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22. Juli 2018 7 22 /07 /Juli /2018 12:49

1. Etappe Köln - Leutesdorf

 

Am Dienstag, den 10.07. sollte es nun endlich losgehen. Ich hatte die Nacht schlecht geschlafen, kommt selten bei mir vor. Aber ein wenig war ich aufgeregter als wie sonst, wenn ich mit meinem Rad auf Tour gehe. Zum einen lag es sicherlich daran, dass ich nicht wie sonst wegen des *Weges* fuhr, sondern wegen einer Stadt * Strassburg* Strecke fahren wollte. Zudem hatte ich daher dieses Mal meine Unterkünfte auf den Etappen vorgebucht. Was bedeutete, ich musste dann auch an den jeweiligen Tagen meine Zielorte erreichen. Zweitens war die Wettervorhersage auf Hochsommer mit Temperaturen um die 30 Grad angesagt und ich weiß, was es bedeutet in Gluthitze seine Runden zu ziehen.
 
Nun denn...meine Taschen waren am Vortag schon gepackt, noch das Letzte schnell hinzugepackt, aufs Fahrrad geschnallt und ab gings. Ich hatte immerhin Glück an diesem meinem ersten Tag. Das Wetter war, auch wie vorhergesagt, an diesem Tag eher herbstlich gestimmt. Gerade mal 12 Grad in der Früh um 7.30 Uhr, als ich Richtung Rhein fuhr und ein frischer Wind wehte. Die ersten paar Kilometer bis nach Porz-Zündorf sind ja sozusagen meine Hausstrecke, die ich oft mehrmals in der Woche so zum Training fahre. In Porz-Zündorf fahre ich mit der Fähre auf die andere Rheinseite und dann geht es wieder zurück.
 
Ich dachte,  dass es am frühen Morgen recht still und ruhig auf dem Wege ist. Jedoch hatte ich mich getäuscht und wunderte mich, wie viele Menschen mit dem Rad wohl zur Arbeit unterwegs waren. Ich fühlte mich jedenfalls plötzlich pudelwohl trotz der heftigen Rückenprobleme, die mir durch falsches Liegen in der Nacht zu schaffen machten. Und die schwirrenden Ahornsamen, die wie kleine Propeller von den Bäumen der langen Ahornallee hinter Deutz auf dem Damm herunterwirbelten und den Weg mit einem Teppich ausstatteten taten ihr übriges zu meinem Vergnügen. Ich erinnere mich daran, dass ich sie mir als Kind  immer uf die Nasenspitze gesteckt hatte. Im Alter, lachte ich vor mich hin, brauchste die Nase nicht mehr künstlich zu verlängern, sie wird eh größer, wie die Ohren, beides die einzigen Körperteile, die ja noch wachsen. Und meine Nase ist ganz schön lang und spitz geworden, auch ohne Ahornpropeller. Nach einigen Metern sah ich selber wie ein Baum aus, über und über mit den Ahornsamen überzogen, sie hafteten an mir wie Kleber. Ich fühlte mich wie ein Baum der Rad fuhr. Ach es war herrlich, ich liebe es so von der Natur berührt zu werden.
 
Mittlerweile hatte ich auch meinen Alltag, das Zuhause und alles was noch zu bewältigen ist, wenn ich wieder daheim bin, losgelassen. Und innerlich frei zu werden, ist ein schönes Gefühl. Nichts stört mehr, um sich dem zu widmen, was genau vor einem liegt.
 
In Zündorf, sonst ja die Ausflugsstelle in Köln, war tote Hose, alles gähnend leer. Tische und Stühle der Restaurationen hochgekippt. Ein einsamer Strassenkehrer zog seine Runden. Ich hätte nix dagegen es ihm gleich zu tun mit der Arbeit. Es gibt doch nix Schöneres als ganz für sich seine Arbeit zu tun und das auch noch im Freien. Aber ich mußte mal. Ihr wißt schon. Der Kaffee zuhause, das Wasser das ich schon getrunken hatte, zollten ihren Tribut. Was tun?
 
