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29. Juli 2009 3 29 /07 /Juli /2009 08:32

Ich bin froh, in dieser Zeit geboren worden zu sein, in der ich lebe. Ich meine...sicher, es gibt immer noch so viele Parallelen. Worüber ich schreiben möchte bzw. Euch erzählen möchte?

Ich lese gerne Biographien, immer wiedermal, zwischendurch. Erstens, um etwas mehr über die Person und ihr Leben zu erfahren, aber auch in unterhaltsamen und verbindenen Stil etwas mehr über die Lebensumstände und den Zeitgeist zu erfahren, in dem die spezielle Person, über die ich lese, gelebt hat.

Dieses Mal war es die Biographie über Alma Mahler, Ehefrau, also einer ihrer vielen Männer, der erste sozusagen, dem sie das Jawort gegeben hatte, von Gustav Mahler, dessen Musik ich sehr schätze. Alle seine Symphonien. Die zehnte hat er ja niemals vollendet, er starb kurz zuvor an einem bakteriellen Infekt des Herzens. Üble Zeit, damals. Hätte es Pennicilin gegeben, hätte er überleben können. Böse Zungen, so die Biographie, behaupteten nach seinem Tod, seine Liebe zu Alma, bzw. ihre Unfähigkeit zu lieben, hätten ihn in den Tod getrieben. So was...

Alma Mahler war, wie in der Biographie zu lesen ist, eine sehr ungewöhnliche Frau. Jung, schön, kreativ und geistvoll lebte sie in einer Zeit des Wiener Intellektuellentums, der Bohemien und dem vorherrschenden Interesse zu dieser Zeit an Kunst und Kultur. Für diese Dinge lebte man in Wien damals. Der Kunst und der Kultur standen alle Türen offen. Als Frau jedoch kämpfte man um seine Anerkennung auf diesen Gebieten, aber auch vorderrangig um die Anerkennung als Frau mit all ihren Freiheiten, die für Mänenr damals selbstverständlich waren. Immer noch forderte man von der Frau sich dem Manne vollständig zu unterwerfen, ihm zu dienen und ein Heim zu schaffen, auf dem er seine Aktivitäten beruhigt aufbauen konnte und sein Leben in der Welt gestalten konnte, zu Lasten der Ehefrau. Ein großes Zeichen der Selbstständigkeit und der Darstellung der eigenen Individualität war es immer noch, als Frau Fahrrad zu fahren. Das muß man sich mal vorstellen!

So schlitterte Alma in die Ehe mit Mahler, den sie glaubte zu lieben, so die Biographie, ein kränklicher und überaus häßlicher Mann. Ich dachte beim Lesen dieser Schilderung, Liebe hat grundsätzlich nichts mit dem Äußeren eines Menschen zu tun, oder doch. Denn sie hätte einen anderen haben können, die Alma, ihren Musiklehrer, der jung und schön sie auch noch protegierte, ihre Kunst Musik zu erfinden, zu spielen und vorzutragen. Heimlich hatte sie mit ihm Zärtlichkeiten ausgetauscht. Nicht auszudenken, damals, wenn das an die große Glocke gekommen wäre. Vielleicht auch daher ihre Ehe mit Gustav Mahler. Sicherheit, ein Leben in geordneten Bahnen. Seine Musik, sein Werk hat sie zu Lebzeiten schon nicht verstanden, ja, nicht mal gemocht. Mahler forderte von ihr völlige Unterwerfung. Er war ein Patriarch, wie er im Buch stand, ein Egoist sonders gleichen. Alma übernahm alle Aufgaben, stellte sich selber zurück und verfiel in Depressionen und Lähmungen, von Mahler, ihrem Mann nie verstanden. Männer können so nur bei sich selber sein, hauptsache sie sind versorgt, können ihr eigenes Ich selber verwirklichen. Aber sicher tut man ihm auch Unrecht, denn, so wie ich es in der Biographie gelesen habe, er hat sie wohl doch geliebt, seine junge, schöne Alma.

