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28. März 2024 4 28 /03 /März /2024 19:02
Warum ich gerade heute ins Kino gegangen bin kann ich gar nicht sagen. Es war eigentlich nicht geplant. Nach einigen Aufgaben die ich bis in den frühen Nachmittag zu erledigen hatte, stand mir Zeit zur Verfügung die jetzt mir gehörte. Das Aprilwetter lud nicht wirklich zu längeren Spaziergängen ein. Es regnete, obwohl die Sonne schien, kein Schirm war bei mir und dennoch wollte ich nicht nach Hause. Noch nicht. Kino fiel mir da einfach so spontan ein. Welcher Film sollte es sein?
 
One Life kam mir der Gedanke, davon hatte ich gehört. Schnell schaute ich ins smartphone wo er hier in Köln lief. Filmpalast wurde angezeigt. Nach kurzer Abwägung, wegen des Wetters, es regnete immer noch, entschloß ich mich von Nippes bis zum Rudolfplatz zu laufen, wo sich das besagte Kino befand.
 
Anthony Hopkins spielt den ehemaligen Bankbeamten Nicholas Winton, der mittlerweile Pensionär ist und seinen wohlverdienten Ruhestand genießen könnte. Aber er wird geplagt. Von seinem Erinnerungen. Nicht nur von der Aktentasche, die in seinem Schreibtisch liegt und viele historische Dokumente und Fotos beinhaltet, sondern auch von den Bildern, die ihn immer wieder überfallen. Es schmerzt ihn immer noch, dass es nicht genug war, was ihm damals, zur Zeit der Besatzung Hitlerdeutschlands der Tscheslowakei, möglich war. Es hätte mehr sein müssen. Erinnert auch an Oskar Schindler der nach dem Ende des Krieges ebensolche Gedanken hatte.
 
Wer war Nicholas Winton? Das erzählt der Film in Rückblenden des alten Sir Nicholas Winton an den jungen Winton, gespielt von Johnny Flynn.
 
Es war das Jahr 1938, kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. England, Frankreich und Italien wollen diese Gefahr bannen und ließen die Tscheslowakai das Sudetenland an Deutschland abtreten. Sie hofften Hitler dadurch vom Krieg abhalten zu können.
 
Durch diese Abtretung flohen viele Menschen nach Prag und mussten unter unsagbar entsetzlichen Bedingungen leben.
 
Der junge Winton reiste zu dieser Zeit nach Prag und erlebte dort die Situation. Von da an vergaß er was er eigentlich war. Ein Banker, der wieder nach Hause fahren sollte um seinem Beruf und seinem Leben nachzugehen.
 
Seine Aufgabe war es jetzt hier einzugreifen. Er musste die jüdischen Kinder retten. Diese vielen tausende Kinder, die in den Flüchtlingslagern lebten. Er musste sie nach England bringen, wo sie in Sicherheit leben konnten und später zu ihren Eltern zurückkehren könnten. So dachte er jedenfalls.  Er begann einen fast unmöglichen Kampf gegen alle Widernisse, fehlendes Geld, fehlende Pflegeeltern, immer wieder Kämpfe mit der Bürokratie, die die fehlenden Visa nicht ausstellen wollten. Er tat das natürlich nicht allein, sondern mit der Unterstützung eines Teams, dem auch seine Mutter gespielt von Helen Bonham Carter,  angehörte.
 
Mehr möchte ich nicht erzählen. Ihr sollt den Film ja anschauen. Unbedingt. Denn es gibt nicht genug Filme, Biographien von Zeitzeugen und Dokumentationen die in den Vordergrund der Medien rücken, jedenfalls denke ich das oft, die einen immer und immer wieder die Vergangenheit vor Augen führen und damit auch den Blick auf das Heute öffnen, wo es viel zu wenig Menschen gibt, die genau wie Winton es damals tat, heute das Richtige tun.
 
Ich habe viel weinen müssen beim Schauen. nicht nur wegen dem Schrecken der Zeit, auch wegen der Freude über diesen Menschen, den es gab und der zeigte, wie Mitgefühl wirklich geht. Der Gedanke beschlich mich, wer meint, er sei in Ordnung so wie er ist wird unschwer erkennen, dass Umkehr und Bekehrung, wenn man diese Worte gebrauchen möchte, auch für ihn gelten.
 
Denn das schafft dieser Film ganz sicher. Als er zu Ende war und ich aus dem Kino auf die belebte Strasse trat, brauchte ich lange, um wieder in die Realität zu finden. Mir ging der Ausspruch ecco homo - siehe der Mensch - einfach nicht aus dem Kopf.
 
Sie da der Mensch! Ja nicht nur Winton sondern auch die Anderen, von denen wir wissen, damals und heute, auf sie trifft dieser Ausspruch zu. Siehe da der Mensch!
 
Daher war es genau richtig, heute, kurz vor Ostern diesen Film anzuschauen. Für mich jedenfalls.
 
Als ich mit der Strassenbahn über den Rhein nach Mülheim nach Hause fuhr schien die Sonne wolkenverhangen. Aber sie war kräftig hinter den Wolken, dass konnte ich sehen.  Die Wolken schebten schwer und vielschichtig. Sie muteten wir ein riesiges schneebedecktes Gebirge an mit dem strahlenden Licht der Sonne. Es war wie ein kleines Ostern.
 
Haben Sie den Himmel gesehen fragte ich die mir gegenüber sitzende etwas mürrisch dreinblickende alte Dame? Nein antwortete sie. Da haben Sie was verpaßt, entgegnete ich ihr. Es ist nicht mehr lang bis Ostern. Schöne Ostern wünschte ich ihr und stieg aus.
 
One Life nehmt Euch Zeit für diesen Film. Unbedingt!
 
 
https://www.youtube.com/watch?v=6ethollg-PI
 
https://de.wikipedia.org/wiki/Nicholas_Winton
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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6. März 2024 3 06 /03 /März /2024 19:43
Ein Film, der den Zuschauer erstarren läßt. Das Blut gefriert einem in den Adern, wenn man dieser Familie, der Familie Höß, in ihrem vermeintlichen Familienidyll zuschaut. Vermeintlich daher, weil man sofort bemerkt, das ist kein Idyll, das ist Funktionieren einer Familie, so wie die Nazis sich das von ihren Vorzeigefamilien gewünscht haben. Diese Familie zeigt kein Idyll, sondern Gleichgültigkeit innerhalb der Familie, obwohl alles da ist, was zu einer Familie gehört. Finanzielle Sicherheit, gute Versorgung, gute Ausbildung und ein gutes Zuhause, in dem man sich wohlfühlen könnte.
 
Ja könnte, wenn nicht da direkt hinter den Mauern das größte Verbrechen der Menschheit geschieht. Tag für Tag.
 
Die Gleichgültigkeit des Ehepaars Höß  ist es, die einen erschauern läßt. Sie Hedwig, gespielt von Sandra Hüller, hat keine mütterliche Wärme. Sie ist eine kalte Frau. Und Höß selber, der, wie man aus verschiedenen Biografien und historischen Untersuchungen weiß, trägt den Judenhaß schon lange in sich, ebenfalls.  Aber der Film zeigt diesen Haß nicht einmal. Er zeigt einen kalten von Gleichgültigkeit geprägten Mann, der seine Aufgabe zu erfüllen hat.Damit ist er beschäftigt.  Da sind keine Menschen, die er in die Gaskammern schickt, sondern das sind Ladungen, die effizient verbrannt werden, auskühlen müssen und dann neu verladen werden muß.
 
Ist es nur Gleichgültigkeit gepaart mit Verdrängung? Nein, das Gefühl hatte ich nicht beim Zuschauen. Die haben nichts verdrängt, es war ihnen schlichtweg egal.Was einem egal ist, braucht auch nicht verdrängt zu werden.  In diesem Zusammenhang fällt einem Hannah Arends Aussage von der Banalität des Bösen ein.
 
Der Film zeigt nicht das Geschehen in den Lagern. Man weiß es ja. Die erste Szene des Films ist eine langes währendes Grau auf der Leinwand und im Hintergrund ein Wummern und Stampfen, die die Bilder von der Grausamkeit im Kopf entstehen lassen. Irgendwo las ich einmal, dass dies zum Schrecklichen gehörte bei den nazis, das Stampfen ihrer Stiefel und das Gebrüll. Eine Zeit stampfender Stiefel und lautem Schreien. Der Gedanke daran jagt mir einen Schauern über den Körper.
 
Dieses Grau, dieses Wummern dann wieder die Blumen, die Farbenpracht die sie hervorbringen, diese Gegensätze. Beides Nebeneinander. Beides ist da, das Grauen und die Schönheit.
 
 Wie kann das gehen, fragt man sich immer wieder. Wie ist das möglich. Denn es ist ja möglich. Es war ja nicht nur dort in Ausschwitz so im Familienanwesen der Familie Höß, es war auch überall in Deutschland zwischen den Menschen sichtbar. Da wurden die Juden abgeholt, deportiert, andere wieder wegen ihres Widerstandes oder ihrer anderweitigen politischen Gesinnung und die, die nicht betroffen waren, lebten weiter, die einen in Angst und Schrecken, die anderen in genau der selben Gleichtültigkeit wie die Ausführenden der Gräueltaten. Wenige hatten den Mut etwas dagegenzusetzen. Es gab sie auch, die nicht erkaltet waren, die hinsahen und helfen wollten. Waren es Wenige? Auf jeden Fall zu Wenige.
 
Wir haben es hier doch schön sagt Hedwig nachdem  Rudolf ihr mitteilte, dass er nach Oranjenburg versetzt werde. Sie bleibe hier an diesem Ort mit den Kindern und warte bis er zurückkehre.
 
Ein einziger Moment im Film läßt einen aus dem Grusel der sichtbaren Gleichgültigkeit dieser Beiden Hösses so etwas wie Erleichterung fühlen. Da war die Mutter von Hedwig, die die Familie der Tochter besuchte. Voller Stolz zeigt sie der Mutter das Anwesen, was sie geschaffen hat aus dem Haus und dem Garten. Sie werde die Königin von Auschwitz genannt, erzählt sie der Mutter. Die Mutter freute sich mit ihrer Tochter. Sie habe es geschafft, sagt sie.
 
Aber dann, in der Nacht lag sie wach in ihrem Bett, hörte das Wummern und Stampfen, ging zum Fenster und sah das Feuer und den Rauch aus den Schornsteinen. Wie versteiernt steht sie da. Sie legt sich hin, aber am anderen Morgen war sie weg. Einfach gegangen. Ein Zettel lag da, den ihre Tochter fand, als sie sie zum Frühstück rief. Was drauf stand? Man weiß es nicht, denn Hedwig schmiß ihn in den Kamin.
 
Da sind sie wieder die Gegensätze. die Mutter, die das nicht ertragen hat, damit nicht leben konnte in dieser Nähe, die Gewißheit, die jetzt sah, was geschah. Und Hedwig, die Tochter, der auch das egal war.
 
Für mich war es ein erleichternder Moment, diese Mutter zu sehen und wie ihre Reaktion war. Es war ein Zeichen von Hoffnung, dass man darauf vertrauen kann, dass es immer wieder Menschen gibt, die noch nicht erkaltet und gleichgültig sind. Und das einem dabei hilft, diesen Satz aus dem eigenen Kopf zu bekommen, der sagt, man wünsche sich nicht auf dieser Welt zu sein.
 
Und mit dem Schweigen, den dieser Film schon von der ersten Szene der grauen Leinwand in mir auslöste ging ich auch hinaus nach dem Film und spazierte den Weg vom Kino nach Hause zu Fuß. Es war gut allein zu sein und still sein zu können.
 
Wenn es einen Film gibt, den man ganz sicher auf jeden Fall sehen muss, dann ist es dieser Film.
 
Auch wenn dieser Film eines nicht aufklärt oder gar der Frage nachgeht, was macht einen Menschen zu einem, der gleichgültig gegenüber dem Verbrechen ist, dass er selber ausübt. Doch das wäre sicherlich zuviel gewesen. Dieser Film wollte diese Banalität des Bösen zeigen.
 
Die Frage warum ist aber da und es gibt viele Antworten. Ich verweise immer gern auf Arno Gruen, der in seinem Buch * Der Verlust des Mitgefühls* sicher eine gute Antwort darauf hat. Doch gibt es viele Antworten. 
 
Denn die Frage nach dem Mitgefühl des Menschen ist die Frage nach seinem Menschsein!
 
 
 
 
 
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21. Mai 2022 6 21 /05 /Mai /2022 10:09

Was tun, wenn die Liebe verloren gegangen ist?