Da kam ein Mann aus einer Tür und ich fragte ihn, wo man hier mal könnte. Nirgends, sagte er. Es gibt kein öffentliches hier meinte er. Mist. Ich wäre unterwegs und nu? Naja, dachte ich, fahre ich weiter um zu gucken, wo ich mich irgendwo hinter nem Baum verstecken könnte. Aber dann kam mir die Idee. Ich sah die Eisdiele, die, wo ich immer meine Rast mit drei Bällchen Eis mache auf meiner Tagesfahrt und versuchte dort die Türe zu öffnen. Der Mann hatte mich aber bemerkt, kam mir hinterher und meinte, hehe, die gehöre auch zu seiner Arbeitsstätte. Da ist noch zu. Aber ich hab so ein Bedürfnis, lachte ich. Und was soll ich sagen. Das ist das Schönste auf einer solchen Tour, man ist angewiesen auf die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, das macht demütig. Murrend war er, ehrlich, sagte, er habe eigentlich keine Lust, ein langer Tag liegt vor ihm und er wollte sich in Ruhe auf seine Arbeit vorbereiten, er müsse erstmal alle Gegenstände aus dem begehrten Ort entfernen. Das ist jetzt mühsam. Aber mit weiter mürrischem Gesicht tat er es doch für mich. Ich war beglückt.
 
Ich bedankte mich fein, wünschte ihm einen guten Arbeitstag, nette Gäste und würde an ihn und seine Hilfsbereitschaft denken. Dann konnte ich befreit weiter fahren. Herrlich.
 
Es ging nun Richtung Mondorf bei Niederkassel, wo man die erste Gelegenheit hat, mit der Autofähre auf die andere Rheinseite überzusetzen. Mondorf ist ein hübsches kleines Städtchen mit ca. 7000 Einwohnern, das schon im Jahre 795 in den Urkunden erstmalig erwähnt wurde. Der Name des Städtchen weist darauf zurück, dass sie im Mündungsbereich der Sieg liegt. Ursprünglich wurde sie *Munnenthorp* oder *Mundorp* bezeichnet, was so viel wie Mündungsdorf bedeutet. Im 20.ten Jahrhundert war Mondorf die Stadt der Korbflechter. Ein hübsches Städtchen und für Fussballkenner kann ich sagen, das hier der bekannte FC-Köln-Stammspieler Stephan Engels geboren wurde. Das nur am Rande.
 
Übrigens ich bekam nicht nur wegen des Hungers, früh am Morgen kann ich nie so viel Essen, sondern auch wegen des hübschen Ortes Lust eine kleine Rast einzulegen. Hielt an einer Bäckerei und verpflegte mich einerseits mit Proviant für den weiteren Weg und setzte mich mit einem Käffchen vor die Tür und ließ für einen Moment den lieben Gott nen juten Mann sein. Die Frühaufsteher gingen ein und aus, aber eine Frau ungefähr in meinem Alter, hielt an meinem Tischchen und fragte mich, woher ich käme. Erzählte ich ihr also, dass ich auf dem Weg nach Strassburg sei. Allein, fragte sie. Jo, sagte ich. Man das ist ja toll, sie war ganz ausser sich. So was würde sie ja auch gern mal machen. Aber sie würde sich nicht trauen. Sie schaute auf mein Rad und stellte fest, nicht mal ein E-bike. Aber sie hatte eins, wie ich sah, vom Feinsten. Na, sagte ich ihr, für sie doch gar kein Problem und lachte. Jaja, Mut müßte sie haben. Stimmt, sagte ich, ein wenig Mut braucht es schon, auch wenn sich das vielleicht merkwürdig anhört bei den Hochleistungen, die andere so an Bergen, auf der See und sonst wo unternehmen. Dennoch, eine kleine unspektakuläre Abenteuerfahrt mit dem Rad allein braucht auch ein ganz klein wenig Mut. Ich will ja nun nicht immer so cool tun.  Eigentlich braucht es für alle neuen Schritte im Leben Mut sagte ich ihr. Ich gab ihr noch meine Blogadresse, denn sie fragte, ob ich kleine Reiseberichte schreiben würde, die sie gerne lesen wollte. Ich hab mich gefreut.
 
