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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 20:19

Angeregt wieder mal durch einen Artikel im KSTA "Mein Tag", in dem ein Mann, der beim Wetterdienst arbeitete, seinen Alltag beschrieb, ist mir gewußt geworden, dass man heutzutage oft gar nicht mehr weiß, was sich so hinter den einzelnen Berufsbildern verbirgt. Er erzählte, wenn er morgens aus dem Haus ginge, würde er oft gefragt, wie das Wetter denn so würde. Leider könne er diese Frage oft nicht beantworten, weil das gar nicht zu seinem Bereich gehört. Auch habe ich mich daran erinnert, als meine Kinder in der Oberstufe waren und oftmals ein bißchen verloren wirkten, wenn sie gefragt wurden, was sie denn nach der Schule machen wollen! Viele Jugendliche haben heute gar keine Vorstellung mehr, was sich hinter den von ihnen vielleicht erträumten und gewünschten Berufszielen verbirgt! Die Transparenz ist eher dürftig. Und die Beratungen beim Arbeitsamt auch nicht immer förderlich und oft kommen sie mit mehr Fragen nach Hause als dass sie beantwortet worden wären. Wie der Alltag in solchen Berufen aussieht, kommt eher weniger raus. Ich selber habe damals eine Ausbildung gemacht, in der ich heute gar nicht mehr arbeite und hatte sie auch nur gemacht, um überhaupt eine Lehrstelle zu bekommen, da ich eher orientierungslos war. Heute arbeite ich als Buchhändlerin, nachdem ich vor 10 Jahren eine Quereinsteigerausbildung absolviert habe.
 
So geht es mir auch sehr oft, dass viele sagen:" Ach, Buchhändlerin, wie schön, da verkaufst Du den ganzen Tag Bücher und kannst viel lesen!"
Ich muß dann immer heimlich griemeln und kläre dann darüber auf, wie mein Alltag als Buchhändlerin eigentlich aussieht, und zwar folgendermaßen:
 
Ich bin meistens schon eine halbe Stunde vor Beginn der regulären Arbeitszeit im Laden. Dann wird erst einmal die von den Kunden am Tag zuvor bestellte Ware ausgepackt, zugeordnet und evtl. als Geschenk verpackt. Dann werden die Kartons mit den eigenen bestellten Bücher, die für das Sortiment bestimmt sind, also Neuerscheinungen, Backlist, d.h. Bücher die im Warenbestand waren und nachbestellt werden mußten, ausgepackt und in die Regale gestellt. Teilweise wird umdekoriert, d.h. man muß ein bißchen Geschick für Präsentation haben. Es muß regelmäßig neu umgestaltet werden, damit die Kunden einen neuen "Hingucker" haben. Das Schleppen der Kartons ist oft mühselig und manchmal fehlt da so mancher Mann. Leider sind die in diesem Beruf nicht viel vertreten. Weiter kommt die Fensterdekoration, die ebenfalls Kreativität und Geschick verlangen. Man muß sich immer wieder neue Themen ausdenken und dann Bücher zu diesen Bereichen zusammenstellen. Der kaufmännische Aspekt im Buchhandel ist eigentlich einer der wichtigsten . Wenn man ein eigenes Sortiment, d.h. einen eigenen Bereich, wie z.B. Belletristik, Reise oder Sachbuch betreut, muß man diesen genau beobachten. Man hat möglicherweise ein bestimmtes Budget fürs Halbjahr zur Verfügung, mit dem man haushalten muß. Wenn man sich da vergriffen hat und falsch eingekauft hat, kann man schnell in die roten Zahlen kommen. Vertreterbesuche müssen gut vorbereitet sein, denn diese wollen natürlich viel verkaufen, man selber muß aber gut aufpassen, paßt dieses oder jenes Buch zum Kundenkreis des eigenen Geschäftes. Dazu gehört, dass man die Vorschauen sorgfältig durchschaut und sich vorher schon auf Zahlen festlegt. Das macht man oft nach Feierabend! Der Gedanke herrscht hier, zumindest bei einer Vorort-Buchhandlung, vor: Wem kann ich dieses Buch verkaufen?" In meiner Buchhandlung gehören noch Fachbücher aus dem juristischen und sozialwissenschaftlichen Bereich. So ist man nicht nur mit dem normalen Sortiment beschäftigt, sondern muß sich auch noch mit anderen Themen auseinandersetzen und immer auf dem neuesten Stand sein.
 
