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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:13
Es regnet in Strömen, der Blick aus meinem Fenster sagt mir, komm bleib zuhause, in deiner Höhle. Aber an nur einem einzigen freien Tag in der Woche will ich immer so vieles. Ein bißchen Rückzug, aber auch das wißbegierige Schauen, was in unerer Stadt los ist. Seit einiger Zeit wußte ich schon von der Ausstellung im Museum Ludwig "Paula Modersohn-Becker"
 
Ich hatte bisher nur das eine oder andere Bild von ihr kennengelernt und schon immer war der Wunsch nach mehr von ihr in mir. So machte ich mich auf den Weg. Die Straßen wegen des schlechten Wetters leer und ruhig. Regen hat auch was! Umso größer war der Ansturm im Museum. 9,--? Eintritt, zwar einerseits viel, aber andererseits muß eine solche Ausstellung auch finanziert sein.
 
Paula Modersohn-Becker wurde am 8. Februar 1876 in Dresden-Friedrichstadt geboren. Damals feierte man "noch" das fünfjährige Bestehen des Deutschen Reiches. Die Industriealisierung hatte die Gesellschaft in ihrer Lebensform stark verändert. Erste Anzeichen von Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, wenn auch langsam, in Forschung und Politik, wurden sichtbar. Sigmund Freud revolutionierte das Denken der Menschen mit seiner Traumdeutung in bis dahin ungeahnte Dimensionen. Letztendlich Einstein, der mit seiner Relativitätstheorie dem Menschen eine andere Vorstellung von Raum und Zeit vermittelte. Das ist also der Hintergrund, in dem Paula Modersohn-Becker hineingeboren wurde. Sie selber war durch und durch Künstlerin, niht politisch aktiv. Sie lebte zurückgezogen in ihrer Welt der Malerei.
 
Ihre ersten zeichnerischen Versuche machte sie auf einer Englandreise zu Verwandten, um dort die Sprache zu erlernen und sich Fähigkeiten in der Haushaltsführung anzueignen.
 
Es folgte der Unterricht an einer privaten englischen Zeichenschule. Nach ihrer Rückkehr dann eine Ausbildung an einem Bremer Lehrerseminar. Als der Vater die Arbeit verlor, schwebte über ihr das Damoklesschwert, eine Gouvernantenstelle anzunehmen. Ihr starker Wille, ihre eigenen Träume zu verwirklichen, verhalf ihr letztendlich dazu, eine angemessene künstlerische Ausbildung zu absolvieren. Sie mußte, wie viele andere Künstlerinnen zu dieser Zeit, private Kunstschulen in Anspruch nehmen, denn so weit war die Gleichberechtigung noch nicht fortgeschritten.
 
Ein Satz, den sie einmal gesagt hat, ist mir beim Lesen ihrer Biographie ganz besonders haften geblieben:"Ich lebe ganz mit den Augen, sehe alles aufs Malerische an."
 
Wenn sie durch die Straßen ging, beobachtete sie die ihr entgegenkommenden Gesichter der Menschen. Sie versuchte das Wesentliche in ihnen zu entdecken.
 
Steht man nun in der Ausstellung vor ihren Bildern, schaut in die Gesichter der Portraits von Alten und Jungen, Männer und Frauen, fällt der Blick, bei mir jedenfalls war es so, sofort auf die Augen, große, ausdrucksstarke Blicke, mal nach innen, der Welt abgewandt, mal nach außen, oft skeptisch, ängstlich, traurig oder resigniert schauend. Nur in wenigen habe ich Freude, Heiterkeit und Leichtigkeit entdeckt. Auch ihre Selbstbildnisse zeichnen sich mit einem gewissen Schwermut aus, immer wieder fragende Blicke, aber auch eine starke seelische Kraft.
 
Die Grundlage ihrer Malerei, ihrer Form der Darstellung war das ständige Üben einer besonderen Form des Sehens. Für Paula war das Sehen nicht nur ein rein räumliches, auf Person oder Gegenstand, hell oder dunkel, bezogenes, sondern sie sprach von einem "sinnlichen Sehen", sie sprach eher von "Schauen". Und das ist wohl ein großer Unterschied. Denn ist es nicht so, ob ich eine Person ansehe oder sie anschaue, ist ein himmelweiter Unterschied. Ansehen bedeutet oft, kategorieren, Gestalt wahrnehmen, Farben erkennen, Größe festlegen usw.usw.. Das "Anschauen", "hineinschauen" in ein Gesicht eines Menschen, die Augen sich begegnen lassen, hat eine andere Qualität. Die Japaner sagen, in den Augen des Anderen erkennt man den Seelenzustand! Ein Gesicht "anschauen" bedeutet also auch, das Leben des Anderen erahnen, seine Haltung zum Leben erkennen können.
 
Diese Gabe war Paula Modersohn-Becker gegeben und man kann sie in all ihren Portraits erkennen. Die weichen, zarten und doch sehr ausdrucksstarken Farben verstärken ihre sensible und feinfühlige Ausdruckskraft.
 
In der Ausstellung sieht man u.a. auch einige ihrer Selbstbildnisse. Sie spiegelte sich gern, war sehr an dem Erforschen ihrer eigenen Persönlichkeit interessiert. Die Malerei war, so liest man in der Biographie, auch eine Art der Selbsterfahrung. So war sie auch eine der ersten Frauen, die es wagte, sich selber nackt darzustellen. Für die damalige Zeit eine Unerhörtheit. Die Kraft dazu hatte sie aus ihrem starken Selbstbewußtsein, ihrer inneren Sicherheit und ihrer unglaublichen Lebensenergie. Und so ist es wohl auch, je mehr der Mensch sich selbst erkennt, um so stärker wird er und kann aufrecht allem Geschehen gegenüber entgegentreten.
 
Zu Rainer Maria Rilke hat sie einmal gesagt, nachdem sie verheiratet war:"Und nun weiß ich gar nicht mehr, wie ich mich unterschreiben soll. Ich bin bicht Modersohn und ich bin nicht Paula Becker. Ich bin ich und hoffe, es immer mehr zu werden!"
 
Das hat mir gefallen. Das Ringen darum "Ich" zu sein, sich freizumachen von Verformungen und Verhaltensmustern, die aus der Kindheit resultieren, den Erwartungen anderer entsprechen zu wollen, scheint ein lebenslanges Unterfangen und Ringen zu sein. Aber ein Kampf, der sich lohnt. Denn nichts ist von größerer Bedeutung, als zu wissen, wer man ist.
 
Paula Modersohn-Becker lebte einen großen Teil ihres Lebens in Worpswrede, einem Künsterlort bei Bremen. Sie heiratete Otto Modersohn 1901, ihre Ehe dauerte ganze 6 Jahre. Am 2o. November 1907, wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde, verstarb sie an den Folgen einer Embolie. Ein kurzes, aber erfülltes Leben wohl. Sie ist auf dem Friedhof in Worbswrede beigesetzt.
 
Die Ausstellung der Bilder im Museum Ludwig bezieht sich auf ihre Schaffenszeit, in der sie sich mit den Bildern von Gesichtern alter ägyptischer Mumien beschäftigte, deren Einfachheit und Klarheit ihre eigene Arbeit sehr beeinflußte. Immer wieder zogen die teils 2ooo Jahre alten Gesichter sie in ihren Bann. Daraus entstand ihr ganz eigener Stil der Portraitmalerei, der wegweisend für eine ganze Epoche war.
 
