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Ich schreibe einfach gern:)

Der formelle Abschied!

etzt hast du den letzten formellen Abschied hinter dich gebracht, sagte jemand zu dir! Das wird noch mal schwer, sagte vorher jemand anders!
 
Das stimmte allerdings, es fiel nicht leicht. Die Trauerfeier vorzubereiten, kostete schon Kraft, sie dann aber durchzustehen, sich auszusetzen, raubt dir die ganze Energie.
 
Schon in der Nacht wachst du auf, voller Sorge, ob auch alles gut wird, ob es würdig wird. Am Morgen dann sitzt du im Auto, irgendwie neben dir, das Wetter diesig, regnerisch, grau in grau. Dabei hattest du dir doch Sonnenschein gewünscht. Ein klein wenig Angst kroch in dir hoch, vor den anderen, vor dem Schmerz, vor der Tatsache der Urne gegenüberzustehen, darin nur noch ein Häuflein Asche, alles was von ihr übrig geblieben ist.
 
Dazwischen Gedanken, ob das Wort Trauerfeier eigentlich etwas mit "trauen" zu tun hat. Hat es etwas mit Mut zu tun, auf eine Beerdigung zu gehen? Wenn du so an die letzten Beerdigungen denkst, die Bilder kommen dir unterwegs wieder hoch, siehst du die ratlosen Gesichter, die Tränen, die über den eigenen bevorstehenden Tod geweint werden, die Ratlosigkeit, was soll man sagen und wie soll man es sagen. Viele wären lieber nicht da, aber kann man jemandem den letzten Abschied verwehren? Du warst auch schon auf Beerdigungen, da wurde dem Bestatter alles, aber auch alles überlassen. Man saß da und fügte sich.
 
Der eigene Schmerz, die eigene Trauer kommen immer wieder hoch, du hast es schwer und fragst dich im Angesicht des Todes, warum es einige gibt, die es dir noch zusätzlich schwer machen, indem sie nicht verstehen, in dem sie dir bei diesem letzten Gang noch Steine in den Weg legen. Du mußtest kämpfen überhaupt frei zu bekommen, dich rechtfertigen, dass du auch noch einen Tag danach brauchst, um alles zu verarbeiten. Merkwürdig, dass dich das gerade jetzt auch wütend macht.
 
So kommst du an mit all diesen gemischten Gefühlen und Gedanken. Stehst schweigend in dieser kalten Halle! Warum müssen Trauerhallen eigentlich immer so kalt sein?
 
Aber die Lichter brennen und es beginnt, keine Zeit mehr zum Frieren, keine Gelegenheit mehr zu denken! Das Unabänderliche, Unwiderrufliche steht dir vor Augen. Im Inneren Bilder des letzten Zusammenseins, du kämpfst mit Tränen, der Kopf und die Glieder schmerzen. Du gehörst zu der Spezie Mensch, dessen seelischer Schmerz sich auf den Körper niederläßt, ihn schwer macht, bewegungsunfähig.
 
Dann erklingt die Musik, der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco, sie hat ihn gemocht, das Lied von der Befreiung aus der Sklaverei. Es war eure Gemeinsamkeit, denn auch du liebst diesen Gesang. Ein Leben lang arbeitest du daran innerlich frei zu werden, hast du es endlich geschafft, ist es zu Ende, dann wartet eine andere Freiheit. Vielleicht ist das schon der Sinn des Lebens, frei zu werden, von allem, von der Sucht nach Anerkennung, von Ängsten, von Erwartungen, von den materiellen Dingen, damit du aufrecht stehen kannst und den Stürmen standhalten kannst, nicht umkippst, sondern wie ein König durch die Welt gehst, ein "Freier" ein König nicht von dieser Welt!
 
Und dann stehst du auf, denn du bist dran, mit deinem Nachruf. Du gehst nach vorne, die Hände zittern, du kämpfst mit den Tränen, schaust in die Gesichter und dann beginnst du, ganz einfach, vergißt alle Gedanken, die dich hindern und sprichst von ihr, ihrem Leben, ihren Wünschen, ihren Träumen, ihren Versäumnissen und ihrer Dankbarkeit!
 
