Was ist Gemeinschaft, wie verhalte ich mich in Gemeinschaft, wie lebe ich Gemeinschaft. Unsere erste Gemeinschaft ist die, in wir hineingeboren werden, ohne dass wir Einfluss darauf haben, oder? Na ja, da gibt es ja viele religiöse, philosophische und esoterische Antworten drauf. Aber darauf will ich ja gar nicht hinaus! Dann kommt später die Gemeinschaft von Freunden, mit der man sich umgibt, die eigene Gemeinschaft, sprich Ehe und Familie, dann möglicherweise das Gemeinschaftsleben in Haus- und Nachbarschaft, Gemeinde und das alles ergibt dann ein Teil unserer Gesellschaft.Aber welche Erfahrungen macht man da so?
Ich erinnere mich an die Kindheit an eine Familiengemeinschaft, die keine war, geprägt von Verletzungen, Armut und Alleinsein in derselben. Als ich in die Pubertät kam und sah, was so auf dieser Welt passierte, habe ich mich verweigert! Bin radikal gegen Unrecht und Lieblosigkeit angegangen! Heiraten wollte ich eigentlich nie! Doch dann hat die Liebe gesiegt und da war sie dann plötzlich da, die erste kleine Gemeinschaft! Kinder sollten da nach meiner damaligen Auffassung nicht dazukommen. Zuviel Angst vor der Verantwortung, Angst, dass möglicherweise meine Kinder dasselbe erfuhren, wie ich! Aber auch hier hat es einen positiven Wandel gegeben. Das erste Kind verlor ich. Vielleicht war ich doch noch nicht reif. Aber dann klappte es und es kamen die Kinder mit zwei Jahren Unterschied zur Welt. Nun stand ich da, völlig hilflos und wusste nicht, wie ich diese Gemeinschaft leben sollte. Wie erziehe ich die Kinder, wie schaffe ich ein wirkliches „Familienleben“! Immer auf der Suche nach Werten und Idealen bin ich immer ein Stück weiter vorangekommen.
Die Familie zeigte mir meine eigenen Schwächen, vor allem die Kinder machten deutlich, wo es fehlte! Verzicht war angesagt, Rücksichtnahme und Disziplin! Die Rollen veränderten sich. Plötzlich war ich mehr Mutter, als Frau! Der Beruf wurde aufgegeben. Aber dadurch trat ich dann auch in Kontakt mit anderen Gemeinschaften! Sei es durch Kindergarten- und Schule, in Eltern- und Schulpflegschaften! Immer bemüht, auf der Suche nach meinem großen Ideal, Gemeinschaft zu leben, die sich auszeichnet durch ehrliche, offene und freundliche Kommunikation und Auseinandersetzung, bin ich ein Wanderer auf diesem Weg geblieben.
So kam es auch, dass ich hier in unserer Gemeinde in eine Glaubensgemeinschaft gegangen bin, um auf der Grundlage des christlichen Glaubens die für mich erstrebte und immer gesuchte ideale Gemeinschaft zu leben! Dort habe ich fast 15 Jahre gebraucht, dass auch das nur Illusion ist. Gegeben habe ich alles, meine Zeit, mein Geld, meine Kreativität, aber vor allem mein Herz. Als ich bemerkte, dass da einiges aus dem Ruder lief und hinterfragte, wurde ich immer mehr ins Abseits gedrängt. Es wurde keine Kritik erwünscht. Man hatte „gehorsam“ zu sein dem Wort des Katechisten gegenüber! Als es soweit kam, dass diese Gemeinschaft sich als die wahren Gläubigen präsentierten und ich da mit machen sollte und sogar missionieren sollte, habe ich mich verweigert. Ich bin kein Missionar. Ich wollte meinen Respekt und meine Hochachtung gegenüber allen Menschen und allen Religionen behalten. Ich hatte keinen Anspruch auf Alleingültigkeit. Wohin hat das geführt. Eines Tages wurde ich, mit drei weiteren Personen aus dieser Gemeinschaft verwiesen. Es hieß, die Gemeinschaft sei für uns gesperrt! Warum, außer, dass ich kritisch hinterfragt hatte, keine Kraft mehr hatte, den Leistungsanforderungen dieser Gemeinschaft zu entsprechen, habe ich mir nichts zu schulden kommen lassen. Man hatte mir auch vorgeworfen, zu offen, über die Probleme in dieser Gemeinschaft zu sprechen!
