Es gab eine Wanderung. Eine spontane Idee von mir. Ich wurschtele in meinem Leben immer so rum, gern gehe ich meine Wege allein. Aber immer möcht man auch nicht allein sein. Da gibts eine schöne Wandergruppe, der ich mich angeschlossen habe. Regelmäßig finden geführte auf den schönen Kulturpfadwegen statt. Manchmal klappt es nicht, zeitlich oder eine andere Unternehmung steht dem Termin entgegen. Das geht nicht nur mir so, sondern auch anderen ab und an mal.
In der großen Gruppe hat sich eine nette Truppe gefunden, die dann, wie auch an diesem Tag, die Touren nachholt, die in der großen Gruppe nicht mitgemacht werden konnten.
Also, spontaner Gedanke von mir über meine Wandergruppen-whats-app-Einrichtung die Leuts zu mobilisieren. Sollen wir nicht am Sonntag. Ein kleines Hin- und Her, welche der verpaßten Route wir gehen sollen, einigten wir uns sehr schnell. Da ist Niemand bei uns, der die Oberhand behalten will oder sich durchsetzen möchte. Das paßt richtig gut miteinander.
Also, Sonntagmorgen vor der großen 2020 am Wiener Platz trafen sich vier Menschen, um diese schöne Etappe des Kölnpfades zu laufen. Als ich ankam, stand da ein Mann mit Rucksack, den ich nicht kannte, dachte, huch..ein Neuer... sprach ihn an und fragte, ach gehören sie auch zu uns, der kleinen Wandergruppe? Es hätte ja sein können, dass einer der Mitläufer ihn mobilisiert hatte. Jedoch stellte sich heraus, es war nur ein KVB-Mann, der vor Antritt seiner Arbeit ein Zigarettchen rauchen wollte. Er lachte übers ganze Gesicht und meinte, gern würde er mitlaufen, aber die Pflicht. Und Dienst ist nun mal Dienst. Wir plauderten noch eine Weile, dann zog er von dannen. Meine netten Leutchen trafen ein und wir fuhren mit der Bahn zur Endhaltestelle Thielenbruch. Von dort sollte der Weg beginnen.
Übrigens, ich weiß nicht wieso die Bahnen unserer Kölner KVB so unendlich laut daherschrammeln. Das ist der helle Wahnsinn. Man kann kein Wort wechseln während der Fahrt. Gut, muss ja auch nicht sein. Dennoch ist der Lärm ohrenbetäubend. Die Technik scheint da weit hinterher zu hinken, wenn ich an Bahnfahrten in anderen großen deutschen Städten denke, von Wien, der Stadt, der ich erst kürzlich einen Besuch abgestattet hatte, ganz zu schweigen. Nunja, in unserem schönen Deutschland ist halt die Automobilindustrie der Herrscher und die Politik tut wenig daran, das zu ändern, den Menschen in ihren Möglichkeiten zu pendeln oder aus anderen Gründen Wege zurückzulegen, Erleichterung zu schaffen. Ist einfach so.
Egal, in Thielenbruch angekommen, die Sonne scheint vom Himmel herab, der blau leuchtet und wir maschieren los. Am Waldrand entlang ziehen wir an einer kleinen Häusersiedlung vorbei, lassen Dellbrück seitlich liegen, überqueren ein paar Strassen um wieder in den Wald, der unter Naturschutz steht, zu gelangen. Kleine Bäche müssen überquert werden.
Ich will jetzt auch gar nicht den gesamten Weg beschreiben, das kann ja alles nachgelesen werden in dem schönen Büchlein *Kölnpfad*...Aber zu erwähnen ist sicherlich auf jeden Fall der wildromantisch gelegene Rübezahlwald. Da wir wissen, dass der olle Rübezahl ja seine Heimat im Riesengebirge hat, fürchten wir uns gar nicht, sondern juchzen innerlich vor Freude über die verwunschenen kleinen Wege, die oft über umgestürzten Baumriesen überklettert werden oder von kleinen bergauf-bergab-Hindernisse überwunden werden müssen. So verwunschen dieses kleine Wäldchen, das es der Phantasie genügend Raum gibt, sich kleine Märchenwelten zu erfinden. Aber es wird auch gebabbelt, so daß dem Geist nicht all zu viel Raum gegeben wird.
