26. Februar 2020
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Wenn ich einkaufen gehe, mache ich mir zuvor meist einen Einkaufszettel. Manchmal, wenn ich weiß, dass ich in der jeweiligen Woche nur einmal in den Supermarkt meines Vertrauens brauche, sammele ich bis zu dem Tag an dem ich los marschiere meine Notizen der gebrauchten Waren auf diesem.
Manchmal ist es so, dass ich schon schon fast vor meinem Supermarkt des Vertrauens angekommen beim Fühlen in meine Mantel oder Jackentasche, um ihn hervorzuholen, denke verdammt. Vergessen. Den Einkaufszettel. Mist. Da liegt er jetzt auf meinem Schreibtisch. Sagt mir meine Erinnerung. Nützlich und doch unnützlich. Weil..was soll ich mit einem Einkaufszettel, wenn ich ihn da, wo ich ihn brauche, nicht habe. Verhext. Völlig umsonst. Festgehalten. Alles.
Während ich meinem Chip für das Loslösen eines Einkaufswagens in der Geldbörse suche überlege ich krampfhaft, was alles drauf stand und wozu ich dieses und jenes brauchte, um für die nächste Woche versorgt zu sein. Zumeist, stelle ich dann fest, habe ich alles im Kopf. Bin dann immer glücklich. Dass es doch noch funktioniert. Das Gedächtnis. Weil, manchmal lässt es mich auch im Stich. Dann, wenn ich gerad mal was von einem Film erzählen will und die Handlung so präsent ist wie nix, aber himmikruzitürken der Titel fehlt. Oder der Autor des Romans den ich vor Wochen gelesen habe, der Titel ist da, aber der Name ist verschwunden, von dem, der es schrieb. Das Buch.
Den Einkaufswagen durch die Gänge schiebend rekonstruiere ich dann meinen Einkaufszettel. Versuche die Reihenfolge gedanklich nachzukonstruieren. Zu 95% klappt das dann auch. Zu Hause angekommen, die Taschen ausgepackt, fehlte nix. Nur ganz manchmal ist mir ein oder auch schon mal zwei der Dinge, die drauf standen durch die Lappen gegangen. Die werden dann ganz einfach auf einen neuen Einkaufszettel geschrieben. Für die nächste Woche, so sie nicht überlebenswichtig für die anstehende waren. Sollten sie es gewesen sein, bleibt mir nix anderes übrig, als meinen Weg zum Supermarkt des Vertrauens noch einmal zurückzulegen. Denn wie sagt ein altes Sprichwort: Was du nicht im Kopf hast, musst du in den Beinen haben. Und es ist wirklich eins der unzähligen Sprichwörter, die einfach unterschrieben werden können, weil es einfach wahr ist.
Zuhause hab ich ein kleines Kästchen. Da liegen sie drin. Die Einkaufszettel. Nein, nicht die meinen vergessenen. So weit geht es dann doch nicht. Wer will schon wissen, was er vor Monaten einkaufen wollte. Völlig uninteressant. Obwohl? An Einkaufszetteln kann zuweilen viel ab- und heraus gelesen werden. Schon an der Schrift kann man erkennen, ist er schnell hingehuscht worden oder wurde er buchhalterisch bis ins kleinste durchdacht und sogar der Reihenfolge der angebotenen Waren eines Supermarktes aufgelistet. Das schafft ja immerhin Erleichterung beim Einkauf. Man rennt nicht konfus von einem zum anderen Ende. Wohlgemerkt, es muss dann natürlich immer der Haussupermarkt sein, zu dem man gewöhnlich geht. Sonst nützt es ja nix.
Je nachdem, womit der Einkaufszettel beschrieben wurde, z.B mit vielen Putzmitteln, könnte es sein oha der Einkäufer hat einen Frühjahrs- Weihnachtsputz oder einen ganz einfachen nun-aber-endlich-mal-wieder-schon-lange-nötig Putztag vor. Und manchmal denkt man, sollte ein solch beschriebener Einkaufszettel von Irgendjemandem gefunden werden, hättest du bei dir auch mal nötig. Und schwups prüft man zuhause seine eigenen Vorräte, holt seinen eigenen Einkaufszettel und schreibt die fehlenden Dinge druff. Kann doch sein.