Eine Ausstellung, die sich lohnt, finde ich. Ein Spaziergang vorbei an Gesichtern von Menschen, die ihr eigenes Leben erzählen!
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:12
Heute Nachmittag hab ich meinen Schreibtisch aufgeräumt. Ich hab da einen Kasten, da sammele ich so dies und das, was ich manchmal so in die Hand gedrückt bekomme! Flyer, Einladungen, Programme von Kinofilmen, Ausstellungen etc.etc, und natürlich "Visitenkarten!" Nach einigem Hin- und Hersortieren fand ich sage und schreibe 2o Visitenkarten von den letzten Wochen. Ich hab sie mir alle nacheinander mal angeschaut, so in Ruhe.
 
Da war z.B. Dr. Irene Müller - Atemtherapeutin -
darunter ein kleines Wölkchen!
 
Oder
 
Peter Lustig - Musiker und Chorleiter -
darunter viele, viele, kleine Noten!
 
Oder
 
Hans Schmitz - Yogalehrer und Flötist -
darunter ein "Om-Zeichen und eine Flöte"
 
Irgendwann, teils wußte ich es schon gar nicht mehr, wann und wieso überhaupt, ich zu diesen Kärtchen gekommen bin, müssen sie mir die Inhaber ja wohl in die Hand gedrückt haben.
 
ALso es ging jedenfalls nicht um eine Therapiestunde meinerseits bei einem der Visitenkarteninhaber. Höchstens um einen Adressenaustausch, Telefonnummer, weil irgendein Kontakt zustande kommen sollte. Man hatte sich kennengelernt, war in ein Gespräch verwickelt und wollte dies bei einem Kaffee fortführen. Aber dem wäre doch auch schlicht mit der Übergabe einer Telefonnummer Genüge getan gewesen!
 
Wenn ich im Laden Kundenbestellungen aufnehme und nach Namen und Telefonnummern frage, bekomme ich ebenfalls sehr oft eine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Auch dort haben wir ein Kästchen, wo sich mittlerweile viele, viele kleine Kärtchen befinden!
 
Nun denn, nach langem hin- und her, tippte ich die Telefonnummern der Menschen in mein Handy, ihre Namen dazu, mit denen ich mich in Verbindung setzen will und warf die Kärtchen in den Mülleimer. Zuviel Papierkram ist nicht gut, dachte ich bei mir. Was soll ich mit dem ganzen Kram!
 
Das Austauschen von Visitenkarten scheint überhand genommen zu haben. Jeder Jeck hat mittlerweile eine, nur ich nicht! Aber was sollte ich da auch drauf schreiben? Röschen Sowieso - Buchhändlerin - Hmmh, und? Wozu soll das gut sein? Ich meine, wieso muß jeder, den ich kennenlerne und mit dem ich mich verabreden will, gleich wissen, was ich von Beruf bin, was ich für Hobbys habe und sonst noch so tue? Ich meine, reicht, wenn schon Visitenkarte, denn nicht der bloße Name!
 
Es scheint so, dass man mit der Visitenkarte dem anderen wohl zu verstehen geben will, was man doch für ein "besonderer" Mensch sei. Wozu man fähig ist! Hat man möglicherweise in seinem Studium promoviert, kommen natürlich noch die vielen Dr.Dr.sowieso dazu. Aha, damit ich da auch Bescheid weiß, nicht irgendein Mensch, sondern ein Dr.Dr.
 
Vor ein paar Tagen las ich zufällig, dass das japanische Wort für Visitenkarte - meishi - was wörtlich bedeutet - der Stich von Name und Ruhm -
 
Aha, mit anderen Worten: Die Karte soll einen"stechenden", starken Eindruck auf den Empfänger machen! Hm, das leuchtet mir ein, denn warum sonst, läßt sich jeder Jeck seine Visitenkarten sonst mit allen Fähigkeiten, die er besitzt und ausübt, drucken!
 
Ruhm und Ehre! Nun ja, das öffnet einem ja auch oft so manche Tür! Kennen wir doch noch aus den guten alten Zeiten die teilweise immer noch vorhandene Ehrfurcht gegenüber allen Menschen,die einen Dr.-Titel an ihrem Namen anfügten.
Der kleine Mann ist da direkt schüchterner. Ein bißchen hat sich das ja heute Gott sei Dank geändert. Aber als ich z.B. damals in der internistischen Praxis gearbeitet habe, bekam ich diese Ehrfurcht, ja manchmal sogar Angst mit und die hatte nicht unbedingt was mit der Angst vor dem Arzt an sich zu tun.
 
Nun, ich meditierre ja nicht nur, ich beschäftige mich auch mit Zen.
 
Zen gibt gar nichts auf Ruhm, gerade dann, wenn es auf Zugehörigkeit beruht. Wenn man also die Insignien wegläßt, wen haben wir dann noch vor uns? Ganz einfach, einen Menschen, der eines Tages sterben wird, genau wie jeder andere, ob mit Dr. oder ohne, ob Yogalehrer oder Sprachtherapeut. Das gefällt mir an Zen. Im Zen zählt nicht der Status, sondern der Mensch und seine spirituelle Entwicklung.
 
So fiel mir eine kleine Geschichte in die Hand, die ich gerne aufschreiben möchte:
 
Der Gouverneur von Kyoto suchte einmal den Zen-Meister Keichu auf. Der Gouverneur übergab seinen "meishi", auf dem stand:"Kitagaki, Gouverneur von Kyoto."
 
"Ich habe mit so einem Burschen nichts zu schaffen". sagte Keichu. Er gab seinem Diener Order, den Gouverneur abzuweisen.
 
Der Diener brachte diesem die Karte zurück und endschuldigte sich. Der Gouverneur sagte:" Nein, das war mein Fehler." Dann strich er die Worte "Gouverneur von Kyoto" durch und bat den Diener, es erneut zu versuchen.
 
"Oh, es ist Kitagaki", sagte Keichu. "Diesen Burschen will ich sehen."
 
So ist es wohl. Wer für sich entscheidet, keinen Wert auf Ehr und Titel zu legen, entscheidet sich gleichwohl für eine Bescheidenheit, die ohne Status auskommt. Er sieht den andern als "Weggefährten", "Mitreisenden" auf dem Entdeckungsweg des Lebens an sich an, er ist ganz einfach nur ein "Mensch".
 
So war mir mal wieder klar - wie unwichtig Status, in diesem Falle Insignien auf Visitenkarten sind! Es geht doch nicht darum, den Anderen zu beeindrucken, sondern es geht um eine Begegnung von Mensch zu Mensch.
 
Und es geht um eine ganz andere Arbeit, im Zen zumindestens, nämlich die, unseren Geist zu erleuchten. Wenn wir diese Arbeit ernsthaft und strebsam verfolgen, wird wohl irgendwann unser Geist unsere Visitenkarte sein.
 
Und wenn wir dann am Ende sagen "Freut mich, Sie kennen zu lernen, dann meinen wir nicht den "Dr.", sondern den Menschen!
 
In diesem Sinne "Zen" eine gute Übung, die im Alltag helfen kann, weder den anderen beeindrucken zu wollen, noch sich von Gegenüber einnehmen zulassen.
 
Gut, dass ich die Visitenkarten entsorgt habe, jetzt hab ich nur noch Namen und Telefonnummern der Menschen, die ich vielleicht, wenn es die Zeit erlaubt, in der nächsten Zeit einmal näher kennenlernen möchte!
 
Ehr und Ruhm, das zählt für mich jedenfalls nich
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:12
Ganz unerwartet durfte ich gestern Abend an einem schönen Fest teilnehmen! Nach langer Zeit habe ich meine iranische Freundin wiedergetroffen. Schon allein unsere Begegnung ist für mich immer ein Fest. Ich liebe sie einfach! Von ihr geht so viel Herzenswärme aus, dass sie einfach überspringt. So liefen wir am Friesenplatz, unserem Treffpunkt, wie verrückt aufeinander zu und drehten uns minutenlang in einer Umarmung. Das allein war einfach wunderschön. Mit niemandem sonst kann ich eine so wunderbare, körperlich ausgedrückte Freude leben.
 
