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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:29
Montag ist ja Kinotag bei mir im Kulturbunker. Ich hab lange überlegt, ob ich heute gehen soll. Mich dann dazu entschieden. Das war auch gut so. Denn es sich mal wieder gelohnt. Vor dem Kino angekommen, stehen schon drei Personen da, ein Mann, bisschen jünger wie ich und zwei junge Frauen. Ich gehe auf sie zu und frage, ob sie auch in den Film wollen. Ja, sagt der Mann, er habe einen Artikel im KSTA-Blog von einer Frau gelesen, die den Film empfohlen habe.Sie hätte auch von dem Film Siddhartha geschrieben. Ich grinse über beide Ohren. Ach ne, sag ich, ja dann guten Abend, Röschen mein Name! Das war lustig, wir kommen ins Gespräch. Er fragt, ob denn der Siegener Junge auch da wäre, er käme nämlich aus dem Wittgensteiner Land. Ich weiß es nicht, antworte ich ihm, sehen wir ja dann. Er war tatsächlich wieder da und hat sich gefreut, dass heute mehr Leute da waren.
 
Voller Erwartung, obwohl ich den Film schon dreimal gesehen habe, sitze ich da. Endlich beginnt er. Am Anfang sieht man nur die roten Buchstaben des Titels „Koyaanisqatsi“. Das Wort wird von einer extrem, schon fast brummigen Stimme gesungen und die Stimme geht mir bis in den Bauch. Immer wieder wird es wiederholt.
 
Dann sehen wir Bilder wunderbarer Naturaufnahmen. Alles sehr, sehr langsam. Riesige Felsen ragen in die Landschaft hinein, alle haben andere Formen und lassen der Phantasie freien Lauf, was man erkennen will. In den Felsen werden Zeichnungen der Hopi -Indianer sichtbar. Die Kamera schwenkt weit aus, zeigt die Felslandschaft in ihrer ganzen Weite, dann wieder holt sie sie nah heran, man sieht die Zerklüftungen, Einbuchtungen und die Tiefen der Höhlen, in die sie hineinfallen. Beim Schauen denke ich, es ist schön zu erkennen, dass der Mensch sein Werk der Natur nachgebaut hat. Wenn man die verschiedensten Bauwerke in der Welt betrachtet durch die Jahrhunderte hinweg, kann man überall den Grund aus der Natur heraus erkennen.
Dann ein unendliches Meer an Wolken, weiße, graue bis tiefschwarze,fließen, mal sanft, mal stürmisch über die Landschaft hinweg, wie Wellen über den Ozean. Kein Mensch ist zu sehen, nur diese unendliche Schönheit der Natur.
 
Dann Szenenwechsel. Die ersten Werke von Menschenhand gebaut erscheinen. Stromleitungen, riesige Maschinenungeheuer von Menschenhand bedient, wahre Kolosse, die mit ihrer Wucht in die Natur eindringen, sie ausrauben, ihnen ihre Schätze rauben. Man sieht den Tagebau, Sprengungen werden vorgenommen. Ein Flugzeug kommt ganz langsam auf uns zu. Auch hier sieht man sehr deutlich, wie alle Werke des Menschen aus der Natur abgeschaut wurden. Beim Flugzeug hab ich den Gedanken einer riesigen Spinne mit vielen Beinen, die sich durch die Welt bewegt, als es näher herankommt, sieht der vordere Teil aus wie ein Wal.
 