Kann eine Liebe ewig halten? Was macht man, wenn sie verlorengeht oder einer der Partner in der Beziehung unglücklich ist. Man lebt all die Jahre zuammen, hat etwas zusammen aufgebaut, aber schon lange ist es so, dass man eher in einer Art Freundschaftsbetrieb zusammen den Alltag bewältigt. Der eine ist beim anderen nicht mehr. Der eine merkt es nicht, der andere sehnt sich. Und wenn dann..., ja wenn dann....
 
Worüber ich spreche?  Vom Film Film "Wolke 9", den ich mir nach langer Zeit mal wieder angeschaut habe. 

Der Film wurde schon wegen des Themas *Sexualität im Alter* hochgelobt. Und ich muß sagen, es waren berührende, schöne, sehr sinnliche Szenen. Sexualität im Alter, ja das ist ein Thema, dass eigentlich absolut tabu ist. Die Kinder in einer Ehe rätseln, haben die Eltern überhaupt noch Sex miteinander? In unserer Zeit des makellosen Körpers, scheint es für die jungen Menschen oft, jedenfalls nehme ich es an Äußerungen so wahr, eher unappettitlich sein, sich der Vorstellung hinzugeben, dass alte Körper Verlangen nach Sexualität haben und sie auch leben wollen. Andererseits, in vielen Beziehungen ist entweder beim einen oder beim anderen Partner das Bedürfnis nach Sexualität nicht mehr da, man hat sich anders arrangiert. Aber was ist, wenn einer in seinem Begehren und Sehnsüchten auch nach körperlicher Befriedigung allein bleibt. Wie geht man damit um?
 
Der Film jedenfalls hat auf unnachahmliche und wunderbare Weise gezeigt, dass Sexualität immer lebendig sein kann und dass er nichts damit zu tun hat, dass Körper makellos sein müssen, um sie zu leben. Wo die Nähe zum Anderen da ist, da sieht man den anderen mit den Augen der Schönheit. Und hat nicht jeder Körper in jedem Alter seine eigene Schönheit? "Du bist schön!", sagt er zu ihr in dem FIlm und man muß aufpassen, nicht mit den Augen den   "makellosen Körper-Blick" zu schauen.
 
 Das zum Thema Sexualität im Alter.  Für mich war es eigentlich gar nicht das Entscheidenste oder das Bewegendste in dem Film. Für mich ging es eigentlich um mehr. Um das doch viel Entscheidendere, Existenzielle einer Beziehung. Der eine ist beim anderen nicht mehr! Man hat sich arrangiert. Geht ja auch gut. Ist alles freundlichschaftlich, der Alltag läuft. Die Kinder sind zufrieden. Klar, die Kinder wollen immer ihre Heimat, ihr Elternhaus behalten. Kinder leben ihr eigenenes Leben und haben oft kein Gespür dafür, dass die Mutter oder der Vater auch noch Sehnsüchte und Träume hat. Wie denn auch. Die Eltern haben ihr Leben auf die Kinder ausgerichtet, waren immer für sie da, später dann für die Enkel. Und nun das?
 
Was? Also sie, die Frau, begegnet einem "Anderen!" Es bewegt sie. Sie spürt die Anziehungskraft, ohne dass große Worte gewechselt werden. Überhaupt, der Film kommt mit wenig Woren aus, auch keine Hintergrundmusik. Die Szenen, die Gesten, die einzelnen Sätze sprechen eine ganze Geschichte dieser Beziehung aus. Unglaublich faszinierend.
 
In ihrem Gesicht, während sie mit ihrem Mann dem Alltagsgeschäft nachgeht, spiegeln sich ihre Zweifel wider, ihre Gefühle, die im Widerstreit liegen. Was soll sie tun. Nach 30 Jahren gehen? Es scheint ihr unmöglich zu sein. Aber die Kälte, ja es ist die Kälte, die Wand, gegen die sie in ihrem Alltag läuft, wenn sie mit ihrem Mann zusammen ist, die sie erschauern läßt, immer wieder. Seine Gefühlskälte kommt sehr deutlich zum Ausdruck, in der Szene, als sie bei seinem Vater sitzen, der gebunden an den Rollstuhl, nicht mehr eigenverantwortlich leben kann und er ihn fütternd den Satz spricht:" Wenn ich im Alter so ende, erschieße ich mich!"  Sein Moralismus sticht dabei deutlich hervor. Er kann es nicht ertragen, seinen Vater so zu sehen, möchte am liebsten fliehen, aber sein Moralempfinden untersagt ihm dies. Sie ist unglücklich. Und dieses Unglücklichsein treibt sie an, ihn, den "Anderen" aufzusuchen. Und sie finden sich, wie zwei Magnete, die schon immer zusammengehören.
 
In all ihrer Verzweiflung vertraut sie sich der Tochter an. Ach, das ist doch schön, Mama, genieß es, rät diese ihr. Nimm es mit, aber sag nichts. Laß es unser Geheimnis bleiben.
 
Sie versucht es, aber kann ihrem Mann nicht mehr ins Gesicht sehen. Sie kann mit einem Doppelleben nicht umgehen. Was manchmal im Leben ganz normal für einige scheint, kann sie nicht ertragen.
 
Und sie tut es. Eines Tages sagt sie ihm die Wahrheit. Er scheint wie aus einer anderen Welt zurückzukommen. Will nicht wahrhaben. Es rührt ihn an und bewegt ihn, wie ihre Verzweifelung zum Ausdruck kommt. "Ich wollte es doch nicht!" "Ich habe es doch nicht gesucht!" "Es ist einfach so passiert!" So ihre Aussagen, mehr nicht. Aber er versteht nicht. Das immer und ewige Problem des Mannes, der in seiner eigenen Welt lebt und keinen Blick mehr hat für das Gegenüber. Das immer und ewige gleiche Problem der Menschen, die den Anspruch haben, immer und ewig ist es nur der oder die eine, die man lieben kann.
 
Das ist das eine, aber nun, wie geht man damit um, wenn es passiert, egal, ob nach 3, 10, 20 oder 30 Jahren. Die Moral sagt, du hast die Verantwortung für das Gegenüber und im Falle einer Familie mit Kindern auch die Verantwortung für die weitere Zukunft der Familie. Schon hast du das Päckchen auf den Schultern. Die Kirche sagt:" bis dass der Tod Euch scheidet". Kann das wirklich gehen? Kann Derjenige, dem es passiert, mit dieser Verantwortung leben, sich zu verbieten, geschehen zu lassen, was er sich gerne wünscht. Bleibt er nicht dann der, der bis an sein Ende unglücklich sein wird, bis der Tod ihn ereilt und er vielleicht bereut. Und wenn er, wie im Film, den Schritt wagt, spät noch, dann wird der andere unglücklich. Das muß er in Kauf nehmen.
 
In diesem Zusammenhang fiel mir der Satz eines Inders ein:" Liebe ist ein schmerzliches Vergnügen!".
 
Das Ende des Films möchte ich nicht verraten, aber es hat mich schockiert, damit habe ich nicht gerechnet. Und es wirft eine neue Frage auf: "Schuld oder nicht!". Bewegend und es ist nur ein Film, doch tausende Male passiert es wirklich im Leben.
 
Viele Themen, viele Fragen, viele Diskussionspunkte birgt dieser wunderbare Film von Andreas Dresen, der mit dem Projekt eine Fortsetzung seines ersten Werkes "Halbe Treppe" weitgerführt hat. Man muß ihn sehen, still und ruhig läuft er vor dem Auge hab, mit großer Dramatik über das, was immer und jedem jeden Tag passieren kann.

Ich habe den Film übrigens einmal im Kino in Anwesend der Protagonisten und des Regisseurs gesehen mit einer anschließenden Frage und Antwort Gelegenheit. Wie auch immer, ein sehenswerter Film.

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15. April 2022 5 15 /04 /April /2022 12:47

Billy Cobham in Sonic Mirror und was Musik mit Menschen macht!

Wer Musik liebt und um die Wirkung auf den Menschen weiß, in jeder Hinsicht, körperlich aber auch therapeutisch auf das seelische und psychische Gleichgewicht, darf sich diesen Film nicht entgehen lassen.
 
Sonic Mirror, eine Produktion von Mika Kaurismäki, Bruder von Aki Kaurismäki,dessen Filme ich wegen seines Minimalismus, sehr liebe. Auch Mika bedient sich, wenn auch etwas lebendiger, dieser Gestaltungsform.
 
Sonnic Mirror ist ein Film sowohl über und mit Billy Cobham, einer der wohl bekanntesten Drummer der Welt. Meine erste Scheibe von ihm "Spectrum" stand lange in meinem Plattenregal und ich weiß nicht, wie oft ich sie gehört habe. Cobham hat mit allen Musikgrößen dieser Welt gespielt, ob mit Carlos Santana, MacLaughlins Mahavishnu Orchestra, George Benson oder Jan Hammer, ich könnte viele mehr aufzählen. Er hat aber auch alle Musikstile dieser Welt in seiner Musik verschmelzen lassen, vielseitig, erprobend, fantasievoll.

Im Film Sonic Mirror wird aber nicht seine Lebensbiographie dargestellt, sondern nur  kurz angerissen, wie er zu dem wurde, was er heute ist. Wie ihn damals als kleiner Bub das Wummern der Surden und Drums in seinem Viertel in den USA in seinen Bann zog und er intuitiv die Rhythmen auf dem Blech des Autos seines Vaters, ein bekannter Konzertpianist seiner Zeit, nachspielte. Da hatte es ihn gepackt. Von da an war sein Weg vorgezeichnet.
 
Nie hatte er eine Antwort darauf, was er mal werden wolle.  Später, als Erwachsener,  hat er  sich seiner Intuition, seinem Können und  seinem Charisma übergeben und  ist  zu dem geworden, was er heute ist, einer der größten Drummer unserer Zeiten.
 
Das ist aber schon alles aus seinem Werdegang im Film, denn der erzählt mehr von der Möglichkeit und der Beeinflußung von Musik auf den Menschen.


Die einzige Sprache die jeder Mensch auf der Welt versteht, sagt Cobham, ist Musik. Daher ist Musik nicht nur Klang, sondern auch Kommunikation. Das hat mir gefallen. Denn wer hat nicht schon erlebt bei einem Konzert, einer Musikveranstaltung, wie Menschen, erfaßt durch Klang und Rhythmus anfangen zu tanzen, sich bewegen, sich innerlich frei machen, Blockaden aufgelöst werden und somit eine Freude und Lockerheit zu Tage tritt, die es um ein Vielfaches einfacher macht, mit dem anderen ins Gespräch zu kommen. Ich jedenfalls schon tausende von Malen.
 
Im Film sehen wir Cobham in Finnland auf dem Espoo-Festival mit der Espoo-Bigband spielen, berauschende Drumszenen. Er spielt teilweise mit vier Schlagstöcken an seinen Drums und jeweils unterschiedlichen Rhythmen, einfach nur klasse und  genial. Dann wieder sehen wir ihn in Brasilien, wo er mit brasilianischen Straßenkindern drauflostrommelt. Kinder, die ähnlich wie Cobham ihr Leben mit Tanz und Musik verbringen und sich nichts anderes vorstellen können, als dass Musik ihr ganzes Leben begleiten soll.
 
Dann wieder sehen wir ein Therapiezentrum in der Schweiz, dass sich mit der Pflege und Förderung schwerster Autisten beschäftigt. Ein wenig hab ich beim Anschaun des Films an ein ähnliches Projekt denken müssen, dem "Rhythm is it" , der damals mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Simon Rattle gedreht wurde.  Dort ging es darum, schwache, labile Menschen, in diesem Fall Jugendliche, in ein inneres Gleichgewicht zu bringen durch Tanz und Musik, ihnen Selbstbewußtsein und Stabilität zu geben.

So bewegt sich der Film immer zwischen diesen drei Schauplätzen, Finnland, Brasilien und der Schweiz mit Bildern von Menschen, die die Musik zum Leben bringt, sie geradezu heilt, von dem, was sie belastet und psychisch unstabil hält. Auch ganz beeindruckende Aufnahmen, für mich jedenfalls, weil ich an diesem Ort schon einmal war, im Goetheanum in Dornach.
 
