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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 17:55
Ich hab lange hin- und her überlegt, ob ich einen Beitrag über die von mir besuchte Lesung mit „Maria Blumencron" aus ihrem neuesten Buch „Auf Wiedersehen Tibet“ schreiben sollte. Jetzt gerade in diesem Moment hat mich der Beitrag von Trollo dazu angeregt. Wieso? Eigentlich ist zu diesem Thema keine Gemeinsamkeit zu erkennen und dennoch gibt es sie.
 
Nämlich das Thema „Aktualität!“ Wie fange ich an?
 
Also am Mittwochabend machte ich mich relativ schachmatt auf den Weg, eigentlich wollte ich doch kneifen, aber dann hatte mein Mann schon eine Karte für mich besorgt und motzte mich an.“ Du wolltest doch unbedingt!“ Und das stimmte natürlich, denn schon im vergangenen Jahr hatte ich sie verpasst.
 
Wer ist diese, für mich absolut „besondere, mutige und beeindruckende Persönlichkeit?“ Sie ist Autorin, Künstlerin, Referentin, Regisseurin und Filmemacherin! Gebürtig in Wien, lebt sie nun seit Jahren hier mit ihrem Mann und ihrem Sohn, der übrigens ebenfalls bei der Lesung anwesend war, in Köln.
 
Maria Blumencron begann die Lesung an diesem Abend mit folgender Einleitung:
 
„Eines Abends saß ich auf meinem Sofa und zappte mich durch die Fernsehkanäle, ließ mich überschwemmen von den aktuellen Tagesthemen. Und da gab es einen Moment, der mich innehalten ließ. Es war ein Bild eines toten tibetischen Mädchens, das bei einer Fluchtaktion über den Himalaja ums Leben gekommen ist. Das hatte mich aufgerüttelt“
 
Ehrlich, dieser Satz hat mich tief beeindruckt. Es gibt sie also noch die Menschen, die sich im Angesicht der ständig sich wiederholenden Horror- und Schreckensnachrichtigen der Medien wachrütteln lassen.
 
Maria Blumencron fasste ein Projekt ins Auge. Sie reiste in den Tibet, um mit einem Team, geführt von zwei tibetischen Guides über den Himalaja zu gehen, um eine Flüchtlingsgruppe zu begleiten. Unterstützt wurde sie in ihrem Projekt vom ZDF, die den Film in ihrer Reihe 37 Grad zeigen wollten.
 
So machte sie sich also auf den Weg und lernte einen ganz besonderen Guide kennen. Von diesem Guide erzählt sie auch in ihrem neuen Buch. Er war als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter wurde ins Kloster geschickt, dort wurde er geboren. Er lebte lange Zeit dort, bis er sich in eine Frau verliebte, seine Mönchskutte ablegte und eine Familie gründete. Als die Chinesen dann mit dem „Eisernen Pferd“ kamen und das Land , die Menschen und ihre Kultur zerstörten, entschloss er sich, als er das Elend sah, als Fluchthelfer Kindern seiner Landsleute einen Weg über den Himalaja zu führen, damit sie in Dharamsala eine Schule besuchen konnten, um eine Ausbildung zu erhalten, die ihnen eine Überlebenschance geben sollte.
 
Maria Blumencron hatte über diese Zeit hinweg ein sehr tiefes und inniges Verhältnis zu ihm aufgebaut. Unter unglaublich schwierigen Verhältnissen, sei es die Witterung oder die Bedrohungen durch chinesische Wachposten, machten das Unternehmen zu einem gefährlichen Unterfangen. Der erste Anlauf misslang. Maria wurde noch in Lhasa inhaftiert, verbrachte zwei Tage in einem chinesischen Gefängnis. Sie fuhr wieder nach Hause, organisierte neu und machte sich erneut auf die Reise. Diesmal glückte es und sie kamen mit einer Gruppe von sechs tibetischen Kindern, zwar erschöpft, aber letztendlich an. In ihrer Lesung zeigte sie Bilder von den Kindern, die heute junge Erwachsene sind und es geschafft haben. Nur eines dieser Kinder hat seine Mutter, die sich ebenfalls auf diesen gefährlichen Weg gemacht hat, in dieser Zeit wieder gesehen. Aber alle Kinder, die diese Strapazen überstanden haben und in Dharamsala in Freiheit leben, werden ihre Eltern wohl nie wieder sehen. Bewegende Bilder waren es für mich.
 
Im ersten Buch „ Flucht über den Himalaja“ beschreibt sie diese Aktion.
 
