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Ich schreibe einfach gern:)

Die Menschen sind nicht mehr so nett...

Gestern hatte ich einen Termin auf der anderen Rheinseite. Wie immer lege ich meine Wege, wenn es nicht unumgänglich ist und mein Rad, wie zur Zeit, sich in der Werkstatt befindet, zu Fuß zurück. Ich lebe einfach dem Motto * Wer zu Fuß geht, erlebt mehr* Und Leben heißt ja auch nichts anderes wie *erleben*
 
Manchmal erlebe ich Dinge, über die ein Roman geschrieben werden könnte. Es bräuchte nur ein wenig Drumherum fantasiert zu werden und schon fertig. Leider fehlt mir dazu der nötige Ehrgeiz, obwohl ich ja gern schreibe. Ich schreibe wirklich sehr gern. Es gibt Zeiten, da fließt es aus mir heraus. Manches ist auch nur versteckt, im Verborgenen verblieben, hier bei mir zu Hause in meinen unzähligen kleinen Heftchen, die überall herumliegen und mir immer zur Verfügung stehen für kleine und große Einfälle. Manchmal gibt es aber auch Geschehnisse, die mich für eine lange Weile blockieren. Dann ist da viel drin in mir, dass ich erzählen möchte, aber es will nicht heraus kommen, weil das, was geschehen ist, so tief und fest in mir ist, dass ich warten muß, bis die Blockade sich löst und ich wieder loslassen kann. Ist einfach so. Ich schreibe deswegen so gern, weil ich immer denke, beim Reden kann ich gar nicht alles sagen, was in mir ist. Mir fehlt oft der Mut oder vielleicht ist es das Mißtrauen in mir, weil ich denke, wen interessierts schon. Und wenn ich so denke,  dann wollen die Worte nicht kommen und ich sitze da und bleibe stumm. Ja der Mensch, auch ich, ist ein merkwürdiges Wesen.
 
Gestern also, ich war auf dem Weg. Erst einmal rüber kommen, über die Brücke, die die beiden Seiten Kölns verbindet. Ich gehe gern über Brücken, obwohl ich immer ein wenig Angst habe. Das ist so seit meiner Kindheit. Immer ziehen in mir Gedanken hoch, was ist, wenns hier in der Brücke irgendwo eine brüchige Stelle gibt, die ich nicht sehe, und dann..Versinken in den Wogen und Wellen, Strudeln des Wassers. Ich weiß, diese kleine Ängstlichkeit ist ein wenig kindisch, doch hab ich im Laufe meines Lebens erfahren, dass es viele kleinen kindischen Ängste im Leben der Menschen gibt, warum also sollte nicht auch eine in mir sein. So akzeptierte ich irgendwann diese kleine Ängstlichkeit, muss aber auch jedes Mal ein klein wenig schmunzeln über mich selber, wenn ich sie denn dann mal wieder bemerke.
 
Während mein Blick hinunter aufs Wasser fällt, den Strom der sich in alle Ewigkeit von Ort zu Ort bewegt, versuche ich den um mich herum tösenden Lärm des Autoverkehrs zu verdrängen, ohne den Gedanken los zu werden, dass das alles doch eine große Verrücktheit ist mit dem Autoverkehr. Obwohl ich neulich, vor ein paar Tagen wegen einer Fahrt zu einem Abschied eines mir lieb gewordenen Menschens selber für eine Zeit mit einem Auto, um über die lange Entfernung über Autobahnen und Bundesstrassen zum erwünschten Ziel zu gelangen,  unterwegs war.
 
Müde fühlte ich mich, unsagbar müde. Gestern auf meinem Fußweg, der ca. 1 Stunde wohl in Anspruch nehmen würde. Woher sie kam die Müdigkeit. Ich weiß es nicht. Vielleicht vom schlechten Schlaf in der Nacht, von den aufwühlenden Träumen, die mich mehrmals weckten oder einfach nur von der Schwere der Dinge die in den letzten Tagen über mich hereingebrochen sind. Es ist ja auch egal. Es galt die Müdigkeit zu überwinden. Einfach laufen, laufen und weiter. Irgendwann wird sie schon verschwinden.
 