Am Ende des Films ist alles ein einziger Rausch von Klängen, Rhythmen und Bewegung. Die Espoo-Band in Finnland, die Male-Musikgruppe in Brasilien, die übrigens aus vielen tausenden von Mitgliedern besteht und die sich auch durch ihre Musik gesellschaftlich einbringt und auf Mißstände hinweisen will und dem Schweizer Therapiezentrum. Es ist unglaublich bewegend, wie am Ende die Autisten sich von der Musik ergreifen lassen und wie der Drum ihre Seele bewegt und sie anfangen aus dem tiefsten Inneren heraus ihre Körper zu bewegen, wie aus einem Urinstinkt heraus. Denn es stimmt doch,  Menschsein heißt in Bewegung sein, in Aktivität mit der Welt und dem Gegenüber zu sein, sei es verbal oder nonverbal. Es gibt beide Kommunikationsmöglichkeiten.

So ist dieser Film keine Biographie Billy Cobhams, sondern ein Dokumentarfilm über die Kraft und Energie von Musik. Ein Erlebnis.
 


 

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8. Januar 2019 2 08 /01 /Januar /2019 23:36
Eigentlich wollte ich mit Omma ins Kino gehen. Der Oppa ist nämlich vor Weihnachten verstorben. Die Omma ist tapfer. Sie ist zwei Jahre jünger wie der Oppa. Der Oppa ist 92 Jahre alt geworden. Ein stattliches Alter. Und ein gutes Leben. Er hat nicht leiden müssen. Er ist ganz einfach *mitten aus dem Leben* so sagte die Omma es uns, gegangen.
 
Wir mußten alle schmunzeln bei diesem Satz *mitten aus dem Leben mit 92* Aber sie hat es so empfunden, die Omma. Wir irgendwie auch. Der Oppa war noch bis zum letzten Tag recht mobil, vor allen Dingen im Kopf. Hat sich noch mit tausend Sachen beschäftigt, aber dann kam er ganz einfach so mitten im Leben, der Gevatter Tod und hat ihn geholt. Wir haben alle geweint. Das ist doch klar. Aber dann war es auch gut. Wir haben wieder gelacht und uns gefreut, dass wir ihn gehabt haben, den Oppa. Die Omma ist auch tapfer. Voll tapfer. Sie hätten ja damit gerechnet. Sie Beide. Haben viel darüber gesprochen. Wenn einer zuerst geht. Wie es für den anderen weitergehen soll. Gut weitergehen soll es. Haben sie beschlossen. Es geht mit der Omma auch gut weiter. Sie ist super tapfer. Und wir sind ja alle da. Ihre Kinder, ihre Schwiegerkinder, auch die nicht mehr Schwiegerkinder, die Enkel und das erste Urenkelchen. Das kann zwar noch nicht viel tun. Das machen wir ja. Aber es kann die Freude ins Herz schenken. Das kleine Leben. Und das hat es auch getan. An Weihnachten. Die Omma war glücklich. Ein Urenkel ist da.
 
Aber ich hole wieder weit aus. Mit Omma Kaffeeschnuddelchen wollte ich und dann anschließend ins Kino. Sie wollte auch. Zuerst. Aber dann, beim Kaffetrinken zog das Unwetter auf. Dicke Hagelkörner, wechselnd mit Regenschauer. Und ein Sturm, der sich gewaschen hatte. Lieber nicht. Sagte sie dann. Ein ander Mal. Wir haben dann weiter Kaffee getrunken und erzählt. Von Heute und von Gestern. Vom Morgen nix. Jedenfalls nix Weltbewegendes. Geht ja auch gar nicht. Was soll man schon von Morgen reden, wir haben ja gesehen. Es geht sehr schnell mit dem der Welt verlorengehen.
 
Bin dann allein. Ins Kino. Nur später. Als der Film aus war, dachte ich, schade Omma, dass du nicht dabei warst. Er hätte dir gefallen. Ich hol das mit ihr nach. Schau ich ihn halt noch einmal. Man kann ihn sowie immer wieder gucken. Es wird ganz sicherlich nicht langweilig.
 
Mit Bus und Bahn war ich trotz des Unwetters recht schnell in eines meiner Lieblingskinos. Dem Cinenova in Ehrenfeld. Da läuft er unter anderem. Natürlich viel zu früh. Wie immer. Viel viel zu früh. Über eine Stunde hatte ich noch Zeit. Das war nicht schlimm. Da sitzt ich eben rum, lese in der Zeitung, die ich in der Tasche hatte und als die Lust darauf vergangen war, guckte ich einfach so um mich herum und ließ die Füße baumeln. Später dachte ich, dass mit den Füßen baumeln lassen, paßte auch zum Film. Denn ein ganz klein bisschen bin ich, und nun kommen wir zum Film, auch ein Kind geblieben wie der Hape Kerkeling.
 
Der Junge muß an die frische Luft, dass sagte nämlich der Oppa im Film zum Hans-Peter, der später einfach zum *Hape* wurde, als er dann groß war und auf der großen Bühne der Unterhaltung seinen Platz gefunden hatte. Oscarpreisträgerin Caroline Link *Nirgendwo in Afrika, wohl jedem bekannt, hat Hape Kerkelings Autobiografie *Der Junge muss an die frische Luft* verfilmt, und zwar wunderbar gelungen, wie ich finde.
 
Der kleine Hans-Peter, gespielt von Julius Weckauf sollte nach meinem Ermessen einen Oscar für diese Rolle bekommen. Nicht, dass er sehr genau dem Bild des wirklichen kleinen Hans-Peter in den Kinderjahren ähnlich ausschaut, nein, auch, weil er genau, jedenfalls davon bin ich überzeugt, den Charakter des kleinen Hans-Peter 1:1 wiedergespiegelt hat. Jedenfalls weiß man das, wenn man auch die Erzählung von Kerkeling in seinem Buch selber verfolgt. Ich konnte gar nicht genug von dem kleinen Hans-Peter hören und sehen. Allerliebst. Wie man in dem Jungen das schon sah, was er später geworden ist. Evje an Dampen, Gisela, Günther Warnke, Hannilein, Horst Schlämmer und und und... In so viele Rollen ist er geschlüpft und hat aufgezeigt, wie gut Unterhaltung sein kann.
 
Wild, bunt, harmonisch und verspielt waren die ersten Kinderjahre von Hape. Aufgewachsen zuerst mit Vater, Mutter und dem älteren Bruder  bei Omma Bertha und seinem Oppa in ländlicher Idylle nahe Recklinghausen. Er konnte über Felder und Wiesen streifen. Später mit seinem Pferd, dass ihm Omma Äenne geschenkt hatte. Der Vater, von Beruf Schreiner, verdiente gut, damals in den 70ern und schon bald konnte die Familie in die Stadt in ein eigenes Haus ziehen. Omma Bertha blieb zurück. Aber es sind doch nur 15 Minuten bis zur Stadt sagte der Oppa. Die Omma sollte nicht weinen. Und der kleine Hans-Peter schon gar nicht.
 
Die verrückte Omma Aenne, die das erste traurige Ereignis in seinem Leben war. Denn er mußte Abschied nehmen von ihr, sie verstarb an einer Krebserkrankung. Einen Gemischtwarenladen hatte sie, die Omma Aenne, in den Hans-Peter immer lief und es seine Gewohnheit war, still im Laden stehen zu bleiben um den Gesprächen der Kunden zu lauschen, die er dann später vortrefflich zum besten wiedergab. Herrlich. Und immer hatte er die Lacher auf seiner Seite. Ein wunderbares Kind dieser Hans-Peter. Man muß ihn einfach lieb haben und man muß in diesem Kind auch den Hape Kerkeling lieben, der er später geworden ist.
 
Und das ganze Millieu kommt einem doch all zu bekannt vor, wenn sich in der ungefähren Altersstufe befunden wird. Dieses 60/70er-Jahre-Geschmäckle, Eierlikör, Mettigel, Hausmannskost, Nierensessel und Nachbarn, die aus den Fenstern schauten, weil das Leben draußen noch interessanter war, als im Fernsehen oder auch noch keins da war. Caroline Link hat das alles so authentisch rübergebracht, dass man da saß und meinte alles spären, riechen und anfassen zu können. Der Film ist tatsächlich auch eine kleine Zeitreise. Man kommt nicht dran vorbei, dass eigene Erinnerungen hochkommen.
 
All das, was im Film gezeigt wird, hat man doch selber so erlebt. Die Schlager die tagtäglich gedudelt wurden und die das Leben der Menschen damals so in den Bann gezogen haben. Sie sangen sie mit, auch der kleine Hans-Peter konnte das vortefflich. Du bist nicht allein, denn du träumst von der Liebe...sang Roy Black damals und der kleine Hans-Peter konnte den Text auswendig. Eine unglaublich berührende Szene, wie er am Abend nach der Beerdigung seiner Mutter allein in der Küche steht und das Lied singt und sich dabei bewegt wie Roy Black selber.
 
Es schien, als wenn dieser Freitod seiner Mutter die Leichtigkeit und Unbeschwertheit ihm geraubt hat. Er trauerte. Wie furchtbar für ein kleines Kind, seine Mutter so zu verlieren. Dazu passierte es nicht irgendwo von ihm entfernt, sondern er hat neben ihr gelegen, im elterlichen Schlafzimmer. Die Mutter ist einfach nicht mehr aufgewacht. Hatte sich am Abend davor von ihm verabschiedet. Ich geh schlafen, sagte sie zu ihm, du kannst so lange Fernsehen schauen, wie es dir Spaß macht. Sie hat sich nicht mal umgedreht, als sie ging.
 
Sie hat mir keinen letzten Kuß gegeben, sagte der kleine Hans-Peter am Ende des Films. Verstanden hat er all das erst viel später. Warum! Depressionen. Da war nichts mehr in ihr an Gefühl. Nur noch Leere und Kälte. Weil, so hab ich gedacht, wie kann eine Mutter ein solches Kind einfach allein lassen. Das will man nicht begreifen. Aber da war nichts mehr. Wenn nur noch dieses Nichts im Menschen vorherrscht, dann kommt da entweder nichts mehr, nimmt nicht mehr am Leben teil, auch nicht mehr an den Menschen, die man einst geliebt hat, es ist einfach alles egal. Andere wiederum haben auch diese Leere und Kälte in sich, gehen aber nicht in den Tod, sondern werden aggressiv, verletzen, werden zu Gewalttätern. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten dachte ich.
 
Aber es muß weitergehen. Das war und ist das Lebensmotto vom kleinen Hans-Peter und wohl auch von Hape Kerkeling geblieben. Niemals stehen bleiben. Wer stehen bleibt hat verloren.  Nur das Weitergehen, Weitermachen hilft, denn man weiß nie, was noch kommt. Und auf Einbrüche können auch wieder freudige Dinge hereinscheinen, von denen du in Trauer und Schmerz nichts ahnst. Wenn du nicht mehr weitermachst, wirst du das nie erfahren. Und es muß zusammengehalten werden.  Das hat er kennengelernt, der kleine Hans-Peter. Wie sie alle nach dem Tod seiner Mutter zusammenblieben, sich kümmerten. Die ganze Familie, Omma, Oppa, Tanten, der Bruder, Freunde, Nachbarn. Das war damals noch so. Jedenfalls manchmal. Das hat mit dazu beigetragen, dass er sich weiter entwickeln konnte, der kleine Hans-Peter, dieser Schoß der Familie, die ihn alle liebten.
 
In einem Gespräch mit ihm nach Abschluß der Dreharbeiten las ich, als er danach befragt wurde, ob er sich mit dem Tod seiner Mutter versöhnt habe, er die Antwort *Ja* gab. Ja, da er ein Mensch sei, der zur Versöhnung neigte. Das nehm ich ihm total ab. Es gibt keinen Frieden, wenn der Mensch nicht mit dem, was geschehen ist, sich ausgesöhnt und vergeben hat. Er wird sich ständig in der Opferrolle fühlen und die Welt einfach nur böse sehen. Jede kleinste Mißachtung anderer, unbewußte Verletzungen oder Kränkungen wird er so wichtig nhehmen, dass kaum eine gute Beziehung entstehen kann.
 
Das Buch endet nach ca. 300 Seiten. Hans Peter war da gerade 8 Jahre alt. Eigentlich sollte das Buch die Geschichte seiner Berufsjahre darstellen. Jedoch war es ihm genug. Er wollte ja kein Tolstoi werden. Typisch für Hape, dieser feine, ernste Humor, der die Geschichten der Menschen, wie er sie beobachtet mit einer Gabe, wie kein anderer, aufzeigen konnte. Vielleicht kommt ja doch irgendwann wieder etwas von ihm. Man möchte nicht auf ihn verzichten in dieser öden Unterhaltungswelt.
 
