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22. Oktober 2008 3 22 /10 /Oktober /2008 09:07

Heute ist so ein Tag. Es regnet, eine Erkältung hat mich erwischt, der Kopf brummt, der Hals kratzt und die Nase läuft. Ein Tag also, um sich in seiner Höhle zu verkriechen. So kleine Schwächlichkeiten sind doch schon was Feines! Man muß sich um sich selber kümmern, sich hegen und pflegen. Ja, man ist ganz bei sich!
 
Es ist Niemand da, der stört. Auf das Sofa gelegt, ein Buch zur Hand, den CD-Player angestellt und mal wieder etwas ganz anderes eingelegt! Eine Musik, die schon seit vielen Jahren mein Leben begleitet und die ich ganz bewußt in den Momenten höre, wo ich mich ebenso fühle! Von welcher Musik, von welchem Komponisten spreche ich?
 
Es ist Friedrick Rückert und wie ich immer wieder feststelle, einer der weniger bekannteren Komponisten selbst auch bei Liebhabern klassischer Musik und Opernliebhaber. Daher bin ich um so dankbarer, ihn vor vielen Jahren, in einem Opernkreis entdeckt zu haben.
 
Die Lieder Friedrich Rückerts, der am 16. Mai 1788 in Schweinfurth geboren wurde, sind u.a. vertont worden von Robert Schumann, Franz Schubert, Clara Schumann, Johannes Brahms und Richard Strauß. Seine Lieder sind voll von menschlichen Gefühlen, Wahrnehmungen, von der Liebe, von den Enttäuschungen, vom Betrug, kurz von all dem, was in zwischenmenschlichen Beziehungen geschieht. Die wohl bekanntesten sind die Kindertotenlieder, in denen er den Tod zweier seiner Kinder verarbeitete und betrauerte und die fünf Rückertlieder von Gustav Mahler vertont.
 
In Städten seiner Lebensstationen sind ihm viele Denkmäler gesetzt worden, so in Schweinfurth, Coburg und Erlangen. In diesem Zusammenhang frage ich mich mal wieder, was nutzen Denkmäler, wenn sie nicht mehr beachtet werden. Ich meine, wer interessiert sich heute noch für einen Mann, einen Musiker, einen gebildeten und feinfühligen Geist, der in längst vergangener Zeit den Menschen mit seinen Texten die Welt und das Seelenleben des Menschen erklärt hat?
 
Rückert studierte Rechtswissenschaften, Philologie und Ästhetik. Er war ein rastloser Geist, wechselte oft seinen Wohnort. Bekannt wurde Rückert allerdings durch seine Geharnischten Sonetten, die er damals unter einem Pseudonym namens Freimund Reimar veröffentlich hatte. Er lebte ebenfalls eine Zeitlang in Rom, wo er zusammen mit anderen Künstlern arbeitete. In Erlangen unterrichtete er als Professor an der Universität orientalische Sprachen, beschäftigte sich mit dem Koran. Auch in Berlin lebte er eine lange Zeit, komponierte und arbeitete im Dienst der Regierung unter Friedrich Wilhelm IV. Seine Familie zählte 10 Kinder, was ja zur damaligen Zeit durchaus normal war.
Friedrich Rückert starb am 31.Januar 1866 in Neuss, also ganz in unserer Nähe. Dort kann man heute noch ein ihm gewidmetes Museum, das ehemals sein Wohnhaus war, besuchen und sich über Leben und Werke eingehend informieren. Es lohnt sich!
 
Aber nun möchte ich eines meiner Lieblingsstücke Rückerts vorstellen. Es hat den Titel "Ich bin der Welt abhanden gekommen!"
 
Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben.
Sie hat so lange von mir nichts vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben.
 
Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält;
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.
 
Ich bin gestorben dem Weltgewimmel
Und ruh' in einem stillen Gebiet.
Ich leb' in mir und meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied.

 

 
Ich liebe dieses Lied, gesungen von Kathleen Ferrier, weil es mir die Botschaft vermittelt, dass es wirklich möglich ist, sich nicht nur äußerlich von der Welt zurückzuziehen, sondern auch innerlich. Dass es möglich ist, sich nicht mehr angreifbar zu machen, von all dem, was geschieht. Das man schaut, was passiert, aber trotz allem still bleiben kann, besonnen und ruhig. Die Welt kann einem nichts mehr anhaben. Die Welt und das Leben in ihr ist wie sie ist und es war nie anders. Die Methoden der Bosheit haben sich verändert, sind raffinierter und ausgefeilter geworden, aber das Fundament, auf dem sie entsteht, ist das gleiche geblieben, der Mensch selbst, der nach wie vor nicht zurückschreckt, die größten Greueltaten zu verüben, auch wenn uns die Geschichte gezeigt hat, wohin es führt. Es wiederholt sich alles, immer wieder, in einem ewigen Kreislauf. Was man an einem Ende geschafft hat, wo man verhindert hat, dass Dummheit, Hass und Aggression wüten, fängt es an einem anderen Ende wieder an.
 
Es tut gut, mit Rückert zu singen:"Ich bin der Welt abhanden" gekommen!" Still und allein. Nur für einen Moment, eine Stunde, einen Tag oder auch eine länger Zeit, um wieder mit neuen Kräften sich der Welt entgegenzustellen.
 
Ich bin der Welt abhanden gekommen, gesungen von Kathleen Ferreireinfach mal reinhören und träumen. Das Wetter lädt ja heute dazu ein!

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