Oder es ist eine Einkaufsliste von den wunderbarsten Köstlichkeiten aller Art. Da hat man den Gedanken, ein ganz besonderes Festessen zu einer besonderen Angelegenheit soll da zelebriert werden. Schließlich macht man ein aufwendiges Menü ja nicht jeden Tag. Die Fantasie kann da so herrlich walten. Wobei ja klar ist, wenn da z.B. auf einem Einkaufszettel steht, Tiefkühlpizza, Energiedrinks, Chips und Bier, weiß man doch gleich, ist klar, lange Nerdnacht am Heim-Pc. Ok ok ok kann auch ein Filmabend sein. Kein vernünftiger Mensch ernährt sich einfach so mit diesen Dingen, wohl möglich noch romantisch bei Kerzenlicht am Küchentisch. Obwohl...Es gint ja Nix, was es nicht gibt. Egal..
So schau ich grundsätzlich auch immer interessiert bei Schlangen an Kassen was denn die Vordermänner so auf das Fließband legen. Da wird mir nie langweilig. Ich finde das interessanter als in das viereckige Ding, ihr wisst schon, zu glotzen, weil man, wenn man dann von den Waren auf die Einkäufer schaut, auch gleich eine kleine Alltagssoziologiestudie vornehmen kann. Natürlich alles unter Vorbehalt.
Jedenfalls... neulich, um zu meinem kleinen Kästchen der gefundenen Einkaufszettel, irgendwo auf dem Bürgersteig oder im Einkaufswagen liegengebliebene, zurückzukommen..fand ich mal wieder einen kleinen, feinen in leserlicher Handschrift gestalteten. Interessiert hob ich ihn auf und studierte ihn.
Da ich nix Besonderes vorhatte an diesem Tag und es Glückes Geschick auch tatsächlich mal warme Sonnenstrahlen gab zwischen den verstürmten und verregneten Tagen dieser Zeit, nahm ich die Gelegenheit wahr und setzte mich für einen Moment an meinen Lieblingsplatz, den Weiher meines nahen Stadtparks und studierte ihn. Den Einkaufszettel.
Es könnte angenommen werden, dass das Studieren von Einkaufszetteln anderer Leute doch weniger aufregend ist, als ein Büchlein zu lesen oder die aktuellen Tagesnachrichten. Könnte man. Das ist jedoch nicht so. Bei mir jedenfalls. Denn zumeist, wenn ich genügend Zeit habe, verfüge ich über eine reiche Fantasie. Ich erzähle mir anhand eines solchen Einkaufszettel dann selber kleine Geschichten über den Menschen, der ihn verloren hat oder einfach achtlos nach seinem Einkauf auf den Bürgersteig hat sinken lassen. Vielleicht ist er ihm auch aus der Tasche gerutscht beim Hervorholen eines anderen Gegenstandes.
Ist die Handschrift sauber, akurat, ordentlich und sehr gut lesbar ist es bestimmt eine Frau gewesen. Ich weiß jetzt nicht, ob eine Statistik das beweisen würde, ob die Handschrift einer Frau überwiegend leserlicher, gar schöner ist als die eines Mannes. Es sagt mir aber meine eigene Erfahrung mit handschriftlichen Texten, zu denen ich im Laufe meines Lebens Zugang hatte von Frau und Mann. Denn tatsächlich ist es auch schon vorgekommen, dass ich über eine Postkarte einer mir näher vertrauten Person ein paar Tage gebraucht habe, bis ich den Text vollständig entziffert hatte. Soll vorkommen. Ganz wirklich. Solange ich den Text lesen kann, wie lange ich auch immer dazu brauche, ist es mir auch wurscht. Für seine Handschrift ist ja letzten Endes jeder selbst verantwortlich. Und ich schrieb es ja auch einmal, ich mag handgeschriebene Texte, Briefe etc... Die sagen doch viel mehr aus über den Menschen und möglicherweise über das Befinden desjenigen zu dem Zeitpunkt, an dem der Text geschrieben wurde. Ist so. Hingegen ist eine Nachricht über das all so beliebte Whats-Dingens-Gedöns oder eine Email doch viel undefinierbarer diesbezüglich. Nicht mal einen Schreibfehler kannst du mehr erkennen, denn das Schreibprogramm merzt sie zumeist aus, so es denn angestellt ist.