Wir gingen ins Cafe "Am Bauturm" und haben Stunden verbracht, um uns unser Leben der vergangenen Monate, zu erzählen. Das braucht nicht viel Zeit, um beim Anderen zu sein!
 
Gegen 2o.oo Uhr brachen wir auf! Wohin? Nun die Iraner feiern am letzten Dienstag vor ihrem Neujahrsbeginn das traditionelle "zarathustische Feuerfest!" Ich hatte bisher noch nie die Gelegenheit daran teilzunehmen. Gestern war es mir vergönnt. So fuhren wir also mit dem Auto über den Rhein, hörten unterwegs iranische Musik, sangen,lachten,fanden im Chaos sofort einen Parkplatz und liefen zum Rhein hinunter. Dort angekommen, wurden wir sofort von allen begrüßt. Minna, meine Freundin stellte mich vor und es war mal wieder eine unglaublich schöne Erfahrung, von fremden Menschen einfach in den Arm genommen zu werden. Nicht distanziert betrachtet zu werden, sondern eine Freude geschenkt zu bekommen, darüber, dass man Anteil an ihrem Fest nehmen will, sich mit ihnen freuen möchte.
 
Viele kleine und große Feuer brannten überall verstreut. Am Himmel schien der Mond hinter den Wolken hervor und der Blick auf das Kölner Panorama dazu, es war, als wenn ich plötzlich herausgehoben war, aus meinem Alltag!
 
Die Iraner feiern dieses Ritual zur Vorbereitung auf ihren neuen Lebensabschnitt. Viele hatten sich zu diesem Tag ein besonderes Festkleid angelegt. Es gab Musik von Disjockeys, knallharter iranischer Hip-Hop und House. Einfach phänomenal, die Rhythmen gingen sofort ins Blut, alle tanzten, jung und alt. Keine Hemmungen, kein "darf ich das?" Zwischendurch bildeten sich lange Schlangen, die sich durch die Menschen bewegten, auf allen Gesichtern Lachen und Strahlen.
 
Für die Iraner ist es aus ihrer Tradition her einer der wichtigsten Feiertage im Jahr, ein Volksfest!
 
"Wörtlich übersetzt heißt Nouruz „Neuer Tag“ ! Im Gespräch mit einigen Iranern, erklärte man mir, dass dass für sie ein gans besonderer Ritus sei, über die Feuer zu springen. Als Zeichen dafür, dass man jeden Tag neu den Mut aufbringt, durch die Feuer des Lebens zu gehen. Und natürlich erzählten mir viele von ihren Problemen, die sie bewältigt hatten, in ihrem Leben.
 
Da war Marci, die mit ihrem Mann in der kommunistischen Bewegung im Iran gearbeitet hatte und fliehen mußte. Sie gingen zuerst nach Rußland, wo aber alle ihre ideologischen Ziele zerstört wurden. Dann erst später, kamen sie nach Deutschland. Ideologien, so sagte sie mir, hätten keinen Sinn, das hat sie erst spät in ihrem Leben begreifen müssen. Was zählt, ist jeden Tag mit reinem Herzen seine Arbeit zu tun und den Menschen respektvoll und ohne Urteil zu begegnen. So ihre Worte! Es sei für sie und ihre Familie nicht schwer gewesen, ihren Platz in Deutschland zu finden. Jedoch leiden sie unter der Distanziertheit der Deutschen an sich, der oft ihnen begegnenden Freudlosigkeit, so wenig Lachen, obwohl so viel Freiheit, so wenig Freude am anderen, obwohl jeder so viel hat! Das hat mich mal wieder nachdenklich gestimmt.
 
Um so mehr freuten sie sich an meiner Freude und nahmen mich abwechseln in die Arme und schleuderten mich einfach durch die Luft. Was war das für ein Spaß.
 
Ud dann ging es an die Feuer! Ich hatte das vorher noch nie gemacht, über ein Feuer gesprungen. "Du mußt dir was wünschen, wenn du springst, und dir eine Farbe wünschen", sagte man mir. " Ich stand wie gebannt vor dem ca. 8o cm hoch brennenden Feuer und überlegte, was ich mir wünschen sollte, in keiner Sekunde hatte ich mir Ängste gemacht, dass ich mich verbrennen könnte. ALso gesagt getan, der erste Sprung, ich wünschte mir Liebe, viel, viel Liebe, für mich und all die Menschen, denen ich noch begegnen werde in meinem Leben. Und dann ging es los, ein Anlauf und schwups, war ich drüber. Ein Klatschen und Johlen, auf der andern Seite angekommen, wurde man aufgefangen. Und weiter, zum nächsten Feuer und wieder rüber, so ging das noch mehrere Male und dann ab auf die Tanzfläche.
 
Gegen 22.3o Uhr dann langsam Abzug. Die Feuer erloschen, ich schaute noch einmal wehmütig zurück und war erfüllt von diesem Abend. EIn bißchen hatte ich das Gefühl, mit Menschen zusammengewesen zu sein, die mir mehr Heimat waren, als dass, was ich sonst mit meinesgleichen erlebe. Das war es, wonach ich mich so oft sehne, dieses zwanglose Beisammensein, sich miteinander zu freuen und zu feiern. Die Iraner haben mir gezeigt, wie es sein kann, wenn Menschen zusammen feiern, ohne Karnevalshymnen zu singen, ohne übermäßigen Alkohol zu konsumieren und irgendwann dann bei der FC-Hymne anzulangen.
 
Dieser Abend hat meine Sehnsucht noch mehr geweckt, andere Länder zu bereisen, mit den Menschen in Berührung zu kommen, mit ihnen ein Stück Weg zu gehen und zu schauen, wie sie leben, woran sie sich erfreuen, was ihr Lebensziel und Sinn ist.
 
Jedenfalls schienen sie mir alles ein wenig leichter zu nehmen, trotz ihrer vielen einzelnen persönlichen Schicksale. Die Freude am Leben schienen sie nicht vergessen zu haben und sie leben sie, wo es nur möglich ist.
 
So nehme ich dieses Ritual mit nach Hause und werde jetzt daran denken, wenn im ALltag mal wieder Probleme und Nöte auftauchen. Dann werde ich mir sagen:"Spring einfach drüber, Röschen, es wird dich nicht verbrennen!"
 
Und ich hoffe, dass Feuer wird auch in mir noch lange brennen, das Lebensfeuer, das mich antreibt zu suchen und zu finden!
 
Schön war es! Salom!
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:11
Ostern steht vor der Tür. Jeden Tag sehe ich die Menschen mit vollbepackten Tüten in den Laden kommen! Jeder stöhnt, was er alles einkaufen muß. Solche Festtage scheinen bei manchen immer Panik auszulösen. Es wird gekauft, was der Euro hält! Lieber etwas mehr, als zu wenig und was übrig bleibt, kommt in den Abfall! So ist es doch oft! Bei uns quellen die Mülltonnen oft über. Wenn ich manchmal schaue, was da so alles drin liegt.
 
Vor ein paar Wochen habe ich in einer Zeitschrift von einem Mann gelesen, der in New York immer nach Feierabend die Mülltonnen der Supermärkte durchstöbert. Er ist obdachlos, aber gewollt! Er hat es sich zum Ziel gemacht, das, was andere wegwerfen, zu seinem Lebensunterhalt zu sammeln. In einem Intervieuw sagte er dem Journalisten, er könne prima davon leben. Es ginge ihm gut! Das hat mir mal wieder sehr zu denken gegeben.
 
In New York scheint das an der Tagesordnung zu sein, dass Obdachlose in den Nächten, wo der Müll abgeholt wird, durch die Straßen ziehen und die Mülltonnen nach Essensresten durchwühlen.
 