Der Film endet mit Hans-Peters erste Schulaufführung, dem Hans Dampf. Eigentlich sollte er diese Rolle spielen. Aber als er von seiner Lehrerin dafür vorgeschlagen wurde, lehnte er ab. Er war noch zu tief in der Trauer. Doch  tags darauf hatte er sich wieder anders besonnen. Aber da war die Rolle schon vergeben. Und die Lehrerin gab ihm eine kleine Rolle als Hausmeister mit zwei Sätzen, die eigentlich aus dem off nur hätten gesagt werden sollen. Aber Hans-Peter kam auf die Bühne, sprach nicht nur diese beiden Sätze sondern machte seine eigene kleine Geschichte daraus. Und am Ende hörte man, wie alle sagten, der Hausmeister war der Beste. Da wußte man und das hatte ihm seine Omma Aenne noch auf dem Sterbebett gesagt, aus dir wird mal ein ganz Großer. Du sagst Sachen Omma, antworteter er ihr. Bist du jetzt auch verrückt. Aber was hätte er auch sagen sollen. Man weiß doch nie, ob als Kind oder Erwachsener, was Morgen mit einem passiert und wer man dann sein könnte.
 
Dann spricht der große Hape Kerkeling noch ein paar Worte, während die Kamera langsam über die Felder mit Mohnblumen und die Wiesen draussen vor den Toren Recklinghausens zieht und er sagt: Ich bin die Felder, die Wiesen, die Mutter, der Vater, die Ommas, die Oppas, all die Tanten und Onkels, all die lieben Menschen, die Gerüche, die Dinge die geschehen sind, all das bin ich.
 
Ich hab geweint. Wirklich. Ich hab mehrmals geweint, aber auch dann gleich wieder gelacht. Das geht gar nicht anders beim Schauen des Films. Und ist es nicht so. Wir, die da nur zuchauen auf ein anderes Leben eines Menschen, der uns durch seine wunderbaren Auftritte vergnügliche Stunden bereitet hat, wir sind doch auch all das, woher wir kommen, was wir erlebt haben, mit all denen verbunden, die uns durch unsere Lebenszeit begleitet haben. Wir sind nicht nur das, was unser ganz Eigenes ist, nein, wir sind auch das, was all das, was gewesen war mit uns  und uns zu dem gemacht hat, der wir sind.
 
Und wenn es mal wieder im Leben recht schwer wird, ja na dann, dann muß man einfach mal, wie der kleine Hans-Peter mit seinem Oppa an die frische Luft. Tapetenwechsel nennt man so was. Das haben die Beiden auch gemacht, damals, als sich aufzeigte, dass es mit der Mutter nicht gut stand und Hans-Peter nur noch bei ihr weilte, um sie zum Lachen zu bringen, damit es ihr wieder gut ginge.
 
Ein wunderbarer Film für alle Hape-Fans, der selbst in der Schwere nie seine Leichtigkeit verliert und man eigentlich möchte, dass er immer weitergeht und uns noch mehr vom Leben Hape erzählt.
 
 
 
Cinenova
Der Junge muss an die frische Luft
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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27. Mai 2017 6 27 /05 /Mai /2017 00:10

Den Beuys, den wollt ich sehen, den Film. Natürlich ist er nicht gänzlich an mir vorbeigegangen, der Beuys. Jedoch, wie so oft in der Vergangenheit, das Leben hat mich anders gebraucht und ich mich selber auch. So kam es, dass mir nur bruchstückweise einiges über ihn bekannt war. Klar, er war zu seiner Zeit ja auch ein Revolutionär, ein Herausforderer, ein Anleiter zum Widerstand, zum Achtsam sein, zum selber Denken, zum Willen vom verändern, das konnte ja auch nicht ganz an einem vorbeigehen.
 
Daher war ich natürlich sofort begeistert, als ich las, es gibt einen Film über ihn. Joseph Beuys, Fragmente einer Lebens- und Werkbiografie, hätt ich als Untertitel auf jeden Fall gewählt. Aber *Beuys* ist auch in Ordnung.
 
So machte ich mich am christihimmelvattertachstag nach einem schönen Spätnachmittag weiter mit dem Rad auf dem Weg, um diesen schönen Film im Kino anzuschauen. Ob er schön werden würde, wußte ich natürlich noch nicht. Die Menschen, mit denen ich zuvor noch einen halben Nachmittag auf dem schönen Cafeplatz in meinem ehemaligen Heimatort Köln-Nippes geplaudert, nein, teilweise heiß diskutiert habe, meinten zwar, Roeschen, bei so nem schönen Wetter geht man doch nicht ins Kino. Aber ich mache ja eh immer was ich will und vor allen Dingen, was ich mir in den Kopf gesetzt habe.
 
Immerhin, als ich mein Rad abstellte, hatte ich erstmal Augenkontakt mit einer ebenfalls sehr netten Radlerin und wir stellten unsere beider Räder nebeneinander. Klar fragte ich sie, na, welchen Film schauen sie denn an. Beuys, antwortete sie. Na dann sind wir ja schon zwei: Und so waren es doch tatsächlich vielleicht zwei Hände voll Menschen, die sich ebenfalls an diesem sommerlichen Abend hier in der Cinenova in Köln eingefunden hatten. Ich meine jetzt ist nun endlich Sommer, Sonnenschein und Eiswetter, das ist ja aber am nächsten Tag auch noch. Und ausserdem hatte ich eh einen Sonnenbrand vom langen Sitzen im Cafe, wenn ich auch unterm Schirm saß, aber das schien der Sonne egal gewesen zu sein. Demnächst werd ich, wie auf Anraten eines netten Menschen, einfach mal die Sonne eincremen. Nun ja..scherzkes
 
So saß ich wie immer, dritte Reihe, Mitte, mit meiner Pulle Wasser und wartete der Dinge, die da kamen. Ach herrlich, Kino ist einfach was Feines.
 
Und sofort war ich in den Bann gezogen. Erstens von der Art und Weise, wie der Film gedreht wurde. Ich sagte ja schon vorab, es waren Fragmente, Einblicke aus Beuys Leben. Schwarz-weiß-Fotografien verschiedener Lebenssituationen, in denen sich die Kamera immer eines herauspickte und wir dann kleine Ausschnitte zu sehen bekamen, von seinen Happenings, von Gesprächen, die er mit Jemanden führte, Ausschnitte aus Fernsehsendungen, sein Auftreten in großen Versammlungen, in denen er alle Augen auf sich richtete. Er war einfach ein unfaßbar charismatischer Mensch, dem man am liebsten für ewig hätte gern in die Augen schauen wollen. Ich habe selten solche Augen wie die seinen bei einem Menschen entdeckt. Augen ziehen mich immer an. Es ist zumeist das erste, worauf ich bei einem Menschen, egal ob Mann oder Frau achte.
 
Da teilweise die Fotos auf der Leinwand sehr groß zu sehen war, hatte ich wirklich das Gefühl, er schaut mich an, bis tief in mein Innerstes. Und ich glaube, so wie ich das im Film wahrgenommen habe und auch heute den Tag über, wo ich Stunden im Internet mir alte Videos von ihm angeschaut habe, um mehr und mehr von ihm zu erfahren, so ein Mensch war er auch. Zutiefst sensibel, hinter die Dinge schauend, suchend, fragend, entdeckend, wißbegierig oder verändern wollend. Ach einfach unfaßbar, dass es solche Menschen nicht mehr gibt in dieser Welt. Ich fühlte mich ihm direkt seelenverwandt, auch wenn ich nur eine kleine Lebenskunst- und künstlerin bin, der Niemand groß Beachtung schenkt, aber das, was in ihm war, das seelisch-geistige, da bin ich ihm nah. Nicht, dass das jetzt vermessen klingt, das ist nicht meine Absicht. Aber ich weiß schon genau, bei welchem Menschen ich mich wiederfinde.
 
Schließlich kommt es ja gar nicht darauf an, wieviele erhabene Kunstprodukte aus den eigenen Händen hervorgehen. Nein, so sagte Picasso schon, was wollen wir mit toller Kunst in unseren Wohnzimmern, Kunst habe auf der Strasse stattzufinden. Das hat auch Beuys erkannt und in seinem Leben praktiziert. Nichts anderes wollte er mit seinem berühmten Zitat: *Jeder Mensch ist ein Künstler* zum Ausdruck bringen.
 
Des Menschen ureigene Kraft zum Gestalten, zum Sein in seiner ganz individuellen Art und Weise, seinem Charakter, mit dem er am sozialen Leben teilnimmt und es gestaltet, dass ist die Kunst, die wichtig sei und daß habe er auch mit all seinen Werken den Menschen zeigen und nahe bringen wollen. Immer wieder hat er das in Gesprächen mitteilen wollen. Und ein wenig dachte ich daran, wie schrecklich gleichgeschaltet die Menschen und unsere Welt eigentlich ist und dass sehr selten bunte Vögel zu entdecken sind, die tüchtig mit ihren Farben leuchten und auf das Schöne hinweisen. In der Schönheit, so sagte Beuys liegt das Wahre. Wie recht er hat. Das Häßliche, Schreckliche, das ist von Menschen gemacht, das Schöne birgt sich in der Natur, in der ganzen Schöpfung, in einem kleinen erlebten Moment, natürlich auch in einem Gegenstand, das wollte er nicht von der Hand weisen. Aber wie weit sind wir auch in unserer Gesellschaft mittlerweile entfernt von schönen Materialien, aus denen die Dinge nicht nur des täglichen Lebens, sondern auch zur Schmückung unserer Behausung, hergestellt sind. Materialien, die noch gerne angefaßt und umschmeichelt werden, die Düfte haben, die unsere ganzen Sinne anregen.
 
Wenn ich das jetzt so erzähle, dann denkt vielleicht der eine oder andere geneigte Leser meines kleinen Filmtipps, oha, was ist denn an Fett und Filz so besonders schön. Filz, ja, das könnten wir ja noch annehmen, aber Fett? Igitt... Aber da muss man erstmal hinterschauen, warum Beuys gerade diese Materialien verwendet hat. Die Leuts haben ja einfach nur gedacht, das ist ein Spinner, der Beuys. Das habe ihm aber nie was ausgemacht, hat er in einem Intervieuw gesagt, als er danach gefragt wurde. Das wäre voll in Ordnung, meinte er, er habe sie herausgelockt und jetzt müßten sie sich beschäftigen. Er habe Aufsehen erregt. Ja Aufsehen erregen, darum ging es ihm schlechthin. Wie soll denn einen Menschen etwas erreichen, wenn es kein Aufsehen erregt. Wir brauchen Sensationen, so sagte er in einer Aufnahme, ohne Sensationen gäbe es keine Veränderung.
 
Er habe schon mit 5 Jahren eine spirituelle, innere Erfahrung gemacht, so erzählt er. Er war allein, aufgewachsen in der doch recht einsamen flachen Niederrheinumgebung in der Stadt Kleve, eines Tages mit seinem Blick an dieser Weite hängen geblieben und da hatte er die Vision, er werde vielen Menschen begegnen. Das allein sein der Grund warum er weiterleben solle. Denn, auch dass gehörte zu dieser Erfahrung, er hatte sehr sehr stark den Eindruck, er hätte schon alles von der Welt gesehen und daß mit 5 Jahren. Er könne beruhigt wieder gehen.  Aber dann hatte er diese Vision, der vielen vielen Menschen, denen er etwas zu sagen hat. Ich hab das so gut nachvollziehen können, weil auch ich als Kind ähnliche Erfahrungen gemacht habe, anders natürlich, dennoch ich weiss nun nicht mehr genau, in welchem Alter es war, aber ich wußte auch schon als Kind, wie diese Welt tickte, weil das, was in meiner näheren Umgebung geschah, geschah überall in anderer Art und Weise, das Miteinander, das Verhalten der Menschen. Daher hab ich auch früh gelernt, ein guter Beobachter zu sein.
 
Seine Materialien, Filz, Fett, Kupfer, all diese Dinge, hatten ja eines gemeinsam. Sie wärmten den Menschen, Sie brachten ihn in ein Klima, in dem er sich wohlfühlen konnte. Wärme, was wünscht sich der Mensch denn mehr als Wärme, damit meine ich nicht nur die Aussentemperatur, sondern die Wärme eines Menschen, der Menschen in seiner Nähe, der Menschen miteinander. Ein Klima, in dem schon ein Kind heranwachsen sollte, damit es wachsen und gedeihen kann, aber auch als Erwachsener, damit er weiter voran kommt, all das, was in ihm schlummert, zum Vorschein kommen kann. Ich weiß worüber ich schreibe, ich weiß, was es bedeutet, wenn die Wärme fehlt. Es ist einfach nur schrecklich und die Erinnerungen an Zeiten, wo man diese Wärme vermißt hat, sind in der Gegenwart noch immer ein Schrecken, der nie aufhört.
 