A bisserl erschrecken wir uns dann doch, als wir nach der Durchquerung des kleinen Wäldchens einen etwas merkwürdig ausschauenden älteren Mann mit langem Bart , der da ein wenig unheimlich an einer Ecke einer Lichtung steht, bevor es hinauf in die Höhen geht. Vielleicht war es ja doch der Rübezahl. Ich jedenfalls hatte ein wenig Ehrfurcht vor ihm und war froh, dass ich die Wanderung nicht alleine gemacht hatte. Allein wär ich ihm nicht so gern begegnet. Wie der da stand und uns alle anschaute, still und regungslos wie ein Denkmal. Und der olle Rübezahl ist ja bekannt dafür, dass er einen großen Widerspruchsgeist in sich trägt. Einmal kann er freundlich und hilfsbereit sein, dann wieder bös und arglistig. Und man weiß ja nie, in welcher Gemütsverfassung sich so ein Rübezahl befindet, wenn man ihm unverhofft begegnet. Manchmal gibts auch Menschen, also echte, keine Naturgeister, mit denen man Tag für Tag zu tun hat und du hast das Gefühl, du kannst sie nicht richtig einordnen. Mal sind sie freundlich, zugänglich, hilfsbereit, ja gar liebevoll und dann plötzlich aus heiterem Himmel scheinen sie unerreichbar, kurz angebunden und du überlegst, liegt es nun an dir, hast du ihnen auf die Füße getreten oder ist ihr Leben gar zur Zeit etwas in Unordnung geraten, so daß du selbst nur der Empfänger ihrer Laune bist.
Ich halte es dann immer so. Die Zeit wirds zeigen. Entweder sagt derjenige dann, Roeschen ich hab mich über dich geärgert, sollte dies der Fall sein und er tut es nicht, dann wirds wohl nicht so tragisch gewesen sein und alles spielt sich wieder ein. Und im günstigsten Fall, davon geh ich zumeist aus, wenn ich mir nun gar keiner Schuld bewußt bin, halte ich mich einfach still, trete ihm wie immer mit all meiner Freundlichkeit und Wohlwollen entgegen und warte bis sich die Wolken wieder verzogen haben. Was soll auch anderes getan werden. Es muß ja nicht alles auf die Goldwaage gelegt werden. Und wenn ich einen menschen mag, dann mag ich ihn, auch wenn er mal grantig daherkommt.
Übrigens diesem *Rübezahl* begegnen wir tatsächlich auf der Höhe noch einmal in der Nähe der Rochuskapelle, ein wirklich hübsches kleines Bauwerk mit einem Ruheplatz und einer schönen Aussicht. Wieder steht er da ganz plötzlich vor uns und schaut still und unheimlich in unsere Richtung. Alle guten Dinge sind drei, so wird gesagt, aber wir trafen ihn kein drittes Mal, genauso wenig wie ich auch kein drittes Mal über im Boden verwachsenem Wurzelwerk gestolpert bin, sondern es bei zwei Malen belassen habe. Und es ist auch gar nichts passiert. Und ausserderm sind nicht alle Dinge, die dreimalig eintreten sollen immer gut, nur dass das mal klar ist. Man könnte also genauso gut sagen, alle unguten Dinge sind drei.
Wir haben jetzt fast 2/3 der angegebenen Strecke hinter uns gelassen. Es ist heiß, die Getränkevorräte sind zusammengeschmolzen und wir freuen uns aufs Milchborntal, das kenn ich gut, da gibts das Naturfreundehaus, da wollen wir rasten und ein wenig ruhen, uns laben, die einen mit Apfelschorle, die anderen mit einem Bierchen. Bier geht gar nicht für mich, sowieso, da ich kein großer Biertrinker bin und schon gar nicht auf einer Wanderung, da würd ich sofort ins Koma fallen und keinen Schritt mehr laufen können. Aber vieles ist Gewohnheit, auch bei Biertrinkern, wie das Zigerattchen bei den Rauchern oder das gute Essen bei Molligen oder anderem gewohnheitsmäßig Geliebtem.