Auch hier in Nippes sehe ich manchmal "unsere Bettlerin" an den Nachmittagen, wenn die Marktbestücker ihre Stände eingepackt haben, in den Resten rumwühlen. Oft ist ihre Tasche gefüllt von heruntergefallenem Obst und Gemüse. Weiter zieht sie an den Abfallkästen vorbei. Manchesmal sehe ich sie auch, wenn die Mülltonnen abgeholt werden, am Morgen in selbigen herumwühlen, ob etwas Brauchbares zu finden ist.
 
Wenn ich das dann so betrachte, schäme ich mich immer, denn auch mir passiert es hin- und wieder mal, dass ich etwas wegwerfen muß, weil entweder vom Datum überfällig oder eben einfach schlecht geworden ist.
 
Ich muß dann manchmal daran denken, wie manche so herumjammern, wie schlecht es ihnen geht, alles wird teurer und dann scheint aber doch so viel da zu sein, dass man es nicht aufbraucht. Ja, ja, wir sind schon eine Wegwerfgesellschaft, auch wenn wir es im Alltag oft verdrängen.
 
Beim Studieren meines Zen-Büchleins ist mir eine Geschichte aufgefallen!
 
"Als Gisan seinen Schüler aufforderte, ihm einen Eimer Wasser für sein Bad zu bringen, goß der Schüler Wasser ins Band und schüttete den Rest auf den Boden. Der Meister schimpfte ihn:" Warum hast Du das restliche Wasser nicht in die Pflanzen gegeben? Welches Recht hast du, auch nur einen Tropfen Wasser in diesem Tempel zu verschwenden?"
 
In diesem Augenblick erkannte der Schüler Zen.
 
Ich bin auch immer noch weit davon entfernt, alles so zu verwenden, dass nichts übrig bleibt. Z.b. benutze ich stehen gebliebenen Tee zum Blumengießen.Bleibt vom Mittagessen etwas übrig, wird es am Abend oder am anderen Tag nochmals verwertet. Manches an übriggebliebenen Essensresten kann ich auf unseren Kompost bringen, aber längst nicht alles.
 
Kleider gebe ich meistens in die Kleiderkammer oder in dafür abgestellte Sammelbehälter.
 
Aber beim Benutzen von Wasser Z.B. erwische ich mich auch schon mal des öfteren, dass ich sorgloser damit umgehe, und mir nicht bewußt werde, wie kostbar dieses Gut ist.
 
Jedenfalls ist es so, das, was für uns nutzlos ist, kann für einen andern Menschen überlebenssichernd sein. Wir haben das wohl vergessen! Wirklich nur einkaufen, was man braucht, sich nicht verführen zu lassen, von Billigangeboten, die die Werbung uns täglich schmackhaft machen will, ist eine wirkliche Übung, die Achtsamkeit verlangt. Immer wieder eine Überprüfung:"Brauche ich das wirklich?"
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:10
Der Deutsche an sich lacht zu wenig, las ich vor einiger Zeit in einer Zeitung, die eine Statistik veröffentlichte. Hm, dachte ich, stimmt das wirklich. Da hab ich mal wieder genau hingeschaut, so, wenn ich durch die Straßen ging. Wieviel Menschen begegneten mir mit einem freundlichen Gesichtsausdruck?
 
Klar, ne, ich meine, den Meisten geht es schlecht, die Politiker tun nicht das, was sie meinen, dass sie tun sollen. Der Arbeitslohn ist nicht gerecht. Die Sozialleistungen entsprechen auch nicht den Vorstellungen und überhaupt! Zuhause sitzt die böse Frau/Mann, der mal wieder was zu nörgeln hat, weil man nicht das richtige eingekauft hat!
 
Spaß beiseite. Natürlich, ne Menge Probleme und Leiden können das Leben belasten, das weiß ich selber. Aber darüber das Lachen verlieren? Nie und nimmer! Das Problem ist die eine Sache, aber es beherrscht doch nicht mein "ganzes" Leben!
 
O.k. du hast vielleicht gerade mit Deinem Nachbarn einen Riesenstreit, der sich schon über Monate hinwegzieht. Immer dasselbe Procedere, der parkt einfach sein Auto ungefragt, auf deinem Stellplatz. Jedes Mal mußt Du ein Hupkonzert, wie neulich Sonntagsmorgens bei uns in der Straße, veranstalten. Du grollst ihm, nicht nur im selben Augenblick, sondern der Groll hört gar nicht auf. Da gibt es auch nichts zu lachen! Wie hegt man eigentlich einen Groll,-)?
 
Klar, du hattest Streit mit Deinem Chefe, der war mal wieder ungerecht, hat sich noch nicht mal entschuldigt, ne, da gibt es doch nichts zu lachen? Wieso eigentlich nicht?
 
Gestern fuhr mich mal wieder fast ein Auto um,als ich mit dem Rad kam. Klar, ich hatte mich im ersten Moment erschrocken. Aber als der Fahrer die Türe aufmachte und sich entschuldige, da mußte ich einfach lachen, Teils aus Befreiung, weil nichts passiert war, teils weil er mich so bittend anschaute. Hätte ich ihm grollen sollen? Das Lachen befreite uns beide und ich nahm keinen Ärger mit. Wir konnten beide frei weiterfahren.
 
Muß man immer alle Probleme so ernst nehmen, als wenn es der Weltuntergang ist? Ich meine, was kann der Nachbar dafür, wenn ich ihn auf der Straße treffe, und ihn grimmig anschaue, nur weil ich gerade mit meinem Sohnemann ne Auseinandersetzung hatte und im Streit die Wohnung verlassen habe.
 
Und überhaupt, die Schlange im Supermarkt, der Metzger hat mal wieder nicht, was ich wollte und sowieso ist alles viel zu teuer. Da gibt es mal nix zu lachen, oder!
 
Die Probleme, Sorgen und Nöte scheinen mir manchmal den Menschen so zu fesseln, dass er nicht mehr in der Lage ist, sich an den positiven Dingen zu erfreuen, will sagen, das Lachen kann das Negative auflösen! Wieso ist das eigentlich so schwer? Was hindert den Menschen, an einer grundsätzlich positiven, freudig gestimmten inneren Haltung!
 
Das soll nicht heißen, das man nicht ernsthaft die Probleme angehen soll, aber ein bißchen Abstand tut doch Not und es ginge manchem besser, wenn er nicht so verbiestert wäre und über sich und andere ein wenig mehr lachen könnte.
 
Ja, selbst über den, der dich anfeindet und dir das Leben schwer macht, ist ein Lachen immer noch die beste Medizin. Ich hab mir sagen lassen, dass es jetzt sogar "Lachseminare" gibg, oder "Lachyoga". Hm, das scheint tatsächlich ein Problem zu sein. Der Mensch muß wieder lachen lernen!
 
Jetzt feiern wir Ostern. Im Christentum gibt es den Begriff des "Osterlachens", was bedeutet, dass der Prediger in der Osternacht die Menschen zum Lachen bringen mußte. Vom 14. bis 19. Jahrhundert war diese Tradition ein fester Bestandteil des christlichen Brauchtums. Es verband sich damit der Gedanke, dass der Mensch seine Freude zum Ausdruck bringen sollte, trotz aller Unbill! Das Lachen galt dem Sieg über den Tod! Der Tod hat für den Gläubigen keine Macht mehr!
 
Ich meine, man muß nicht Christ sein, um das zu verstehen. Wer die Gabe hat, das ihn die Probleme und das Leiden des Lebens nicht zerstören kann, der hat den Tod besiegt und der kann auch lachen.
 
