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1. Januar 2024 1 01 /01 /Januar /2024 10:46

 

 

Unter meinem Gabentich lagen viele Bücher, auch das neue Buch von Bernhard Schlink, wohl den meisten Lesern bekannt durch seinen Roman *Der Vorleser*, das im übrigen auch eine sehr schöne Literaturverfilmung geworden ist. Über Schlink brauch ich nicht viel zu erzählen, das kann man alles hier https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Schlink nachlesen.

Das späte Leben ist ein Buch über das Sterben. Der Tod und die Liebe, beides wohl die Themen, denen wir in der Literatur am häufigsten begegnen. Nicht alle, die ich gelesen habe,  berührten mich so  wie dieses Buch von ihm.

Wenn man über den Tod nachdenkt und über ihn schreibt, ist es doch auch so, dass man nicht umhin kommt, über das Leben nachzudenken. Das Leben das man hatte und dass was einem vielleicht davon noch übrig bleibt. Gerade wenn man älter und älter wird und man nicht weiß, wieviel Zeit einem noch bleibt.

Grundsätzlich ist es ja so, dass man es eigentlich nie weiß, egal wie alt man ist, doch in jungen Jahren voller Lebensplanungen und Aktivitäten mag man darüber nicht nachdenken, jedenfalls Wenige tun das, we ich im Laufe meines Lebens in Gesprächen erfahren durfte.  Für mich selber, wie ich schon öfter erwähnt habe, ist das Nachdenken über den Tod nichts Neues jetzt im Älterwerden, da ich selber schon früh mit der Bedrohung des Todes Berühung hatte, sei es das eigene Leben oder eben auch dem Verlieren von geliebten Menschen, die ich begleiten durfte.

Der 76 jährige Martin Brehm ist so ein Mensch der trotz seines Alters noch voll im Leben steht. Er hat eine über 30 Jahre jüngere Ehefrau, Ulla, die Malerin ist,  mit der er einen kleinen Sohn,  David, der kurz vor der Einschulung steht, hat, die er Beide über alle Maßen liebt. Und da war auch seine Arbeit als Universitätsprofessor für Rechtsgeschichte, die jetzt hinter ihm liegt und seine Tätigkeiten in diesem Bereich nicht aufgehört haben, nachdem er emeretiert ist. Er ist immer noch für Vorträge ein gefragter Mann.

Doch dann ganz plötzlich tritt das ein, wovor sich der eine oder andere vielleicht immer mal fürchtet. Martin bekommt bei einer Routineuntersuchung von seinem Arzt die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Lebenserwartung vielleicht 12 Wochen. Sein Hausarzt ist keiner, der ihm falsche Hoffnungen macht. Unheilbar, der Krankheitsverlauf langsam voranschreitend mit einem schließlichen Ende, deren letzte Wochen schmerzhaft sein werden.

Martin scheint gefasst zu sein. 76jährig scheint er alt genug zu sein, um dem Tod zu begegnen. Dieses Gefasstsein schwankt aber immer wieder. Sein Alltag, die Wochen, die ihm verbleiben, wird geprägt sein einerseits von dem wie wird das Sterben sein und wie wird das Leben seiner Beiden, die ihn verlieren werden, weitergehen. Er kann sich nicht vorstellen, einfach nicht mehr da zu sein um sie zu begleiten.

Manch einer wird sich fragen, wieso kann man drüber nachdenken, wie das Leben ohne ihn selber weitergeht, doch mir sind solche Gedanken auch nicht fremd. Denn des öfteren stell ich es mir auch vor, das alles weitergeht, ohne mich, dass ich nicht mehr dabei sein kann und Vieles noch miterleben darf. Diesen Schmerz loszulassen, der schon da ist, obwohl man ja noch lebt, ist eine riesige Aufgabe. Loslassen.

Martin überlegt lange, wie er seiner Frau und seinem Sohn, vor allem ihm, erzählen kann, was mit ihm geschehen wird, dass er und wie er sterben wird. Wie sagt man seinen Kindern, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Aber er findet einen Weg.

