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24. April 2017 1 24 /04 /April /2017 08:23

Köln hat Flagge gezeigt. 10.000 Menschen maschierten am Samstag durch die Kölner Innenstadt um gegen den Parteitag der AfD zu demonstrieren und zeigten damit ein grosses Zeichen. Keine Macht dem rechten Gedankengut und den Nazis hier in dieser Stadt, aber auch weltweit. Ich war dabei. Nicht, dass ich mich jetzt besonders fühle, ich empfinde es als eine Pflicht im Angesicht der geschichtlichen Vergangenheit und dem aktuellen Geschehen in der Welt ein Zeichen zu setzen. Hallo, wir sind da, wir passen auf. Schon um unserer Kinder willen und für die Zukunft der Menschen. Für eine freie Welt, für Demokratie, Solidarität und Menschenfreundlichkeit.
 
Glücklich bin ich darüber, dass der gesamte Tag, abgesehen von ein paar Randerscheinungen, friedlich und entspannt verlaufen ist. Aber die finden wir ja überall, diese kleinen Grppen, die sich Ereignisse zu eigen machen und ihre Agression ausleben wollen, die ganz sicher ihren Ursprung in ihrem eigenen Leben hat. Damit muss gelebt werden.
 
Ich habe mich um 9.30 Uhr auf den Weg Richtung Heumarkt gemacht. War erstaunt, dass die Stadt, als ich aus dem Hauptbahnhof herauskam, still vor mir lag. Hohe Strasse leergefegt. Alles ruhig. Ein paar Besucher der Demonstration maschierten mit mir zusammen Richtung Heumarkt.
 
Bevor die Absperrungen am Heumarkt durchschritten werden konnten, mussten sich einige Besucher dort Taschenkontrollen unterziehen. Für mich war das in Ordnung. Ich durfte eh vorbei.
 
Angekommen, standen die Menschen versammelt vor der dort errichteten Bühne oder aber an den LKw´s, aus denen heraus die Ansprachen verschiedener Gruppen gehalten wurden oder einfach Musik nach dem Motto: Lasst es knallen, erklang. Es war eine bunte Mischung zu sehen von Jung und Alt. Selbst einige Eltern mit ihren Kindern waren dabei. Ich fand das gut. Sicher ist es ein Risiko. Man weiß nie, was geschieht. Ich denke, die Eltern wissen das sicherlich gut einzuschätzen und gut damit umgehen zu können.
 
Ich muss gestehen, in jungen Jahren war jede Demo meine, aber mit den Kindern bin ich später nicht gegangen. Das hatte aber auch viele andere Gründe. Dennoch, ich will mich nicht herausreden, ich glaube, das hätte ich mich nicht gewagt. Daher meinen Respekt vor den Eltern. Denke, dass es wichtig ist, dass die Kinder früh lernen, dass sie die Möglichkeit haben, auf diese Art und Weise ihren Widerspruch aufzuzeigen, wenn etwas geschieht seitens der Politik, was nicht im Sinne der Wohlergehens der Menschen ist.
 
Ich empfand die Stimmung schon auf dem Heumarkt als sehr entspannend und auch fröhlich.So soll es sein. Selbst die Polizei, die ich bei meiner letzten Demo in Frankfurt gegen die EZB in sehr schlechter Erinnerung hatte, zeigte sich m.E. entspannt. Es konnte sogar hie und da ein Witzchen mit ihnen gemacht werden und sie gaben freundlich Auskunft auf Fragen und verschanzten sich nicht hinter ihrer Macht. Gut, es ist mein persönliches Empfinden und Erleben gewesen. Jedenfalls sie hat ein Lob verdient, die Polizei.
 
Was mir ins Auge fiel, waren die teilweise ganz in schwarz gekleideten Jungen wie Alten. Merkwürdig dachte ich. Warum? Drückt das *schwarz* eine gewisse Hoffnungslosigkeit aus? Es war schon auffällig. Ich denke mir immer, eine Demonstration müßte von vielen bunten Kleidern tragenden Menschen gegangen werden. Die Farben, die ausdrücken, dass die Hoffnung nicht aufgegeben wird, aber auch, dass diese unsere Welt bunt ist, genauso, wie die Menschen, die in ihr leben. Schwarz war jedoch nicht überwiegend der Blickfang. Bunte Luftballons hoch in den Himmel ragend, farbige Plakate und Schilder und hie auch da einige verrückt kostümierte Menschen brachten  Leben in das Bild.  Aber gut, im Grunde ist das pillepalle. Es war nur so ein Gedanke.
 
Dann ging es los. Wir maschierten Richtung Neumarkt. Immer wieder kam es zu kleinen Zwischenstopps, es ging langsam voran. Zum einen wartete man auf Gruppen, die von anderen Seiten noch hinzustießen, zum anderen waren es wohl Vorsichtsmaßnahmen, die den Marsch etwas verlangsamen sollten, damit alles gut verläuft. Diese Pausen wurden gut genutzt, immer wieder kleine Reden, aber vor allen Dingen Musik und die Menschen tanzten teilweise sogar in den Reihen. Das gefiel mir natürlich. Dachte, genauso soll es sein. Keine agressive Stimmung. Manche Redner riefen dazu auf, dass Parolen zusammen gerufen werden. Das funktionierte auch teilwese ganz gut. Ich bin da eher still mitgezogen. Ich habs nicht so mit dem Schreien von Parolen. Auch wenn es ums Positive geht. Halte mich eher an einen sanften Widerstand. Meine Füße zeigten meines Erachtens genug.
 