Und kaum fuhr ich ein Stückchen kam ich an die unglaublich sensationelle traumhaft schöne kleine Fährstelle an der Sieg, die mich auf die andere Seite zum Weiterfahren am Rhein bringen sollte. Verwunschen lag sie da mit einer hübschen Gartenrestauration. Der Fährmann stand allein auf seinem kleinen Boot und winkte mich direkt heran. Ich fand das herrlich, erinnerte mich an den Fährmann in Hesses Siddartha, Vasudeva hieß er. Nunja, einen so malerischen Namen hatte er nicht, aber wildromantisch mutete er auch an, wie er da so mit der langen Stange das Boot in die Richtung zur Überfahrt aufs andere Ufer balancierte. Siddartha fühlte sich ja auch zum Fluß hingezogen, als er nach neuen Wegen suchte. Ich fühle mich ihm immer ein wenig wesensverwandt, all die weil, ein Leben ohne Wasser in meiner Nähe kann ich mir gar nicht vorstellen. Die Berge sind schon schön, sie zu besteigen, oben auf den Gipfeln zu verweilen und alles unter sich liegen zu sehen, aber es gibt nichts Schöneres als am Wasser zu spazieren, dem Rauschen der Wellen zuzuhören und Sehnsucht nach unbekannten Orten in dir aufsteigen zu lassen.
 
Nun fuhr ich beschwingt am Rhein entlang Richtung Bonn, sah rechts die Friedrich-Ebert-Brücke liegen, vor dem Flussufer Felder mit abgeerntetem Heu, die zu Ballen gerollt da lagen und dufteten wie der Sommer eben duften sollte. Ich musste immer mal wieder tief durchatmen um das Glück, das ich empfand zu verarbeiten.
 
Dass ich die Rheinschiffe liebe und ihnen gern zuschaue, manchmal, wenn ich verträumt auf einem Bänkchen sitze, erzählte ich ja früher schon. Nun aber fuhr ich neben ihnen her und es machte mir eine kindische Freude mit einem Frachter namens Ben-Gus eine kleine Wettfahrt zu machen. Manchmal überholte ich es, ein anderes Mal, da ich anhielt und den Ausblick genießen wollte, fuhr es wieder an mir vorbei, wir beide in Richtung Königswinter.
 
Eine etwas längere Rast machte ich dann beim Heiligen Nepomuk. Heilige ziehen mich, ungeachtet des vermieften Katholizismus, doch immer wieder an. Sagte ich schon, dass der Heilige Philipp Neri und natürlich Franz von Assisi, der Barfüßler, meine Lieblingsheiligen sind? Der Nepomuk, geboren in Böhmen, ist Schutzpatron der Schiffer, Fischer und Brücken. Jetzt wißt ihrs. Er wurde 1729 heilig gesprochen. Der Legende nach hatte er einen Streit mit König Wenzel IV, nicht nur wegen politischer Auseinandersetzungen, sondern vor allen Dingen, weil er das Beichtgeheimnis nicht habe brechen wollen und nicht verriet, was die holde Gemahlin Wenzels des IVten. ihm anvertraute. Scheinbar soll sie ihren Gatten betrogen habe, der wiederum wollte von ihm wissen, wer der Nebenbuhler war. Und weil er sich weigerte, habe man ihn gefoltert und anschließend von der Prager Karlsbrücke in den Fluß geworfen. So kanns gehen. Jaja, die Legenden... Ich mag solche Geschichten. Geheimnisse in sich zu bewahren, die einem anvertraut werden, ist eine große Gabe. Menschen sind immer dem Verrat nahe. Menschen verraten doch so oft einander, ohne manchmal darüber nachzudenken, dass es ein Verrat ist. Und oft sind es die, die dir am nahesten stehen, die dich verraten auf vielfache Weise. Nun gut...
 