Er findet auch einen Weg wie er diese letzten Wochen seines Lebens verbringen möchte. Nicht in Rührseligem - was ich schon immer noch mal tun wollte - , sondern einfach weiter den Alltag leben, mit all den kleinen Dingen, die er erfordert und die ihm in seinen Lebensjahren bisher nicht nahe waren, die er einfach so nebenbei noch erledigt hatte. Jetzt ist das alles anders. Es wird intensiver, die kleinsten Dinge werden ihm, dem immer müde werdenden Mann, groß  sein. Er wird seinen Sohn jeden Morgen zum Kindergarten bringen, einkaufen, kochen, den Garten bearbeiten und ein paar kleine Wünsche äußern, die er zusammen mit ihm und seiner Frau noch tun möchte. Nichts großes, ein Picknick, eine Fahrt mit dem Riesenrad und am Ende ein Aufenthalt am Meer. 

Und er wird einen Brief an seinen Sohn schreiben. Seine Frau riet ihm dazu, etwas dem Sohn noch mitzugeben, damit er sich im Größerwerden an ihn erinnern kann.  Aufgrund eines Filmes den sie mal sah, dachte sie an ein Video, dass er filmen sollte, um dem Sohn etwas zu sagen. Er entscheidet sich aber für einen Brief, in dem er alle Fragen, denen er sich selber stellt über das Leben, den Tod und die Liebe, was ist Gerechtigkeit und wieviel Wahrheit verträgt das Leben.

Er bereut auch nicht, hätte er doch früher schon intensiver mit weniger Arbeit und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge verbracht. Alle würden ja heute von der Work-Life-Balance reden. Alles Quatsch sagt er sich.

Er sagt vielmehr:

"Arbeit ist ein Teil des Lebens. Mal gehört unsere ganze Kraft ihr, mal der Familie, mal stehen Chor oder Orchester und mal der Wahlkampf an erster Stelle. Es gibt keine Balance. Wir tanzen im Leben immer auf vielen Hochzeiten." So schreibt er seinem Sohn in seinem Brief.

So ist es ja auch. Die Dinge, die wir tun, erfordern immer unterschiedliche Kräfte und Zeiten. Man kann etwas mit Gewichtigkeitnicht  nur halb tun, um damit das Andere ebenfalls halb tun zu können.

Eines Abends, als er mit seinem Sohn zusammensaß, der nun wußte, dass der Vater sterben wird und er plötzlich weinen musste, sagt Martin ihm:

"David, David...und wenn ich sterbe und in den Himmel gehe, kommst du mit bis an die Tür, wir verabschieden uns, wie wir uns am Kindergarten verabschieden, und ich gehe rein, und wenn du viele, viele Jahre auch reingehst, begrüße ich dich. Es ist eine Tür wie keine andere, du siehst sie nur, wenn sie für dich aufgemacht wird und du reingehst. Wir verabschieden uns du bleibst zurück, ich gehe um die Ecke und finde die Tür."

Ein schönes Bild fand ich!

Das Büchlein umfaßt knappe 24o Seiten, doch in ihm ist eine Fülle großer Fragen und Erkenntnisse zu finden, die den Leser unaufdringlich diese seinem eigenen Leben stellt. 

" Der Tod ist nicht gerecht. Aber was ist schon gerecht - nicht Gott, nicht die Liebe, nicht die Arbeit, nichts, wovon ich Dir geschrieben habe. Ausser der Gerechtigkeit, die wir Menschen in die Welt bringen. Vielleicht ist immerhin der selbstgewählte Tod gerecht. Aber das Leben dessen, der den Tod wählt, hat darum auch nicht seine Erfüllung gefunden. Etwas Besseres als den Tod finden wir überall, so heißt es im Märchen der Gebrüder Grimm von den Bremer Stadtmusikanten."

Mit diesen Worten endet der Brief an seinen Sohn!

12 Wochen sollten es vielleicht noch sein. Begleiten werden wir Martin genau 1o Wochen, die mich und sicher auch jeden Leser bewegen werden, ohne von Sentimentalität oder Rührseligkeit gefangen zu werden. Denn nichts ist realistischer als der Tod und nicht anders kann diesem entgegengetreten werden.

Eine gute Lesezeit wünsche ich allen bei diesem Büchlein!

bernhard Schlink

Das späte Leben

Diogenes-Verlag

ISBN: 13-978-3257072716

26,00 Euro

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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