An den alten Gebäuden der Riehler Heimstätten, einem Altenpflegeheim, vorbei, den Mauern abgrenzenden Zoo, dessen Geruch ich schon aus der Ferne wahrnehme, gelangte ich fast an mein Ziel, als ich an einem kleinen Park, der mich noch von der Neusser Strasse trennte eine alte Dame stehen sah. Ich gestehe mein Blick fiel zuerst auf ihren an der Leine gehaltenen kleinen drolligen Hund. Ich weiß nicht, was es für eine Hunderasse war. Ich habe auch nach unserem Gespräch total vergessen sie zu fragen. Aber alt war er. So sagte sie. 15 Jahre genau.Sah aber gar nicht so aus. Eher quicklebendig und wendig der kleine drollige Hund. Eine Hundemadam war sie. Und wie es so meine Art ist bei solchen Gelegenheiten sprach ich sie an, die alte Dame. Ihr Hund ist aber niedlich, sagte ich ihr.
 
Als wenn sie, die alte Dame darauf gewartet hatte, war sie sofort in ihrem Element und begann zu erzählen. Ja alt sei er, so wie sie auch. 74 Lenze zählte sie schon. Sie habe den Hund mit einem Jahr bekommen. Er kam aus dem Tierheim, war ausgesetzt worden. Ihre Tochter meinte damals, sie solle sich einen Hund anschaffen, damit sie erstens Bewegung habe und zweitens Gesellschaft. Sie lebte nämlich allein. Ihr Mann vor einigen Jahren verstorben. Sie hätte lange überlegt und dann zugestimmt. Probeweise erstmal für drei Monate. Dann habe sie gemerkt, dass das Hundchen ihr gut tue. Sie komme schneller raus an die frische Luft und ausserdem hie und da begegne sie einem anderen Menschen mit Hund oder einem wie mir, der einfach mal stehen blieb, um mit ihr ein paar Worte zu wechseln.
 
Jeden Tag ginge sie die selbe Strecke mit ihrem Hundchen. Seit längerer Zeit hatte sich auf diesem ihren Weg ein kleines Ereignis zugetragen. Sie hatte bei ihrem täglichen Spaziergang immer einen kleinen Beutel in der Tasche, in dem sich Rosinen und Nüsse befanden. Ab und an passierte es nämlich, dass sie an Unterzuckerung litt und da bräuchte es von jetzt auf gleich etwas, dass die damit verbundene Störung behoben werden könne. Und sie habe sich für Rosinen und Nüsse entschieden, der Gesundheit wegen. Als sie eiens Tages einmal von einem solchen kleinen Anfall beherrscht wurde, blieb sie stehen, holte ihr Beutelchen heraus um eine Handvoll davon zu essen. Und da sah sie, wie nur ein Stückchen weiter vor ihr eine Krähe ihr zuschaute. Sie schaute eine Weile ebenfalls zu ihr hin. Es war wohl so wie ein stilles Zwiegespräch zwischen ihr und der Krähe. Ich konnte diese ihre Schilderung sehr gut nachvollziehen, all die weil auch ich des öfteren einmal solch kleinen Zwiegespräche führe, mit Vögeln, einem Eichhörnchen oder einer vor mir herschleichenden Katze, die erschrocken über meine plötzliche Anwesenheit stehen blieb und mich abwartend anstarrte.
 
Und dann sei sie einfach auf die Idee gekommen der kleinen Krähe etwas von ihrem leckeren Proviant abzugeben und warf ihr ein paar Brocken hinüber. Krähen, wie wir wissen, sind recht schnell zutraulich, empfinden wenig Scheu oder Ängstlichkeit, besonders wenn es darum geht, sich einen Vorteil zu verschaffen. Da sind sie sogar sehr erfinderisch. Da hab ich schon so manche vergnügliche Zeit verbracht beim Zuschauen über ihren Einfallsreichtum, wenn es darum ging, an etwas Begehrenswertes heranzukommen. Diese Krähe hatte Glück. Sie musste sich nicht mal besonders anstrengen um etwas Leckeres zu ergattern. Die alte Dame warf es ihr genau vor die Füße.
 
