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Ich schreibe einfach gern:)

Das Opfer und der Täter (Tatort ARD)

Durch Zufall erfuhr ich aus der Zeitung mit den drei Buchstaben  über den Film am heutigen Abend im Programm der ARD! Schon die Kritik hatte mich angesprochen und so schaute ich rein. Ich muss sagen, es war mal wieder ein Film ganz nach meinem Geschmack.
 
Was passiert, wenn Opfer und Täter sich lieben? Geht das überhaupt? Wie gehen beide damit um? Wie kann denn so etwas passieren! Wie kann man sich in einen Menschen verlieben, der gerade dabei ist, einem das größte Unglück anzutun, das man sich vorstellen kann?
 
Ein Ehepaar in der DDR lebend, wird eines Tages verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht. Sie sollen sich des Verrates an ihrer Regierung und ihrem Heimatland schuldig gemacht haben, indem sie Berichte an den feindlichen kapitalistischen Westen geschmuggelt haben sollen.
 
Der Film spielt mit wenigen Schnitten, seine Bilder sind klar und ruhig, die Gesichter der Menschen werden eingefangen und man sieht trotz minimalistischer Gesten und Mimiken das ganze Spektrum menschlicher Gefühle. Ich war sofort gefangen, wie in einem Sog!
 
Die Verhöre beginnen. Sie, die Angeklagte, still, ruhig, kaum ein Gefühl, das nach außen zu dringen scheint, abwartend, man sieht ihre Gedanken, die fragend in ihr kreisen. Was wird geschehen? Sie sitzt auf dem Stuhl, ihr wird nicht erlaubt, sich zu bewegen, hinter ihr ein Kommen und Gehen. Was tun sie, die Menschen hinter ihr. Dann kommt er, der Verhörer, setzt sich ihr gegenüber an den Schreibtisch, nimmt den ersten Kontakt auf, spricht sie an:" Wie geht es Ihnen?" Das gehört zum Programm, zu seinem Programm, er versucht sie zu erreichen! "Gut!", sagt sie. Er ist nicht zufrieden und sagt:" Den Umständen entsprechend gut!" "Ja", antwortet sie, "den Umständen entsprechend gut!".
 
Der Film zeigt das Leben der Frau im Westen, nach ihrer Entlassung und Abschiebung und die Rückblenden, auf das Gewesene, Erlittene!
 
Was passiert zwischen den Beiden. Auf den ersten Eindruck ist es nicht sofort zu erkennen, aber sie berühren sich mit den Augen, mit unausgesprochenen Worten, mit dem Körper vom ersten Augenblick an. Sie spüren es, Beide, aber sie wehren sich. Er kommt nicht weiter mit dem Verhör, bekommt kein Geständnis, wird unter Druck gesetzt von seinen Vorgesetzten. Er reagiert, tut einfach, was von ihm verlangt wird, ohne zu reflektieren. Aber sein Herz ist weich. Irgendetwas in seinem Unterbewusstsein sagt ihm, dass nicht richtig ist, was er tut, dass hier Unrecht geschieht. Er versucht mit kleinen Dingen gut zu machen, bietet ihr Zigaretten an, kauf ihr Eis, bringt ihr was zu Essen mit. Er setzt seine Karriere aufs Spiel. Wenn das rauskommt! Dann fährt er in Urlaub, lässt sie zurück, überlässt sie ihrem Schicksal. Aber er kann sie nicht vergessen. Als er zurückkommt, hat er den Mut, es ihr zu sagen:" Ich liebe Dich!" Unfassbar! Auch sie! "Ich liebe Dich!".
 
Dann wird sie weggebracht, abgeurteilt und kommt in Haft! Einzelhaft, Gruppenhaft, teils mit 26 Frauen und zwei WC´s auf einer Zelle. Nein, keine körperliche Folter, aber eine seelische, der Schmerz der sich für immer in ihr niederlässt, sich eingräbt, Ängste, die sie nie wieder vergessen wird. Aber sie ist stark, sehr stark.
 
Sie lebt nun im Westen, arbeitet, macht Führungen in ehemaligen Stasigebäuden für eine Organisation, die sich mit der Geschichte und den Opfern auseinandersetzt, die den Opfern helfen will, das Erlebte nicht nur zu überleben, sondern damit leben zu können.
 