Alma, war seine Muse. Nicht nur seine. Alma war eine Herzensbrecherin. Ihr lagen die Männer zu Füßen, insbesondere Männern, wie Mahler, Kokoschka, Werfel, Gropius und viele andere, kreative in der Kunst tätigen Männern. Mit allen Vieren war sie verheiratet. Nacheinander. Unfähig zu entdecken, ob sie lieben konnte, wen sie je wirklich geliebt hat, am Ende, kurz vor ihrem Tode sagte sie, Kokoschka wäre der einzige gewesen, den sie anerkannt hätte. Vielleicht war das ja Liebe.

Alle diese Männer konnten ihre Kunst nur ausleben, produktiv sein und voller neuer Ideen sein, wenn Alma um sie herum war, sie inspirierte. Sie war die große Inspiration für Künster dieses Formats. Alma stellte sie, so die Biographie, sogar während ihres Zusammenlebens unter Druck. Kein Werk, keine Liebe. Unvorstellbar. Diese Männer, so abhängig von einer Frau und doch gleichzeitig so fordern, die eigene Kreativität und Produktivität unter den eigenen Scheffel zu stellen, also hinten anzustellen. Und Alma, sie fügte sich. Ihr war es genug, geliebt zu werden. Sie konnte sich lange Zeit in ihrem Leben nur finden, wenn sie spürte, dass die Männer von ihr abhängig waren, sie liebten, sich ihr zu Füßen warfen. Ist das die geheime Macht der Frauen? Auch heute noch?

Wollen Frauen letztendlich nur die Männer von sich abhängig machen und sich in ihrem Schatten sonnen. Immerhin, erst nach dem Tod Mahlers sonnte sie sich in seinem nachwerfenden Schatten. Sie war die Witwe Gustav Mahlers. Alle Werke ihres Angetrauten stellte sie wie Ikonen in ihrem Hause auf.

Später, nach der Imigration aus Deutschland, in Amerika, gingen große Künstler immer noch bei ihr ein- und aus. Canetti, Kaffka, Mann, alle die Rang und Namen hatten, Jedoch Canetti war einer der, der ihr nicht erlegen war.

Erst spät schaffte es Mahler, kurz vor seinem Tod, die Schaffenskunst seiner Ehefrau Alma, zu entdecken. Da war es fast zu spät. Aber vielleicht war es auch nur Taktik sie zu halten, damit sie ihm nicht weglief. Männer haben manchmal perfide Methoden. Immerhin, eines Tages überraschte sie ihn, Mahler, schon dahinsiechend, wie er ihre Lieder am Klavier spielend vortrug. Veröffentlichen sollte sie sie, zu spät....Ihre Werke wurden fast sämtlich vernichtet. Nichts bzw., kaum etwas von ihnen ist übrig geblieben, überliefert.

Beim Lesen der Biographie entstand in mir immer wieder die Frage. Warum? Warum stellen Frauen auch heute noch immer ihr Licht unter den Scheffel, schaffen es nicht, sich selber zu verwirklichen, müssen immer noch die Rolle der Frau an der Seite eines Mannes ausfüllen, der nur seinem eigenen Fortkommen dient. Eine so kluge und intelligente und vor allen Dingen kreative Frau wie Alma...wie konnte sie das nur alles in sich ruhen lassen? Sicherheit? Konventionen, Moral und Gesetze.

Immer noch, gibt es sie ja, diese Haltung in den Frauen, versorgt zu sein, Sicherheit zu haben. Denn...was macht man, wenn man nach Jahren der Ehe entdeckt, es geht nicht mehr, Frau würde zugrunde gehen, wenn sie bliebe, aber kann sich doch nicht lösen, weil sie die Jahre zuvor nicht gearbeitet hat, die Familie versorgt hat und nun, vielleicht 40, 50, 60 Jahre alt, keinen Job mehr findet, der es ihr ermöglicht, ihre Freiheit zu leben? Es hat sich nicht all zu viel geändert, meine ich, in unserer Gesellschaft, nur scheinbar. Sicher, wenn Frau darauf achtet, von jung an, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, also auch ihren Neigungen und Kreativitäten nachzugehen und sie auszuleben, ist die Chance größer. Aber ansonsten....?