Es geht weiter Richtung Rhöndorf, Bad Honnef, Unkel, Erpel. Einen kleinen Moment hadere ich mit mir, ob ich in Rhöndorf eine Rast machen soll und nach langer Zeit nochmal vielleicht einen Blick ins Adenauer-Haus werfe. Es ist mindestens 30 Jahre her, seit ich das letzte Mal dort war. Im Cafe Profittlich, das ich jedem Rhöndorf-Besucher nur empfehlen kann, ein über 125 Jahre altes Cafe, in der man sich tatsächlich bei dem leckersten Kuchen der Welt in eine andere Welt zurückversetzt fühlt. Das alte Fachwerkhaus ist an die 300 Jahre alt.
 
Aber dann verwerfe ich den Gedanken, denn...ich habe eine Tagesetappe zu bewältigen. Leutesdorf ist mein Zielort, da dort meine Jugendherberge steht, bei der ich vorgebucht habe. Und man kann sich letzten Endes gar nicht mit allen  am Weg liegenden Orten und den damit verbundenen geschichtlichen Ereignissen beschäftigen, wenn man nicht wegen des Weges fährt, sondern um Strecke zurückzulegen. Daher fahre ich weiter, um dann eher in Unkel und Erpel kurz ein wenig inne zu halten. Weil die beiden Dörfer einfach für mich zu den schönsten am Rhein liegenden gehören.
 
Unkel soll schon 600 n. Ch. besiedelt worden sein. Der Name abgeleitet wohl aus dem lateinischen *uncus* , was *Bogen* bedeutet, daher, weil der Rhein hier einen großen Bogen macht. Es ist traumhaft schön, den Bögen, Kurven des Rheinverlaufs zu folgen und ich muss sagen, diese erste Etappe am Rhein entlang gehört für mich zu den schönsten auf der ganzen Strecke. Und dass am ersten Tag. In Unkel hat ein Künstler übrigens ein altes leerstehendes Haus sich zu nutze gemacht und viele Eingänge und Fenster mit rotem Tüll, der überall aufgebauscht herausragt, ausgestattet. Ich weiß nicht, was es bedeuten soll, finde keine Erklärung, was er damit zum Ausdruck bringen möchte. Es ist auch Niemand da, denn wie in  fast allen kleinen Dörfer, die ich durchfahre, sieht man meistens kaum einen Menschen. Also bin ich meiner eigenen Assoziation ausgeliefert. Was soll ich davon halten. Es sieht wirklich hübsch aus. Aber was soll es bedeuten? Das Haus schaut alt und verfallen aus. Vielleicht, so denke ich, will er sagen, auch aus dem Alten und Brüchigem kann Buntes, Neues, entstehen. Wie im Leben des Menschen, in jedem Lebensjahrzehnt, im Älterwerden, gibt es Wunderbares zu entdecken, dass dem Menschen seinen Weg erhellt bis zum Ende seines Lebens. Aber ich weiß es nicht, vielleicht ist das zu simpel. Egal, es hat mir Freude gemacht, es eine Zeit lang auf mich wirken zu lassen.
 
Weiter radelnd gelange ich kurz danach nach Erpel, dessen Name so viel wie *Herrlichkeit* bedeutet. Ein ebenfalls schmuckes altes Fachwerkdörfchen, in denen die Einwohner ihre Gassen und Häuser liebevoll geschmückt haben mit Blumenkästen, kleinen Sitzbänken, auf denen man nach vollendetem Tageswerk am Abend seinen Feierabend genießen und möglicherweise mit den Nachbarn ein Pläuschchen halten kann. Ich hoffe, das ist so und nicht nur Schmuckwerk.
 