In diesem Sinne wünsche ich allen Mitbloggern ein herzerfrischendes Lachen, das aus der Freude resultiert, dass das Leben schön ist, auch wenn es im Geldbeutel mal nicht stimmt, auch wenn gerade Probleme zu bewältigen sind, die es einem schwer machen, auch wenn einem gerade ein Leid widerfahren ist. Aber das ist doch nicht das ganze Leben.
 
Wenn ich mich gerade, jetzt in diesem Moment daran erinnere, wiewiel ich mit meiner Mutter noch kurz vor ihrem Tode gelacht habe, mehr als in unserem ganzen gemeinsamen Leben.
Auch als ich selber krank war, hatte ich das Lachen nie verlernt, es hat mich über manche dunklen Gedanken hinweggebracht und hat mir inneren Abstand gegeben. Manchmal kann man sowieso nichts ändern.
 
Also einfach mal lachen!
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:07

Die Tochter einer Bekannten geht regelmäßig mit ihrer Tochter shoppen. Ihr Freund regt sich immer wieder darüber auf. „Was willst du mit den ganzen Klamotten? Haben wir nicht vor ein paar Tagen erst zwei Säcke von Dir mit diversen Kleidungsstücken entsorgt?“
 
Sie antwortet:“ Ja, stimmt schon, aber dann kann ich was mit meiner Mutter zusammen machen!“
 
Ihr Freund erzählte mir neulich, du kannst es dir nicht vorstellen, die ganze Wohnung ist proppevoll mit irgendwelchem Klimbim! Aber wenn ich mal bei ihr zuhause bin und wir sitzen beim Mittagessen zusammen, kommt kein Gespräch zustande. Alle schweigen sich an und suchen nach Worten. Er fühlt sich dann immer, als würde er ersticken in dieser Atmosphäre. Weiter erzählt er, dass die Eltern besagter Freundin nur darauf aus seien, dass sie, die Tochter, es einmal besser haben solle, wie sie selber. Leistungsdruck hat von Anfang an geherrscht! Die Mutter hat, so der junge Mann, keine Ausbildung gemacht, der Vater arbeitet als kleiner Angestellter in einem Betrieb. Trotz allem haben sie es mit ihrem Geiz, so nannte es der junge Mann, geschafft, sich ein Super-Haus zu kaufen und na ja, meinte er dann noch, sich eine schöne Fassade aufzubauen. Freunde, meinte er, hätten sie keine, nur, was man heute so „Bekannte“ nennt. Einladungen zu diesem und jenem Geburtstag, im Verein ist er, der Vater auch, daher auch diesseits immer Verpflichtungen. Aber was fehlen würde, ist wirkliche Beziehung zu andern Menschen. Die Mutter putze das Haus von morgens bis abends, eine andere Beschäftigung hat sie nicht. Der Vater arbeitet, geht in den Verein und an den Wochenenden gibt’s Streit, aber niemand weiß eigentlich so genau warum, denn das, was eigentlich unter drunter steckt, kommt nicht zur Sprache.
 
Nun denn, letzte Woche waren sie wieder shoppen, Mutter und Tochter! Wieder etwas mehr für den Kleiderschrank! Er muss wohl noch viel lernen, der junge Mann! Vielleicht kann er ihr helfen, dass sie eines Tages erkennt, worauf es im Leben wirklich ankommt.
 
Als er mir das alles so erzählte, gab ich ihm eine kleine Auflistung in die Hand, die er mit ihr zusammen ja einmal lesen und darüber diskutieren könne. Sie lautete wie folgt:
 
Shopping!
 
1) Was wir uns mit Geld kaufen können:
 
2)Was wir uns nicht mit Geld kaufen können:
 

1)Güter - 2) Güte
 
1)Dienstleistungen -  2)Dienen
 
1)Essen 2) - Erfüllung
 
1 )Bücher - 2) Weisheit
 
1) Kleidung - 2) Stil
 
1) Joggingschuhe  - 2) Selbstdisziplin

1) Kunst  - 2)  Geschmack
 
1) Geschenke -  2) Dankbarkeit
 
1) Unternehmen  -  2) Kooperation
 
1)Luxus -  2) Anmut
 
1)Lifting  - 2) Jugend
 
1)Land -  2)Natur
 
1)Gesundheitsfürsorge - 2) Gesundheit
 
1)politisches Amt  -  2) Charakter
 
1)Soldaten  -  2) Ergebenheit
 
1)Waffen - 2) Sicherheit
 
1)Erfahrungen - 2) Erfahrung
 
1)Zen - 2) Zen
 
Ein langer Weg wohl, um es für sich selber zu erkennen, aber es lohnt sich, sagte ich ihm noch, sich jeden Tag ein Stücken bewußter darüber zu werden.
 
Als ich ihn einmal wieder traf, erzählte er mir von seinem Gespräch mit der Freundin. Das ganze Wochenende hätten sie drüber gesprochen und es wäre ein guter Anfang gemacht.

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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:07
Na ja, jeder hat solche Erfahrungen bestimmt schon öfters gemacht, oder? Da vertraut dir jemand etwas an, was ihm wohl auf dem Herzen liegt, was er loswerden möchte, und fügt den Satz hinterher:"Aber sag es bitte nicht weiter, das bleibt unter uns!"
 
Wieviel "Geheimnis" verträgt eigentlich ein Mensch? Wie geht er damit um?
 
Ich persönlich hatte aus meiner Kindheitsgeschichte eher ein ungute Erfahrung mit Geheimnissen. Dinge, die geschehen waren, nicht sagen zu dürfen, weil das eigene Leben dadurch bedroht war, hat mir sehr lange zu schaffen gemacht. Hab lange lernen müssen, mich davon zu befreien.
 
Erst vor kurzem gab es in meiner Umgebung mal wieder ein beispielhaftes Erlebnis. Da war ein Ehepaar, schon lange verheiratet. Jeder glaubte, bei ihnen sei alles in Ordnung. Bis Ehefrau X sich einer vermeintlich guten Freundin anvertraute und ihr gestand, dass ihr Mann schon seit Jahren eine Geliebte hatte. Sie hatte von ihrem Leiden darum erzählt, sie mußte es einfach loswerden. Sie dachte, ihrer besten Freundin könne sie es anvertrauen. Aber was ist schon "beste Freundin?"
 
Jedenfalls einige Wochen später, traf ich sie, die beste Freundin, wir saßen bei einem Weinchen zusammen und erzählten so dies und das, sprachen über die Liebe und über die Treue und da erzählte sie mir von besagter "X" und ihrem Mann. Nein, ich war nicht schockiert, warum auch. Was mich nur störte, war, dass sie mir gestand, dass sie es ja eigentlich nicht weiter sagen sollte! Ich war darüber sehr traurig. Wie sollte ich jetzt damit umgehen? Sollte ich es jetzt so tun, als hätte ich es nicht gehört? Ich dachte, mensch wenn du "X" jetzt triffst und ihr in die Augen schaut und sie weiß gar nicht, was du über sie weißt? Das belastete mich, muß ich sagen. Ich mag das nicht!
 
Also, ein paar Tage später hatte ich mich dazu durchgerungen, die betroffene "Y" noch mal anzurufen und hab ihr gesagt, du, hör mal, ich kann damit nicht umgehen, ich muß das jetzt zur Sprache bringen. Denn ehrlich gesagt, ich vertraue dir nicht an diesem Punkt. Du hast es mir gesagt, wann wirst du es dem Nächsten sagen? Nachher weiß es jeder, nur die Betroffene hat keine Ahnung, dass alle wissen, was sie eigentlich nicht wissen sollten! Mir war bewußt, dass ich dadurch einen Stein ins Rollen brachte. Jedenfalls gestand "Y" mir ein, ja, du hast ja recht. Ich hätte es nicht sagen sollen, es ist mir einfach so rausgerutscht.
 
