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26. Februar 2024 1 26 /02 /Februar /2024 11:04
Dieses Buch macht einfach nur Vergnügen es zu lesen. Keinerlei große Probleme der Welt werden gewälzt, über die nachgedacht werden muss. Außer vielleicht über die Weltfremdheit. Genauer gesagt über den Oblivismus.
 
Denn darum geht es in dieser wunderbaren Geschichte die Johanna Seebauer mit einer unglaublich phantasievollen Sprache erzählt. Ihre Beschreibungen von Personen und Örtlichkeiten haben einen Sog der einen hineinzieht ins Geschehen.
 
Nincshof ein kleines fiktives Dorf am Ende von Österreich. Im Burgenland nahe der ungarischen Grenze. Die Legende besagt, dass es dieses Dort für die Welt lange Zeit nicht gegeben hat. Es war versteckt im hohen Schilf und ihre Häuser standen auf Stelzen auf dem dahinfliessenden Wasser. Erst im 2o. ten Jahrhundert wurde es an das große weite Weltgeschehen gegen den Willen aller Nincsdörfler angeschlossen.  Eine Legende oder Wahrheit? Man wird es erfahren.
 
Die Menschen im Dorfe Nincshof sind aussergewöhnlich, schräg oder skurril, je nachdem wie man es betrachten möchte. Geheiratet wird selten, doch auch wenn, die Männer tragen ausnahmslos alle die Nachnamen ihrer Frauen. Ihr Liebesleben ist sehr freizügig. Kirchlichen Institutionen stehen sie mehr als skeptisch gegenüber und was Wahrheit ist, stellen sie zumeist in Frage. Was ist schon Wahrheit? Es gibt doch viele Wahrheiten.
 
Die Menschen leben so für sich dahin. Der Bürgermeister, der eigentlich gar kein Bürgermeister sein will, aber es trotzdem ist, weil es niemand Anderes werden will.
 
Es ist Sommer und die Luft ist heiß und stickig. Nur die Grillen mit ihrem Gesang durchdringen bisweilen die Schwere der Luft.
 
Erna Rohdiebel beschließt eines Tages in der Nacht in den Swimmingpool ihrer Nachbarn zu steigen. Ein Abenteuer für die fast 80jährige Erna. Und damit begintn die abenteuerliche Geschichte im Dorfe Nincshof.
 
Der Bürgermeister, der eigentlich kein Bürgermeister sein will hat die Nase voll von der Welt. Es reicht ihm. Wieso kann sein kleines Dorf nicht ruhig, still und friedlich ihr ganz eigenes Leben führen? Alles muss man mitmachen, was von ganz oben kommt. Sogar eine Städepartnerschaft muss man haben, wie jetzt jedes kleinste Örtchen sie hat. Nincsdorf also auch. Mit einer belgischen Stadt direkt an der See. In Abständen muss er mit einer Gefolgsschaft dieses Städchen besuchen. Zumeist bleibt er allein, denn Niemand will das. Aber er muss. Und das bekommt ihm jedes Mal nicht. Der Verzehr von Muschelgerichten liegt ihm in den Därmen und macht den Aufenthalt fast unerträglich.
 
Als er wieder einmal von einer Reise zurückkommt, sitzen drei Männer, er, der Bürgermeister, also der ältere, ein junger Mann, vielleicht gerade 20 Jahre alt und ein noch Älterer, den man Sepp-Sepp nennt, und der mindestens schon 200 Jahre alt sein soll abends, es ist schon dunkel, in aller Heimlichkeit am Einser-Kanal.  Auch die Beiden, also der Jüngere und der noch Ältere,  haben die Nase gestrichen voll von der Bevormundung von ganz Oben und dem ständigen wir müssen uns weiterentwickeln, sonst gibt es keinen Fortschritt.
 
So beschließen die Drei sich zu erwehren. Der Jüngere macht sie mit dem Oblivismus bekannt. Weltabgewandtheit. Der Philosophie des Vergessens. Der ältere, also der Bürgermeister und der noch Ältere, also der Sepp-Sepp, sind ganz begeistert von dieser Philosophie. So beschließen sie einen Plan, wie sie Nincsdorf für die Welt da draussen vergessen machen können.
 
