Wir sind wieder unterwegs! Dieses mal ist der Bus wieder dran. Hab ich schon erzaehlt, dass wir in den letzten fuenf Wochen knappe 4ooo km zurueckgelegt haben, einschl. der jetzigen Fahrt nach Nepal, per Bus, Bahn oder Jeep? Allein fuer diese Fahrten sind acht Tage drauf gegangen, aber wie ich ja immer wieder erzaehlt habe, sieht man auf den Fahrten viel und hat auch unterwegs Begegnungen.
Vor ein paar Tagen schrieb mir noch eine Freundin aus Koeln, dass das auslaendische Amt vor Reisen in den Nepal nach wie vor warnt. Immer wieder gibt es wohl Uebergriffe. Zuletzt wurden wir noch in Varanasi gewarnt. Zusaetzlich gibt es heftige Ueberschwemmungen in bestimmten Gebieten, die Zeitungen hatten auch vor Seuchengefahr gewarnt. Jedoch andere Stimmen wiederum sagten uns, dass die touristischen Gebiete wie Pokhara, Chitwan und Kathmandu davon nicht betroffen sein sollen. Es sei normal, dass hin und wieder einmal Menschen verschwinden, eben auch Touristen. Na dann! Zuviel Sorge lohnt nicht, kennen wir ja aus dem Alltag, also machen wir uns endlich ohne Sorge auf den Weg.
Die Fahrt am ersten Tag bis zur nepalesischen Grenze dauert ganze 12 Stunden und ich hab mich mal wieder in absolute Bewegungslosigkeit geuebt, eingepfercht bei guten 35 bis 4o Grad Temperaturen im Innenraum ohne Aircondition. Die Sonne scheint den ganzen Tag ins Fenster. Einerseits Pech, andererseits bietet der Fensterplatz eben die besten Ausblicke. Der Busfahrer hat den bisher groessten Spass am Hupen, der er betaetigt sie im Grunde staendig. Ununterbrochen toent die kirmessirenenaehnliche Fanfare und ich hab das Gefuehl, ich stehe zeitweise kurz vor einem Hoersturz! Die Fahrt macht mir an diesem Tage zu schaffen, dazu die unglaublich staubigen Strassen und die Staubwolken suchen sich immer wieder den Weg durchs geoeffnete Fenster. Die letzten indischen Staedte durch die wir reisen, sind unglaublich laut und dreckig. Zweimal nur gibt es einen Stop an nicht wirklich gastlichen Orten, also faellt Essen den ganzen Tag aus, noch nicht einmal kuehle Getraenke.
So liegen unsere Nerven das erste Mal tatsaechlich etwas blank, als wir gegen 19.3o Uhr an der nepalesischen Grenze angelangt sind. Da wir ueber eine Agentur gebucht haben, geht alles planmaessig ueber die Buehne. An der Grenze werden wir sofort empfangen. Es ist mittlerweile dunkel, ja stockdunkel, denn wir haben mal wieder Stromausfall, ueberall Hektik auf der Strasse, Lastwagen donnern an uns vorbei, wir stehen knoecheltief im Wasser, da der Monsumregen zugeschlagen hat und auch wir selber stehen im Wasser, unser Koerper ist nur noch Wasser. Das Einreiseformular koennen wir kaum ausfuellen, da unsere Haende schweissnass sind, es ist alles muehselig. Grenzen sind dazu da, um Demut zu lernen, sag ich doch immer. Im Einreiseoffice faellt mein Blick sofort auf eine Vermisstenanzeige. Zwei junge, englische Touristinnen werden gesucht. Ueberall auf der Strasse steht die Armee Spalier und fuehrt Kontrollen durch, irgendwie alles unwirklich, gespenstig.
Endlich haben wir es geschafft, alles klar, wir haben das Einreisevisum und der Hotelbesitzer fuehrt uns in unser Zimmer. Der erste, nein, auch der zweite Blick jagt uns ein Grausen ueber den Ruecken. So was haben wir bisher noch nicht erlebt, und wir haben bestimmt schon viel gesehen! Wohin mit unseren Sachen? Wir trauen uns nicht, sie irgendwo in diesem Dreck abzustellen. In diesem Badezimmer, nein, in diesem total verdreckten Loch sollen wir uns waschen? Oh mein Gott! Unmoeglich! Aber wat mut, dat mut! Augen zu und durch! Man denkt so oft, nichts geht mehr und dann geht es doch irgendwie weiter. Wir rollen vorsichtig unsere Schlafsaecke auf dem Bett aus, ich falle ohne Essen total fertig um. Wir ueberstehen die Nacht und am anderen Morgen stellt sich Teil 2 von Montezumas Rache ein. Et is wie et is und et is noch immer jood jejange, wie der Koelsche sagt. Ich sag nur Dank Immodium ueberstehe ich auch den zweiten Tag.