Gesagt getan, rief ich also ein wenig später Frau "X" an, um mich mit ihr zu treffen. Wir hatten uns lange nicht gesehen und trotzdem, kamen wir sehr schnell an unser Leben. Nach einiger Zeit sprach ich sie dann darauf an, und erzählte ihr, was ich über ihre beste Freundin gehört hatte und dass diese auch von diesem Gespräch jetzt weiß. Aber jetzt kommt das Überraschende:" Sie wußte es schon! Denn sie ist schon von anderen angesprochen worden, die es ihr erzählt hatten. Also war ich wohl nicht die einzige, die es zu hören bekommen hatte. Außerdem sagte sie, es hätten wohl schon lange, bevor sie es wußte, einige andere aus dem Bekannten- und Freundskreis gewußt. Na ja, du weißt ja, sagte sie mir, die Welt ist klein und Nippes sowieso. Hier hast du keine Geheimnisse, jeder weiß alles über jeden. Manchmal mehr als du selber.
 
Schön war, an der Geschichte, dass sie letztendlich der besagten Freundin keinen Vorwurf machte, sondern Verständnis zeigte. Wir trafen uns dann zu Dritt noch einmal, um die ganze Geschichte zu bereden. Heraus kam, manchmal kann man mit dem eigenen Erlebten nicht umgehen und muß sich aussprechen, aber manchmal kann auch derjenige, dem man Vertrauen geschenkt hat, mit dem Anvertrauten nicht umgehen. So hatte jeder seinen Grund, es irgendwie los zu werden. Das erschien uns dann im Nachhinein alles sehr menschlich, so dass dann auch Versöhnung entstehen konnte.
 
Am Ende kam heraus, dass niemand dem anderen böse war. Jeder mußte für sich mit der Sache so umgehen, wie er selber damit zurecht kam. Und letztendlich hat diese Geschichte dann dazu geführt, endlich, dass besagte "X" nun reinen Tisch mit ihrem Mann machte. Und sie hat uns "Drei" irgendwie noch enger zusammengebracht, als vorher.
 
Soweit so gut. Es gibt Dinge im Leben, darüber würde ich einfach nicht mit andern sprechen, weil ich darum weiß, wie schnell Situationen eintreten können, wo das Schweigen über das Gehörte, gebrochen werden kann. Ich halte es jedenfalls so, dass ich, wenn ich jemandem anderen etwas sage, damit auch rechne, dass es möglicherweise nicht bei ihm bleibt. Das hilft mir schon mal. Daher mag ich solche Sätze wie:"Aber bitte sag es keinem weiter" eigentlich nicht so sehr. Scheinen sie doch gerade dazu Anlaß zu geben, das "Gesagte" schnellst möglichst wieder los zu werden. Denn "wieviel Geheimnis" eines anderen erträgt ein Mensch?
 
Da ich versuche, zu meinem Leben immer zu stehen, egal ob Höhen oder Tiefen, egal, ob die Beziehung gerade gut läuft oder in einer schlechten Phase ist, brauche ich persönlich auch keine Angst davor zu haben. Hab ich mal einen Fehler gemacht, kann ich auch dazu stehen.
 
Aber trotz allem gibt es Dinge im Leben, über die man Schweigen muß! Heute morgen las ich in einer Zeitung mit drei Buchstaben über Gespräch mit Herrn Thomas de Maizere, Chef des Kanzleramtes in Berlin, der für den Geheimdienst zuständig ist. Er erzählte aus seinem Leben und wie er mit den Dingen umgeht, die ihn natürlich von Berufswegen auch manchmal sehr belasten. Schon sein Vater war oberster General der Bundeswehr und er hatte aus der Familiengeschichte schon gelernt, wie es ist, wenn Dinge in der Familie unausgesprochen bleiben mußten. Erst im Nachhinein hat er erfahren, wieviel sein Vater manchmal wußte über die politischen Entwicklungen und er hatte daraus gelernt, was es heißt Verantwortung zu tragen!
 
Darum geht es wohl, wenn jemand einem ein "Geheimnis" erzählt. Man ist sich der eigenen Verantwortung in diesem Moment wohl nicht bewußt, oder?
 
Manchmal ist es richtig und absolut notwendig, Schweigen zu bewahren, aber manchmal ist es auch wichtig, das Schweigen zu brechen. Weil die Wahrheit offen zu legen, kann dann oft, wenn alle Beteiligten gut und versöhnlich damit umgehen, dazu helfen, die Dinge zu bereinigen.
 
Jedenfalls habe ich das in meiner Familiengeschichte so erlebt. Es war an vielen Punkten schon sehr schwer, endlich reinen Tisch zu machen, aber ich habe es nicht bereut! Denn dadurch sind die Verhältnisse klarer und ehrlicher geworden.
 

Also es ist immer zu differenzieren, was bei einem bleiben soll und muß und was nicht! Und wenn man mal "schwach" geworden ist, dann ist sicher "Mut" noch das beste Mittel, dem Anvertrauenden gegenüber zu treten, und ihm zu gestehen, dass man schwach geworden ist! Es ist doch alles menschlich, jedem kann mal passieren, dass er etwas tut, was er eigentlich nicht sollte und wollte! Niemand ist perfekt!
 
Und zum Schluß muß ich sagen, ich weiß um viele persönliche Geständnisse und Lebenserfahrungen anderer Menschen und bisher sind sie sicher bei mir in meinem Herzen geblieben. Und ich hoffe darauf, dass vieles, was ich noch nicht offen ausgesprochen habe, auch bei denen bleibt, denen ich es gestanden habe
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:06
Zwei Tage hatte ich nun noch frei nach Ostern. Wenn ich mal rauskomme aus der Arbeitsmühle, fällt mir erst richtig auf, wie urlaubsreif ich bin. Ich meine nicht so körperlich, sondern, das mir einfach manchmal Tage fehlen, an denen ich mich einfach treiben lassen kann. Lesen, Musikhören, einfach mal ein Nickerchen machen auf dem Sofa, mal ein lange aufgeschobenes Telefonat führen, obwohl ich nicht gerne telefoniere. Na ja, und dann spontan sich mit einem Freund auf einen Kaffee, Weinchen oder auch Kino zu verabreden.
 
Das ist aber gar nicht so einfach, wie ich gestern mal wieder feststellen mußte. Schon seit Wochen läuft mir meine liebste Nachbarin, zwei Häuser weiter wohnend, hinterher, wenn wir uns sehen und fragt jedesmal, wann können wir uns mal treffen Röschen?
 
Gestern hab ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und hab bei ihr geklingelt. Hallo Ulli, wie ist es, wollen wir es angehen und mal was ausmachen? Gesagt, getan.
 
Moment, meinte sie, ich hole mal meinen Terminkalender. "Hm, morgen kann ich nicht, da hab ich ne Besprechung mit meinen Kreativleuten!" "O.K., was ist mit Donnerstag?", meine Frage. "Oh, Donnerstag geht auch nicht, da hab ich Sitzung bei der KAB!" "Freitag haben wir Hausgemeinschaftstreffen, Samstag Familienfeier, na ja, SOnntag ist sowieso Familientag!" Ja, klar, das gilt meistens auch für mich!
 
Gingen wir also die nächste Woche durch. Insofern gestaltete sich ihr Terminkalender fast identisch, wie in der Vorwoche. "Man, sagte ich zu ihr, du bist aber eingespannt!" Sie stöhnte und stöhnte, worauf ich sie fragte:" Muß dass denn alles sein? "Na ja, mitgehangen, mitgefangen, ihre Antwort. Ich arbeite dran, es ruhiger werden zu lassen!"
 
Ich schmunzelte vor mich hin, als wir dann endlich einen Termin fanden in sage und schreibe drei Wochen. Der steht jetzt. Ich hab ihn mal in "meinen" Terminkalender genommen. Da steht er jetzt ganz einsam und allein.
 