Dann eine Atombombe, die explodiert. Ich habe es schon hundert Mal gesehen, wie der Pilz erwächst und den Tod bringt, aber jedes Mal bekomme ich eine Gänsehaut. Dann plötzlich das Gewimmel einer großen Stadt, dichter schnell dahinfliessender Verkehr. Ja so ist es, denke ich, der Mensch ständig unterwegs, von der Arbeit, nach Hause, von zu Hause zur Arbeit, zu Freunden, ins Kino, nur kein Stillstand, Hauptsache Bewegung.Auch ich bin so einer. Menschen werden sichtbar, in Bahnhöfen, Flughäfen, in den Straßen, alle eilig, auf dem Weg irgendwohin. Die Gesichter wirken oft verloren, verstörte Seelen schauen aus ihnen heraus. Jeder scheint in einer Maschinerie zu stecken, scheint zu tun, was von ihm verlangt wird, aber aus den Augen schaut Hoffnungslosigkeit, Misstrauen und Überdruss. Der Puls der Stadt ist schnell, es ist, als würde alles von einem Sklaventreiber angepeitscht. Die Nacht erscheint, bunte Lichter flimmern überall, denn die Stadt schläft nie. Die Fassaden der Häuser wirken bedrohend, hinter ihren Fenstern der rastlose Mensch. Hier wird auch die Musik dem Treiben angepasst, denn sie wird immer hektischer, macht beklommen. Der Mensch ein rasendes Objekt in einer von ihm geschaffenen Welt. Alles wirkt nervös, der Gang, ihre Arbeit, man sieht eine Wurstfabrik, eine Näherei, überall hektische Arbeit am Fließband. Der Mensch kann nicht mehr zurück, selbst seine Freizeit wird schnell und atemlos ausgefüllt, das Essen in Sekundenschnelle eingenommen. Man sieht die wie das Leben vergeht, als wenn die Uhrzeiger auf höchste Geschwindigkeit gestellt wären.
 
Dann wieder zurück zur Anfangsszene. Man sieht wieder die Rakete, die in die Luft steigt. Mir kommt der Gedanke, dass der Mensch auf dem Weg ist, sich einen neuen Planeten zu erobern, den er dann auch wieder zerstören kann. Aber die Rakete gerät in Brand, zerfällt in ihre Einzelteile, die Kamera verfolgt noch eine Weile den trudelnden zu Boden fallenden Teil, dann Ausblende und es erscheint die Prophezeiung der Hopi-Indianer:
 
Wenn wir wertvolle Dinge aus dem Boden graben, laden wir das Unglück ein.
Wenn der Tag der Reinigung nah ist, werden Spinnenweben hin und her über den Himmel gezogen. Ein Behälter voller Asche wird vom Himmel fallen, der das Land verbrennt und die Ozeane verkocht.
 
Der Spruch erinnert mich an die Prophezeiung des Jesaja. Alle Völker und Religionen haben ihre Prophezeiungen und ich hoffe, dass wir alle noch die Kurve bekommen und erkennen. Dass der Mensch geheilt wird von seiner Habgier, dass er wieder zurückfindet zu sich selber und zu seinem Auftrag, sich die Erde zwar untertan zu machen, aber sie zu hegen und zu pflegen. Ich hoffe, dass auch ich noch meinen Teil dazu beitragen kann und dass meine Kinder nicht erleben müssen, dass der Ascheregen vom Himmel fällt.
 
Ein wunderbarer Film, der an diesem Abend zwar in relativ schlechter Qualität zu sehen war, aber unbedingt ansehenswert ist, freilassend für alle eigenen Gedanken und Erfahrungen.
 
„Koyaanisquatsi“, bedeutet nichts anderes übersetzt als:Leben im Ungleichgewicht“, Verwirrung der Menschen. Ein Film ohne Sprache und doch sagt er so viel. Die Musik ist von Philip Glass eigens dafür komponiert worden. Godfrey Reggio hat sich inspirieren lassen von Künstlern wie Georgia O´Kaeffe und Guy Debord, dem Philosophen Ivan Illich. Ebenfalls wurde er von Francis Ford Coppola und George Lucas unterstützt. Es ist übrigens der erste Teil einer Trilogie, danach kamen noch Powaqqatsi 1988 und Naqoyqatsi 2002.
Ich finde, er ist und bleibt immer aktuell.
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