Ein Gesprächspartner Beuys fragte ihn, ob all seine Werke nicht auch ein Asudruck des Schmerzes ist. Daraufhin hielt er für einen Moment inne. Man sah ihm an, dass er nachdachte, in sich hineinschaute, nach einer Antwort suchte. Ja sicher, sagte er, natürlich auch, obwohl es seine Kindheit nicht betraf, er hatte, obwohl von seinen Eltern viel alleingelassen, eine gute Kindheit, an die er sich gerne erinnere, er hatte viel Freiheit genossen, ind er er sich entfalten konnte. Aber es gab auch etwas, dass sah man seinen Augen an, was Schmerz war. Das war zum einen seine persönliche Erfahrung im Krieg, als er mit einem Flieger abstürzte über der Krim. Sein zweiter Mann war tot, von ihm nichts mehr aufzufindenl. Ihn hatte man gerettet. Tartaren haben ihn gefunden und ihn aufgenommen und ihn in seinen Verletzungen mit Fett eingerieben. Warm sollte er es haben. Das war erstmal das Wichtigste. Dann kam er dort in ein deutsches Krankenhaus und wurde von seinen Verletzungen geheilt.
 
So hat wohl jedes Material, dass Beuys verwendet auch einen bezug zu seinem eigenen Erlebten damit, was es für ihn in einer gewissen Zeit seines Lebens bedeutet hat. Abgesehen von dem Schmerz des eigenen Erlebens sind in seinen Augen auch der Schmerz über das Weltgeschehen zu finden. Ich sah es auf jeden Fall. Der zutiefst empfindsame Beuys, der es dennoch nicht scheute sich seiner Gegenwart mit all den Geschehnissen entgegenzustellen, litt auch unter allem, was er sah. Und es war eines seiner größten Aufträge, diesen Schmerz der Welt aufzuzeigen, damit sie  umkehre, die Welt anders gestalte.
 
So ist ja auch eines seiner größten Werke versehen mit dem Titel *Zeige Deine Wunden* Ich muss gerad direkt durchatmen, wenn ich davon erzähle, denn dieses Werk hat mich am meisten berührt muss ich sagen. Sicherlich auch, weil ich selber große Wunden in meinem Leben erlitten habe. Von denen man aber nicht sprechen kann, weil sie erstens zu schmerzhaft sind, aber auch, weil die anderen es gar nicht hören wollen, die, die nicht all zu viel Wunden davon getragen haben, Sie möchten lieber nichts davon hören, was geschehen ist oder geschen kann und immer wieder geschieht. Es ist ihnen schon vom Zuhören zuviel. Daher schweigt der Verletzte vielmals lieber. Aber all das, was diese Wunde mit ihm macht, wie sie in ihm wirkt, dass muss er verkraften, aushalten und das ist nicht immer einfach.
 
Und welche Wunden trägt unsere Welt vor sich her. Unfassbare große, blutende Wunden, Kinder, Erwachsene, Verletzte, Gedemütigte, Gefolterte, unter Druck stehende, Verzweifelte, Kranke, so viel Verletzungen in unserer Welt, dass es so wichtig ist, davon zu reden, damit alle davon hören, damit das aufhört, damit es eine Wandlung gibt. Daher ...zeige deine Wunden...Ein wenig musste ich an das Christusbild denken, in dem der ungläubige Thomas zu Christus sagte, ich glaube erst, wenn ich deine Wunden berühren darf. Das ist dann noch ein Schritt weiter. Nicht nur hören, sondern die Wunden des anderen berühren. Und wo finden wir das. Die Menschen in unserer Gesellschaft drehen sich ja schon weg, wenn ein Mensch nicht dem perfekten Bild entspricht, dass er von ihm haben möchte. Unversehrtheit, Schönheitsideal, durch und durch gesund...So soll der Mensch sein. Sobald einer aus dieser Norm fällt, dreht man sich um. So heißt es ja auch in einem Christus-Lied: vor ihm verhült man das Gesicht, ein Mann mit Schmerz beladen, einer der alles Elend kennt. Davor haben die Menschen Angst. Sie sind damit beschäftigt, ihre eigene Haut zu retten, da haben sie keinen Blick für den Verwundeten übrig, geschweige denn von Hilfe. Ich schreibe das, weil das christliche Element in Beuys Werken nicht nur Einzug gefunden hat, sondern dass er sich, wie mit allem, was er tat, auch eingehend beschäftigt hat. Christus selber denken, ist ein Büchlein von ihm, dass ich auch in meinem Besitz habe und schon oft darin studiert habe.
 
Er war sehr vielseitig der Beuys. Seine Passion als Aktionskünstler entdeckte er erst nach langer Ausbildung und Studium naturwissenschaftlicher Bereiche. Er beschäftigte sich mit der Anthroposophie, wie auch mit dem Christentum und anderen spirituellen Richtungen, auch dem Schamanismus. Man sagte ihm auch selber oft das Charisma eines Schamanen nach. Natürlich wird im Film auch sein Engagement bei den damals entstandenen Grünen zur Sprache gebracht. Er hätte sich aufstellen lassen, damals, wenn es gewünscht gewesen wäre. Aber es haben ihn nur 600 Mitglieder gewählt. Aber er sprach nicht von Enttäuschung über die wenigen, er redete positiv und sagte, 600 Menschen hätten ihn beauftragen wollen, in ihrem Sinne an der Gestaltung der Politik im Sinne des Programms der Grünen mitwirken zu sollen. 600 Menschen hätten ihm vertraut. Darauf achtete er. Das hatte so dieses Geschmäckle von...schau ich, ob das Glas leer oder halbvoll ist. Das macht ihn so sympathisch, denn im Grunde war das seine gesamte Lebenseinstellung. Auch wenn in seinen Augen auch sichtbar war, dass auch dies ihn schmerzte, wo er sich hineingegeben hat mit seinem ganzen Sein. Der Mensch müsse sich verschleißen so sagt Beuys. Sonst hätte alles gar keinen Sinn. Das war radikal. Aber sein Leben war so ausgerichtet, immer voll Gas. Rund um die Uhr hat er gearbeitet. Sich reingestürzt in seine Projekte, alle Hebel in Bewegung gesetzt, organisatorisch, finanziell, um seine Aktionen durchführen zu können. Man denke nur an seine Aktion zum Anlaß der Documenta in Kassel, in der er 7000 Eichen pflanzen ließ, umgeben von 70000Steinen. Zwei Gegenpole, zwei Bilder, die für sich sprechen. Er hatte damals eine Japantour gemacht, wo er Geldgeber finden wollte, damit er dieses Projekt durchführen konnte.
 
Ich bin kein Künstler so sagte er einmal auf eine Frage. Nur, wenn wir uns alle als Künstler verstehen, sonst nicht. Er wollte das Bewußtsein des Menschen erweitern und er hatte kein anderes Anliegen, als den Menschen wachzurütteln, auf dass auch sie mit ihrem eigenen Leben den Nächsten und den Wierdernächsten wachrütteln, um ihm zu helfen, um sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen in der Bewusstseinserweiterung, die einzig und allein nötig ist, um etwas zu verändern. Seine Werke könne man getrost auch zum Fenster rauswerfen. Seine Werke seien nur Mittel einzig und allein um dieses Zieles willen, die Menschen zu bewegen.
 
Humorvoll war er, unbedingt, ein fröhlicher Mensch, der unter all seinem Schmerz die Freude und den Humor nicht verloren hat, ohne das ihm ein Leben unmöglich gewesen wäre. Wollen Sie eine Revolution ohne Lachen, so fragte er einmal in die Runde. Herrlich. Ich finde, das sagt auch sehr viel aus. Denn, verbissen und verkrampft kommt kein Mensch ans Ziel. Das wußte er. Mit Humor, mit Lachen und mit Freude wollen wir etwas bewegen und zwar auf die Zukunft hin, das war sein Ziel. Und da war ihm jede Provokation auch recht. Denn Provokation war für ihn nicht negativ beladen, Provokation, das war ein Zeichen dafür, dass etwas lebendig wurde. Daher ist es auch eine Botschaft an uns heute, fragen wir doch, merken wir auf, heben wir die Hand, auch wenn es noch so gefährlich, möglicherweise vielleicht auch peinlich ist, weil wir alleine dastehen und vielleicht doof aussehen, aber jedenfalls, auch wenn wir mit irgendetwas vielleicht falsch gelegen haben, es schafft Lebendigkeit, Bewegung, Kommunikation, was auch immer.
 
Nicht zu vergessen seine wunderbare Aussage, die sich noch einmal darauf bezieht, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Denn die erste produktive Kreativität des Menschen ist sein Gedanke. Der Gedanke der dazu anleitet, ihn umzusetzen und somit zu gestalten. Daher ist für ihn der Gedanke Kunst, eine Plastik. Wunderbar diese Aussage. Also, ich meine Beuys ist tatsächlich so, wie es im Film auch gesagt wurde, aktueller denn je.
 
Man, was wäre das wunderbar, wenn er noch leben würde. Ich komme aus dem Nachdenken nicht heraus, was er heute in unserer Zeit noch alles zustande bringen würde und könnte. Aber er hatte sich verschleißt, mit 65 Jahren. Schade!

"Er tat in Wahrheit immer das Andere, immer das was scheinbar abwegig war – 100 Tage auf der documenta reden, sich in Filz einwickeln, stundenlang auf einem Fleck stehen, mit einem Kojoten zusammenleben, Leuten die Füße waschen, Gelatine von der Wand nehmen, den Wald fegen, dem toten Hasen die Bilder erklären, eine Partei der Tiere gründen und das Messer verbinden, als er sich in den Finger geschnitten hatte.“ (Stachelhaus)
 
Ein sehenswerter Film, der Hunger auf mehr macht. Und wenn ich heute schon den tagüber nach ihm und üpber ihn geforscht habe, werde ich mirt morgen mein Büchlein vom Stachelhaus abholen, um weiter in seinem Leben zu wandeln, mich von ihm inspirieren und anregen lassen.
 
Schaut ihn Euch an!
Und ja, macht was aus Eurem Leben. Kleine Feuerwerke, Kunstwerke, tanzt ruhig mal durchs Leben, springt, singt, hüpft, sprecht den Nächsten an, redet mit ihm, macht irgendwelche anderen verrückten Sachen, damit es aufhört mit dem eintönigen gleichgeschalteten Leben, in denen alle das selbe tun und konsumieren.

 


 

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3. April 2017 1 03 /04 /April /2017 09:21

Für Filmegucker, die Action, Crahs und spektakuläre Szenen im Streifen suchen, ist Aki Kaurismäki sicher keine Empfehlung. Wer Kaurismäki mag, liebt mit ihm das Gemütvolle, Altbackene. Kein anderer wie er beherrscht die Kunst so sehr, Details in den Vordergrund zu rücken. Manchmal sind es kleine Dinge, wie z.B. einen Wecker und man denkt vielleicht, was soll das? Wieso wird eine Szene mit einem Wecker so ewig lange gezeigt. Ich verstehe das wohl. Ist doch der Wecker für die meisten ein lebenslang begleitendes und beherrschendes Utensil. Ob ich jetzt mal wieder merkwürdig denke? Nö. Ich seh und empfinde das so. Zudem ist es auch die Ästhetik der Dinge, die Aki zeigt.
 
Oder er zeigt eine Musikbox, altbacken, kennt der eine oder andere noch. Ich erinnere mich genau daran. War noch fast ein Kind. Sonntags immer den Onkel vom Frühshoppen aus der Kneipe holen müssen. Bevor der sich aber endlich mal aufraffte, spendierte er mir immer ein paar Münzen für a) den Erdnussautomaten und b) die Musikbox. Die war immer zuerst mein Ziel. Plattegedrückt meine Nase am Fensterchen und an der Liste der vorhandenen Titel gehangen, durfte ich mir eine Scheibe nach Wahl aussuchen, die dann nur für mich, so dachte ich jedenfalls damals, spielte. Dass die anderen auch hörten, war mir aufgrund des Staunens und Versunkensein im Abspiel- und Hörvorgang absolut aus dem Gedächtnis verbannt.
 
Und so zieht sich ein roter Faden von unendlich langen Kameraeinstellungen durch Akis Filme, die Dinge, die sich in Räumen befinden und die eingefangene Athmosphäre durch die Handlung. Vor allen Dingen aber auch beherrscht er die Kunst Ungesagtes so klar und deutlich aufzuzeigen, wie kein anderer, vielleicht noch Jim Jarmusch. Akis Filme sind nicht dialoglastig. Das gefällt mir gerade in dieser Zeit des müllbeladenen Wortgefechtes überall wo du nur hinschaust. Früher hiess es ja man amüsiert sich zu Tode. Heute könnte vervollständig werden: Man quasselt und amüsiert sich zu Tode. Empfinde ich so.
 