Ich meine, nicht, dass ich nicht auch genug um die Ohren habe. Schon allein von Berufswegen gibt es ja immer mal wieder Abendtermine bezüglich Lesungen und Büchertischen. Grundsätzlich habe ich nur einen festen Termin am Abend in der Woche und dass ist meine Sambagruppe. Zum Chor gehe ich an einem Nachmittag, ansonsten sind die Abende frei, will sagen, ich kann immer spontan entscheiden, ob ich was mache oder lieber zuhause auf dem Sofa entspanne.
 
Das war bei mir früher auch mal anders, als die Kinder noch klein waren. Da gab es schon mal Anhäufungen mit Terminen. Kommunionvorbereitung, Kindergarten- und Schulsitzungen, diverse Engagements.
 
Bis mir irgendwann auffiel, man, du hast dein ganzes Leben irgendwie verplant! Kein Spielraum mehr, für irgendeine spontane Sache. Dann hab ich rigoros alles gekanzelt, was möglich war. Seither geht es mir deutlioch besser. Und das nun schon seit einigen Jahren. Klar, schulische Termine fallen sowieso weg.
 
Aber, was ich beobachte ist, dass der Mensch heute wohl ohne Terminkalender nicht mehr auskommt. Seine komplette Freizeitgestaltung ist terminiert, also nicht nur Dinge, die unbedingt sein müssen, sondern auch Planungen bezüglich, wann gehe ich wo und wie mit jemandem essen, wann ist Kino dran, wann gehe ich in die Ausstellung sowieso und dann ist da noch das Konzert! Puh, und das Merkwürdigste daran ist doch, alle stöhnen irgendwie so vor sich hin und sehnen sich nach mehr Ruhe und Unverplantheit.
 
Nun, denn wir beide, die Ulli und ich, haben es jetzt auf die Reihe bekommen und sehen uns zum Kaffeetrinken in drei Wochen. Ich hoffe, dass "mein" Terminkalender bis dahin auch weiter so frei bleibt.
 
Aber schön ist er, mein Terminkalender. Wenn ich mal kein Buch dabei habe und sitzer mal wieder im Wartezimmer eines Arztes, kann ich in ihm stöbern, denn er erzählt viele Geschichten "berühmter Frauen", die ich sonst nicht kennengelernt hätte. SO schlecht ist ein Terminkalender also wiederum auch nicht!
 
In diesem Sinne, wie steht es so mit Euren Terminen! Einfach mal alles locker angehen. So manche Besprechung hat sich im Nachhinein als "unnütz" herausgestellt und jeder Kinofilm und jede Ausstellung muß ja auch nicht mitgenommen werden. MAn verpaßt ja letztendlich nur sich selber, bei all den Planungen. Und wer sich selbst verpaßt, verpaßt dann am Ende auch das Geg
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:05
Einfach mal ein Filmtipp, weil ich ihn für absolut sehenswert halte. Nicht nur ein Film, sondern ein Kunstwerk hintereinander gereihter Bilder. Wer Aki Kaurismäki mag, der muß sich diesen Film unbedinggt anschauen!
 
Roy Anderson, schwedischer Regisseur hat in Zusammenarbeit mit deutschen, französischen und dänischen Produktionen, ein kleines Wunderwerk geschaffen!
 
Was sehen wir? Eine Aneinanderreihung von kurzen Bildgeschichten einzelner Menschen, die in einem düsteren und depremierenden Stadtviertel ihr Dasein führen. Die einzelnen Bilder haben etwas surrealistisches, kaum Bewegung und trotzdem und gerade deswegen erzählen sie eine gane Geschichte des einzelnen Menschen.
 
Wir sehen die Geschichte einer ALkoholikerin, die sich auf einer Bank sitzend, ihrem Selbstmitleid hingibt. "Keine Sau versteht mich", immer wieder ihre Worte. So selbst in sich versunken, spürt sie nicht mehr die liebevolle Zuneigung ihres Freundes, der sie da raus holen will und so läßt sie sich in ihre Träume fallen, einfach mal auf einem Motorrad sitzend dem Leben davon zu fahren.
 
Wir sehen einen Friseur, einen Ausländer, der scheinbar mit Enthusiasmus seinem Beruf nachgeht und mit einem Kunden ins Gespräch kommen will über die Arbeit, die er an seinem Kopf verrichten soll. Dieser, der Kunde aber, ist so mit sich selber beschäftigt, dass er darauf nicht eingeht und so erleben wir mit dem Friseur seinen wütenden Gefühlsausbruch und er schert ihm gerade drauf los einen dicken kahlen Scheitel über den Kopf und verläßt wütend seinen Laden.
 
Dann die Tochter, die ihre Mutter im Altenheim besucht. Die Mutter nicht mehr ansprechbar. Die Tochter sitzt weinend vor ihr, will sie zwingen, die alten Geschichten, die Mutter der Tochter zu einer anderen Zeit, über ihr Leben immer erzählt haben muß .Wie schlecht es der Mutter doch gegangen ist. Erzähl bitte, bitte, noch einmal, klagt die Tochter. Und man bekommt unwillkürlich eine Gänsehaut, wenn man sich innerlich hineinvertieft, in diese Art des Mißbrauchs von Müttern an ihren Kndern, die diese mit ihrem ganzen eigenen Unheil der Kindheit belastet haben.
 
Wir sehen ein junges Mädchen, dass sich hoffnungslos verliebt hat in einen selbstgefälligen Gitarristen, der nicht in der Lage ist, aus sich herauszutreten und diese Liebe zu erwidern.
 
Für mich das stärkste Bild, die Geschichte eines Handwerkers, der einen Traum erzählt. Er sei auf einer Familienfeier eingeladen gewesen, die er aber gar nicht kannte. Man sieht eine größere Gesellschaft, einen wunderbar gedeckten Tisch mit edlem Porzelan, wie einer der Familienangehörigen besonders hervorhebt. Der Handwerker fühlt sich unwohl in dieser Runde. Die Menschen scheinen erstarrt, es gibt keine wirklche Beziehung untereinander. Man wahrt den Schein, die Lebendigkeit fehlt. Anscheinend zu viele Leichen im Keller. Daher will er einen Juke bringen und versucht sich an einem Zaubertrick. Er will die Decke des Tisches unter der gesamten Dekoration hinwegziehen,so daß danach alles geordnet stehen bleibt. Natürlich mißlingt ihm dieser Trick, denn er ist Handwerker und kein Zauberer. Als er die Decke wegzieht, fällt das gesamte Porzelan samt Inhalt auf den Boden und auf den beiden aneinandergereihten Tischen sieht man zwei Hakenkreuze. Ich muß sagen, ich war lange nicht mehr so erschrocken. Ein unglaubliches Bild für die Verlogenheit einiger unserer Gesellschaftsmitglieder, die eine weiße Decke über das Unfaßbare stülpen will, einfach vergessen, aber in diesem Vergessen, vergessen sie sich selber und werden somit zu Toten, bevor sie sterben.
 
Nundenn der Handwerker wird angeklagt. Er sitzt im Gerichtssall, sein Anwalt weint, die Richter lassen sich einen Krug Bier bringen. Todesstrafe durch den elektrischen Stuhl. Ja klar, jemand der wie ein Rufer in der Wüste, das Unfaßbare aufdeckt gehört in den Tod geschickt,. Das will man nicht hören. Und so kommt es, wie eskommen muß, der elektrische Stuhl wartet. Er wird in den Raum gebracht, er wehrt sich, jammert, weint, aber kein Erbarmen. Dahinter steht der Geistliche, in seiner ganzen OPietät, starr und unbeweglich, die Bibel in der Hand. "DU sollst nicht töten" kommt mir unweigerlich in den Sinn! Wie kann ein Geistlicher dabei zusehen? Und doch muß er, es ist sein Dienst!
 
