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2. Februar 2021 2 02 /02 /Februar /2021 13:49

Korrekt. Genau. Prinzipientreu.

 

Karl-Otto betrat das Fast-Food-Restaurant. Während des zurückliegenden Tages hatte er sich mit kniffligen Problemen auseinandergesetzt, war deren Lösung nach seinem Empfinden jedoch keinen Milimeter nähergekommen. Daraus resultierte bei ihm eine unzufriedene und gereizte Stimmung. In einer solchen Verfassung kam es vor, dass er gegen seine sonstige Gewohnheit seine Aufmerksamkeit auf die Aussenwelt richtete. Er hatte dann oft das Gefühl, den stumpfsinnigen Betrieb zu durchschauen.

 

Sofort nahm er wahr, dass sich an den Kassen lange Warteschlangen gebildet hatten. Er lenkte seinen Blick hin zu den Mitarbeitern, die hinter der langen Theke mit der Kundenabfertigung befasst waren. Vier Männer, eine Frau. Klare Sache, dachte er, bei der Frau anstellen, die sind immer schneller als die Männer. In demselben Moment sah er, dass die Mitarbeiterin drei leere Papiertüten vor sich aufbaute. Das deutete auf eine grössere Sache hin. Es war nun klar, dass diese Kasse für ihn nun doch nicht in Frage kam.  Daneben ein dunkelhäutiger Angestellter. Karl-Otto erinnerte sich, dass dieser zügig arbeitet.  Aber etwas schien mit der Kasse nicht zu stimmen, der Schichtführer war hinzugekommen und malträtierte mit leicht verzweifeltem Gesichtsausdruck die Tastatur. Zu riskant, das kann dauern, dachte Karl-Otto und entschied sich für einen ihm unbekannten jungen Kerl, an dessen Kasse auch die wenigsten Leute anstanden. Er stellte sich hinten an, und zwar sauber und eindeutig: Es muss vollkommen klar sein, zu welcher Warteschlange er gehörte. 

 

Jetzt cool bleiben, in Ruhe weiter beobachten. Karl-Otto erwartete keinen Laufschritt von den Mitarbeitern des Restaurants. Aber er war davon überzeugt, dass eine gewisse Ökonomie und Effiziens des Bewegungsablaufs der Sache doch sehr förderlich sein kann. Ihm kam es jetzt vor, als ob dieser junge Angestellte doch einen Tick zu ostentativ hinter der Theke entlang schlurft. Der Weg zur Friteuse zieht sich. Vielleicht sollte man dies beim nächsten Mal bei der Wahl der Warteschlange mit berücksichtigen, die Kassen auf der linken Seite sind mit kürzeren Wegstrecken verbunden. Während Karl-Otto dies bedachte, kehrte die männliche Thekenfachkraft zu ihrer Kasse zurück. Nun war für Karl-Otto der Moment gekommen, um abzuchecken, wie es um die dienstliche Kommunikation bestellt ist. Immerhin, die Deutschkenntnisse des jungen Mitarbeiters schienen passabel zu sein. Allerdings machte der Kunde an der Spitze der Warteschlange einen unentschlossenen Eindruck. Karl-Otto hoffte, dass sich kein größeres Beratungsgespräch entwickelte. 

 

Allmählich hatte sich die Warteschlange verkürzt.Es waren vor ihm nur noch zwei junge Frauen asiatischer Herkunft verblieben, die offensichtlich zusammengehörten. Der Mensch hinter der Theke ließ jetzt seinen ganzen Charme spielen oder das, was er dafür hielt. Karl-Otto hatte stellenweise den Eindruck , dass sachfremde Themen verhandelt wurden, denn es war wohl kaum anzunehmen, dass die jungen Damen bei einer normalen Bestellung so kichern würden. Drei strahlende Gesichter vor seiner Nase, aber die Abfertigung machte keine rechten Fortschritte. Er musste registrieren, dass die Thekenfachkraft nun auch ihre Stadtkenntnisse in die Waagschale warf. Handelt es sich hier etwa um einen Tourist Info Schalter, fragte sich Karl-Otto, jetzt ziemlich gereizt. Er wusste, dass es in einem solchen Moment nicht opportun ist, seinen Unmut laut werden zu lassen. Er hatte es schon erlebt, dass ein Mitarbeiter sich dafür gerächt hatte, indem er just in dem Moment, als Karl-Otto an der Reihe war, einen unvermeidlichen und ausgedehnten Gang zur Toilette einschob. Also lieber ruhig bleiben. Nebenbei apportierte der Restaurant-Mitarbeiter nun doch immer ein paar Menübestandteile auf das bereitstehende Tablett. Plötzlich die Erlösung: 11 Euro 40, verkündete die Thekenfachkraft. Dieses Kommando schien für die beiden Asiatinnen etwas überraschend zu kommen, denn erst jetzt nahmen beide ihre Rucksäcke ab und kramten nach ihren Geldbörsen. Nachdem sie sich auf die Zusammenlegung einiger Münzen geeinigt und die Rechnung beglichen hatten, folgte einer überaus herzliche Verabschiedung von der ortskundigen Thekenfachkraft . Karl-Otto war nun endlich an der Reihe!