Neulich erst sagte es mir eine gute Freundin...Röschen....ich würde ja lieber heute als Morgen..nicht weil ihr Mann so ein Furchtbarer wäre....aber es ist keine Liebe mehr zu spüren, jedenfalls beschränkt sie sich eher auf Nächstenliebe und Mitleid und Angst, all das zurückzulassen, was sie über die vergangenen Jahre miteinander verbunden hat und ja...die größte Sorge ist eben bei ihr....wie soll ich das durchstehen....wovon werde ich leben...ich in meinem Alter...genau so sagte sie es...denn die Rente ihres Mannes sei niedrig, da bleibt nicht viel zum Teilen....und Haus, Möbel, das ganze Procedere halt....Immer noch gibt es sie, diese Abhängigkeiten von Frau dem Mann gegenüber, nur unentdeckter, subtiler, geheimer in einer scheinbar aufgeklärten Welt, wo doch jeder gleichberechtigt sein sollte, jedenfalls stellt es die Öffentlichkeit immer so dar, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.

Alma, hatte ja Glück, alle ihre Männer hinterließen ihr Vermögen, selbst einiges von diesem Vermögen konnte sie trotz Imigration in die USA retten und die letzten ihr verbleibdenen Jahre in Sorglosigkeit leben.

War ne starke Frau, diese Alma, hat vieles weggesteckt. Aber ihr Liebesunfähigkeit vorzuwerfen? Hm..ich meine, also wenn ich so zwischen den Zeilen lese, ich glaube nicht, dass sie liebesunfähig war. Sie hat nur viele Facetten der Liebe gelebt. Immer soll Liebe beschränkt werden...auf den oder die Eine! Sicher...das gibt es wohl auch, nur, sicher sehr, sehr selten! In den meisten Fällen hält man sich an die Gesetze, Treueschwüre, Moral, alles, was einem aufgezwungen wird, halt immer noch. Und so lebt man gezwungenermaßen beieinander, obwohl der eine oder andere schon lange nicht mehr will oder vielleicht zeitweise Distanz braucht. Vielleicht auch nur, um neu zu entdecken, was man eigentlich hat. Aber, anstatt sich die Möglichkeiten zu geben, quält man sich in Gleichgültigkeit und äußerem Schein. So ist es, auch heute noch.

Doch.. ich fand, diese Alma, war eine starke Persönlichkeit, immer suchend, durch Täler ihrer Depression und Melancholie gehend, sich selber zu finden, sich nicht unterwerfend, langsam immer mehr freischaufelnd von allen Konventionen, ihren eigenen Weg findend, um zu leben, was in ihr war. Und was hat sie nicht noch alles wegstecken müssen, der Verlust, den Tod zweier ihrer Kinder. Herzlosigkeit warf man ihr vor, dass sie es schaffte, nur, weil sie nicht daran zugrunde ging. Ist es so, dass Mann/Frau egoistisch erscheint, nur weil man stark ist und überwinden kann und dennoch weiterleben kann und auch Freude am Leben finden kann? Scheint so, wenn man diese Vorwürfe liest, die einige ihr zu Füßen warfen.

Ist es wirklich Egoismus, wenn eine Frau, wie Alma, ihren eigenen Weg durch Dornen der Konventionen und der Moral geht, um zu leben, was wahr ist? Ist es besser an allem festzuhalten und zu leiden?

Jedenfalls mich hat das Leben dieser Frau zum Nachdenken gebracht und sicher auch ein Stück weiter in die Kenntnis über das Leben so mancher Zeitgeister dieser Zeit. Männer wie Frauen!

Doch.. ich bin dennoch froh, dass ich heute lebe und nicht damals, wo alles noch viel strenger und unfreier war. Aber wir sind noch nicht weit genug auf dem Weg der Befreiung und der selbständigen Lebensführung beider Geschlechter. Mann wie Frau nicht. Ich glaube auch mittlerweile, dass Liebe zwischen Mann und Frau nur entstehen kann, wenn beide eigenständige Persönlichkeiten sind. Also, lieben um der Liebe, der Person willen, nicht, weil man ohne den anderen nicht sein kann, weil man nur braucht, benutzt. Aber das ist ein anderes, schon oft von mir angesprochenes Thema.

Es lohnt sich jedenfalls diese kleine Biographie von Alma Mahler zu lesen "Alma Mahler - oder die Kunst geliebt zu werden!". Ja..es ist sicher eine Kunst geliebt zu werden, aber eine noch größere zu lieben. Oder?

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