Wichtig war, dass die Menschen hier in Köln ein Zeichen setzten. Und das war in der Tat so. In diesem Moment hatte ich tatsächlich auch nichts gegen ein Wir-Gefühl. Die Sorge, die hier alle Versammelten verband, war die gleiche. Merkwürdig, während ich Schritt um Schritt mitzog kamen mir die Worte in den Sinn, die mir auf den Weg mitgegeben worden sind. Paß auf dich auf. Sei vorsichtig. Einige sagten gar, was, du gehst auf die Demo. Da hätte ich zu viel Angst. Und ich dachte in dem Moment, ne Angst hab ich nicht einen Augenblick gehabt.
 
Angst hab ich mehr im Alltag oder auch besser gesagt Sorge. Vor jedweder Ausgrenzung eines Menschen, weil er herkommt, wo er herkommt oder ist wie er ist. Sprüche wie...Ohne ihn war es angenehmer. So was erschreckt mich und ich denke dann immer, warum? Die Angst, dass ihnen was genommen wird, ist wohl gross. Unsicherheit des eigenen Selbst. Es gibt viele Gründe, das ist mir klar.
 
Am Neumarkt angekommen wurden noch einmal Ansprachen gehalten und Parolen ausgerufen. Ich verliess die Demo hier an dieser Stelle und zog still Richtung Rudolfplatz, um von dort zum Grüngürtel zu gelangen, wo dann ab 14.00 Uhr die Veranstaltung initiiert von Kölner Karnevalsgesellschaften, organisiert von  Herrn Kuckelkorn, stattfinden sollte. Ein wenig hatte ich da gemischte Gefühle. Sollte das mal wieder ein  Event *Köln feiert sich selber und immer immer wieder ruft der Karneval* werden? Da ich früh dort war, hatte ich meinen Platz unmittelbar vor der Bühne eingenommen und konnte so das langsam und stetige Anwachsen der Menschenmenge beobachten.
 
Auch hier wieder Alt und Jung, Eltern mit ihren Kindern. Und mir fiel sofort ein kleines Mädchen auf, dass ein selbstgemachtes Plakat in die Höhe hielt mit der Aufschrift: Kein Kakao für Nazis! Auf meine Frage, ob ich sie fotografieren dürfe, an sie und ihre Eltern gerichtet, nickten sie sofort stolz und freuten sich. Ich habe das kleine Mädchen immer mal wieder beobachtet, wie stolz und stoisch sie ihr Plakat die ganze Zeit während der Veranstaltung vor sich hertrug. Respekt für das Engagement der Kleinen und Respekt für die Eltern, sie dürfen ganz sicher stolz auf ihr Mädchen sein. Das haben sie gut gemacht. Wie ich schon schrieb, es kann nie früh genug sein. 
 
Der Platz füllte sich und während der laufenden Veranstaltung würden 10.000 Menschen sich hier eingefunden haben um ein Zeichen zu setzen. Viele Kölner Bands unterstützten die Aktion mit ihren altbekannten Liedern, Höhner, Paveier, Kasalla, Cat Balou, Brings. Ein herrliches Treiben und Bild als die roten Funken direkt vor meiner Nase Richtung Bühne einzogen an mir vorbei und teilweise zum Stehen kamen. Da war einem löstig Schwätzchen gar nicht auszuweichen. In diesem Moment ging mir das Herz auf. Gut dasss die Karnevalisten nicht nur Hätz, sondern auch Flagge zeigten. Es ist ja bekannt, dass die Kölner Karnevalisten sehr viel Hilfe leisten in allen sozialen Bereichen, das sollte nicht vergessen werden, gerade auch von denen, die immer ein wenig schief auf das kölsche Karnevalsgeschehen- und treiben gucken. Es kann vielleicht auch Niemand verstehen, der nicht in Köln geboren und aufgewachsen ist.
 
Bettina Böttinger, die jeder ja nun vom Kölner Treff kennt hat mich ebenfalls begeistert. Sie führte mit Hätz und Verstand lässig durch den Nachmittag. Alle Teilnehmer gaben ihre Statements ab und jedes Wort stimmte nachdenklich. Nur bei den Kirchenvertretern war ein Vorbehalt meinerseits sofort zu spüren, fast eine Abneigung, denn ich weiss um die vielen Ausgrenzungen der Menschen innerhalb der Gemeinden in den Veedeln und auf anderen Ebenen im erzbischhöflichen Dienst. Sorry, aber ich kann gegen diese Widersprüchlichkeit, nach aussen große Offenheit demonstrieren, im Hinterhalt aber genau dagegen agieren, einfach nicht an. Dazu bin ich zu gebrannt!
 