Der alten Dame gefiel das. Sie hatte ihre Freude an diesem kleinen Geschehnis. Und schon am nächsten Tag blieb sie wieder an der selben Stelle stehen und sie wollte es kaum glauben, aber die Krähe war wieder da, wie am vorherigen Tag. Sie schien da zu wohnen oder jedenfalls war es ein Stützpunkt auf ihrem langen Tagesflugweg auf der Suche nach Brauchbarem oder einfach nach einem Rastplätzchen. Und so geschah es ganz einfach, dass die Beiden sich seit nun schon längerer Zeit Tag für Tag dort trafen. Die alte Dame meinte, sie hätte sogar das Gefühl gehabt, als sie hin -und wieder mal, aus gesundheitlichen Gründen, ihren Weg für ein oder zwei Tage unterbrechen musst und sie der Krähe danach wieder begegnete, diese sie ganz aufgeregt flügelschlagend begrüßte. Obd as stimmt, es ist ja auch egal, wenn die alte Dame es so empfunden hat und sie sich darüber freute, genügt das ja.
 
So habe hier ihre Freundschaft mit einer Krähe begonnen, die ihr in ihrem täglichen Alleinsein etwas gab, das vielleicht Niemand zu verstehen vermochte, aber das war ihr auch egal. Für sie hatte es eine Bedeutung. Und es ist ja so, wer kann schon nachvollziehen, wer oder was für einen anderen Menschen von Bedeutung ist, wenn es für ihn selber keine ist.
 
Jetzt mache sie sich tatsächlich schon ein wenig Sorgen. Es fiele ihr schon immer schwerer jeden Tag mit ihrem Hund hinaus zu maschieren. Die Knochen, der Kreislauf, all das, was nun mal so ist im Älterwerden. Und der Hund, wenn er nicht mehr ist, einen neuen wolle sie sich auf keinen Fall mehr anschaffen, Wo soll der hin, wenn sie dann plötzlich sterbe. Das wäre doch zu traurig, sich an das Tier gewöhnt zu haben und umgekehrt und dann ist man plötzlich nicht mehr da. Das wolle sie einem Tierchen nicht antun.
 
Und sie erzählte mir nun noch eine Geschichte, die ich ebenfalls sehr berührend empfand. Vor eineinhalb Jahren war sie einmal heftig gestürzt, zu Hause beim Versuch an eine obere Stelle in ihrem Wandschrank etwas hinauszufischen. Da sie alleine war, musste sie sich heftig quälen, um wieder auf zu stehen und sich bewegen zu können. Es ging, war aber sehr schmerzhaft. Als die Schmerzen nicht aufhörten nach ein paar Tagen, musste sie einen Arzt aufsuchen, der meinte, es sei wohl ein Bruch in ihrem Knöchel und sie müsse damit ins Krankenhaus. Sie war tüchtig erschrocken. Was sollte denn dann mit ihrem Hund passieren. Wer würde sich denn um ihn kümmern. Ihre Tochter lebte seit Jahren in Paris. Freunde hatte sie keine mehr. Alles weggestorben. Und die Nachbarn, fragte ich sie. Hätten die sich nicht um ihren kleinen drolligen Hund kümmern können.
 
Ach hören sie doch auf, entgegente sie mir. Die Menschen sind nicht mehr so nett! Da wäre keiner. Die einen gingen tagsüber arbeiten, die anderen ihr aus dem Weg. So sei es nunmal. In jungen Jahren sei das noch anders gewesen. Da hätte noch jeder auf den anderen geachtet. Heute könnte man einfach weg sein, es würde Niemandem auffallen. Traurig sei das, sagte sie, aber so ist es nunmal geworden in der Welt. Nun ja, das ist halt ihre Erfahrung dachte ich bei mir. Und wird wohl auch großenteils so zutreffend, wie auch von mir ja schon des öfteren beobachtet bei meinen Besuchen alter Menschen und ihrem Umfeld.
 
