Giganten, damit sind meistens Riesen gemeint. In der griechischen Mythologie bedeutet das Wort, die aus der Erde geboren sind! Sie hatten zwar eine Menschengestalt, liefen aber auf Beinen, deren Form an Schlangenglieder erinnerten und ruderten mit vier Armen. Man konnte sich ihnen nicht entziehen, wenn man einmal in ihr Netz geraten ist. Ein Gigant war aber auch ein deutsches Transportflugzeug aus dem zweiten Weltkrieg mit Namen Messerschmidt Me 321. Im Jahre 1915 nannte man ein halbstarres Luftschiff , dass schon vor seiner ersten Fahrt zerstört wurde. Giganten sind also Superlative! Weit,weiter, hoch, höher, schnell, schneller, groß, größer.
Nun nenne ich die zwei Herren, die in Bonn um den Titel des Weltmeisters in der Denksport-Disziplin kämpfen, auch einfach mal "Giganten". Denn für mich sind sie Giganten .
Kämpfen, ruhig bleiben, Strategien entwickeln, zu wissen, was der Gegner im nächsten Atemzug tun wird, ihn von A bis Z zu durchschauen, alles von ihm zu wissen, was er jemals gesagt, getan und möglicherweise sogar denken könnte. Das ist einfach gigantisch.
Und nun sitzen diese beiden Giganten, Visvanathan Anand, auch Vishy genannt, seit 2007 Weltmeister dieses Königs-Denksportes, geboren 1969 in Madras/Indien und Vladimir Kramnik , geboren 1975 am schwarzen Meer/Russland, bis 2007 der amtierende Weltmeister, sich gegenüber und versuchen diese o.g. Kunst zu beherzigen, zu beherrschen, dem Gegner keinen Spielraum für eine Taktik zu ermöglichen, die ihnen wiederum einen Nachteil einbringen könnte oder gar eine Bedrohung darstellen könnte.
Sie wohnen im gleichen Hotel, gehen sich aber möglichst aus dem Weg, ja vermeiden bewußt den Kontakt außerhalb des Spiels, weil sie in Sorge sind, der Gegner könnte vielleicht eine Geste, eine Mimik, oder gar die Ringe unter den Augen als Folge einer mit unzureichendem Schlaf ausgestatten Nacht bemerken und sie schamlos ausnutzen. Und wenn sie sich dann gegenübersitzen, wird jeder all die Besorgnisse, die ihn dann doch möglicherweise im Inneren belasten, hinter einem klaren, ruhigen, stoischen Pokerface verstecken. Vielleicht ein bißchen spielen, sich zurücklehnen, einen Touch länger die Bedenkpause benutzen, als vom Gegner gedacht, sich wieder nach vorne beugen, um einen vielleicht dann doch nicht vom Gegner zu erwartenden Zug zu machen, der diesen wiederum aus dem Gleichgewicht seines Denkens bringt, was er sich natürlich ebenfalls, mit ruhigem, gelassenen und stoisch aufgesetztem Pokerfache, nicht anmerken lassen wird.
Ja, sie beherrschen eine Kunst, die mich unglaublich fasziniert, weil sie doch auch die Möglichkeiten aufzeigen, die ein Mensch im Denkprozeß entwickeln kann, und deren Grundlage eine allseits und stets von vorne bis hinten gut durchdachte Strategie ist, wie man mit schnellsten Mitteln zu einem Sieg gelangen kann! Ich meine, von Schachspielern kann man eine Menge lernen für das ganz alltägliche Leben.
In der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn findet vom 11. bis 30.10. die Weltmeisterschaft der Giganten statt. Ich hab mir sagen lassen, der Preis der Eintrittskarten liegt bei 150,00€. Wow! EIn stolzer Preis! 12 Partien reinen Denkens, reinen Kalküls, reinen, fairen, sportlichen Wettbewerbes, in einer Disziplin und Art eines Sportes, der leider, wie ich finde, zu wenig in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit findet. Warum eigentlich? Klar, im Gegensatz zu allen anderen Sportarten findet man das, wonach der Mensch normalerweise sucht, Action, Körperkampf, Emotionen, positiv wie negativ, natürlich nicht. In den Stadien der Fußball und Eishockeygiganten finden sich Tausende Menschen an jedem Wochenende ein, in der Kunst- und Ausstellungshalle vielleicht mal ein paar Hundert, die im abgedunkelten Raum jedoch mit ihrer Spannung, mit ihren ruhigen, wenn sicher auch starken, mitfiebernden Emotionen im Inneren, den Kampf dieser beiden Giganten mit Spannung verfolgen. Und auch für die, die gedanklich nicht folgen können, weil nicht so sehr weit fortgeschritten in der eigenen Kunst des Schachspiels, gibt es eine Möglichkeit, zu verstehen, mitzuverfolgen. Denn in einem Nebenraum wird das Spiel der Beiden auf einer Großleinwand gezeigt und ein Moderaor erklärt jedem Zuschauer die von Anand und Kramnik gespielten Züge, ja er erklärt ebenfalls welche Taktik beide Spieler verfolgen und versucht aufzuzeigen, welche Züge wohl in den nächsten Stunden zu erwarten sind. Also auch für den noch Ungeübten oder weniger Beherrschenden dieses Sportes ein Genuß.
Ich verfolge es jedenfalls mit Spannung! Spannung? Wie kann ich von Spannung zu diesem doch rein äußerlich gesehenen Sport, der keine Bewegung, keine Emotion, weder positiv noch negativ zuläßt, sprechen? Aber für mich ist es Spannung pur, zu sehen, über welche Möglichkeiten der Mensch verfügt in der Kunst des Beherrschens seiner Gefühle, der Kunst des Denkens und der Strategienentwicklung. Wo es plötzlich Überraschungen gibt, wo man eigentlich keine mehr erwartet. Auch das lernen wir vom Schachspiel. Der Mensch ist immer für Überraschungen gut, gerade dann, wenn man sie nicht erwartet.
In diesem Sinne schauen Sie doch einfach einmal rein, lassen sie sich mitreißen vom Kampf der Giganten ganz anderer Art. Man kann es im Internet verfolgen oder eben wie heute Morgen die Neuigkeiten in der Sportausgabe des Kölner Stadtanzeigers mitverfolgen. Es lohnt sich! Absolut!