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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 19:38
Umstellen, Flexibillität ist erwünscht. Gott sei Dank hab ich ne Chefin, wo das geht. Anruf von der Mutter heute morgen, jetzt doch wieder Kernspindtomographie. Aber nicht im Krankenhaus. Bei einem Radiologen in Bergheim. Die Unterlagen noch in der Uniklinik. Dort sollte ich sie lassen, bis sie zu dem Entschluss kommt, sich doch hier einweisen zu lassen. Jetzt wieder Unterlagen zurückfordern. Also Arbeit umdisponiert. Hab mich aufs Fahrrad gesetzt und bin zur Klinik gefahren!
 
Wiederholung des eigenen Traumata.Wieso denken immer alle, es ist vorbei. Wieso versteht niemand, dass eine solche Krankheit so prägend ist, dass man sie nie vergessen kann! 5. Stock, Bettenhaus! Jedes Mal, wenn ich in die Klinik gehe, fange ich an zu transpirieren. Erinnerungen werden wieder wach, sind so klar und deutlich vor meinen Augen, dass mir der Atem stock. Ich sehe die Menschen den Flur entlanglaufen, Besucher, Kranke, Pflegepersonal!
 
Ich laufe zum Aufzug. Warte, sehe in die Gesichter um mich herum. Spüre meine eigenen Gefühle! Der Aufzug kommt. Der Hals schnürt sich mir zu. Ich fahre sonst selten Aufzug. Die Angst vor geschlossenen Räumen ist immer noch groß. Die Tür öffnet sich, es stehen einige Leute drin. Ich mache einen vorsichtigen Schritt in den kleinen, dicht gefüllten Raum. Die Tür schließt sich, ich drücke 5. Etage. Der Aufzug bewegt sich langsam. Schwindel erfasst mich, einmal kräftig durchatmen. Mir positiv zureden, es passiert schon nichts. Warum sollte der gerade jetzt stehen bleiben. Ich versuche den möglichsten Abstand zu den anderen zu nehmen, der machbar ist.
 
Endlich, Stillstand. Die Tür öffnet sich. Ich laufe auf eine Wand zu! Dort steht:“ Helfen Sie im Kampf gegen Krebs“! Die Worte schlagen mir ins Gesicht! Mir soll geholfen werden. Ich war betroffen! Krebs? Kranke Zellen hatten sich in meinem Körper ausgebreitet, ohne einen Einfluss, den ich nehmen konnte, oder doch?
 
Ich laufe durch die langen Flure, suche das Zimmer Nr. 36. Schmale, enge Korridore, viele Türen, hinter denen sich Schicksale abspielen. Noch dreimal um die Ecke. Wie gespenstisch leer es ist. Stille, die mich bewegt, anders als eine Stille im Wald oder in einem Kloster. Stille, die mir sagt, dass hier, ist eine Parallelwelt. Draußen ist das Leben, hier ist es gestoppt. Endlich erreiche ich die Station! Glatzen kommen mir entgegen. Gesichter mit Augen, die mich anschauen. Hoffnungen, die noch nicht gestorben sind. Wahrheiten, die endgültig sind. Ein Arzt schlendert an mir vorbei, ich sehe ihm nach! Er geht langsam, seine Hand streift die Wand, ganz zart. Er will etwas fühlen. Was er wohl denkt? Vielleicht steht er wieder vor einem Gespräch, das entscheidend ist über Leben und Tod. Ich wünsche ihm innerlich viel Kraft! Was müssen die nicht alles auf ihren Schultern tragen. Ich bin endlich dran. Die Ärztin kommt und fragt mich, was ich wünsche. Ich erkläre ihr die Situation. Warten sie einen Moment, antwortet sie mir. Ich setze mich auf einen Stuhl, mein Blick geht durch eine geöffnete Tür hindurch und ich sehe auf ein großes Fenster. Kann den Himmel sehen.. Wolken ziehen ihre Wege. Alles wird mir wieder so bewusst. Du bekommst die Diagnose und alles ist plötzlich anders. Die Welt steht still. Das Leben geht weiter, nur dein eigenes möglicherweise nicht mehr. Ist hier Ende? Du wirst einfach raus genommen aus deinem Alltag! Alles, was vorher wichtig war, zählt nicht mehr. Spielt keine Rolle. Hat seine Bedeutung verloren. Ein Moment, wo man ganz bei sich ist und nur noch du selber zählst. Meine Gefühle, meine Gedanken, meine Gesundheit. Ich fühlte mich, als wenn ich nur noch allein auf dieser Welt bin. Niemand konnte mich mehr erreichen. Eine junge Frau setzt sich neben mich. Eine Perücke auf dem Kopf. Manche können es nicht ertragen, diese Leere auf dem Kopf. Die Seelen der Menschen ohne Haare liegen blank und man kann ihnen in den Augen bis auf den Grund schauen.
 
Endlich, die Ärztin kommt. Die Unterlagen sind nicht auffindbar. Ich muss wiederkommen. Wieder und wieder in dieses Haus, wieder und wieder Konfrontation. Damit ich es nicht vergesse? Warum? Wieder und wieder! Wie ein Schlafwandler verlasse ich die Station. Krebs, so dachte ich früher immer, ist das Ende. Nicht immer! Manchmal ist es auch ein neuanfang. Im Rückblick bin ich merkwürdigerweise sogar dankbar, denn diese verdammte Krankheit hat mein Leben weiter positiv verändert, und verändert es noch weiter. Krebs eine Station in meinem Leben, die mich viel gelehrt hat. Ich habe die Chance genutzt. Ein unbändiger Lebenswillen ist in mir und doch ist manchmal die Angst da, wie lange Zeit habe ich noch, dass zu leben, was ich leben will. Wie viel Glück wird mir noch geschenkt. Wie viel Glück kann ich mir nehmen!
 
Krebs kann eine Gnade sein, auch wenn sich das verrückt anhört. Um wie viel noch sensibler hat es mich gemacht, für mich, für meine Mitmenschen für das Leben an sich. Die Farben der Welt sind klarer und kräftiger geworden, die Freude intensiver und das Fühlen aller Erlebnisse ist ein großes Geschenk, das ich nicht missen möchte. Ich hoffe, und glaube, dass mir noch etwas Zeit bleibt, allein, oder zu zweit, um glücklich zu sein.
 
Morgen, ja morgen gehe ich wieder hin und dieses Mal werde ich mich nicht erschrecken lassen!
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