Wir wechseln in den Lokalbus, haben die Hoffnung, dass alles schnell ueberstanden ist an diesem Tag, aber auch der Bus faehrt ganze 12 Stunden an diesem Tag, weil er alle fuenf Minuten stehen bleibt und Nepalis ein/und aussteigen. Wie wir erfahren, ist an diesem Tag ein grosses Frauenfestival ueberall in Nepal und der Anblick wunderschoener Frauen in ueberwiegend roten Saris ist einfach grossartig. Wunderschoene Frauen gibt es hier. Trotz allem geniessen wir die wunderschoenen Ausblicke auf dem Siddharta-Highway in die Tropenwaelder, immer wieder leichte Anstiege, einfach traumhaft.
Als wir endlich gegen 18.oo Uhr in Pokhara ankommen, regnet es mal wieder in Stroemen, Monsumregen! Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit, als wir vom Hotelmanager abgeholt werden, er uns unsere Rucksaecke abnimmt und wir im bequemen PKW Platz nehmen. Wie man geniessen kann, wenn man verzichtet hat oder musste! Und das Hotel, ja das Hotel ist ein wahres Paradies. Das absolute Gegenteil der letzten Nacht. Von dem Moment an, wo ich ins Bett falle, weiss ich nichts mehr. Nur meine Tochter meinte am anderen Morgen, sie haette mehrmals in der Nacht gefuehlt, ob ich noch lebe, denn ich hatte hohes Fieber. Aber natuerlich lebte ich noch, so schnell, wie es gekommen ist, war es auch wieder verschwunden. Sagt man nicht, Fieber reinigt Geist und Koerper?
Also machen wir am ersten Tag ein Sightseeing durch Pokhara, ein traumhaft schoener Ort, aber ein touristischer eben. Die Saison beginnt hier eigentlich erst in drei Wochen, daher ist es sehr ruhig. Dann ist es nicht mehr so heiss und die Trekker und Kletterer halten Einzug um die Himalaya-Berge zu erobern. Pokhara liegt in einem kleinen Tal von tropischen Waeldern umgeben und man kann sich am Gruen der Waelder nicht sattsehen. Faszinierend ist, wenn sich die Wolkendecke endlich einmal hebt, kann man ganz unvermittelt auf die majestaetisch herausragenden 7er und 8tausender, wie den Anapurna, der hoch in den Himmel ragt, schauen, einfach gigantisch. Nochmal ganz anders als das Himalaya/Gebirge in Ladakh.
Wir beschliessen am anderen Tag eine Trekking-Tour zur World-Peace-Pagode zu machen, die von japanischen Buddhisten an diesem Ort erbaut wurde. In der Naehe des Fundamentes wurde damals ein japanischer Moench von Anti/Buddhisten ermordet. Uebrigens ist hier in der Naehe in Lubini auch Siddhartha Gautama geboren.
Auf Anraten des Hotelmanagers gehen wir mit einem Fuehrer, denn der Weg ist nicht ungefaehrlich. Immer wieder wurden Touristen entfuehrt , so sagt man uns. Unser Fuehrer ist aber gerade mal 22 Jahre jung und ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich im Ernstfall was fuer uns tun kann. Aber ich denke einfach nicht an Ernstfall, zu gross ist die Neugier. Immer positiv denken!
Ein Boot bringt uns zum anderen Ufer und da stehen wir nun am Eingang des Tropenwaldes. Von nun an geht es durch die gnadenlos heisse Sonne bergauf, es ist muehsam, aber absolut berauschend. Noch nie war ich jemals vorher in einem Tropenwald und ich bin gefangen von dem Stimmengewirr unzaehliger Voegel, Insekten und anderem Getier. Alles surrt, summt und singt. Ich muss an das Buch von Joachim-Ernst Behrend denken "Die Welt ist Klang!" Ja so ist es, hunderte Melodien kann die Natur selbst erzeugen, wenn man nur genau hinhoert.