Vor ein paar Tagen hab ich noch eine Doku über die Entstehung des Films *Le Havre*, Akis Film über die Flüchtlingsproblematik aus dem Jahre 2011 gesehen. Ich habe ihn, wie auch andere Filme von ihm, schon mehrmals gesehen. Es war für meine Begriffe der erste Film, wo Aki ein ganz klein wenig abwich von seiner Art des Filmemachens. Der Film erschien bunter, ereignisreicher. Ich hatte mich gewundert. Aber nur ein ganz klein wenig. Es fiel halt auf, wenn die anderen Filme von ihm gekannt wurden.
 
Nun, in seinem neusten Film *Die ander Seite der Hoffnung* kehrt er wieder gänzlich zurück zu seinen Ursprüngen. Auch in diesem Film geht es um die Flüchtlingsproblematik. In der Doku, die ich über Aki sah, war sehr schnell zu erfassen, dass ihm das auf der Seele brennt. Aber was sag ich, Aki brennt alles auf der Seele was an Unmenschlichkeit, Zerstörendes und Erkaltetes in der Welt herrscht. Nicht umsonst lebt er sehr zurückgezogen und macht sein eigenes Ding, hat sich niemals vom Hollywoodmainstream und Glanz und Glimmer verführen und beherrschen lassen. Aber nicht nur deswegen lagen immer einige Jahre zwischen seinen Filmen. Es sit einfach seine Art und entspricht seinem Wesen, etwas langsam zu entwickeln, den Dingen Zeit zu geben, wie man eben auch in seinen Filmen erkennen kann. Es ist ihm sogar wurscht, ob der Film Geld einbringt oder nicht, er will aufzeigen was er sieht in der Welt, was ihn berührt, bewegt, verstört. Selbst die Preise, die er manchmal einheimst, wie jetzt auch für seinen neusten Film für die beste Regie, sind ihm schnuppe. Was sind schon Preise so sagt er in der Doku. Das ganze Etablishment geht ihm am ....vorbei, Ihr wißt schon. Und wenn er tatsächlich mal zu einer Verleihung kommt, dann läßt er sich nicht lumpen und bringt sein ganzes Gefolge mit, alle die, die an dem Film mitgewirkt haben, ob Kameramann, Schauspieler oder Putzfrauen., Sie sind alle dabei. Herrlich. Er macht einfach ein Häufchen auf den ganzen Anerkennungskram.
 
Und wer nur einmal nur einen einzigen Gedanken dergestalt hatte, dass seiner Ansicht nach Das Fremde zuviel wird, der solllte sich den neusten Film von Aki anschauen. Er würde diesen Gedanken vielleicht verwerfen. Sicher, es ist ein märchenhaft anmutender FIlm. Dennoch, Märchen können wahr werden, wenn nur ein einziger Mensch sein Denken und Handeln verändert. Im Alltag. Es geht so einfach, wenn das Herz noch nicht erkaltet ist.
 
Es spielen sich mehrere Dramen ab in seinem Film. Die Reise eines Flüchtlings, der auf Um- und Abwegen in Helsinki landet. Und dessen Geschichte man erfährt, als er im Einwanderungsbüro die Erlebnisse und die Gründe seiner Flucht aus Syrien zu schildern angehalten wird. Die Starrheit der Bürokratie, das Unbwegliche, kalte ohne viel Worte gezeigt. Gesten zeigen oft mehr als Worte. Die Angst eines Menschen, die Suche und die Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit. Warum erkennen die, die sich dagegen verwehren das Fremde aufzunehmen, so sehr dagegen? Haben sie niemals erlebt, was es bedeutet in Unsicherheit sich zu befinden? Und bei den Radikalen zeigt sich der Haß in ihnen, der sich gegen das Fremde richtet. Und es nicht abwegig zu denken, dass der Hass nur daher zeugt, dass sie selber keine Liebe in ihrem Leben erfahren haben. Und wie absurd dem syrischen Flüchtling die Einreise verwehrt wird mit dem Argument, nach eingehender Prüfung sei der Asylgrund nicht genug begründet. Die Realität sei doch nicht so schlimm, dass sie nicht ausgehalten werden kann. Und das Absurde sich gerade in diesem Moment zeigt, als der selbe im Einwanderungsübergangsheim im Fernseh die Bilder des Krieges aus Syrien sieht, die Gesichter stumm und schreckenserfahren der anderen Zuschauer im Blickfeld sind.
 
Eigentlich geht es im ganzen Film um die Liebesfähigkeit des Menschen, die sich m.E. ganz richtig von Aki aufgezeigt, nur im Handeln zeigt, nicht im Quaseln von Mitleids- und Mitgefühlsbezeugungen.
 
Aki hat jedoch auch keine Angst oder Sorge deutlich zu machen, dass es oft möglich ist, auf der einen Seite diese Liebesfähigkeit zu besitzen, auf der anderen Seite jedoch wiederum fehlt sie. So in der Geschichte des Vertreters für Herrenhemden, der eines Morgens bevor er zu seiner Arbeit aufbricht, seinen Ehering seiner Frau auf den Tisch legt, die wiederum keine Anstalten macht, sich gross dagegen aufzulehnen, sondern ihn nach Verschwinden des Ehemannes ganz einfach in den Aschenbecher wirft und ihn fast verächtlich mit einer Zigarette ausdrückt. So ist das eben manchmal. Es kann sein, dass es manchmal leichter ist zu lieben in der Distanz zu einem Menschen als im täglichen Umgang mit dem Partner, Freund, Kind, wie auch immer. Denn der selbe Mann, der sich da von seiner Frau trennt, seinen Beruf an den Nagel hängt, mit dem erwirtschafteten Geld schnell noch per Pokerblick gekonnt in einem Kasino die finanziellen Mittel verdoppelt und sich ein etwas heruntergekommenes Restaurant kauft, mit dem er fortan seinen Lebensunterhalt verdienen will, zeigt genau diese Menschlichkeit und Liebesfähigkeit in dem Moment, als ihm der syrische Flüchtling eines Tages begegnet und er sofort erkennt und handelt, was ihm not tut. Nämlich Arbeit, Essen und Unterkunft. Schön dieses Märchen, von dem man hoffen will, ich jedenfalls, dass es tagtäglich immer mal wieder wahr werden kann. Manchmal sind die größten Werke der Liebe ja auch die allerschwersten.
 
Ich weiss nicht, wie es einem potentiellen Besucher des Films gehen wird, ich jedenfalls habe an einigen Stellen mit den Tränen kämpfen müssen, jedoch auch genauso tüchtig schmunzeln, gar lachen müssen. Denn das hat er bei allen Dramen des Lebens drauf, der Aki, niemals darf der Humor vergessen werden, der so viel zu ertragendes Schwere lkeichter nehmen und fallen läßt.
 
Es ist einfach zu köstlich, wie die Angestellten nebst Chef überlegen, wie sie den schlechten Lauf des Restaurants aufbessern können, etwas anbieten können, dass die Umsätze erhöht, so daß das Leben für alle gesichert ist. Wie der Besitzer nach Beratschlagen hingeht, sich die gesamte Auslage in einem Buchladen über die Herstellung von sushi geben läßt und nun alle ihr kulinarisches Angebot, das sich bisher auf Fleischbällchen und Sardinen beschränkte, aufstocken. Zu köstlich wie sie da alle mit der Sushi-Herstellung beschäftigt sind, alle Protagonisten plötzlich in Kimonos durch das Restaurant wuseln, plötzlich jedoch feststellen müssen, dass der Fisch aus ist. Was tun blicken sich alle ratlos an. Und wie herrlich dieser Humor Akis, der sich daran zeigt, was kann einem Gast zugemutet werden. Aber auch hier wieder der unverwüstliche Hinweis auf die Hoffnung, die doch in allen Geschehnissen zu finden ist. Es läßt sich immer ein Weg finden, dem Untergang eines Lebensereignisses entgegenzutreten und wenn er auch noch so absurd und schräg ist. Genau das lieb ich so an Akis Filmen.
 
Und wieder die Musik, die ebenfalls Akis Filme immer behrrscht. Auffällig tatsächlich dieses Mal für mich, dass er sie nicht, wie in gewohnter Weise in ganzer Länge spielen lässt. Dennjoch immer ein gutes Stück mit den Untertiteln der Übersetzung, Dieses mal hat er sich wieder auf alte finnische Weisen besonnen, deren Texte von Kummer, Leid, Liebe aber eben auch Hoffnung erzählen. Ich mag das:) Man kann diese alten finnischen Schlager nicht vergleichen mit atemlos durch die Nacht rennen. Niemals nie:)
 
Und natürlich ist Kati Outinnen, seine Lieblingsdarstellerin, wie in allen Filmen von Aki, wieder mit dabei. Ich mag sie. Sie ist einfach so herrlich authentisch. In der Doku über Aki erzählte sie, wie die finnische Filmindustrie vor Jahren Aki einmal angeraten hat, sich doch eine andere Schauspielerin zu suchen, es gäbe doch nun auch wirklich schönere finnische Frauen. Wunderbar wie sie lächelt bei dieser Erzählung. Sie und Aki sind einfach ein eingeschworenes Team. Und ich fand sie immer schön, in allen Filmen, als sie jünger war oder auch jetzt im Älterwerden. Dieser ganze Perfektionswahn der äusseren Erscheinung geht mir eh auf den Senkel. Nein, das wäre jetzt sogar lapidar ausgedrückt. Ich lehne es ab. Es zeigt sich darin eine Art faschistisches und rassistisches Ausgrenzungsmerkmal. Wer bestimmt, was schön und gut ist und welche Bedeutung haben die noch, die aus diesem Raster fallen. Es ist m.E. ein ganz kleiner sich zeigender Rassismus und die Menschen, die so denken, sind sich dessen gar nicht mal bewusst. Aki zeigt Menschen, keine Plastikmenschen. So ist es!
 
Also, was soll ich noch weiter erzählen. Seht den Film und seht das Leben.  Erkennt, dass Märchen manchmal wahr werden können, dass es niemals ohne Hoffnung gelebt werden darf und dass in allem, was geschieht, die Sichtweise des Humors nie verloren gehen darf.
 
Ich mag ihn, den Aki, als Filmemacher und auch als Mensch. Natürlich bin ich ihm nie persönlich begegnet. Einmal hätte es fast geklappt in Frankfurt im Filmmuseum. Aber leider hat er, wie das schon mal seine Art ist, dann doch kurzfrisitg abgesagt. So ist er eben. Auch ein wenig unberechenbar. Was soll ich sagen, ein Mensch, der immer berechenbar ist, ist doch langweilig, oder? Ich war schon auch ein wenig enttäuscht damals, dennoch auch hier ein Schmunzeln über ihn. 
 
Aki Kaurismäki

Die andere Seite der Hoffnung

 

P.S. Die Doku üpber Aki Kaurismäki ist noch zu finden in der arte-mediathek

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23. Januar 2017 1 23 /01 /Januar /2017 21:43

Kinobesuche sind einfach nur schön. Ich könnte geradezu jeden Tag ins Kino gehen, wenn ein entsprechender Film läuft. Ein Film muss so etwas wie ein geschriebenes Buch für mich sein. Ich muss beim Schauen das Gefühl haben, ich kann mich ganz in die Protagonisten, zumindestens in einem von mir ganz besonders ausgesuchten, hineinversetzen und mit ihm gemeinsam durch das Filmleben spazieren.
 
Das ist mir in dem Film des finnischen Regisseurs Juho Kuosmanen nun überhaupt nicht schwergefallen. By the way der Film hatte seine Premierte am 19. Mai 2016 bei den inetrnationalen Filmfestspielen in Cannes und wurde während des Filmfestes in München erstmalig in Deutschland vorgestellt. Schon im September darauf wurde bekannt, dass dieser Film für die Oscarverleihung 2017 als bester ausländischer Film nominiert wurde. Ich kann nur sagen, verdient hätte er es.
 
Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäkki, so der Titel des Films, zeigt die wahre Geschichte der  Boxerlegende Olli Mäkki, der als einziger je einen Europoatitel als Amateur und Profi für Finnland gewinnen konnte. Er lebt heute noch 8ojährig in Finnland und der 17.8.1962 ist jedoch sein denkwürdigster und glücklichster Tag im Leben seiner Boxerkarriere anzusehen.
 