In Linz angekommen, fahre ich nicht mit der Fähre auf die linke Seite. Ich möchte rechts bleiben, da auch dort meine Unterkünfte sind. An der Erpeler Ley finde ich den alten Eisenbahntunnel, in deren Gänge sich nun ein Theater befindet, in dem gerade das Stück *Die Brücke* gezeigt wird. Da hätte ich direkt Lust zu schauen, aber wie gesagt, mein Weg muss weiter gehen, denn die Zeit läßt sich nicht aufhalten und es sind noch einige Kilometer bis Leutesdorf. Vor dem Eingang des Theatertunnels stehen zwei große Brückentürme. Über die Mauer geschaut seh ich den Rhein unten liegen und habe eine gute weite Aussicht auch auf die andere Rheinseite nach Remagen. Hier finden sich viele Gedenktafeln, die an Frieden und Freiheit erinnern wolle und an die Geschichte, die hier stattgefunden hat.
 
Denn am 7. März 1945 erreichten hier amerikanische Truppen das Gebiet am Rhein und finden die Ludendorfbrücke unzerstört vor. Sie kamen von Meckenheim über die Rheinhöhe nach Remagen. Die Deutschen waren damals bei dem Versuch die Brücke zu sprengen gescheitert. Der Tunnel unter der Brücke wurde von den Amerikanern unter Beschuß genommen. Dramatisch ist es damals verlaufen, denn dort befanden sich noch deutsche Soldaten und viele Zivilbürger. Die deutsche Zivilbevölkerung ergab sich schließlich und konnten in ihre Häuser zurückkehren und  die deutschen Soldaten wurden in Kriegsgefangenschaft geführt. Wie ich im Nachhinein bei Recherche las in meiner Jugendherberge am Abend, messen Historiker der Schlacht um die Ludendorf-Brücke eine große Bedeutung zu, gar ein Ereignis, das zum schnellen Ende des 2. Weltkrieges geführt haben soll. Nun denn, dem Rhein folgend begegnet man unglaublich viel Geschichte. Sich erinnern ist immer gut. Wer sich erinnert an Schrecklichem, das zurückliegt, kann im Heute menschlicher werden. Ich kann die Leuts nicht verstehen, die sagen, mit der Vergangenheit haben sie nichts am Hut, ist rum. Natürlich ist es rum, aber sie hilft erstens zu verstehen, zweitens zum anders handeln. Wer die Vergangenheit leugnet, weiß nicht wer er ist. So sage ich jedenfalls.
 
Es geht nun weiter über Hönningen, Rheinbrohl nach Leutesdorf. Teils führt der Weg noch ein gutes Stück am Rhein entlang, aber dann verläuft er etwas hinauf in die Weinberge, neben der Bahnstrecke und rechter Hand liegt unter mir die Straße und der Rheinverlauf. Hinter den Weinbergen geht es steil hoch hinauf, oft von mächtigen Steinfelsen zerklüftet, die ganz plötzlich aus den Bäumen herausragen,dann wieder runter an den Rhein, wo ich hie und da Angler in kleinen Buchten entdecke, die da still sitzen und auf einen guten Fang warten. Ich glaube, wer Angler ist, weiß was Geduld bedeutet. Da können wir Nichtangler nicht mitreden.
 
Der Wein steht in voller Blüte. Ich hab mir erzählen lassen, dass die Weinernte je nach Lage dieses Jahr vier bis sechs Wochen früher ist. Aber ich kenn mich ja da nicht aus.  Ich halte immer mal wieder um Fotos zu machen, doch ist es immer recht mühsam mit dem Rad, anhalten, absteigen, Fotokamera herausholen, knipsen, alles wieder verstauen. Manchmal hab ich gar keine rechte Lust dazu und will einfach nur fahren. In der Ferne kann ich den hohen Kühlturm des stillgelegten Kernkraftwerks in Mühlheim-Kärlich erblicken. Obwohl nicht aktiv, ragt er bedrohlich in die Landschaft. 1986 wurde er zwar in Betrieb genommen, aber schon zwei Jahre später stillgelegt. Es gab Schwierigkeiten mit den Genehmigungsverfahren, wie ich später las, und ach, es ist mir egal, hauptsache das Ding funktioniert nicht.
 