Sie ruft ihn an, den Verhörer. Er lebt ebenfalls mit seiner Familie nun im Westen. Hat einfach weiter gemacht. Nur anders. Ist jetzt Buchhalter. Sie will ihn sehen. Sein Gesicht während ihres Anrufs spricht Bände, die Vergangenheit holt ihn ein. Er hat nur verdrängt, nicht vergessen.
 
Es kommt, wie es kommen muss, sie treffen sich, es geht nicht anders. Und es hat sich nichts geändert. Sie fühlt sich bei ihm zu Hause. Sie fühlen sich voneinander angezogen, ohne dass es zu ändern, manipulierbar, zu verdrängen ist.
 
Dann zieht er aus, lässt seine Familie im Stich und geht zu ihr. Die Erinnerungen stehen zwischen ihnen. Sie wirft ihm vor."Wie konntest Du nur?" "Weißt Du was ich durchgemacht habe!" "Du hättest anders handeln müssen!"
 
"Ich habe nicht gewusst!", sagt er ihr. "Ich wusste nicht, was ich tat". "Ich habe einfach funktioniert". "Ganz einfach funktioniert, ohne nachzudenken". "Ich funktioniere heute immer noch, nur anders". "Ich tue immer, was man von mir verlangt".
 
Sie ist nicht nur Opfer und er nur Täter, es prallen Welten aufeinander. Er, der Funktionierende, sie die Kämpferin, die etwas tun wollte.
 
In ihren Verhören wurde sie versucht. "Was sagen Sie jetzt zu ihrem Biermann, der in den Westen geflüchtet ist und sich ein Haus für 200.000,00DM gekauft hat. Was ist das für ein Kommunist?" Aber sie lässt sich nicht beirren! "Ich gönne es ihm von Herzen!", sagt sie und schweigt weiter.
 
Zwei Welten, zwei Menschen, die das Gegenteil gelebt haben und am Ende sagt er zu ihr:" Du hast mich zum Nachdenken gebracht!". Sie gehen gemeinsam der vergangenen Geschichte nach, gehen zum Frauengefängnis, in dem sie inhaftiert war und gelitten hat.
 
Der Film endet! Sie haben später geheiratet.
 
Ich bin beeindruckt, sehr! Es ist möglich, dass Liebe geschehen kann zwischen Opfer und Täter, wenn beide erkennen, dass sie aus ihrer Grundstruktur heraus nicht anders handeln konnten. Er hat getan, was man von ihm verlangte, sie hat getan, was zu tun war, wenn sie sich noch in den Spiegel schauen wollte, sie wollte dagegen an gehn!
 
Es gibt etwas im Menschen, dass siegen kann über Hass, Vorhaltungen und der zurückliegenden Geschichte und Menschen, die den Mut haben, es anzuschauen, um es zu bewältigen. Und dann ist man nicht mehr Sklave der Geschichte sondern wird frei und kann leben, was trotzdem da ist, nämlich den Menschen, seine Schwäche, die er gezeigt hat in der Vergangenheit, aber auch seine Stärke, es nun in Zukunft anders zu machen.
 
Ob es das wohl in Wirklichkeit gegeben hat? Vielleicht nicht so, aber anders, in anderen Situationen, ganz sicher, ja, da bin ich mir sicher, denn ich habe es ja selber schon erlebt mit meinen Eltern. Auch sie waren Sklaven ihrer Geschichte, konnten nicht anders und trotzdem war Versöhnung da und Liebe, Fürsorge und später, wenn auch fast zu spät, Bereitschaft für den anderen da zu sein.
 
Ein großer Film mit großer Botschaft! Liebe lässt sich nicht vorhersehen, Liebe lässt sich nicht bestimmen, sie ist einfach da, ohne das man etwas daran ändern kann und am Ende will.
 
In diesem Zusammenhang fiel mir ein Buch ein, dass ich vor einigen Jahren einmal gelesen habe mit dem Titel:" Sara tanzt" von Erwin Koch mit ähnlicher Problematik. Auch dort verliebt sich eine inhaftierte Frau, die auf grausame Weise gefoltert wird, in einen ihrer Peiniger, der sich aber bekehrt und ihr gegenüber Milde walten lässt. Sehr zu empfehlen. Ein beeindruckendes Buch!
 
Liebe zwischen Opfer und Täter! Unglaublich, aber möglich

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