Der Film wurde in schwarz-weiss gedreht, was ich sowieso sehr gerne mag, wie auch immer noch ganz altbacken schwarz-weiss-Fotos. Ich habe immer das Gefühl, dass durch das Wegfallen der Farben die Intensität des Films oder Fotos stärker ist, weil sich mehr mit den Protagonisten oder den Bildern des Films beschäftigt werden kann, ohne dass man abgelenkt ist durch die Schrillheit der Farben. Auch kommt er fast ebenso wie bei einem meiner Lieblingsregisseure, ebenfalls aus Finnland, Akki Kaurismäkki, ganz ruhig und still daher, ohne viel Dialoge und fängt durch Gestik und Haltung der Protagonisten die ganze Gedanklenwelt der selben ein. Ich mag das einfach, wenn an Gesichtern von Menschen abgelesen werden kann, was in ihnen möglicherweise vorgeht. Sicher, da kann auch daneben gelegen werden, meistens stimmt es mit meiner Wahrnehmung jedoch überein. Auch eine Filmmusik fehlt gänzlich, empfand das wohltuend.
 
Zudem bekommt der Zuschauer auch einen Eindruck vom früheren Finnland der 60er Jahre, die alten Autos, die biedere finnische Provinzmentalität der Menschen, die sich bis in die Gross- und Hauptstadt Helsinki hineinzieht. Wunderbar einfach. Natürlich auch einfach nur traumhaft die Bilder der weiten finnischen Seenlandschaften und Wälder. Sehr stimmungsvoll eingefangen vom Regisseur.
 
Zur Geschichte des Olli Mäkki. Er bereitet sich auf seinen grossen Weltmeisterschaftskampf gegen den us-amerikanischen Boxer Davy Moore vor. Ich bin ja eigentlich nicht so ein Boxkampfgucker, genauer gesagt, ich habe noch nie einen gesehen, also höchstens mal bruchstückweise und da war es mir immer gruselig beim Anblick der zerschundenen Köpfe und dem Taumeln der Sportler nach den Kampfattacken und dem schliesslichen völligen Zusammenbruch und am Ende am Boden liegenden Besiegten. Ne, grundsätzlich ist das nichts für mich. Es war jedoch die Vorankündigung des Films, Rezensionen und eben die Affinität zu Finnland, die mich eben doch in diesen Boxerfilm geführt haben. Ich hab es nicht bereut.
 
Der Olli ist ein stiller und einfacher Mensch, der in bescheidenen Verhältnissen lebt, aber eben ein grosses Boxtalent vorzuweisen hat. Amateurboxkämpfe sind aber etwas anderes, als eine Vorbereitung auf einen grossen Weltmeisterschaftskampf im Olympiastadium in Helsinki. Das wird ihm ganz schnell klar und auch zuviel. Er braucht Ruhe für seine Vorbereitung. Ausserdem kämpft er mit seinem Gewicht und das allerbeste eigentlich, was ihm in seinem Leben passieren konnte, er ist verliebt, in Raija, die ebenfalls aus seinem dörflichen Ort kommt. Nur paßt es gerade nicht in die Vorbereitung auf diesen grossen Kampf, das signalisiert ihm auch sein Trainer. Die Liebe kommt halt manchmal unverhofft und dazu dann mit einer Intensität, die nicht erwartet wurde.
 
Olli ist zwiegespalten, man sieht es ihm an, wie er mit sich kämpft. Er leidet und erkämpft sich einen gewissen Freiraum des Alleinseins mit sich, damit er sich in Ruhe seinen Vorbereitungen widmen kann. Nicht aber, bevor er zuvor noch einmal ausgebrochen ist, in sein Dorf fährt um Raija zu sehen, der er von seinen Zweifeln und Ängsten erzählt. Auch hier kein grosses Gerede von Beiden. Sie geniessen die kurze Zeit des Miteinanders und sehr einfühlsam zeigt der Regisseur, wie da zwischen den beiden eine Liebe webt, die fest und sicher ist. Zum Abschied sagt Raija ihm nur, letzten Endes ist der Mensch nur von seinen Vorstellungen enttäuscht, nicht aber vom Ausgang einer Sache. Das hat mir gefallen, weil eine Wahrheit darin liegt.
 
Ständig sind wir geneigt uns von einem bevorstehenden Ereignis schon eine Vorstellung zu machen und sind am Ende überrascht und enttäuscht, wenn sich diese Vorstellungen nicht als Ergebnis herausstellen. Dabei wäre es wichtiger gewesen, einfach nur zu schauen, was passiert und nicht seinen Projektionen nachzuhängen. Eine wichtige Botschaft des Films, so hab ich es jedenfalls empfunden.
 
Der Tag des grossen Kampfes kommt und schau daher, ich hab tatsächlich mitgefiebert mit Olli:) So kanns gehen:) Ich schreibe natürlich nicht, wie er ausgeht, dasm wäre ja doof:)
 
Aber der Film hat eine Poesie, die mir gefallen hat, auch die darin vorkommenden Protagonisten haben in mir eine gewisse Zärtlichkeit entlockt. Ich mochte sie. Er ist sehr zu empfehlen, vor allen Dingen gerade für die, die sich für den Boxsport interessieren, weil, auch wenn die Dinge sich zwischenzeitlich noch mehr geändert haben, was den Rummel und den Ruhm angeht, dfier Härte und die Disziplin im Sport, um zum Ziel zu gelangen, manchmal eben auch mit unlauteren Mitteln, gibt er einen kleinen Einblick über ein Sportlerleben und den Empfindungen wieder.
 

Ein gelungener Kinoabend, um so mehr, als dass ich sogar noch ein persönliches weiteres gutes Erlebnis hatte. Ich habe nämlich einen Job in diesem Kino angeboten bekommen, wenn auch nur aushilfsweise, aber ich fands lustig und werd mal drüber nachdenken:)

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21. November 2016 1 21 /11 /November /2016 18:17
Paterson *Jim Jarmusch*

Endlich ist Sonntag. Seit Wochen nun warte ich auf diesen Tag. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste. Ich kann mich sowas von auf etwas freuen, dass ich mich manchmal selber nicht aushalten kann mit der ganzen Vorfreude:)

Und ich frag mich immer, was sind das für Menschen, die mit Filmen von Jim Jarmusch nix anfangen können,-) Ich meine, ich hab nix gegen Leute, die gerne Mainstream-Filme gucken, mach ich ja auch manchmal. Auch dort finde ich zu weilen Perlen.

Für mich gibt es jedoch nur zwei Regisseure, für deren Filme ich meilenweilt gehen würde und das sind Kaurismäkki und Jarmusch. So ist es. Beide haben diese Liebe zum Detail, ihre Filme wirken wie ein einziges grosses Bild in das sich vertieft und so viel herausgelesen werden kann.

Und Sonntag war es jetzt endlich soweit. Ich hatte Karten reserviert, um auf Nummer sicher zu gehen. Da ich meinem Sohnemann zum Geburtstag Zeit geschenkt habe zu einer gemeinsamen Unternehmung, sind wir zusammen ins Kino. Die Fahrt mit der Strassenbahn war vergnüglich und ging wie im Flug herum, weil ein netter Herr mich einlud, mit auf seiner Karte zu fahren als er sah, wie der Automat ein bisserl zickig war und nicht so wollte, wie es es gern brauchte,-) Und erzählt hat der, jösses, ich weiss jetzt Bescheid, über alles,-)

Im Kino angekommen schon Schlangenbildung. Herjeh, so was hab ich lange nicht mehr erlebt. Meistens sitz ich mit 8 bis 10 Leuten im Vorführsaal. Aber das war ja auch Frankfurt, da kann man ja auch nix anderes erwarten,-) Köln ist da schon anders:)

Und da sitze ich nun in der vierten Reihe und beweg mich keinen Milimeter mehr und das bleibt auch so während des ganzen Films. Nur einmal, ganz kurz, da schau ich nach rechts, nein, es war sogar zwei Mal, weil...ich hörte, wie eine von den beiden Frauen, die neben mir saßen, so merkwürdige Geräusche von sich gab. Ein Pffff.....und chhhhhh....ich wollte meinen Ohren nicht trauen, da musste ich ja gucken,-) und tatsächlich ihr Kopf war auf die Rücklehne gesunken, die Augen zu, schnarchte sie vor sich hin. Ganz schnell, aber wirklich ganz schnell musste ich mir ein Prusten unterdrücken, es war zu komisch:) Unfassbar, dachte ich, wie kann bei diesem Film eingeschlafen werden. Irgendwann wurde es wieder still, ich schaute nochmal und da war sie in einen tiefen und festen Schlaf überhegangen, kein Geräusch mehr. Gut, ich wollte auch nicht weiter abgelenkt werden,-)

Denn der Film war ein Traum. Jedenfalls, ich fühlte mich wie in einem Traum, in dem ich dem ruhigen und stillen Leben des Protagonisten namens *Paterson*, der in einer Stadt mit gleichem Namen, Paterson, sein Leben lebte, nicht allein, sondern mit seiner Frau *Laura*, die er liebte. Woran man Liebe erkennt fragt der Mensch sich doch manchmal. Jarmusch hat es gezeigt. Beim Aufwachen beider Liebenden. Wie sie am Morgen beim Erwachen nebeneinander liegen und der eine zärtlich beim anderen ist, ohne viel Worte. Jedenfalls es ist ein Merkmal der Liebe, finde ich jedenfalls. Und da der Film an sieben aufeinanderfolgenden Tagen im Leben von Paterson spielt, zeigt er jeden Morgen das Erwachen dieser beiden Liebenden, in kleinen abgewandelten Szenen. Ein wenig erinnerte mich diese Einstellung an die beiden liebenden Vampire im Film Only Lovers left alive von Jarmusch. Aber das macht gar nichts, weil es so ein inniges Bild ist, dass es ruhig mehrere Male verwendet werden darf und kann, da es an Ausdruckskraft gar nicht mehr zu toppen ist.

Paterson erwacht jeden Morgen um die selbe Zeit, zieht sich an, nimmt sein Frühstück zu sich, geht jeden Morgen den gleichen Weg zu seiner Arbeitsstelle, einem Busbahnhof, wo er seinen Bus abholt. Dort erwartet ihn jedes Mal ein Kollege, der ihm auf Patersons Nachfrage Tag für Tag eine neue Leidensgeschichte seines Lebens erzählt, die zwar inhaltsreich, dennoch in nur einem Satz erzählt wird. Das wars. Der Film ist auch wortkarg. Vor seiner Fahrt schreibt Paterson in sein geheimes Notizbuch ein Gedicht. Paterson ist nämlich ein Poet, er schreibt Gedichte. Und das ist schon die Poesie schlechthin, ein Busfahrer, der Gedichte schreibt. Ich dachte, es ist nur ein Film, jedoch, der Mensch darf nicht unterschätzen, was so in manchem Zeitgenossen, der einer ganz normalen Beschäftigung nachgeht, noch so alles schlummert und was er in seiner Freizeit für Charismen lebt, damit meine ich jetzt Nicht Baumärkte und Hobbykeller,-). Obwohl, auch Paterson hat einen Hobbykeller, in den er nach seiner Arbeit manchmal entschwindet. Aber dort liegen alle seine Schätze, seine Lyrikbände seiner sämtlich von ihm geliebten Lyrikern, allen voran * William Carlos Williams*, der in seiner Heimatstadt Paterson/New Jersey gelebt und gedichtet hat. Somit setzt Paterson seiner täglichen Routinearbeit ein Gegengewicht. Gegengewichte zu schaffen im Leben ist sehr wichtig, denn wenige Menschen besitzen die Freiheit, einer Arbeit nachzugehen, in der sie wirklich aufgehen. Zumeist ist die Arbeit ein Broterwerb, ohne die es nicht geht und in vielen Fällen sind es eben Beschäftigungen, die nicht vom Zauber und der Freude durchdrungen sind, jedoch genau diese Gegengewichte ermöglichen es dem Menschen zu tun, was getan werden muss, so empfinde ich das jedenfalls.