Jedenfalls sie stand vor dem Problem wohin mit ihrem Hundchen, wenn sie jetzt ins Krankenhaus müsse. Und da wäre ihre eine Idee gekommen. Manchmal auf ihrem täglichen Spaziergang begegnete sie einem Obdachlosen. Obwohl, der hatte wohl auch eine klitzekleine Behausung, aber war doch immer draussen. Er trank auch wohl. Nicht so schlimm, dass er nicht ansprechbar war, aber er hatte sein tägliches Pensum, das er vertrank. Hatte er ihr erzählt und so nahm sie ihn auch wahr. Aber es war immer nett mit ihm ein paar Worte zu wechseln. Sie wußte nicht viel über ihn. Warum er in dieser Situation lebte. Wie es dazu gekommen sei, habe ihn auch nie gefragt und er auch nichts erzählt. Und so blieb es bei ihren Gesprächen immer nur beim Heute, was gerade ist und war und gedacht und gefühlt wurde. Ja, sagte sie, man könne es so sagen, ein klein wenig habe sie sich mit ihm angefreundet. Und so hätte sie den Entschluß gefaßt, ihn einfach zu fragen, ob er sich nicht um ihren kleinen Hund kümmern könnte, wenn sie für ein paar Tage ins Krankenhaus müsse.
 
Und man stelle sich vor, der Mann habe sofort eingewilligt. Selbstverständlich würde er das tun, gerne sogar. Und so kam es, dass sie ihm ihren Hund anvertraute. Und mit einem Schmunzeln und funkelnden Augen erzählte sie weiter, dass der Mann sie doch tatsächlich im Krankenhaus besuchen gekommen wäre. Mit dem Hund in einem Körbchen auf sie im Cafe wartend, damit sie ihn sehen und knuffeln konnte. Und stellen sie sich mal vor, sagte sie mir, wie er daherkam plötzlich aus seinem sonst so etwas verwahrlosten Aufzug, wie er da Tag für Tag auf der Parkbank saß. Mit Schlips und Kragen angezogen habe er sie besucht. Richtig fein habe er ausgesehen. Sie sei ganz überrascht gewesen. Ja, der Mensch ist ein merkwürdiges Wesen, sagte sie und ich musste schmunzeln, weil ich das ja selber einige Zeit vorher gedacht habe. Es stimmt einfach. Man schaut nie in einen anderen herein. Und es taugt nicht Schubladen aufzumachen in die man einen Menschen hineinstecken will. Denn letzten Endes ist jeder doch für eine Überraschung gut, die einem das ganze Bild, das von ihm gehabt wurde, auf den Kopf stellt.
 
Ich fand diese Geschichte, erlebt von dieser netten alten Dame, richtig schön, so daß ich sie hier meinen geneigten Lesern erzählen wollte. Die alte Dame sagte noch, sie habe ihm abgesehen vom der Gewißheit, dass es keinen Lohn gibt für eine solche freundliche und liebe Geste, dennoch etwas Geld gegeben und zwei Stangen Zigaretten. Ist doch auch in Ordnung sagte ich ihr. Sie wisse ja darum, dass die wirklichen Dinge, die ein Mensch für einen anderen tut nicht bezahlbar sind und das habe sie wohl ja auch erkannt und weiß es zu schätzen.
 
Ja, sagte sie. Die Menschen sind nicht mehr so nett. Dabei bliebe sie. Aber ab und an fände man doch einen kleinen Diamant, eine Perle oder wie immer man das nennen möchte oder gar selber ist man einer für einen anderen. Daran will sie sich die letzten Lebensjahre, die ihr verblieben, festhalten und dann versuchen den Dingen, die geschehen, die ihr widerfahren werden beim noch Älterwerden und Sterbenmüssen, eine Gelassenheit zu geben. Denn was geschehen soll, geschieht und ist selbst mit größter Anstrengung nicht aufzuhalten.
 
Ich weiß nicht, aber es war so, wir verabschiedeten uns, ich bedankte mich für dieses schöne Gespräch, dass ich mit ihr führen durfte und über das Vertrauen das sie mir schenkte, mir etwas von ihrem Erleben zu erzählen und ging nun weiter. Dabei mußte ich weinen. Aber auch lachen.
 

Und ein wenig hat mir diese Begegnung tatsächlich geholfen all das, was die letzten Tage geschehen ist, ein wenig besser zu verstehen und anzunehmen. Die schönsten Geschichten werden doch immer im Leben geschrieben.

 
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