 

Karl-Otto war sofort hellwach. Er wusste, dass er jetzt gefordert ist. Konzentriert, gut hörbar und redundanzarm wollte er seine Bestellung an den Mann bringen. 

 

Karl-Otto: Nabend

Die Thekenfachkraft nickte.

Karl-Otto (laut und deutlich): 1 Vorteils-Menü mit einem Happy Chicken Achter, mit Pommes Frites und Cola-Light.

Karl-Otto wollte die Thekenfachkraft nicht mit Informationen überfüttern, er wusste natürlich genau, welche Rückfragen nun fällig waren. 

Thekenfachkraft: Was für Sauce?

Karl-Otto: Curry

Thekenfachkraft: Für Pommes: Ketchup oder Majonäse?

Karl-Otto: Ketchup

Thekenfachkraft: Mitnehmen oder hier essen?

Karl-Otto. hier essen

 

Das Eintippen schien ohne Komplikationen abzulaufen, manchmal ein etwas heikler Punkt. Karl-Otto sah zu seiner Zufriedenheit, dass der angezeigte Rechnungsbetrag korrekt war: 5 Euro 29 Cent. Die Thekenfachkraft steuerte das Regal mit dem Küchen-Output an. Natürlich kein Chicken Achter vorrätig. Karl-Otto war alarmiert. Immerhin bestellte der Mitarbeiter deutlich den Achter. Aus der Küche erschallte ein: "MOMENT". Der Thekenmensch kehrte zurück. 

 

Thekenfachkraft: Achter dauert

Karl-Otto. Wie lange ungefähr?

Thekenfachkraft: Moment

Karl-Otto: Okay

 

Natürlich war gar nichts Okay. Aber Karl-Otto wusste, dass er nichts verschenkt, solange er nur ein "okay" einschiebt. Er durfte jetzt nur nicht den Fehler machen und die Rechnung begleichen. Wichtig war jetzt, dass der Mitarbeiter die Zwangspause gut nutzt und die anderen Sachen herbeischafft. Also vermied es Karl-Otto, dass sein Gegenüber des Geldes ansichtig wird, das er schon in der Hand bereithielt. Stattdessen ließ er ganz selbstverständlich und suggestiv den Blick in Richtung Pommes-Vorrat und Getränkezapfstelle schweifen. Der Mitarbeiter konnte sich dem nicht entziehen, machte sich nach einem Blick auf sein Display folgsam auf den Weg.

 

Karl-Otto beobachtete nun scharf. Bursche, ich schau dir auf die Finger , dachte er grimmig. Cola LIGHT habe ich bestellt. LIGHT wird immer ganz rechts, normale Cola irgendwo in der Mitte. Karl-Otto sah: richtige Zapfstelle. Immerhin.

 

Pommes Frites sind auch nicht ganz ohne Tücken. Karl-Otto konnte es nicht leiden, wenn die letzten Reste aus dem Blechbehältnis für ihn zusammengekehrt wurden. Er hatte es schon fertiggebracht, in der Warteschlange Jemanden vor zu lassen wenn ihm dies aus Gründen des Fritten-Timings angebracht erschien. Aber auch dies lief nun zu seiner Zufriedenheit ab, die Ware hatte die Friteuse noch nicht lange verlassen. Der Mitarbeiter kehrte zurück. Ohne Schwierigkeiten zu machen, legte er noch die Packungen mit Curry-Sauce und Ketchup auf das Tablett. Es fehlte nur noch der Chicken Achter, der sich hoffentlich in Arbeit befand.

 

Karl-Otto wollte es unbedingt vermeiden, vorzeitig zu bezahlen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er dann sofort links liegen gelassen wird und der Willkür des Restaurant-Mitarbeiters ausgeliefert ist. Eine Sache konnte er noch ganz organisch einflechten: 

Karl-Otto: Kann ich bitte einen Deckel auf dem Cola-Becher haben?