In ihrem nun neu erschienen Buch „Auf Wiedersehen Tibet“ schildert sie in erster Linie die 5ojährige Geschichte des tibetischen Volkes unter der Zwangsherrschaft der Chinesen, aber auch von ihrer erneuten Reise zurück nach Tibet und ihre Suche nach ihrem Guide, der sie auf ihrer ersten Reise begleitet hat. Dieser, so hörte sie, war lange Jahre in chinesischer Gefangenschaft und unglaublichen Foltern ausgesetzt. Aber kein Wort kam über seine Lippen. Dieses Mal machte sie sich ganz alleine auf den Weg. Das allein ist für mich unglaublich mutig. Was sie aber dann erzählte und da kommen wir wieder zu Trollos Beitrag über „alte Zeitungen und ihre aktuellen Tagesthemen“, das machte mir eine Gänsehaut.
 
Auf dem Weg in den Bergen begegnete sie drei tibetischen Männern, die ebenfalls auf dem Weg zur Grenze waren. Sie schloss sich ihnen an, da sie zuerst ihr gegenüber sehr wohlwollend waren, aber dann nach einer Zeit ihr gegenüber sehr anzüglich wurden. Sie hielt aber tapfer durch. Als sie dann an eine Hütte kamen, um auszuruhen, wollten diese Männer über sie herfallen. Sie zog noch ihr kleines Messer, um sich zu wehren, aber die Männer verfügten über ein noch größeres, mit dem sie sie bedrohten. Nun schildert sie diese wenigen Augenblicke extremer Gefahr. Und genau in diesem Moment, sie schritt langsam rückwärts an die Wand, keine Möglichkeit zu fliehen, da fiel ihr Blick nach hinten auf genau dieselbe. Dort war die Wand mit alten Zeitungen tapeziert. Und ihre Augen blieben an einer Schlagzeile hängen mit folgenden Worten:“ Alles wird gut!“ Das muss man sich mal vorstellen, tausende Meter hoch in einer Berghütte klebte eine deutsche Tageszeitung mit einem Spruch von Nina Ruge und das war in diesem einen Moment die Rettung für sie. Denn genau in diesem Augenblick fiel ihr der rettende Satz ein:“ Kennt ihr diese Schuhe, die ich anhabe?“, fragte sie die Männer. „Sie gehören einem Guide, den ihr kennt und der unter Euch „heilig“ ist, er ist mein Mann und wenn er Euch findet, wird er Euch umbringen!“ Das war die Rettung, die Umkehr der Situation. Die Männer ließen von ihr ab und sie konnte ihren Weg weitergehen.
 
Wenige Wochen später machte sie sich erneut auf den Weg, wieder begleitet von einem Team, Kameramann, Guides um einer erneuten Flüchtlingsgruppe entgegenzugehen. Wieder gelang die Flucht, wenn auch unter schweren Umständen. Unterwegs wieder ein Kind, das erfroren in den Schneemassen lag.
 
Maria Blumencron zeigte Aufnahmen an diesem Abend und erzählte mit einer Lebendigkeit, die zu fesseln vermochte. Sie erzählte von einzelnen Schicksalen und wie sich ihr eigenes Leben dadurch verändert hat. Seit zehn Jahren nun kämpft sie für das tibetische Volk mit großen und kleinen Erfolgen, rüttelt die Öffentlichkeit wach, schreibt Bücher, reist umher, um mit ihren Lesungen auf das Schicksal der Tibeter aufmerksam zu machen.
 
Und auch das ist besonders hervorzuheben, ihre Geduld und ihre Hoffnung im Angesicht der aktuellen Geschehnisse. Sie sagte genau diesen Satz:“ "China wird in seiner Haltung umkehren, man muss Zeit und Geduld haben" und weiter kämpfen, handeln und helfen.
 
Und das tut sie! Sie gründete den Verein „Shelter108 e.v“. Shelter, übersetzt „Obdach“ steht für drei grundlegende Dinge, aus denen heraus Leben wachsen kann, Nahrung, Bildung und ein Dach über den Kopf. Die Zahl „108“ gilt im Buddhismus als heilige Zahl und symbolisiert die spirituelle Dimension in unserem Leben.
 
Der Verein setzt sich für Hilfe von schutzbedürftigen Kindern und heimatlose Menschen weltweit ein.
 
Ich gehe an diesem Abend sehr nachdenklich nach Hause. Ich habe Adressen gesammelt, denn auch meine Reise wird mich nach Dharamsala bringen. Maria Blumencron hat mir gezeigt, dass Menschen sich doch noch gefangen nehmen lassen können, dass sie nicht abstumpfen durch die Vielzahl täglicher Schreckensmeldungen, sondern dass sie mit wachen Augen und viel Mut etwas in die Hand nehmen können, was jeder könnte, vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber kleine Dinge helfen auch.
 
Sie wird am 8. April im Tersteegenhaus in der Emmastr. Einen weiteren Vortrag und eine Lesung zu ihrem Buch halten und ich kann es nur jedem empfehlen, dessen Herz an Tibet, an den Menschen und ihrer Kultur liegt.
 
Maria Mlumencron, eine mutige, beseelte und schöne Frau, die mich sehr inspiriert hat!
 
Maria Blumencron
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