Sie lassen sich verrückte Sachen einfallen. Das Abmontieren der Ortsschilder, eine Flut von Jauche neben den Radwegen durch und um das Dorf herum, auf denen am Wochenende die Radler aus der Umgebung und der Großstadt Wien ihre Touren absolvieren und die ganz schnell angewidert fernbleiben. In der örtlichen Bibliothek reißen sie alle Berichte und Fotos des Dorfes aus den historischen Büchern heraus und auch im Internet findet man ganz plötzlich nichts mehr über Nincsdorf.
 
Das muss auch Isa Bachgasser, eine bekannte Filmemacherin von Dokumentationen und ihr italienischer Mann Silvano erfahren. Beide hatten sich entschlossen aus dem Großstadtgewühle von Wien in ein kleines Dorf zu ziehen und haben sich genau dieses Nincshof ausgesucht. Denn bevor alles verschwunden war im Internet, konnte man noch Vieles erfahren über das Dorf.
 
Beide, Isa und Silvano wollen dort einen Neuanfang ihres Lebens starten. Silvano war nach langer Krankheit endlich wieder genesen und hatte jetzt endlich den Mut sich dem zu widmen, von dem er schon träumte, als er noch in Peru einige Jahre lebte und den Zappatisten bei ihrem Freiheitskampf geholfen hat. Dort in Peru begegnete er dem, was ihn dann auch später, als er wieder Zuhause war, nicht loslassen konnte. Es waren die Irrziegen. Eine seltene Ziegenart, die es kaum noch auf der Welt zu finden gab.
 
Von einem italienischen Züchter kaufte er mehrere dieser Irrziegen und wollte dort, in Nincsdorf, einfach nur noch Ziegenwirt sein. Und seine Frau die Isa? Sie war des Filmemachens müde. Wollte sich endlich mal ausruhen.
 
Aber eines Tages joggte sie durch und um das Dorf herum und fand versteckt im Schilf ein Schild * Freiheit für Nincsdorf* in Gedenken an Martha E. Sie stutzte. Was es wohl damit auf sich hatte.
 
Und so geschah es, dass diese beiden Zugezogenen den Oblivisten , die sich Tag für Tag bei Erna Rohdiebel, die jetzt auch dazu gehörte,  trafen um die weiteren Pläne für die Aktion *Nincshof - soll vergessen werden, trafen, einen Strich durch die Rechnung machten.
 
Wie es wohl ausgeht das Ganze. Darauf laßt Euch ein. Denn mehr verrate ich nicht, ausser dass es einfach nur Spaß macht dieses Buch zu lesen. Immer wieder habe ich herzhaft lachen müssen ob der verrückten Beschreibungen des Geschehens und der phantasievollen Wortgewalt mit der Johanna Seebauer ihre Geschichte erzählt und man gar nicht anders kann, als allen Personen in diesem Buch mehr als sympathisch gegenüberzustehen, nein man liebt sie geradezu.
 
 
Und ja, seufz...so eine Weltabgewandtheit gefällt mir doch auch sehr. Denn wie soll man sich all dieser Verrücktheiten, dem Schrecklichen und Unmöglichen erwehren, wenn nicht, dass man einfach mal verschwindet, entweder hinter der eigenen Tür in seiner kleinen Höhle zuhause oder irgendwo hin in ein kleines Dorf, das verschwiegen irgendwo in der Eifel oder sonstwo liegt und das einem ebenfalls dazu verhelfen kann, einfach mal die Welt da draussen in sich drin zu vergessen und sich selber auch vergessen sein lassen will. Denn in so einem kleinen Dorf, jedenfalls bei mir in der Eifel, steht die Welt tatsächlich noch ein wenig still. Hier dringt der Lärm der Welt noch nicht bis in alle Winkel hinein. Hier ist die Wirklichkeit des Alltags noch überschaubar.
 
Also es ist schon eine kleine Einladung auch, die Welt einfach mal draussen zu lassen!
 
Viel Vergnügen
 
Johanna Seebauer
Nincsho
DuMont Verlag
367 Seiten
23 Euro
ISBN 978-3-832-16820-9
 
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