Warum denn in die Ferne schweifen, so das Schöne liegt so nah...., so heißt es doch in einem Spruch. Gerade an diesem Wochenende fiel es mir mal wieder auf, wie wenig ich eigentlich von Deutschland kenne, von den kleinen Städtchen, die sich wie Kleinode zeigen, von den Menschen, die dort leben, von Kultur und Gewohnheiten und natürlich von der Vielfalt der Landschaften.
Nun denn, kleine Schritte bringen auch voran. Meine Schritte bewegten sich an diesem Wochenende zu einem Pilgertreffen in Schwäbisch-Hall. Schon am frühen Morgen des Freitags mache ich mich auf den Weg und ich sehe es als gutes Zeichen an, dass die Morgensonne mit ihrer Röte, die sich auf dem Rhein widerspiegelt, mir ihre Avancen macht. Ein schönes Bild, wie ich da so über die Zoobrücke fahre, meinem ca. 380 km entfernten Ziel entgegen.
Das Wetter ist mir die ganze Fahrt hold, kein Stau, ich komme prima durch, verfahre mich nur einmal an einer Autobahnkreuzung und muß leider 50 km wieder zurück, Rg. Nürnberg, um die Ausfahrt Schwäbisch-Hall zu erreichen. Von dort fahre ich durch hügelige Landschaften, deren Wiesen grün leuchten und auf denen die buntfarbigen Blätter der Herbstbäume kleine Punkte gemalt haben. Schön sieht das aus. Nach ca. 20 km erreiche ich die Jugendherberge in Schwäbisch-Hall, wo ein Pilgerbruder alles für uns 6 Personen, allesamt haben wir uns auf dem Jakobsweg in Spanien kennengelernt, reserviert hat. Da wir beide noch eine Weile allein sein werden, machen wir uns auf Erkundungstour des Örtchens. Der Pilgerbruder kommt aus Welsheim, was also nicht sehr weit von Schwäbisch-Hall entfernt liegt und kann mich über so einige Sehenswürdigkeiten aufklären. Schwäbisch-Hall ist Kreissitz und auch die größte Stadt des Landkreises Schwäbisch-Hall. Die Stadt hat ihren Namen durch den noch von früher bekannten Ausdruck des "Hellers", eine alten Kupfermünze, bekannt ist sie gerade auch wegen ihrer großen Festspiele auf der Freitreppe vor der Michaelskirche, sozusagen ein kleines Salzburg. Mir gefällt es. Leider hat am Nachmittag die Kirche geschlossen, so daß wir sie nicht besichtigen können. Das macht auch nichts, man kann sich eh nie alle Kirchenräume, die man jemals irgendwo gesehen hat, verinnerlichen, wenn man nicht gerade Kunstkenner oder Architekt ist. Und die Erfahrungen, die man spiritueller Art machen kann, sind doch bei einer vom Tourismus angezogenen Kirche sehr gering, zu laut und zu voll.
Also maschieren wir weiter, über den wunderschönen Marktplatz, der uns am anderen Morgen ein breites Spektrum von Waren der umliegenden Bauern zeigt. Ein Traum von Angebot und Qualität. Wenn ich da an unseren Nippesser Markt denke. Gemüse, Obst, Korbwaren, Bäcker, Fleischer, Blumen, Imker, alles ist hier zu finden. Ein kleines buntes Treiben und alles so beschaulich und gemütlich. Ob ich hier leben könnte. So eine Frage stelle ich mir immer, wenn ich an andere Orte reise. Wir maschieren an der Alten Stadtmühle vorbei, in der heute das Fränkische Museum untergebracht ist, ersparen uns aber eine Innenansicht. Dafür wird meine Aufmerksamkeit auf das Museum des ortsansässigen Industriellen Würth gelenkt, denn dort gibt es eine Baselitz-Ausstellung. Und da ich absoluter Baselitz-Fan bin, weil mir gefällt, dass er seine Objekte gern auf den Kopf stellt und somit zum Ausdruck bringt, dass es doch wohl wichtig ist, die Dinge aus anderer Sicht zu betrachten, besuchen wir also das kleine Museum, das architektonisch sehr imposant ist und auch die Innenräume großflächig zum ruhigen Flanieren und Schauen geeignet ist. Was mich aber am meisten erstaunt, ist, wir brauchen keinen Eintritt zu zahlen. Wo gibt es denn so was noch? Der Industrielle Würth ist ein so großer Kunstliebhaber, dass er das Museum sozusagen als Mission versteht, nämlich in die Richtung, wirklich allen Menschen die Möglichkeit zu bieten, in Berührung mit eben dieser zu kommen. Das nenne ich nobel. Auch für das Wegsperren der Garderobe keinen Pfennig. Klasse.