Ich freue mich schon deswegen aufs Milchborntal, weil es so was wie eine kleine Heimat für mich ist. Jetzt war ich schon seit Jahren nicht mehr hier, auch weil ich ja einige Jährchen in einer anderen Stadt gelebt habe. Aber hier verbrachte ich viele vergnügliche Stunden beim Laufen mit meinem Hund zu in jungen Jahren, später dann mit den Kindern, die dort Bäume erkletterten, beim Töchterchen erstmalig der Wunsch geäußert wurde, wenn sie mal groß ist, dann wird sie Bergsteigerin.l Gut, professionell ist da nun nichts draus geworden, aber die Berge hat sie schon so einige Male erklettert in überschaubaren Größenordnungen oder eben auch höhenerwandert. Also die Liebe zu Natur haben wir ihr wohl dadurch vermitteln können. Auch Baumhäuser sind hier in verwunschenen Ecken gebaut worden, die wir übers Jahr hin immer mal wieder überprüft haben, ob sie noch da stehen, wo sie errichtet worden sind. Jedenfalls viel Freud haben wir im Wäldchen rund ums Milchborntal erlebt. Und Erinnerungen sind ja immer der Beweis dafür, dass Leben gelebt wurde und nicht alles nur ein Traum, ein schöner, manchmal auch ein böser, war. Denn manchmal gibt es Momente, da denk ich das. Ich wär gar nicht hier in dieser Welt, alles nur ein Traum und dann muß ich mich mal kneifen, um zu spüren, dass ich Wirklichkeit bin und die Welt um mich herum ebenso.
Aber nun lag es endlich vor uns, das schöne Naturfreundehaus im Bensberger Wäldchen. Erfrischung naht. Endlich. Der Durst konnte gestillt werden. Ein Blick rundum. Alle Tische besetzt. Einen Augenblick stehen wir da so rum, schauen hier und dorthin, ob nicht vielleicht irgendeine Geselligkeit an einem der Tischchen sich auflöst. Ich weiß das genau. Der schöne Ort hat sich herumgesprochen in den Jahren. Da sitzen nicht nur Wanderer auf dem Weg, sondern auch einige Hundespaziergänger, die dort verweilen wollen oder einfach nur SUV-Fahrer, ihren Wagen auf dem Parkplatz abgestellt und dann die schöne Sitzgelegenheit bei billigem Essen genießen. So, wie man vor den Discounter-Läden ebenfalls die SUV´s mit Bullengitter oder große Mercedesklassenautos stehen sieht. Von nix kommt ja bekanntlich nix. Wenn das Auto schon teuer, dann wenigstens woanders die Schnäppchen ergattern. Naja, mir egal, sollen sie machen, wenns sie glücklicher sein läßt.
Wir entscheiden uns dafür, einfach eine nahegelegene Bank unser eigen zu nennen und wollen uns was *to go*, wie man heute sagt, kaufen. Ein Mitnehmgetränk. Also nix wie rein in die gute Wirtsstube. Vor dem Tresen hantieren eifrig die Kellner/innen, sogar der Inhaber ist vor Ort. Als ich an die Reihe komme, geb ich meine Wünsche auf. Huch...die Antwort: Wir bedienen nur an den Tischen. Aber die sind alle besetzt sag ich. Wir wollen uns einfach was mitnehmen und uns auf einer Bank vergnügen. Geht nicht, die Antwort. Wir haben zu viel mit der Tischbewirtung zu tun. Hallo! meine Antwort. Das ist doch wohl nicht ihr Ernst. Wir sind eine Riesenstrecke von Köln aus gewandert, haben Durst und sie verweigern uns eine Getränkeausgabe! Ja, ist so, wir können leider nichts für sie tun, tut uns leid. Ich bin so was von empört, mehr als empört. Fassungslos, nicht glauben wollend zetere ich vor mich hin. Das mach ich selten, ehrlich, ich schwöre. Aber das ist der absolute Oberhammer. Wanderern nicht mal ein Glas Wasser anzubieten. Das macht doch keine Mühe. Wenigstens das hätten sie tun können. Aber nichts da. Lassen uns einfach stehen. Das nennt sich Naturfreundehaus sag ich. Sie werden noch von mir hören, meine Empörung weiter.