Eine schöne Strecke fahr ich nun durch das Naturschautzgebiet Engerser Feld. Es ist das größte Trinkwasserreservoir der Region. Es versorgt mehr als 150.000 Menschen mit frischem Trinkwasser. Das Trinkwasser, lese ich an einer Tafel am Wegesrand, bedarf keiner Aufbereitung, denn es liegt deutlich unter den von der EU-Kommission angegebenen Grenzwerten. Das Naturschutzgebiet beherbergt viele Vogelarten und ist ein idealer Rastplatz für durchziehende oder einfach nur überwinternde Zugvögel.
 
Die Strecke ist super schön, urig, erstreckt sich über ca. 8 km durch das Naturschutzgebiet. Eingangs des Weges seh ich ein lustiges Schild, auf dem steht: Rüttelweg, Hämorrhoidengefährdend. Ich steh und guck und guck und schmunzele vor mich hin. So was hab ich noch nie nirgendwo gesehen. Na dann...Ich fahre mal los und ehrlich, es ist schon herrlich, rüttelnd und schüttelnd. Dennoch muss ich sagen, ich hab schon Schlimmeres befahren, aber Spaß macht es allethalben.
 
Direkt hinter diesem Naturschutzgebiet erstreckt sich ein weiteres, nämlich das der Urmitzer Werth, das direkt nahe des Rheins liegt und ein Inselchen beherbergt, auf dem ebenfalls viele Pflanzen und Vogelarten ihren Schutzraum haben. Bisserl unheimlich mutet mich der Weg an, ich kann nicht erklären warum und abends in der Herberge wird mir erzählt, dass dort sogar mal eine Leiche gefunden wurde.
 
Es ist 15.30 Uhr, als ich schließlich in der Jugendherberge Leutesdorf ankomme, die direkt am Rhein gelegen ist und ein Vorzeigeexemplar an Jugendherberge ist. Sie ist noch recht neu, einegweiht im Jahre 2015 und mit allem Schnickschnack der Moderne ausgestattet. Keine Schlüssel mehr, sondern nur noch Chipkarten, Aufzügen, hell und freundlich möbliert, von Sauberkeit gar nicht zu reden, freundlichem Personal und gemütlichen Zimmern mit Dusche und WC. Das Frühstücks- und Abendessenbuffet ist ein Wahnsinn, besser kannste es im Hotel nicht haben. Also ich hab mich dort recht wohlgefühlt. Nach Frischmachen gabs dann fast schon das Abendessen und danach spazierte ich still vor mich in durchs kleine, aber feine Dorf, das erstmals im Jahre 588 Erwähnung findet und bekannt für seinen Weinanbau ist. So sieht man auch viele kleine Weinhöfe im Ort, die ihre Erzeugnisse anbieten. Durch die engen Gasen schlendernd auch hier das Gefühl, wie in einer anderen Welt zu sein und mir vorstellend, wie düster es früher hier zugegangen sein muss, wie eng das Leben miteinander war, man konnte sich janicht ausweichen, es sei denn man begab sich auf Wanderschaft.
 
Ich war es zufrieden als ich dann wohlig in meinem Bette lag. Und der Rücken hatte sich auch etwas gebessert. Manchmal muß man dem Schmerz einfach davonlaufen oder eben davonfahren. Was solls. Es gibt kein Leben ohne Schmerz. Irgendwo drückt der Schuh immer. Und Stillstand hat noch nie weitergebracht.
 
Meine erste Tagesetappe erstrecke sich über 95 km. Ich war es zufrieden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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