Ich bin nicht nur verliebt in den Film, sondern auch in den Protagonisten, weil....er ist ein Mensch, der ruhig und besonnen durch das Leben geht. Wenig Worte findet er zu allem, Meinungen und Ratschäge liegen ihm fern. Er ist ein Zuhörer und Beobachter. Als ich mit meinem Sohnemann nach dem Film ein wenig geredet habe, kam heraus, dass er von diesem Typ Mensch nicht so angetan sei. Ich glaube jedoch, er hat ihn nicht verstanden. Er war der Meinung, es sei eher kein gutes Merkmal, wenn ein Mensch zu nichts und allem eine Meinung vertreten bzw. nicht Stellung abgeben würde. Ich denke jedoch, dass das gar nicht so wichtig ist. Das Gewicht des Zuhörens wiegt viel schwerer. Das können nämlich die wenigsten Menschen. Und Paterson hat ja seine ganz besondere Art, eine Reaktion zu zeigen, auf alles, was er wahrnimmt. Er schreibt ja, seine Gedichte drücken seine Empfindungen und Gedanken aus. Und die Menschen, die ihn kennen, wissen das und schätzen ihn daher, sie erwarten auch gar nichts anderes von ihm. Sie wissen, was in ihm webt, welche Tiefen er hat. So zeigt Jarmusch auch, dass es Nähe zwischen Menschen geben kann, auch wenn der andere nicht viel zu sagen hat, jedenfalls direkt nicht, sondern auf seine indirekte Art und Weise. Und dann, wenn es wirklich einmal ganz besonders wichtig ist einzuschreiten, schreckt auch Paterson nicht zurück. Dies wird in einer Szene im Film sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, die ich nun aber nicht verraten möchte.

Mit seinen Gedichten drückt Paterson auch seine Liebe zu seiner Frau Laura aus. Er lehnt sich in diesem Bezug an den großen Dichter Petrarca an, der seine Liebesgedichte an seine Liebe, die ebenfalls *Laura* hiess, schrieb.

Die Liebe der Beiden ist groß, weil, unterschiedlich können Charaktere zweier Liebenden gar nicht sein. Paterson, der ruhige, stille und besonnene Mann und Laura, die extrovertierte, emotionsgeladene und ständig neue Ideen entwickelnde Lebenspartnerin. Keiner der Beiden möchte den andern verändern. In liebevoller Weise gehen Beide mit den Verschrobenheiten des anderen um, es gibt keine Kritik an irgendeinem Tun des anderen. Mein Sohnemann meinte nach dem Film, das ist doch komisch, man muss sich doch die Wahrheit sagen. Ich denke jedoch, was ist schon Wahrheit. Und ist sie denn immer hilfreich? Ich glaube es nicht. Manchmal ist ein Lassen ein stärkerer Ausdruck der Liebe, als ein Kritisieren. Und meistens kritisiert der Mensch ja eh nur, was er selber nicht versteht. Wer kann und will den Anderen denn schon verstehen. Ein schwierig Ding zumeist, und schlägt es fehl, wird oftmals viel zerbrochen und es gibt keine Zeit mehr, dass es heilen kann.

Nun, ich möchte nicht den ganzen Film erzählen, sonst schaut ihn sich mein geneigter Leser ja nicht an und das wär schade, denn man muss diesen Film, in dem man spazieren gehen kann, einfach gesehen haben. Hier findet eine Verzauberung statt, ein Leuchten in all den alltäglichen Dingen, die zu sehen sind. 7 Wochentage im Leben des Paterson, 7 Tage, in denen eigentlich nichts geschieht und dennoch 7 Tage, die erlebt werden können, die voller Spannung sind, mehr als ein Krimi, für mich jedenfalls, es in einem auslösen kann. 7 Tage, an dem jeder einzelne mit einem Gedicht beginnt.

Ach und einen Protagonisten hab ich ja ganz vergessen, der einfach absolut umwerfend ist,-) Paterson und Laura haben einen Hund, eine englische Dogge namens Marvin. Und welche gewichtige Rolle er in Jarmuschs Film spielt, verrate ich ebenfalls nicht, aber eines ist sicher, es kann sich nicht erwehrt werden, dass dieser Hund zum Lachen verleitet, und auch an den Stellen, wo es eigentlich nicht zum Lachen ist, jedenfalls den Protagonisten nicht. Jarmusch besitzt einfach die Gabe das in einem Augenblick erlebte Schwere in Leichtigkeit zu verwandeln, wenn nur in das Gesicht und die Bewegungen von Marvin geschaut wird. Einfach nur köstlich, wie er in einer Szene um die Ecke hereinschaut in einen Waschsalon, wo ein Rapper gerade seinen erdichteten Text rezitiert.

Musik und Lyrik, das ist der Stoff, aus dem das Leben ist, so empfinde ich das ja auch Tag für Tag in meiner kleinen Alltagspoesie. Gedanken sind nur in Dingen, so lautet eine Zeile des Gedichts *Paterson*, dass William Carlos William, Anfang der 40er Jahre geschrieben hatte. Und jeder Mensch ist sich selber eine ganze Stadt, auch dies seine Aussage.
Ich sag ja immer, in einem Menschen findet man die ganze Welt. Und wenn du keinen äußeren Reichtum hast, dann hast du immer noch den Reichtum in dir selbst, der dir das Leben lebendig und wertvoll erscheinen läßt.

Und so wie der Busfahrer Paterson mit seinem Erdichten ein Gegengewicht zur Alltagsroutine schafft, so ist dieser Jarmusch-Film für mich auch ein Gegengewicht zu meiner Alltagsroutine und gehört somit zur Poesie meines Alltags. Und sagte nicht der olle Nietzsche einmal: Leben ist auch ein Erdichten? Ich meine ja. Und alles, was dir begegnet ist es wert, erdichtet zu werden. Dichten ist gar nicht so schwer. William Carlos Williams hat es ganz einfach gemacht. Er hat gedichtet über Alltägliches. Das Alltägliche birgt viel Reichtum, der Mensch muss es nur zu entdecken wissen.

*Paterson* ein Film ohne viel Handlung und dennoch spannend und verzaubernd zugleich.

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24. Oktober 2016 1 24 /10 /Oktober /2016 08:50
Human - Dokumentarfilm

Ein Blick aus dem Fenster. Trübe Wolken am Himmel. Es schaute nach Regen aus. Manchmal hilft es nach schweren Momenten sich einfach zu bewegen, ganz woanders hingehen, sich einer Sache zu widmen, die einem hilft auch von all dem was gerade war, Abstand zu gewinnen. Was kann es da Besseres geben, als einen Kinobesuch.

Ich hatte eine kleine Rezension über den Film *Human* gelesen und auch den Trailer geschaut und war sogleich in den Bann gezogen, vor allen Dingen wegen der unfaßbar schönen Naturaufnahmen, die der Film zeigt. Der französische Fotograf und Journalist Yann Artrus- Bertrand hat einen Dokumentarfilm gedreht, in dem er durch die Welt gereist ist und Interviews mit über 2000 Menschen geführt hat. Der Film zeigt kleine Ausschnitte dieser Gespräche mit den Menschen verschiedener Nationen und Kulturen. Die Thematiken, die Fragen sind breit gefächert. Vom Sinn des Lebens, dem Glück, dem Leben und Sterben an sich, den erlittenen eigenen persönlichen Schicksalen der Menschen, der Armut und natürlich auch der Liebe. Unterbrochen werden diese Zeugnisse von wunderschönen Luftnaturaufnahmen.

Der Spaziergang zum Kino hat gut getan, obwohl es regnete und sich die Nässe etwas unangenehm anfühlte. Aber am Kino angelangt, mal wieder zu früh wie immer, hatte ich alles, was hinter mir lag, vergessen und nutzte die Wartezeit um einfach wie immer in die Welt um mich herum zu schauen. Und da stand sie plötzlich neben mir. Die kleine, hutzelige alte Dame. Wie sich später aus unserem Gespräch herausstellte, zählte sie schon 86 Lenze. Das sah man ihr gar nicht an. Einen ganzen und halben Kopf kleiner wie ich und ich bin ja nun schon nicht groß, mit ihrem dunkelgrauen Käppi, einer Jeans und Anorak angezogen sah sie aus wie ein junges Mädchen. Doch ja, ich sah auch das junge Mä#dchen in ihr. Das fand ich schön. Es gibt Menschen, die zwar alt werden, aber in ihrer Gestalt und ihren Gesichtern kann immer noch die Jugend abgelesen werden. Vielleicht heißt es daher auch Ewige Jugend. Und sie ist tatsächlich jung geblieben, diese kleine alte Dame. Sie sprühte so voller Lebensfreude und Antriebskraft. Zum Zahnarzt wolle sie, einen, den sie gut kennt und der an den Samstagen immer Sprechstunde hätte, das wäre sehr vorteiltaft, denn dann gäbe es keine langen Wartezeiten.

Und in der kurzen Zeit, in der wir beieinander standen, sie auf das Aufhören des Regens wartete, ich auf die Öffnung des Kinos, erzählte sie mir in Bruchstücken ihr Leben. Das sie es gut hatte, bei den Schwestern ihrer Mutter, die sie aufgezogen haben. Das sie hier in Frankfurt geboren wurde und niemals raus gekommen ist. Dass sie den Krieg gut überstanden hatte und dank der vielen Landschaftsgärtner und Bauern um Frankfurt herum, keine Not gelitten hat. Ihre Männer, zwei an der Zahl, habe sie verloren, sie hat sie sehr geliebt. Nun war sie die letzten 15 Jahre schon allein. Es hat sich nichts mehr ergeben mit einer nochmaligen Möglichkeit einer Zweisamkeit. Aber sie könne gut damit umgehen, sie lebe in einem Haus mit einer netten Hausgemeinschaft, vor allen Dingen der "Kümmeltürke", so sprach sie von ihm,-), sei ihr bester Freund und Nachbar. Wir mussten beide lachen bei dem Ausdruck. Ich erzählte ihr, dass mein Vater die türkischen Mitbürger auch immer so genannt hat. Nur bei ihm war es ein Schimpfen, bei der alten Dame war es eine zärtliche Liebkosung. Ich fand das schön:)

So war diese nette Begegnung mit der alten Dame eine wegweisende Einführung in den Film, den ich mir nun anschauen wollte. Denn auch dort wurde von Menschen ja das Leben erzählt. Wir verabschiedeten uns und sie gab mir mit auf den Weg, dass ich niemals das Lächeln verlieren sollte und den Dank an das Leben Tag für Tag. Und ein klein wenig erhob sie ihren Zeigefinger und meinte, liebe junge, Frau und schön das Rauchen sein lassen,-) Versprochen, sagte ich ihr noch,-)

Der Film hat versprochen, was ich von ihm erwartete und mir vorgestellt hatte. Ich hab mich berühren lassen von all den Lebensbeichten und Erzählungen. Vieles von dem, was gesagt wurde, habe ich selber auch erfahren oder im Laufe meines Lebens an Einsichten gewonnen. Dass das Glück oft nur Momente sind, aber dass es darum geht, zufrieden zu sein, mit dem, was ist. Dass Schweres überwunden werden kann, dass es Versöhnung gibt, auch wenn die Wunden immer bleiben und sie aufbrechen können, bei ähnlichen Erfahrungen in der Gegenwart, aber dass das nicht bedeutet, dass mit der Vergangenheit kein Friede geschlossen wurde.

Wenn so zugehört wird, was Menschen erleiden und dann sieht man, über was so manch ein Zeitgenosse sich aufregt oder herumnörgelt, dann wird man ganz still und denkt, du Narr, du hast dein Leben nicht begriffen. Ich möchte auch gar nicht so viel von dem erzählen, was gesagt wurde, sondern laß es offen, damit jeder, der sich den Film anschaut, seine ganz eigenen Eindrücke hat und sich genau von dem ansprechen läß, was ihm wichtig ist und war.

Der Film zeigt das Leben des Menschen, in seiner Individualität, aber auch in seiner Vielfalt, in all dem, was auf der Welt ist und herrscht vom Leben, Krieg, Zerstörung aber auch Paradiese. Und er läßt auf jeden Fall zurück, viel muss sich noch ändern überall. Und wenn Bertrand zwischen den Interviewsequenzen diese wunderschönen Naturaufnahmen zeigt, dann kommt der Gedanke einfach auf, dass es ein Muss ist, dass jeder Einzelne gefragt ist, daran teilzunehmen, diese Welt zu verändern, sei es in großen Aktionen oder einfach nur in seinem eigenen kleinen Lebensalltag. Jeder hat seinen eigenen Weg und sin eigenes Charisma, das er einsetzen soll.

Berührt, nachdenklich und erfüllt verließ ich das Kino. Zuhause bei meinen Recherchen über den Film hab ich noch entdeckt, dass man ihn bei you tube in der Originalfassung auch sehen kann. Es fehlen halt die deutschen Übersetzungen.

Ich gebe einen Link für alle Interessierten und zufällig in meine kleine Blogseite Hineinschauende:) https://www.youtube.com/watch?v=FLqft-ICVQo


Viel Freude beim Schauen!

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