Wie auch immer, diesen in meiner Hand befindlichen Einkaufszettel konnte ich lesen und stellte mir in diesem Falle eine Frau vor, die sich ob der einzukaufenden Dinge auf diesem
darauf vorbereitete etwas sehr gutes und leckeres zu kochen. Da es noch recht früh am Nachmittag war, musste es meiner Fantasie nach eine Frau sein, die keinen, zumindestens an diesem Tage, 8-Stunden-Tag absolvierte oder möglicherweise war sie gar nicht berufstätig und hatte viel Zeit, so wie ich. Anhand der Lebensmittel, die sie besorgt hatte, schloss ich auf ein schnelles, einfaches, jedoch sehr köstliches Mittags- oder Abendmahl. Dass es sich um ein Mahl für 2 Personen handelte, entnahm ich der Nachspeise, die sie eingekauft hatte. Es war nämlich ein Fertigprodukt und das 2 mal, ergo...wenn sie nicht für 2 Tage nur für sich allein kochen wollte, lag das auf der Hand.
Da saß ich jetzt im warmen Sonnenlicht und ließ einfach eine kleine Alltagsgeschichte vor mir ablaufen. Wie die Frau nach Hause kommt, ihre Taschen ausleerte, wegräumte, was sie nicht brauchte und sich an die Zubereitung des Essens begab. Wie sie in der Küche stand, hackte und rieb, dabei in guter Laune sich befindend, den Song aus dem Radio oder der CD mitträllerte und voller Vorfreude auf den schön gedeckten Tisch mit den Köstlichkeiten war. Ihr die Zwiebel, wie mir im übrigen auch immer, die Tränen in die Augen trieb und das Abreiben des Käses ein kleines Malheur mit sich brachte, da sie beim Endstück nicht aufpasste und sich einen kleinen Finger blutig schrubbte. So was kann passieren. Es gibt nix Sinnlicheres als all die Dinge selber zuzubereiten, die man dann am Ende auf dem Teller hat. Auch wenn mal kleine Ungeschicke passieren. Eine kleine Alltagsmeditation.
Ich schrieb ihr zu, dass sich die Vorfreude auch auf den Mitesser bezog. Wahrscheinlich ist es ein Mann, ihr Mann oder eine gerade erst begonnene neue Verliebtheit. Jedenfalls fand ich diese Idee wildromantisch. Wie er dann an der Türe klingelte, sie ihn stürmisch begrüßte, er den Geruch, der aus der Küche vom Kochen durch die Wohnung zog, lobte und ihr gestand, wie sehr er sich auf sie und ein leckeres Essen jetzt gefreut habe nach einem langen Arbeitstag. Da saßen sie beide nun. Kerzenlicht, zwei Gläser mit Weißwein in der Hand haltend, auf den Tag und auf sich anstoßend, vielleicht auch auf die Zukunft und genossen das Sitzen am Tisch mit dem einfachen aber auch köstlichen Essen auf ihren Tellern und ließen den Tag Revue passieren.
Es hatte alles geklappt. Dank des Einkaufszettels. War nix vergessen worden. Sie hat ihn bedenkenlos verlieren können oder wegschmeißen. Für sie war er unnütz. Für mich war er an diesem Nachmittag nützlich. Er hat mir eine kleine Träumerei über menschliche Begebenheiten und Möglichkeiten in meiner Fantasie beschenkt. Und ich verrate meinen geneigten Leser jetzt noch etwas. Ich habe aus den von ihr eingekauften Lebensmitteln ein paar Tage später selber etwas gekocht. Ich musste etwas dazu einkaufen. Das meiste hatte ich aber daheim. Ich verrate Euch jetzt, was ich auf dem Tisch hatte, dann könnt ihr Euch zurecht fantasieren, was auf dem Einkaufszettel alles stand und ob ich es allein oder zu Zwein oder zu Drein genossen habe.
Es gab:
Einen kleinen Salat
Arborio-Reis
Mousse au chocolate
Weißwein
Tja, es sind nicht viele da. Einkaufszettel. In meinem kleinen Kästchen. Aber zu jedem hab ich tatsächlich eine kleine richtige Geschichte geschrieben. Daher bewahre ich sie auf.