weiter wieder zurück und ich fahre Rg. Itzehoe. Der Wind schlägt mal wieder um, und weht mir heftig von vorn entgegen. Ich muß ziemlich kämpfen, nach dem bisherigen Tag. Das erste Mal wird mir der Rucksack schwer, der Sonnenbrand macht mir zu schaffen. Röschen, denke ich, ich glaub, du kriegst nen "Hungerast". Aber ich han nix, also reiß ich mich zusammen, ist ja im Alltag auch so, man bekommt nicht immer das, was man gerade braucht.
Nach weiteren 15 km erreiche ich Itzehoe, radele quer durch die Stadt, die mir recht gut gefällt, seelenvoller als Elmshorn vorher. Eine Kleinstadt eben, mit wirklich gut angelegtem Innenstadtbereich, kleine Geschäfte, nette Restaurationen. Ich lasse mich erstmal bei einem Italiener nieder, eße einen Teller pasta, trinke eine Weinschorle, einen Espresso und dann mache ich mich auf den Weg zur Jegendherberge. Gott sei dank, es ist ein Zimmer frei, Einzelzimmer sogar, was ich sehr begrüße nach dem Tag, aber auch nicht gerade billig. 29,--?, Bett muß selber gemacht werden, andtücher gibt es keine, dafür aber Frühstück,. Is in Ordnung, mir ist alles recht. Ich lasse mich aufs Bett fallen, zehn Minuten, springe dann unter de Dusche und fahre dann noch einmal ins Zentrum, vorbe an einem wudnerschönen Park, an dem ic ein lein wenig Rast mache. Schlendere noch ein bißchen durch die Straßen und fahre dann wieder zurück.
An der Jugendherberge überfällt mich die Sehnsucht nach einem Glas Bier. Aber das gibt es hier ja nicht. Der Herbergsvater verweist mich auf das Hotel, 5oo m, entfernt. Dort gelange ich also noch hin, es liegt genau an einem Waldstück mit einem wunderschönen Teich. Niemand ist da, ich bin allein, bekomme mein frisch gezapftes Bittburger, was herrlich schmeckt nach dem langen Tag. Ich sitze, genieße und bin vollkommen zufrieden. Da können auch die Mücken nichts machen, die mich mittlerweile komplett zerstochen haben.
Dann falle ich in mein bett, les noch ein bißchen. Das Handy klingelt, eine SMS, meine türkischen Jungs haben mir ein Herz geschickt. Ich lächele und schlaf ein.