Nach rd. einer Stunde intensiven Schauens und Philosophierens über den Ausdruck der Bilder und der eigenen Interpretation, plauschen wir noch bei einem Kaffee und brechen wieder auf und gehen über den Badtorweg wieder zurück in unsere Jugendherberge, die ein wenig abseits oberhalb auf einem Hügel liegt, von dem man einen wunderschönen Ausblick auf die Kulisse der Stadt hat. Der Preis 20,--€ für eine Übernachtung ist in Ordnung, natürlich gemessen an den Preisen der Pilgerherbergen in Frankreich und Spanien nicht zu vergleichen und mit meinen Unterkünften in Indien und Nepal sowieso nicht. Aber, inzwischen sind auch die restlichen Mitpilgerer angekommen, wir haben zumindetens Herbergsathmosphäre, belegen ein Zimmer mit 6 Betten und naja, das Geschnarche ist groß und ich bin nicht ganz unbeteiligt dieses mal, denn meine von der Erkältung heimgesuchte Schnupfennase macht mir das Atem schwer, naja, jedenfalls, so sagt man mir am anderen Morgen, habe ich in verschiedenen Tonlagen geschnarcht. Bin halt doch Sängerin. Ist ja auch eine Kunst in Sopran-, Alt- und Baßtönen zu schnarchen. Aber wie auch auf dem Pilgerweg in Spanien, wir tragen es alle mit Fassung und haben unsere Freude aneinander und miteinander.
Und am nächsten Morgen brechen wir also auf, um die Tour von Schwäbisch-Hall nach Murrhardt zu laufen, sage und schreibe ganze 28 km. Und auch heute, an diesem Tag ist das Wetter uns hold, mehr als hold. Wir soll man es beschreiben, spätsommerherbstlich, einfach nur klasse. Schon nach kurzer Zeit können wir unsere Anoraks ausziehen und die Wärme noch einmal unseren Körper spüren lassen. Der Weg bietet Weite, überall säumen Obstbäume die Wiesen und hier und da können wir uns an einem heruntergefallenen Apfel laben. So soll es sein, ist doch immer wieder schön, so einfach die Hand auszustrecken, um sich verwöhnen zu können.
Unterwegs wechselt man immer mal wieder den Gesprächspartner, tauscht sich aus, wie es dem einen oder anderen nach dem Nachhausekommen vom spanischen Jakobsweg ergangen ist. Was er mitgenommen hat, was er umgesetzt hat, all die Pläne oder Wünsche und Träume, die sich auf dem Weg gezeigt haben. Es ist ganz unterschiedlich. Der eine hat sich tatsächlich sehr weit aus sdeinem Geschäftsleben zurückgezogen, macht eine Pause, der andere wiederum ist in der Alltagsmühle gefangen, wie eh und je, dennoch nimmt er die zwischenmenschlichen Erfahrungen mit, die er auf dem Weg gemacht hat, kann sie in Alltagssituationen mehr umsetzen, ist offener geworden für das Gegenüber. Ich meine, das allein ist doch schon eine gute Auswirkung. Und natürlich gibt es mal wieder viel zu lachen und zu scherzen, die Freude der Pilger am Beisammensein, an der Bewegung, an der Natur ist unbegrenzt. Ja, und na klar, eine Strecke, ein Tag und all die Plagen, die man auch auf dem Jakobsweg erlitten hat. Jedenfalls bei mir. Wieder Blasen an den Füßen, keine Ahnung warum, bin halt zart besaitet, plötzliche Schmerzattacke, nicht wissend woher, stoppt für einige Kilometer mein Laufgeschwindigkeit, weil ich mal wieder die Schnellste bin, aber es stellt sich Gott sei Dank später als harmlos heraus. Und auch trotz des schönen Wetters kommen wir durch ein Wäldchen, in der uns der Weg ein wenig Mühe macht, denn wir laufen durch zentimetertiefen Matsch, haben Mühe, den Schuh wieder herauszuziehen, müssen balancieren, nach anderen Möglichkeiten suchen, wie im Leben halt, wenn es Probleme gibt. Genau in diesem Moment klingelt mein Handy. Verdammt, ich hatte vergessen es abzuschalten. Und wer ist dran. Ich muß schmunzeln. Ein Blogger. Röschen, geht es dir gut, seine Frage. Ja klar, ich erfreue mich des Lebens und versuche nicht im Boden zu versinken. Erst da geht ihm ein Licht auf. Aber schön ist es zu wissen, es wird sich Sorgen gemacht, wenn man mal zwei, drei Tage verschwunden ist von der Bildfläche. Soll einer noch mal sagen, bloggen sei was Negatives.
