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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:10
Woodstock! Wer erinnert sich nicht an das legendäre Festival, das vom 15. bis 17. August 1969 in Amerika stattfand.
 
Vor ein paar Tagen zeigte der Fernsehsender "Arte" noch einmal eine Original-Dokumentation über dieses Ereignis. Ich entdeckte es durch Zufall. Ich muß schon sagen, Wehmut und gleichzeitig alle Träume meiner Jugendzeit, stiegen da wieder in mir hoch. Wem geht es da wohl nicht so? Ich persönlich war ja zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung, gerade mal vierzehn Jahre, mich in der Pubertät befindend, umfangen von vielen Problemen, Sorgen und Nöten, die zusätzlich zu den pubertierenden Unwegbarkeiten hinzukamen. Für mich war der Geist, der von diesem Festival ausging, eine wahre Revolution, die von den Bildern und Berichten der Veranstaltung ausging. "Freiheit, Liebe, Frieden, Gleichheit, bloß kein Spießertum" alle diese Werte zogen mich magisch in den Bann. Die Musik war längst mein Lebensellixier geworden, Jimi-Hendrix, Crosby, Stills, Nash and Young usw.usw. Insgesamt traten damals 32 Bands der verschiedensten Musikrichtungen dort auf, manche waren selber zu Besuch da und gingen dann auf die Bühne, unvorbereitet, hatten sich gefangen nehmen lassen, von der Athmosphäre und dem Taumel der Massen.
 
Im Grunde war das Festival ja eher als eine kommerzielle Musikveranstaltung gedacht. Dass sich zu dieser Zeit aber die damalige Hippi-Bewegung kommerzialisiert hatte und Mainstream geworden war, damit hatten die Veranstalter ja nicht gerechnet. Die wollten damals eigentlich nur ein eigenes Musikstudio, dass in Woodstock lag, finanzieren. Nach ihren damaligen Veranschlagungen rechneten sie mit 60.ooo Besuchern, auf den Weg machten sich dann rd. 1 Mio. Menschen, wovon 4oo.ooo das Festival erreichten, die anderen blieben auf dem Weg stecken.
 
Die Revolution begann, Kassenhäuschen wurden niedergetrampelt, alles stürmte auf den Festivalplatz. Was war ich begeistert von diesen Bildern, dieser Geist von Woodstock wehte von da an auch für mich und den Jugendlichen, mit denen ich damals so unterwegs war. Angespornt durch diese Bilder stürmten auch wir jedes damals stattfindende Konzert, drückten und rückten auf, bis wieder ein Schwung im Innenraum oder auf dem Gelände war. Natürlich mußten wir auch einstecken, wie damals, als beim Stones-Konzert in der schönen alten Kölner Sporthalle Polizisten mit Hundestaffeln versuchten, uns aufzuhalten und wir den Weg über die Zäune nehmen wollten. Ein Freund, der dann von einem dieser Hunde im Zaun hängend von einem dieser Hunde in den Oberschenkel gebissen wurde, mußte dann leider die Zeit des Konzertes im Krankenhaus verweilen.
 
Aber zurück zu Woodstock, dass dann zunächst ein finanzieller Mißerfolg zu werden schien, sich aber dann durch die Vermarktung zu einem riesigen Erfolg entwickelte.
 
Für mich war in diesen meinen jungen Jahren faszinierend zu sehen, welche Macht Menschen haben konnten, angeheizt durch Rock-Musik, welch großer Wille zu einem friedlichen Leben, ohne Haß und Gewalt, in ihnen geboren wurde. Was waren wir verrückt damals, als wir dann immer noch ein, zwei, drei Jahre später mit Schlafsack bewaffnet ins Weißhaus-Kino zogen, wo wir dann wieder Zuschauer dieses Ereignisses wurden und natürlich auch so manches Tütchen herum ging. Natürlich wollten wir damit auch unsere eigene Wirklichkeit verdrängen, wollten die ganze Intensität der Gefühle und den Ton der Musik, die uns berauschte, in unserem Inneren spüren. Noch heute habe ich den legendären Ruf der Massen "no rain, no rain" in meinen Ohren, als das Konzert wegen starker Regengüsse unterbrochen wurde.
 