Ja, und dazwischen klingelt oft pausenlos das Telefon, Kunden stehen im Laden und wollen beraten werden. Suchen ein Buch, dessen Titel sie nicht genau kennen, wissen nur wie es aussieht und wie ungefähr der Autor heißt. Oder sie kommen mit dem Wunsch, das Buch zu haben, das letzte Woche in irgendeiner Sendung oder in der Zeitung gestanden hat und gut besprochen war. Viele andere möchten ein Buch verschenken, wissen aber nicht was. Dann ist mit Fingerspitzengefühl herauszubekommen, wer der zu Beschenkende ist, um eine Richtung zu wissen, welches Buch passen könnte.Jedem Kunde muß das Gefühl vermittelt werden, dass er sozusagen König ist. Und nicht alle Kunden sind immer freundlich und nett. Da muß man oft die Ruhe bewahren und auf Nörgeleien einzugehen verstehen. Man muß gerne mit Menschen beisammensein und sie auch ein bißchen einschätzen können. Jemand, der eher introvertiert ist, ist für diesen Beruf weniger geeignet.


Gut und bildhaft erzählen können ist eine wichtige Voraussetzung, damit man dem Kunden anschaulich den Inhalt wiedergeben kann, ohne etwas vorwegzunehmen. Oft gibt es Fälle, gerade im Bereich Sachbuch, zum Thema Erziehung, Liebe, Tod, Älter werden usw. usw., wo man mit Kunden ins Gespräch kommt. Viele fangen dann einfach an und erzählen ihre Sorgen, so ist man oft auch ein kleines bißchen Seelsorger und Zuhörer. Wenn der Kunde dann zufrieden hinausgeht und auch wieder kommt, weil ihm das Buch gefallen hat, ist das die gewünschte Anerkennung in diesem Beruf. Tja, und lesen, ja lesen muß man die Bücher ja auch. Meistens tuen wir das in der Straßenbahn, beim Aufwachen oder Zubettgehen. Oft bleibt dazwischen keine Zeit, weil ja zuhause der Haushalt und die Familie auch noch warten. Aber das Lesen der Bücher ist tatsächlich sehr wichtig. Und oft muß man auch schon mal was lesen, was einen selber gar nicht so interessiert. Das ist besonders schwer. Wenn dann der Tag um 19.00 Uhr beendet ist, muß man die Kasse machen. Den Laden aufräumen, damit er am anderen Morgen wieder so hergerichtet ist, dass der erste Kunde gerne den Laden betritt. Dazu gehören dann, zumindest in einer kleinen Buchhandlung auch Dienste wie Staubwischen, Staubsagen usw.usw. dazu. Hat man das geschafft, kann man die Anspannung endlich abgeben mit der Hoffnung, keine Kundenbestellung vergessen zu haben und kann dann um 20.00 Uhr endlich seinen wohlverdienten Feierabend begehen.
 
Abgesehen von den Ladenschlußzeiten und den Samstagsdiensten arbeite ich nach wie vor gerne und mit Freude in diesem Beruf und könnte mir gar nichts anderes vorstellen! Alleine, den ganzen Tag von Büchern umgeben zu sein, deren Inhalt geheimnisvoll, abenteuerlich und zum Denken anregt, beflügelt mich immer wieder und gibt mir ein gutes Gefühl. Bücher können die besten Freunde eines Menschein sein und man ist nie allein, wenn man gerade eines zur Hand!
Ja, so sieht ein Buchhändler-Alltag aus!
 
In diesem Sinne hoffe, ich sie nicht allzusehr gelangweilt zu haben mit meiner Beschreibung und
vielleicht denken sie ja das eine oder andere Mal an mich, wenn sie mal wieder einen Buchladen betreten, um ein Buch zu kaufen!

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