Unser Fuehrer erzaehlt ein bisschen von den Veraenderungen, die sich in Nepal seit der Regierungsuebernahme durch die Maoisten ergeben haben. Wirtschaftlich sei das Land im Aufschwung, gerade in Pokhara und Kathmandu. Man tue viel fuer den Tourismus, nachdem er einige Zeit brachgelegen hat, wegen der vielen Kaempfe und Kriege, die hier gewuetet haben. Auch in dem Gebiet durch das wir gerade gehen, hat noch vor drei Jahren der Krieg zwischen den Nepalis und den Maoisten gewuetet. Was mir auffaellt ist, dass statistisch gesehen die Bevoelkerung Nepals genauso arm ist, wie in Indien, aber man merkt es eher weniger. Die Doerfer und Staedte sind sauber. Die Nepalis kuemmern sich mehr um sich selber und ihre Umgebung.Flora und Fauna gedeihen hier praechtig und ich musste manchmal an unsere ehemalige Mitbloggerin Karde denken, die hier sicher ihre Freude haette beim Anblick so vieler wunderschoener Pflanzen. Nepal ist reich an unterschiedlichen Kulturen, ca. 13 verschiedene Voelkergruppen leben hier zusammen und es gibt unterschiedliche Sprachen. Bevor die Maoisten die Regierung uebernommen haben, war Nepal ein grosser Fluchtort fuer Tibeter, nun allerdings ist ihre Aufnahme gestoppt. In weiten Teilen in hinteren Regionen gibt es immer noch keine Elektrizitaet und kein fliessendes Wasser, aber die Maoisten arbeiten, so las ich in der Zeitung, an einem neuen oekologisch, wirtschaftlichen System. In Pokhara z.b. wird jeden Tag fuer ca. 3 Stunden aus Energiesparmassnahmen der Strom abgestellt, jeweils zu unterschiedlichen Zeiten. Es trifft einen ganz unvorbereitet. Auch das soll sich aendern. In den letzten Tagen ging der Strom meistens abends weg. Da sitzt du dann im Dunkeln, eine Kerze ist alles was ein bisschen Licht spendet. Da bist du auf dich selber reduziert, nix geht mehr. Eine schoene Erfahrung wie wir beide fanden. Viel Zeit zum Traeumen und phantasieren. Schoene Geschichten entstehen in den Koepfen. Ich habe gemerkt, wie unsere Welt uns die Zeit zum Traumen und Geschichten spinnen nimmt. Wir lassen uns berieseln, anstatt selber kreativ zu sein.
Die jungen Leute im Nepal trennen sich allerdings immer mehr von den alten Traditionen, richten ihr Augenmerk auf den Westen, wie ueberall. Auch hier arbeitet die Regierung daran, dass jedes Nepali-Kind zu einer Schulausbildung kommt, was immer noch nicht selbstverstaendlich ist. Die jungen Leute, die wir kennengelernt haben, studieren alle, wollen ins Ausland, bevorzugt nach Deutschland. Deutschland erscheint ihnen das Paradies zu sein. Wir muessen sie doch ein bisschen aufklaeren.
O.k., ich bin mal wieder abgeschweift. Wir haben 23km der Strecke geschafft, es ist Nachmittag und unserer Fuehrer erzaehlt mal so eben nebenbei, dass es in den umliegenden Waelder auch Tiger gibt. Juchhu! Ein mulmiges Gefuehl beschleicht mich, haette er doch nichts gesagt. Na dann! Mir reichen schon die Wasserbueffel, an denen wir immer wieder mal vorbeikommen und sich sich in den Suempfen suhlen. Groesstenteils sind sie friedlich. Aber als wir an einem groesseren Tuempel vorbeikommen, meint doch einer uns verfolgen zu muessen, warum auch immer.Und ich sage Euch, er sah nicht besonders freundlich aus. Unser Fuehrer meint, er mag keine Touristen. Ein bisschen hatte ich Angst, ich geb es zu.Unser Fuehrer hatte Muehe ihn zu verjagen, aber letztendlich trotte er von dannen.
Wir haben unser Ziel erreicht. Die World-Peace-Pagode erstrahlt in ihrer weissen Pracht vor uns. Ein wunderschoener Platz, so friedlich, laedt zum Ausruhen ein, bevor es wieder hinunter geht und unten angekommen nehmen wir den Local-Bus zurueck zum Hotel. Wir haben Plaene fuer die naechsten Tage, aber wie sich herausstellt, soll man niemals zuviele Plaene machen, denn erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Wir werden beide richtig krank und liegen gute drei Tage flach. Am Ende hilft nur noch Antibiotika. Das gehoert eben zum Reisen auch dazu! Eine Woche Fahren und gut eine Woche krank sein, das geht alles von der Zeit ab. Aber auch in dieser Zeit macht man gute Erfahrungen, eben nur mit sich selber, seinen Grenzen, seiner Geduld und der Staerke anzunehmen, was ist!