Von einem Tag auf den anderen, waren alle die, die 15 Jahre mit mir diesen Weg gegangen sind und deren Kinder ich gehütet und gepflegt hatte, nicht mehr für mich da. Sie ignorierten mich, wechselten die Straßenseite und hatten Angst ein Wort mit mir zu reden. Noch nicht mal den Mut hatten sie! Heute habe ich erkannt, dass ich es geschafft habe, aus einer sektenähnlichen Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche herausgekommen zu sein und bin dankbar. Aber auch hier bin ich versöhnt, denn es war auch nicht alles schlecht, was ich dort erlebt hatte.
Geheilt bin ich aber trotzdem nicht! Immer noch strebe ich nach dem Ideal, dass eine Gemeinschaft ausmacht. Ich wünsche mir immer noch, dass Menschen, wenn sie sich begegnen, offen und freundlich aufeinander zugehen, dass sie sich bemühen, Missverständnisse und Unstimmigkeiten sofort zu klären. Dass immer alles aus dem Weg geräumt wird und sich keine Schulden anhäufen. Ich wünsche mir immer noch, dass jeder für den anderen da ist, ihm zur Seite steht, wenn er Hilfe braucht. Ich wünsche mir immer noch, dass man mit offenen Augen durch diese Welt geht, um wirklich zu sehen, wer mir begegnetund wie es ihm geht! Ich wünsche mir immer noch, ganz bei mir zu sein und nicht neidisch und missgünstig auf den anderen zu schauen. Ich wünsche mir genauso, dass der andere sich an meinem Erfolg freut, so wie ich mich an seinem Erfolg freue!
Aber eins habe ich trotz allem gelernt. An erster Stelle bin ich für mich selber verantwortlich und muss schauen, ob ich all das, was ich mir von anderen wünsche, auch selber in mir habe! Ich weiß heute, dass ich niemanden ändern kann, nur mich selber. Und manchmal besteht diese Änderung auch darin, anzunehmen, dass der andere mir nicht gut gesonnen ist, dass er kalt und hartherzig ist, dass es ihm nicht darum geht, in guter Kommunion mit mir zu sein. Und dann bin ich herausgefordert, ihn nicht zu urteilen und ihm immer wieder neu offen zu begegnen.
Allein bin ich nicht geblieben, ich hab ja die Familie und ich freue mich heute daran, dass ich all diese Werte, die ich mir hart erarbeitet und erkämpft habe, weitergeben konnte. Ein Leben in Gemeinschaft ist die größte Herausforderung überhaupt. Wenn wir nicht in unseren kleinen Gemeinschaften leben können, wie wollen wir dann die Welt verändern! Ich frage mich oft, wenn ich in Statistiken lese, dass immer mehr Menschen allein leben, sind wir zur Gemeinschaft nicht mehr fähig, sind wir zu sehr Egoisten geworden? Aber ich glaube, dass solche Statistiken auch ein verfälschtes Bild abgeben. Unser Flexilibitäts- und Mobilitätszwang, was den Arbeitsmarkt betrifft, erzwingt ja heute geradezu oft ein ungewolltes Alleinleben.
Gemeinschaft: miteinander leben, aufeinander zugehen, dem anderen den Vortritt lassen, sich aneinander und übereinander freuen. Das wünsch ich mir, auch hier: im Blog!
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, steht in der Bibel! Und es ist die größte Herausforderung unseres Lebens in Beziehung zum anderen zu treten. Vielleicht ist das ja schon der Sinn des Lebens!