So kommen wir gegen Spätnachmittag in der Jugendherberge in Murrhardt an, lassen uns noch ein wenig von der untergehenden Sonne verwöhnen und dann ab zum Italiener, wo ein wunderschöner Tisch auf uns wartet und auch dieser Abend endet nicht nur feuchtfröhlich, sondern ist nebenbei gespickt mit vielen tiefen und ernsten Gesprächen. Man hat halt Zeit als Pilger, Ruhe und Muße, um sich einmal ein bißchen näher mit dem ein oder anderen Thema zu beschäftigen. Die Oberflächlichkeit des städtischen Lebens ist vergessen, wir genießen den Abend und fallen müde, aber glücklich irgendwann in der Nacht ins Bett, dürfen, auch da war das Glück uns hold, eine Stunde länger schlafen und sitzen vergnügt am Frühstückstisch beisammen und müssen doch, jedenfalls der ein oder andere, langsam an den Aufbruch denken. So folgt nur eine kleine Tour an diesem Morgen und dann verabschieden sich die ersten, wogegen ich noch mit zwei Pilgerbrüdern, das Ferien- und Hausdomizil des in Welzheim ansässigen Pilgerbruders bestaune, mich dann dort nach einem Prummekuchen und Kaffee, ebenfalls verabschiede und mich wieder auf den Weg zurück nach Köln mache.
Schön war es. Und, wie auf der Hinfahrt, verabschiedet mich die untergehende Sonne, die ihr orangerotes Licht über die Landschaft wirft. Ja, sie war eine gute Begleiterin und sagt man nicht, wenn Engel reisen.
Es geht dann aber rasch mit der anbrechenden Dunkelheit und ehe ich mich versehe, befinde ich mich auf einer dunklen Autobahn, die mir, nach langer Abstinenz des nächtlichen Fahrens ein wenig Angst einjagt. Alles schimmert und verwischt, die Lichter, der manchmal herannahenden oder vorauseilenden Autos, die anscheinend nicht mehr so ganz der Fahrzeugsicherheit genügen, die Grenzstreifen auf den Spuren, ich muß mich dran gewöhnen. Aber schon nach einer knappen dreiviertel Stunde habe ich meine alte Sicherheit wiedergefunden und ab geht es mit einer guten Geschwindigkeit, ohne große Probleme, ohne Staus und Unfälle und ich freue mich, dass alles gut gegangen ist. Ist ja alles nicht selbstverständlich!
So komme ich gegen 20.00 Uhr müde, aber glücklich wieder zuhause an, die Anspannung des Fahrens läßt langsam nach und ich falle müde ins Bett. Wir werden uns alle wiedersehen. Das nächste Mal in Speyer, dann im Herbst bei mir in der schönen Eifel und immer so weiter. Wie schön. Ein Gewinn der Jakobsweg. Und ich muß sagen, der Weg in Schwäbisch-Hall war ausnahmslos wunderbar beschrieben und mit den charakteristischen Muschelzeichen bestückt. Man brauchte keinen Plan, konnte sich gut orientieren.
Und das schöne ist, ich hab dabei auch wieder ein Stück schönes Deutschland kennengelernt. Was nicht alles so passiert. So freue ich mich auf das nächste Treffen. Deutschland ist schön, schade das viele so wetterabhängig sind. Denn das hört man ja immer wieder, ich würd ja in Deutschland bleiben, aber das Wetter. Dabei gibt es doch gar kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
In diesem Sinne, auch die Jakobswege in Deutschland sind zu empfehlen. Und unser schönes Deutschland ebenfalls, versuchen sie es mal. vielleicht erstmal bei einem Kurzurlaub!
Hier noch ein Link, wer etwas mehr über Schwäbisch-Hall und die Umgebung wissen möchte:Schwäbisch-HAll