Aber wir ziehen ab. Was sollen wir auch anderes tun. Ungelöscht unser Durst, vertrösten wir uns auf eine vielleicht noch kommende Einkehrmöglichkeit. Nein, ich bin nicht launisch. Nie gewesen. Aber empört bin ich noch lange. Jetzt noch einmal, krieg ich die Antwort von meinen Mitwanderern, dann ist es gut Roeschen. Ich kann mich einfach nicht beruhigen ob einer solchen Unverschämtheit. Das passiert mir selten. Und von nun an ist alles einfach nur noch bescheuert. Der ganze Ort Bensberg. Das liegt auch nicht nur an meiner Empörung, sondern entspricht der Wirklichkeit. Wer will denn hier wohnen. An Autostraßen, Möbeleinrichtungshäusern, Sanitär- und anderen merkwürdigen ansässigen Firmen. Kein Mensch zu sehen auf den Straßen, alles liegt da steril vor uns und von einer Einkehrmöglichkeit ganz zu schweigen. Naja egal, eigentlich sind wir trotz allem guter Dinge, scherzen und lachen, meiner Wanderhose, die ich schon auf dem Jakobsweg getragen habe, bekommt sogar einen Namen. Sie heißt jetzt *Jakob*, die einzige Hose auf der Welt die einen Namen hat. So. Und wir müssen lachen.
Die Haltestelle der KVB ist nicht mehr weit, müde, aber selig fahren wir davon Richtung Köln, aus dem Fenster schauend ob da nicht am Wegesrand doch noch ein netter kleiner Biergarten liegt. Da wären wir sofort ausgestiegen. Aber laufen wollen wir nicht mehr, weit jedenfalls. Der zurückgelegte Weg hat weit mehr Meter verschlungen, als der eigentlich angegebene Kilometerstand. Aber das macht ja nichts. Wir sind erfüllt vom Waldbaden. Freuen uns jetzt auf Zuhause. Dann eben nicht. Trinken wir ein ander Mal noch was zusammen. Irgendwie haben wir kein Glück mit den Einkehrmöglichkeiten auf unseren Wandertouren, denn ich erinnere mich, auf der letzten sind wir ebenfalls einmal abgewiesen worden wegen geladener Gäste. Auch hier wurde uns nicht mal ein Gläschen kühler Erfrischung angeboten. Geld regiert halt die Welt. Und ich muss ehrlich sagen wieder einmal...Deutschland ist eine Servicewüste. Ich bin schon viel rumgekommen, aber so was ist mir noch nie irgendwo auf der Welt passiert. Naturfreundehaus! Ich sage nur Naturfreundehaus! Pffff... Niemals mehr geh ich da hin. Aber das wird denen egal sein. Denn es gibt ja genug SUV-Fahrer, die das Geld bringen. Ich will nochmal empört sein, jetzt, wo ich meine Gedanken an meine geneigten Leser preisgebe. Aber dann ist gut. Letzten Endes gehört ja alles zum Leben, zum Erleben, auch das, was man nicht will und wenn zurückgeschaut wird, ist alles für irgendwas gut gewesen. Zumindestens ist der Mensch an Erfahrungen reicher und hat daraus gelernt.
Und am Ende kann ich wirklich sagen. Diese 8. Etappe des Kölnpfades ist wirklich eine Königsetappe wegen der vielen unterschiedlichen Wegqualitäten, kleinen Wäldchen, Wiesen und Auen, kleinen Sehenswürdigkeiten und ja, fast hätte ich es vergessen. An einem schönen Oldtimer-Treffen sind wir auch noch vorbeigekommen. Haben auf unserem Weg kurz innegehalten und haben uns die schönen alten Karossen, die mit viel Liebe und Sorgfalt gepflegt werden, angeschaut und ich hab mich tatsächlich daran erfreuen können. Die alten Herren zumeist standen stolz davor um ihre Karren zu zeigen. Das waren doch noch Autos. Dagegen ein SUV mit Bullengitter....schwarz, weiß oder grau... Ich sag jetzt nichts mehr.
Viel Vergnügen auf dem Kölnpfad Nummero 8. Es gibt immer was zu entdecken. Und es wird nicht geglaubt, wie schön es rundum Köln sein kann, wenn es nicht erlebt worden ist.