 

Dies brachte aber nur etwa 15 Sekunden , dann war sein Wunsch erfüllt. Jetzt wurde es ernst. Karl-Otto schaute nervös auf die Uhr und war entschlossen, eine Lüge aufzutischen. 

 

Karl-Otto: Ich muss zum Zug. Wie lange dauert es denn noch mit dem Chicken Achter? 

Thekenfachkraft: Nur Moment. Wenn Sie wollen, bringe ich es Ihnen an den Platz

 

Karl-Otto war innerlich entrüstet. Er stellte sich vor, dass er in einem Restaurant dinieren will, und dann kommt der Oberkellner mit den Kartofffeln und mit der Aufforderung: "Jetzt iss erst mal das, Fleisch bringe ich Dir später. Und Abkassieren würde ich auch gern schon mal."

 

Karl-Otto: NEIN, ich will alles zusammen haben, nehme es selber mit zum Platz. 

Thekenfachkraft: Okay, das macht dann 5 Euro 29 Cent. 

Karl-Otto mit einem fahrigen Blick auf die Uhr: Ich kann gar nicht warten, mein Zug geht bald. Fragen Sie doch noch mal in der Küche nach, wie lange der Chicken Achter noch braucht, wenigstens in etwa.

 

Etwas widerwillig bewegte sich der Mitarbeiter in Richtung Küche, beharrte diesmal sogar auf eine Zeitangabe. Wendete sich dann wieder an seinen Kunden. 

 

Thekenfachkraft_ 1 bis 2 Minuten. 5 Euro und 29 Cent. 

 

Karl-Otto dachte sich, dass diese Zeitangaben oft Schall und Rauch sind. Solang ich nicht gezahlt habe, störe ich den Betrieb, solange kann ich Druck ausüben. 

 

Karl-Otto: Ich zahle gern, wenn ich meine Bestellung habe. Die Pommes werden ja auch kalt, das geht doch so nicht. Sie wollen das ganze Geld, liefern mir aber nur die Hälfte meiner Bestellung. So geht es nicht!

 

Thekenfachkraft: Ist fertig, wenn Sie bezahlt haben. Andere Leute hinter Ihnen wollen auch. 

Karl-Otto: Ach so, kein Problem, bedienen sie ruhig erst den Herrn hinter mir, selbstverständlich. 

 

Karl-Otto trat einen großen Schritt zur Seite und versuchte, den hinter ihm stehenden Mann mit einer großzügigen Geste an die Kasse heranzuwinken. Natürlich wusste er, dass es nicht weiter geht, so lange er nicht gezahlt hatte, aber jetzt kam es darauf an, sich dumm zu stellen und Zeit zu schinden. 

 

Thekenfachkraft: Ich habe hier eingetippt, kann erst weitermachen, wenn sie bezahlt haben

Karl-Otto: Aso, hm?, dann reden sie mit ihrem Koch, wenn ich die Ware habe, zahle ich sofort. Wenn ich nicht vorher weg muss, mein Zug geht bald.

 

In der Warteschlange hinter Karl-Otto war erstmals lautes Murren zu hören. Sichtlich genervt orientierte sich der Mitarbeiter wieder in Richtung Küche, betätigte sich jetzt als Sklaventreiber, rief lautstark nach dem Chicken Achter. Karl-Otto verspürte eine gewisse Genugtuung, legte jetzt noch eine Schippe nach. 

 

Karl-Otto: Sie haben mir gesagt, es dauert einen Moment. Das ist aber ein langer Moment, kann ich nur sagen. Ich kann nicht mehr warten, mein Zug. Und die Pommes werden doch auch kalt. Ist das hier nicht Fast Food? Scheint mir eher Slow Food zu sein,

Die Thekenfachkraft: Es kann sich nur noch um Sekunden handeln. 

 

Der Mitarbeiter hatte es jetzt aufgegeben, das Geld einzufordern. Stattdessen stand er an der Küchenausgabe, rief nochmals laut nach dem Achter. Der Schichtführer war aufmerksam geworden, peilte hinter den Kulissen in die Küche rein. 

 

Schwupp, da rauschte die heiß ersehnte Packung an. Sofort griff der genervte Thekenmensch danach und brachte sie mehr als zügig auf das Tablett seines schwierigen Kunden. In derselben Sekunde überreichte Karl-Otto seine abgezählten 5 Euro 30 Cent , verzichtete auf die Entgegennahme von Kassenbon und 1 Cent-Stück , entschwand mit dem Tablett in der Hand. 

 

Karl-Otto empfand es wie einen Sieg auf der ganzen Linie. Seine Stimmung verbesserte sich zusehends. Er war fest entschlossen, es sich nun in Ruhe schmecken zu lassen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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