Der Morgen ist nass und grau. Der Regen fällt in feinen langen Streifen vom Himmel. Es ist nicht der Sonnentag, so wie damals, als du dein Ja gabst. Ein Ja mit Unsicherheit. Heute soll das Ja mit Sicherheit nun nach acht Jahren besiegelt werden. Auf dem Papier. Bürokratie.
Obwohl schon so lange getrennt, ist es plötzlich doch noch einmal ein denkwürdiger mit vielen Gefühlen behafteter Gang. Keine schlechten jedenfalls. Es ist alles richtig und gut wie es gewesen ist. Du hast endlich den Eindruck, dass nun Freiheit da ist. Du selbst bist und sein kannst.
Du schaust zurück nach damals. Kurz vor deinem 17. Geburtstag an dem ersten Weihnachtstag, den du allein verbrachtest, mit deiner Musik, auf dem Boden liegend mit deinem treuen Begleiter, deinem Hund. Damals dachtest du, endlich Freiheit. Niemand mehr da, der dir das Leben schwer macht und du warst glücklich. Doch kam es anders. Du machtest die falschen Schritte und irgendwann konntest und wolltest du nicht mehr nein sagen, zu dem wie es gekommen ist. Es war auch nicht schlecht. Aber es fühlte sich auch nicht richtig an. Daher war das Ja auch kein sicheres Ja, nie gewesen. Und heute, wenn du zurückschaust siehst du, dass du niemals da warst, wo du warst. Du denkst, das ist mein Anteil an allem, dass du nie ganz da warst, wo du warst. Nicht da sein, wo man ist, ist ein Zustand der tragbar sein kann.
Und immer, wenn du zurückschaust auf all die Jahre deines halben Lebens ist es in Ordnung für dich, wie es war. Manchmal denkst du, damals, als die Kinder noch klein waren, als du gehen wolltest, du hättest es tun sollen. Nicht weil du heute denkst, etwas verpaßt zu haben. Nein, wegen dem Schmerz, der um so stärker war, je länger die Jahre der Gemeinsamkeit bestanden. Es fehlte nicht nur der Mut. Es war anders. Du wolltest dass die Kinder Eltern haben, beide Eltern, eine Familie. Sie sollten das bekommen, was du selber nie hattest. Und jetzt, wo du zurückschaust, kannst du dazu stehen. Geben ist ein sich selber vergessen. Das konntest du gut. Es hatte ja einen Sinn. Deine Kinder. Und es war gut, alles, wie es ging mit allem. Es war eine gute Zeit.
Du hast gesucht und gefunden, verworfen, wieder gesucht und gefunden, wieder verworfen und in all diesen Prozessen hast du dich mehr und mehr gefunden und hast die richtigen Schritte getan, die Entscheidungen getroffen, die nötig waren in vielen Dingen. Es ist euch beiden gut gelungen, das Leben mit den Kindern. Sie waren glücklich und sind es heute und blicken dankbar zurück. Was willst du mehr.
Irgendwann hast du erkannt, dass es nun nicht mehr weiter gehen kann, so wie es war. Die Kinder wurden selbständig, zogen aus und du dachtest, gemeinsam älter werden geht nicht. Jetzt muss jeder seinen eigenen Weg gehen. Nicht, dass es dir nicht schwer gefallen wäre. Das Leiden des Weggehens war für jeden von euch da, nur anders. Eine schwere Zeit.
Aber ihr hab es geschafft. Ohne Rosenkrieg, ohne Zerwürfnisse und bittere Vorhaltungen. Im Gegenteil, hervorgehoben habt ihr das Gute, das war und die Zeiten, wo auch Glück spürbar.
Die Kinder haben auch gelitten. Es ist nicht so, dass gedacht werden kann, wenn sie selber erwachsen sind, ist das kein Problem. Wer das sagt und denkt, belügt sich selbst. Auch sie haben Schmerz. Doch auch er heilt und heute könnt ihr alle beisammen sein. Eigentlich ging es schnell mit dem Zusammensein, ihr alle. Ihr könnt fröhlich sein, miteinander lachen, euch begegnen mit all dem, was webt und dürft alles aussprechen. Das ist schön.
Es gehört viel Mut dazu, Gewohnheiten zu verlassen. Nichts ist plötzlich mehr so, wie es war. Die Freunde wissen nicht mit wem. Du selber musst mit den eigenen Schuldvorwürfen kämpfen, auch einer gewissen Scheu und Angst vor den Menschen, wegen den Urteilen. Es kommen die Sätze hoch wie, bis dass der Tod euch scheidet. Und dass sitzt. Die ganze Moral, man muss, man sollte, man darf nicht.
Vielleicht ist *perfekt* immer zu hoch gegriffen. Ein guter Tag jedenfalls, das war er. Ein gutes Leben ganz sicher, das war es bisher. Ein gutes Leben in der Zukunft, das wünsch ich mir weiter.
Habt Mut!