Warum wissen so wenige etwas zu sagen über den, der geht? Wieso erfahren sie am Ende soviel von dem, der geht? Wo waren sie im Leben? Du siehst die Bestürzung und das Erstaunen, sprichst einfach weiter, und spürst, wie sich die Gesichter entspannen, wie sie annehmen, sich wiederfinden, wie sie anfangen, nicht mehr über sich selber zu weinen, sondern über sie, die gegangen ist. Plötzlich ist sie da, die Leichtigkeit, das Annehmen des Unabänderlichen!
 
DAnn gehst du wieder auf deinen Platz, jetzt zittern nicht nur die Hände, sondern der ganze Körper, aber du bist zufrieden, du hast es geschafft!
 
Dankbarkeit auch für die Fürbitten, denn nichts ist selbstverständlich, das weiß du! Du spürst plötzlich all die Menschen hinter dir, die Familie, die Nachbarn, die Freunde, die du schon so lange kennst, und die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, um ihr die letzte Ehre zu erweisen, du fühlst die Kraft, die von ihnen ausgeht und dich stützen und sie trägt dich auch noch, als du schon längst hinter dem Auto hergehst auf dem Weg zu ihrer Grabstätte und die Sonne scheint plötzlich auch.
 
Du gehst mechanisch an den anderen Gräbern vorbei, die Gedanken haben wieder aufgehört zu kreisen, du bist leer und was stört, sind die Abgase aus dem Auspuff des voranfahrenden Autos! Geht das nicht anders? Und wieso müssen einige schon wieder reden? Fällt Schweigen so schwer?
 
Stillstand, angekommen, die letzten Worte, das kleine Blumenmeer umrandet die Grabstelle, Asche zu Asche, Staub zu Staub! Du legst deine kleine Rose in ihrer Lieblingsfarbe hinein, das kleine Ei der Freundin, dass an die Auferstehung erinnert und bist auf einmal inmitten vieler Menschen, die dir die Hände schütteln, dich in den Arm nehmen und du spürst,das ist jetzt wirklich echt, nicht zaghaft, ungeschickt und nicht wissend, sondern stark, mitfühlend, wissend! Das tut gut.
 
Es tut gut, Menschen hinter sich zu wissen, es macht es einem leichter, das sollten eigentlich alle wissen, die sich fürchten! Es geht nicht um sie selber, sondern um die, die weiterleben mit dem Schmerz und mit der Trauer!
 
War das jetzt ein formeller Abschied? Irgendwie schon, aber nicht nur, sondern ein Annehmen des Hinübergangs, des Nicht-mehr-unter-uns sein!
 
Sagt man nicht "Leichenschmaus?" Merkwürdige Bezeichnung! Wie ist man nur darauf gekommen? Wir sind zuhause, beim Bruder, alle fühlen sich wohl, es gibt Nähe und gute Gespräche über sie, aber auch über das Vergangene, längst Zurückliegende! Sie hätte sich gefreut, da bist du sicher! DAnn plötzlich sind alle weg, es wird still. Du nimmst die Karten, adressiert an das "Trauerhaus!" Das Trauerhaus! Ja, die Menschen, die in diesem Haus wohnen trauern und es wird noch eine Weile dauern, bis es überwunden ist. Früher sagte man, die Zeit des Trauerns dauert mindestens ein Jahr. Früher trug man solange "schwarz" Du brauchst das nicht. Du trägst die Trauer in deinem Herzen und nicht in der Kleidung! Du willst auch nicht, dass alle sie sehen und die, die dir wichtig sind, wissen um sie. Das Leben geht weiter, sagen viele, ja stimmt, aber es braucht Zeit, sagst du!
 
Irgendwann setzt du dich ins Auto, das Radio geht an, eine Sendung über Menschen, die sich an Musikstücke aus ihrer Jugend erinnern. Du merkst auf, bist ganz Ohr, möchtest ein wenig abgelenkt werden und ein Schauer fährt dir durch die Glieder, denn genau in diesem Moment spricht ein Mann von dem Chorgesang aus Verdis Oper Nabucco! Das gibt es doch nicht, denkst du, das kann jetzt nicht wahr sein. Ist das ein Zeichen? Und wenige Minuten später das "Whish you where her von Pink Floyd!"
 
Bestimmt, es war ein Zeichen, vom Himmel von ihr und von der anderen, die auch gegangen ist, vor zwei Jahren, die du immer noch vermisst und die dieses Lied mit dir verbunden hat.
 
Es ist alles gut! Auch wenn du wünschtest, sie wäre jetzt hier!
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