Komme gerade von der Arbeit. Erster Gang ist immer an den Briefkasten. Er ist mal wieder ziemlich voll, Werbung, aber auch viel an „Familienbürokratie“ Man denkt, endlich zuhause und dann geht es weiter, Finanzamt, Krankenkasse, Fragen beantworten. Puh, erstmal weglegen. Telefon bimmelt, soll ich ran gehen? Na ja, man weiß ja nie, kann ja wichtig sein! Mutter dran, ohne zu fragen, wie es mir geht, gleich die volle Ladung ihres Problems mit der toten Katze! Ich geh während des Telefonates durch die Wohnung, bin noch halb bei der Arbeit, halb erst wieder zuhause, halte immer noch einen Brief in der Hand. Telefongespräch endlich zu Ende! Dann schau ich auf den Brief, den ich in der Hand halte. Er ist von einer Organisation, die sich WWF nennt. Groß auf dem Briefumschlag ist ein Affe zu sehen und der Spruch:“Retten sie seine Welt! Ich setze mich auf den Stuhl und fühl mich wie erschlagen! Das auch noch! Die ganze Zeit bin ich schon mit all den Fragen, die hier im Blog so durch den Äther schwirren, was kann ich tun, wie kann ich etwas dazu beisteuern, dass meine, unsere Welt lebenswerter, gerechter und harmonischer wird.
Sitze da, denke und denke! Ich hab von Politik nicht den großen Durchblick! Ich bin auch in keiner Organisation, in der man sich für irgendetwas einsetzt. Gut, ich hab viel in der Gemeinde ehrenamtlich gemacht und wo ich Ungerechtigkeiten sehe, greife ich immer ein. Hilfsbereit bin ich sowieso, Familie, Freunde, Nachbarn und jedem gegenüber, der mir gegenübersteht. Aber gerade in diesem Moment fällt mir eine Geschichte ein.
Vor Weihnachten war ich in einem großen Elektro-Markt, der auch eine Fotoabteilung hat, um noch schnell die Fotos entwickeln zu lassen, die ich jemandem schenken möchte! Eine lange Schlange steht vor dem Schalter. Die Leute sind hektisch, ich spüre Aggression um mich herum! Ich stehe eine ganze Weile und sehe den Frauen zu, die die Kunden bedienen! Bilder scheinen nicht fertig geworden zu sein, falsch entwickelt worden zu sein, zu hell, zu dunkel, zu klein! Und da hör ich, wie ein Kunde eine Dame regelrecht verunglimpft! Seine Bilder sind anscheinend weg! Nach mehrmaligem Suchen unter der vergebenen Nummer tauchen sie trotzdem nicht auf! Der Kunde wird beleidigend, beschimpft die Dame mit den Worten:“ Sind sie zu blöd, ein paar Bilder richtig einzusortieren!“ Die Frau ist völlig fertigt. Ich sehe ihr an, dass sie Tränen in den Augen hat! Sie tut mir echt leid! Endlich bin ich dran, bei der gleichen Frau, gebe meine Bilder ab und bekomme mein Nümmerchen.
Drei Tage später mach ich mich auf den Weg zum selben Geschäft, um sie abzuholen. Unterwegs fällt mir wieder die Geschichte ein. Ich halte inne und statte zuerst einem Blumengeschäft einen Besuch ab. Kaufe eine schöne große Sonnenblume! Damit begebe ich mich dann zum besagten Geschäft.
Wieder eine Schlange, Wartezeit 10 Minuten. Endlich bin ich dran, gebe meinen Schein ab und bekomme sofort die entwickelten Bilder! Ich packe sie aus und bin voller Freude, sie sind gut geworden. Ich bedanke mich bei ihr, zahle meinen Obolus, sag ihr freundlich „Danke“ und übergebe ihr wortlos meine schöne leuchtende Sonnenblume! Sie fällt fast in Ohnmacht! Was ist das denn, will sie wissen? Ich antworte ihr:“Ach nur so, sie haben sicher schwere Tage hinter sich und noch vor sich. Außerdem habe ich vor drei Tagen mitbekommen, dass sie so furchtbar angeschimpft worden sind“! Sie erinnert sich und da schießen ihr doch tatsächlich Tränen in die Augen! „Ja, sagt sie, der Mann war wirklich furchtbar“! Er ist böse abgezogen und am anderen Tag wiedergekommen mit dem richtigen Zettel. Er hatte einen alten Zettel in der Tasche gehabt! Es war gar nicht ihre Schuld! Manoman, denk ich! „Hat er sich denn entschuldigt“, frag ich sie“? „Nee“, erklärt sie mir, hat seine Bilder genommen und ist wortlos gegangen"!
Mit der Blume in der Hand steht sie jetzt völlig überrascht, aber irgendwie glücklich vor mir und sagt noch:“Ach , wissen sie, das wäre ja alles gar nicht so tragisch, aber ich hab im Moment eine Menge privater Probleme mit den Kindern und der Mutter, und da bin ich halt so nah am Wasser gebaut“! Ich antworte ihr:“ Das kann ich verstehen, kenne ich auch“! Darauf verabschiede ich mich von Ihr und wünsche Ihr noch viel Kraft für den anstrengenden Dienst und ein frohes Weihnachtsfest“!
Auf dem Stuhl sitzend, nachdem mir die Geschichte eingefallen ist, denk ich drüber nach, ob ich damit die Welt verbessert habe! Ich weiß es nicht! Vielleicht nicht im großen ganzen Gefüge, aber ihre Freude habe ich ihr angemerkt und vielleicht hat sie die ja mit nach Hause genommen und sie hat noch ein bisschen angehalten. Ich hab sie halt einfach nur wahrgenommen, als „Mensch“!
Noch mal auf den Satz auf das Couvert schauend denke ich, ach ja, „Welt verbessern“! Große Worte, ich fang mal ganz klein damit an!