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16. Januar 2024 2 16 /01 /Januar /2024 11:37
Der Norweger Jon Fosse bekam 2023 den Literaturnobelpreis. Davon las man. Gelesen hatte ich bisher noch nie etwas von ihm. Alles zu Fosse kann hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Jon_Fosse
nachgelesen werden.
 
Daß er jedoch religiös geprägt sein muss erschließt sich nach einiger Zeit beim Lesen seines Romans.
 
Ein Leuchten so heißt seine Erzählung, der flott gelesen werden kann, weil er gerade mal 80 Seiten zählt. Schnell gelesen aber dafür nehmen die Zeilen, diese Geschichte,  einen noch für lange Zeit gefangen.
 
Ein wunderbare Einladung zum Sinnieren, so schreibt der Norddeutsche Rundfunk.
 
Das trifft es absolut, denn die Geschichte die erzählt wird ist offen für viele Möglichkeiten ihrer Deutung. Denn darüber denkt und denkt man nach. Was erlebt dieser Mann in der Geschichte tatsächlich? Was will uns Fosse mit dieser Geschichte sagen?
 
Ist es eine Phantasierei des Protagonisten oder ist es eine Realität, ein Erleben?
 
Der Mann über den er schreibt befindet sich in einer Lebenssituation von Langeweile. Irgendwie geht es wohl nicht weiter. An dem Gefühl von Langeweile kommt der Mensch zumeist an, wenn entweder alles getan wurde und man keinen neuen Aufgaben oder Wege findet, um das Leben fortzusetzen oder wenn man möglicherweise einfach genug hat von all dem was bisher gewesen ist, ein gewisser Überdruß sich einschleicht.
 
Mit diesem Lebensgefühl der Langeweile, die ihn gefesselt hat, setzt er sich in sein Auto und fährt einfach drauflos. Er richtet sich nach dem Strassenverlauf. Mal biegt er links, mal rechts ab weiter und weiter, bis es am Ende nicht mehr weitergeht und er an einem Waldweg ankommt, wo sich sein Auto festsetzt. Kein Vor- und kein Zurück mehr. Nur noch Wald. Norwegens Wälder sind tief und schwarz.
 
Er ist ratlos. Weiß nicht, wie es weitergehen soll. Waren da nicht vorher irgendwo Häuser? Sollte er zu Fuß zurückgehen um eines dieser Häuser zu suchen und um Hilfe zu bitten? Er versinkt ins Grübeln.
 
Ihm ist kalt. Es beginnt zu schneien und die Dunkelheit der Nacht ist nicht mehr fern. Er stellt die Heizung an. Wie geht es weiter?  Er verspürt Angst. Was ist, wenn es hier für ihn nicht mehr weitergeht? Wird man ihn suchen, ihn finden? Er ist ein einsamer Mann, lebt allein. Wer soll da wohl an ihn denken, ihn suchen und finden.  Noch mehr Angst.
 
Nach einigen Seiten des Lesens dieser Geschichte dachte ich, dass es Realität ist, was der Mann erlebt. Und hatte schon ein Urteil parat, schon ein wenig dumm was er da getan hat und auch weiter tun wird. Nämlich die Wärme des Autos verlassen und in den tiefen Wald gehen. Was will er denn da?  Bei Einbruch der Dunkelheit. In den tiefen Wald. Wo das Unglück, dass ihn ereilte, aus Langeweile, seinen weiteren Verlauf nehmen wird. Absolut unsinnig.
 
Aber nach einiger Zeit sieht er etwas. Ein Leuchten. Mitten in der schwarzen Dunkelheit des Waldes und der Nacht. Er sieht es und rätselt. Ein Mensch? Oder einfach nur ein Licht dessen Konturen denen eines Menschen ähnelt? Er geht auf diese Erscheinung zu.
 
Er wird noch zwei wichtige Erscheinungen treffen. Seine Eltern mitten in diesem Wald. Zwischen dem Licht, dem Leuchten der Erscheinung und seinen Eltern wird es eine Kommunikation geben, eine stille jedoch überwiegend. Mehr verrate ich nicht.
 
Wie schon geschrieben, es gibt viele Möglichkeiten der Deutung dieser Erzählung. Sie läßt einen nicht mehr los, unglaublich wie sie einen gefangen nimmt.
 
Für mich war es ganz klar, was sie mir erzählte. Die Geschichte von Sterben eines Mannes, eines Menschen.
 
Angekommen an seinem Ende des Lebens kurz vor dem Tod. Denn ich erinnerte mich selber an das Damals, als bei dem schweren Autounfall, in dem ich verwickelt war, meine zwei Freunde sofort starben und ich selber in tiefe Bewusstlosigkeit fiel, dass ich auch ein *Leuchten, ein Licht sah und auch meine Mutter*, ja ich erinnere mich, dass ich nach ihr rief. Ob laut oder nur in meinen Gedanken, das kann ich nicht mehr sagen.
 
Und ich erinnere mich an all die letzten Tage meiner mir nahestenden Menschen, an deren Bett ich saß, deren Hand ich hielt, bei ihnen war, sie begleitete auf ihren letzten Lebensminuten, auf dem letzten Weg. Und beobachtete wie sich da in ihrem Geiste, in ihrem Kopf, etwas abspielte. Wie sie sahen, auf welchem Weg sie sich befanden und was dort geschah. Nur hin- und wieder ein Seufzen, manchmal sogar nochmal ein Wort oder ein Augenöffnen, welch all das mir zeigte, sie erlebten da Etwas auf ihrem letzten Weg hinüber.
 
Das hat mich getröstet und schenkt mir Zuversicht und Hoffnung, wenn ich einmal selber an dieser Stelle mich befinde des Hinübergehens. Dass da etwas zu sehen ist, mich in meiner Angst, die ja immer wieder aufkeimt, beruhigt und mir sagt, alles ist gut und mich das Licht, dass mich so wärmt wie nichts mich jemals in dieser Welt gewärmt hat, mitnimmt, hinüber. Wohin? Ich weiß es nicht. Aber alles wird gut sein.
 
Aber wie gesagt, das ist das Bild für mich ganz persönlich, dass ich aus dieser Geschichte herausgelesen habe.
 
Es kann auch eine ganz andere, einfachere haben. Ein Bild für das Leben selbst. Vom Leben, in dem man irgendwann nicht mehr weiter weiß und darauf wartet, dass Irgendwas passiert, einem wieder auf die richtige Bahn lenkt.
 
Oder ein Bild vom Leben eines Menschen der das Leben überdrüssig geworden ist. Dass all das was er getan hat, was war und ist und noch kommen sollte, ihn ganz einfach nur noch langweilt und er vielleicht sogar Todessehnsucht bekommt.
 
Sicher gibt es noch viele andere Möglichkeiten der Deutung. Macht Euch Eure eigenen.
 
Ich selber bin überaus gespannt, was mir die Menschen, mit denen ich in meinem Literaturkreis das Buch gemeinsam gelesen habe, von ihrem Erleben beim Lesen dieses Buches erzählen werden. Darauf bin ich schon genauso gespannt, wie ich war beim Lesen des Buches.
 
Jon Fosse
Ein Leuchten
80 Seiten
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-498-00399-9
22 Euro
 
 
 
 
 
 
 
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