Mein Eindruck aber insgesamt war, dass die Menschen, die sich hier versammelt hatten und die ja auch zum grossen Teil aus der Innenstadt von dem Marsch hierhergefunden hatten, nicht da waren, um Karneval zu feiern, sondern dass in ihren Köpfen genauso wie in meinem die Sorge um die Zukunft, die Angst vor dem Rechtsruck, vorherrschte und dass sie mit ihrer Anwesenheit ein Zeichen setzen wollten. Die Lieder, die die Bands spielten waren gut ausgewählt. In unserem Veedel, denn hier stonn wir zusammen, egal, wat auch passiert....Jeder Kölsche kennt es. Aber nur ein Kölner weiss, dass es stimmt, was hier besungen wird. Dass es in den Kölner Veedeln tatsächlich so läuft. Das hier zusammengehalten wird, dass jeder angenommen ist, der hier lebt. Ich habe in all den langen Jahren, in denen ich im Veedel Nippes lebte, nie etwas wie Ausgrenzung oder Abneigung gegen Menschen anderer Herkunft erlebt. Hier lebt alles miteinander und füreinander. Das ist auch das Besondere, dass Köln ausmacht.
 
Und daher konnte ich ganz gut rechts und links meinen Nachbarn einhaken und bei dem ein oder anderen Liedchen mitschunkeln. Es gibt tatsächlich einfach kein Wort dafür, dass sagen könnte, was ich fühle, wenn ich an Kölle denke. So ist es.
 
Köln ist zwar nicht die architektonisch schönste Stadt, aber eine Stadt die Gemüt, Herz und Verstand hat, die immer aufgestanden ist in den letzten Jahren, wenn es darum ging, gegen Rassismus, gegen Nazis und für die Menschlichkeit und Menschenrechte  einzutreten. Und das sind die Menschen, die Bürger, die hier leben. Und ich bin froh nun wieder hier zu leben und an diesem grossen Tag mit dabei sein konnte.
 
So lief auch diese Veranstaltung im Grüngürtel entspannt, friedlich aber vor allen Dingen auch mit viel Fröhlichkeit ab. Was wenn nicht  die Freude, der Humor und das Frohsein immer noch das beste Mittel gegen Angst und Sorge ist.
 
Am Ende singen alle mit Kasalla...Stadt mit *K* Hier ist die Stadt mit *K*, die gezeigt hat, dass hier Menschen leben, die aufpassen, die sich wehren wollen, und zwar nicht, wenn es zu spät ist, sondern in den Anfängen, die dafür steht, dass für Nazis und rechtem Gedankengut hier in dieser Stadt kein Platz ist. Vier Stunden vergingen wie im Fluge.
 
Auf dem Weg nach Hause zog ich zufrieden still und allein Richtung Dom, um von dort aus am Rhein entlang meinen Heimweg zu Fuß anzutreten. Ich war lange unterwegs an diesem Tag. Aber es hat sich gelohnt! Ein Gedanke hat sich noch breit gemacht in mir auf dem Nachhauseweg. Warum? Warum wird insgesamt in dieser Welt, gerade auch in Deutschland, so wenig Gebrauch von einem der wichtigsten Freiheitsrechte gemacht. Das Recht zu Demonstrieren! Es wird überall so viel geschimpft und resigniert. Bei den Wahlen sieht man die Politikverdrossenheit der Menschen.

Dieser Tag hat doch einmal mehr wieder gezeigt, wir Menschen haben die Mittel nein zu sagen, aufzuzeigen, zu protestieren und den Politikern damit ein Zeichen zu geben, das wollen wir nicht. So könnt ihr mit uns nicht umgehen. Denn wir sind die Zukunft, Menschen, die ihr regiert und für das Wohl aller sorgen sollt und nicht für das Wohl einiger Wenigen. Bleibt nicht in euren Sesseln und auf den Sofas sitzen, blickt resigniert in die Schreckensmeldungen der Medien und feiert euch selbst in previlegierter Menschenbetroffenheitsmanie, die ihr dann auch noch öffentlich zur Schau stellt und schwadroniert über die Schrecken und Grausamkeiten in der Welt. Steht auf, macht was, geht hinaus, organisiert und inittiert oder übernehmt zumindestens Verantwortung im Kleinen, dort, wo ihr lebt, für die, die es schwer haben in unserer Gesellschaft, die Armen und Kleinen. Und seid nicht geizig, denn wenn es euch gut geht, warum soll es den anderen nicht auch gut gehen. Und schwadroniert nicht über Ausgrenzung und Rassismuss, wenn ihr den selben in eurem Alltag ständig lebt, ohne dass es euch bewusst ist, weil es ja so normal ist, so zu denken, wie ihr denkt, dass Perfektionismus, äussere Schönheit, Unversehrtheit und Jugendlichkeit euer Ideal ist. Und ihr selber es erst merkt, wie bekloppt das ist, wenn ihr selber betroffen seid vom Verfall und Ausgrenzung!
 
Ich habe fertig!

 
 

 
 

 
 
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