Sehr berührt war ich damals vor allen Dingen auch von dem Auftritt von Joan Baez, die damals gerade schwanger war, wie sie still ihre Gitarre weglegte und dann schlicht und einfach "Swing love, sweet Chariot" sang und am Ende dann "We shall overcome", ehrlich, da kriege ich heute noch eine Gänsehaut, so genau ist mir diese Stimmung präsent und mein damaliger Glaube, dass Liebe die Welt im Großen verändern kann, dass wir die Macht hätten, Kriege zu stoppen und zu verhindern und dass wir etwas tun können gegen Gewalt und Herrschsucht.
 
Oder z.B. Canned Heat, ebenfalls musikalisch ein Lebensgefühl vermittelnd, mit ihrem legendären Song "Going up the country", der dann ja auch später zur offiziellen Hymne des Festivals wurde.
Es war beeindruckend, dass Hundertausende von Menschen zusammengekommen sind, friedlich miteinander lebten und teilten, Spaß hatten, Kinder gemacht und geboren wurden und sich einfach von der Musik gefangennehmen ließen.
 
Ja, nicht zu vergessen unser Jimi-Hendrix, unser Held unser Gitarren-Gott damals! Wirklich, als ich jetzt die Sendung im Fernsehen sah, konnte ich nicht anders, ich drehte die Lautsprecher hoch und holte meine "Luftgitarre" hervor und dann ging es ab. Wahnsinn, sich von einem Moment auf den anderen, in eine andere Zeit hineinzuträumen.
 
Aber natürlich hervorzuheben auch das Chaos und die Vorläufigkeit der ganz profanen Dinge, z.B. die Verpfelgung, die das Gelände nicht mehr erreichte, weil sämtliche Zufahrtsstraßen durch Menschen versperrt waren. Die Anwohner, völlig überrumpelt von den Massen, mußten helfen mit Verpflegung, Schlafplätzen, Toiletten etc.. Wie ein Schwarm Termiten sind die Menschen in ihre Vorgärten und Häuser eingefallen. Die medizinische Versorgung z.B., Ärzte, die sich spontan freiwillig zur Verfügung gestellt hatten, unzähligen Verletzten, sei es durch Hitze, Sonnenbrand, Schnittwunden oder aber auch durch Drogenkonsum, zu helfen. Allein wenn man dieses Chaos sieht, staune ich immer wieder, was für ein Geist damals, der so viele Menschen zu einem solchen Aufbruch veranlaßt hat. Würde so etwas heute noch funktionieren? Ich gehe ja heute auch noch gerne zu Festivals, aber der Geist ist doch überwiegend ein anderer geworden. Vielleicht erinnert die Love-Parade, die ja gerade heute in Essen stattfand, ein bißchen an diesen Zeitgeist.
 
Aber meistens sehe und spüre ich, dass es heute den Konzertbesuchern um den reinen Musikgenuß, um ihr Bier, ihr Essen, ein bißchen Ausstieg aus dem Alltag, ein bißchen Gänsehaut-Stimmung mit Wunderkerzenambiente, geht. Die damalige Hippi-Generation war aber auf der Suche nach Freiheit, Gleichheit, Liebe und Brüderlichkeit. Die Musik war nur die Untermalung.
 
Wenn ich, wie dieser Tage, mit wehmütigem Blick dieses Szenario noch einmal verfolge, die Musik immer noch meine Sinne berauscht, spüre ich für mich immer noch diese Aufbruchstimmung in mir, etwas bewegen zu wollen, frei zu leben, ohne den Druck von Moralvorstellungen, dafür zu kämpfen, dass Menschen sich mit Respekt und Achtung begegnen. Ich wäre auch heute noch zu jeder Schandtat und jeder, wenn auch chaotischen Reise, bereit, um etwas zu bewegen.
 
Ich glaube, ich bin ein Hippi geblieben. Sagen meine Kinder übrigens auch immer.
 
Für alle, an denen Woodstock vorbeigegangen ist, schaut es Euch einmal an, wenn sich die Gelegenheit bietet. Es gibt übrigens eine prima DVD dazu. Und wie ich vor einiger Zeit in einem Gespräch mit damaligen Konzertbesuchern gelesen habe, sie würden es wieder tun, sofort.
 
Woodstock war nicht nur Lebensgefühl, Woodstock war und ist Lebensphilosophie!
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