Ecken und Kannten, an denen man sich stoßen, reiben kann, ja des öfteren auch schon mal schwere Verletzungen zuziehen kann. Kennt doch jeder selbst im häuslichen Bereich, mal optisch gesehen, irgendwo steht was über, wie mir vor ein paaar Tagen, unser Trockner funktioniert mal wieder nicht richtig. Nach einer Weile geht er immer wieder aus, liegt wohl am Schließmechanismus der Türe. Na ja, wir wissen ja, Auslaufmodell, Reparatur nicht kostengünstig und so flicke ich halt rum. Jedesmal, wenn ich ihn anmache, stecke ich zwei Kochlöffel in die Türe. Einer von den beiden steht halt dann immer ein bißchen über. Und wie das so ist im Leben, woran man sich nicht gewöhnt hat, auch an räumliche Verhältnisse, Dinge, die plötzlich anders sind, dann passieren solche Sachen eben, wie mir jetzt schon das dritte Mal, weil ich einfach nicht dran denke, dass dieser blöde Kochlöffel da rausguckt, Ich latsche also das dritte Mal dagegen und peng, jedes Mal hab ich einen blauen Fleck, und zweimal ist der Löffel schon abgebrochen. Letztens hatte ich Besuch, dem ist das übrigens auch passiert. Und ich dachte schon, Röschen, du und deine Gedanken.
Nun denn, was ich damit sagen wollte, an Ecken und Kanten, sei es am Material oder an Emnschen, kann man sich heftig verletzen, weh tun. Aber jetzt mal ehrlich, machen nicht gerade die Ecken und Kanten einen Menschen erst sympathisch. Ich meine, wer ist schon vollkommen?
In der Antroposophie damals, bin ich ja viel mit der typischen Architektur in Berührung gekommen. Damals ist mir sofort aufgefallen, es gibt in den Räumen antroposophischer Einrichtungen keine Ecken, alles ist rund. Hm, ist ja schön anzusehen, muß ich schon sagen. Aber es ist mir aufgestoßen, nämlich genau in dem Moment, wo mir das anthroposophische Lebensbild vermitteln wollte, ich muß in allen und bei allem perfekt sein, vollkommen eben. Daran bin ich gescheitert, innerlich, meine ich. Ich hab dann zu oft meine Unfähigkeit zu lieben, zu organisieren, zu realisieren, was in meinem Kopfe war, gesehen. Na ja, dann kommen die Selbstzweifel, das Nichtannehmen wollen, weil man ja ständig von Menschen umgeben ist, die einem genau das gegenteil vermitteln wollen. Immer lieb, immer nett, immer das richtige Wort als Erzieher zur rechten Zeit. Na ja, bis ich spürte, dass mich das aggressiv machte.
Ich wollte nicht mehr, klar, ich wollte an mir arbeiten, nach wie vor, aber ich wollte keinem Idelabild entsprechen. Ich wollte ein ganz normaler Mensch mit "Ecken und Kanten" sein. Gott sei Dank konnte ich mich lösen, von dieser extremem Anspruchshaltung.
heute kann ich von mir sagen, ich akzeptiere michz so, wie ich bin, mit diesen kleinen oder manchmal auch größeren Übeln, die mir doch immer mal wieder passiere, im Denken, Handeln oder manchmal einfach nur im Gefühl.
Vor ein paar Tagen las ich in einer web-Seite eines Schweitzer Jobunternehmens von einer Unternehmerin, die ein Loblied sang auf Menschen mit Ecken und Kanten, dass es genau die Menschen sind, die in Beruf und Freizeit eine Energie und Kreativität zu Tage fördern, von denen sich der oft so vermeintlich perfekte, allwissende und über alles Erhabende Mensch meterweit unterscheidet. Gleichzeitig sagt sie auch, dass gerade Kreativität und die damit verbundene Empathie die Fähigkeit mit sich bringen, sich in andere Menschen und Situationen spielend hineinzudenken und genau dass ist es doch, was einen Menschen weiterbringt. Seine Ecken und Kanten anzunehmen, heißt auch kreativ bleiben im Denken über sich selber und andere, die sich einem in den Weg stellen. Menschen, die zu ihren Ecken und Kanten stehen, sagt sie, sind meistens starke Persönlichkeiten, alle anderen verstecken sich hinter ihren Schwachheiten und verhindern somit den eigenen Lebensfluß und das Weiterkommen, sie bleiben stoisch, statisch auf ein und demselben Fleck im Leben. Denn wer an seinen Ecken und Kanten arbeitet, sagt sie, hat mehr Freude am Arbeiten und am Leben insgesamt.
Na dann, sag ich doch, mir sind Menschen mit Ecken und Kanten auch allemal lieber und ich bleib auch dran, an meinen Ecken und Kanten.
In diesem Sinne, selbst der dumme Kochlöffel, gegen den ich immer wieder laufe, sagt mir doch, Röschen, du mußt flexibel bleiben, wenn du mich schon brauchst und dich nicht auf sorgsam eingeprägte Abstände und Befindlichkeiten der Raumsituation beschränken, du mußt immer wachsam sein, nichts ist so wie es wahr, nichts bleibt wie es ist.
Ecken und Kanten, ich könnte noch Seiten darüber schreiben, von meinen natürlich:-))