Nun denn, ich könnte jetzt noch alle anderen Bilder hintenanfügen. Aber ich will ja auch nicht alles verraten.
 
EIn klasse Film, dessen Bilder mehr erzählen als eine ganze Geschichte einer Handlung. Viele Bider, viele Handlungen, obwohl nichts passiert und doch wird viel erzählt.
 
Vom Menschen, der lieben will, aber nicht kann, weil er gefangen ist in seiner Selbstliebe, in seinem "Ich", nur an sich denkend und es nicht schafft in Beziehung zu treten. Trotzdem, schon allein durch die Kameraführung und die Zartheit der melancholischen Farben, ist der Film nicht traurig oder depremierend, denn immer wieder scheint wie ein dünner Farben auch Hoffnung hindurch. Und er ist vor allen Dingen in seiner manchmal daherkommenden Traurigkeit auch lustig. Ein Kunstwerk, diese Szenen zu sehen und willkürlich lachen zu müssen, denn hin und wieder erkennt man sich selbt!
 
Lassen Sie sich gefangennehmen von diesen Bildern. Solche Filme muß man einfch unterstützen. Er läuft in der Filmpalette in der Lübecker Straße, es ist mein Lieblingskino und auch schon allein wegen des Kinos, muß man einfach hingehen.
 
Viel Vergnügen
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10. Oktober 2008 5 10 /10 /Oktober /2008 18:05
Gestern erzählte mir jemand, dass man im fortgeschrittenen Alter zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigt ist. Warum? Ist das eigentlich normal, je älter man wird, um so weniger zählt das Heute, neue Erfahrungen kommen kaum hinzu! Irgendwie scheint Stillstand vorzuherrschen. Wenn man als alter Mensch, durch körperliche Gebrechen an die Wohnung gefesselt ist, zählen diese Erinnerungen an die Vergangenheit wohl noch mehr. Unsere alte Großtante hat immer gesagt, Röschen, je älter du wirst, um so wichtiger wird es, sich an die schönen Dinge des Lebens, das man geführt hat, zu erinnern. Daher unternehme viel, damit du im Alter etwas hast, an dass du dich hängen kannst, Bilder, die du abbrufen kannst.
 
Ja, es stimmt schon, denn manchmal erinnere ich mich jetzt auch schon an vieles, was zurückliegt und bewältigt wurde. NAtürlich habe ich aber auch noch viel vor, so die Gesundheit es zuläßt.
 
So saß ich gestern mal wieder an meinem Schreibtisch und sortierte mein vergangenes Leben, wohl auch, weil ich nun bald fort bin. Irgendwie will ich alles geordnet hinterlassen. Dabei fielen mir auch meine Tagebücher in die Hände und ich blieb an einem Tagebuchauszug aus dem Jahre 1994 hängen.
 
1994, da waren meine Kinder 11 und 9 Jahre alt. Wir fuhren damals immer in den Schwarzwald auf einen Bauernhof in Urlaub. Bei einem dieser Urlaube wurde auch ein damaliger Traum von mir wahr. Wir fuhren nach Dornach zum Goetheanum!
 
Nun, ich war zu dieser Zeit sehr mit der Anthroposophie beschäftigt. Die Kinder besuchten einen Waldorfkindergarten, später dann einige Jahre die Waldorfschule und ich arbeitete in vielen Gremien mit und beschäftigte mich mit Zielen und Inhalten der Anthroposophie. Eine Zeit mit positiven und negativen Erfahrungen.
 
In dieser Zeit begeisterte ich mich besonders für die antrhoposophisch orientierte Bauweise und Architektur. Daher auch mein Traum, einmal im Leben das Goetheanum zu sehen.
 
Schon allein die Fahrt dorthin, vorbei an alten Ruinen und Burgen im Umkreis von Birstal ist ein Erlebnis. Man fährt vorbei an vielen Kalkfelsen, durchzogen von Hohlräumen und Schründen der Verwitterung, wobei die äußere Einwirkung der Eiszeit viele Gletschermühlen und Höhlen entstehen ließen.
 
Das Goetheanum selber liegt in einem sogenannten "Bergsturzgebiet". Ich muß sagen, dieser erste Anblick des Baus selber hat damals alle meine Vorstellungen und Projektionen übertroffen. Der Architekt Ranzensberger, der maßgeblich am Bau und der Landschaftsgestaltung des Umfeldes beteiligt war, legte großen Wert darauf, dass sich das erste einmalige Erblicken des Baus zu einem Erlebnis gestaltete.
 
Das Goetheanum wurde 1925-1928 nach einem Modell Rudolf Steiners erbaut. Dort haben bis heute die Freie Hochschule für Geisteswissenschaften und die Allgemeine Antroposophische Gesellschaft ihren Sitz. Rudolf Steiner hatte eigentlich den Plan dieses Bauwerk in München zu errichten, mit der Zielsetzung, einen Ort zu schaffen mit einer großen Bühne und vielen Nebenräumen, wo die Arbeit an den Mysteriendramen fruchtbar gestaltet werden konnte. Das wurde aber damals nicht genehmigt. So liegt also bis zum heutigen Tage der Hauptsitz der antroposophischen Bewegung in der Schweiz.
 
Für Steiner war klar, dass die Gestaltung des Bauwerks bis in das kleinste Detail hinein, dem entsprechen mußte, was im "Inneren" stattfinden sollte. Er sprach damals in diesem Zusammenhang von dem Beispiel einer "Nußschale", die in ihrer Form dem inneren Kern angepaßt werden sollte.
 
Dem antroposophischen Wirken lag eine Polarität vor, eine Doppelheit, die man in etwa so beschreiben kann:
übersinnlich-sinnlich,
Geber-Empfänger,
Redhner-Publikum.
 
Praktisch zeigte sich das dann in der Doppelkuppel des ersten Baus in Dornach aus. Über der Bühne sah man eine kleine Kuppel, über dem Zuschauerraum die große, genau dazwischen war das Rednerpult.
 
Nun denn, die Grundsteinlegung erfolgte 1913. Steiner zog im darauffolgenden Frühjahr nach Dornach. Schon im April 1914 wurde das Richtfest gefeiert. Der Zuschauerraum umfaßte Platz für ca. 1ooo Personen. Die Baukosten betrugen damals über 7. Mio. Schweizer Franken, überwiegend durch Spenden gedeckt. Große Teile des Bauwerks wurden in Holz geschnitzt, Pfeiler mit Sockeln, Kapitäle, Türen und Fensterbögen und ganze Teile der Außen- und Innenwände. Viele Arbeiter verschiedenster Berufe verließen damals ihre Heimat, um an diesem Werk mitzuarbeiten. Im Laufe des 1. Weltkrieges arbeiteten dort Angehörige von 17 Nationen zusammen in friedlicher Gemeinschaft, während im nahen Elsaß die Kanonen Tag und Nacht donnerten.
 
Am 31.Dezember 1922 in einer Sylvesternacht wurde das Goetheanum durch Brandstiftung ein Raub der Flammen. Man begann wieder von vorne.
 
Das zweite Goetheanum wächst dann zwar wieder in der Gestalt des ersten an ihre Grundform hinein, besteht aber nun aus Beton. 11o.ooom3 umbauten Raumes umfaßten die sichtbare Hülle des niedergebrannten Holzbaus.
 
Im Inneren entsteht die Wandelhalle, deren Bau von den Architekten, nach Steiners Tod, betreut wurde. Weiter entstehen kleinere Räume, u.a. der "englische Saal" mit Platz für ca. 2oo Zuhörern.
 
Sämtliche Fenster sind mit Glasradierungstechniken ausgestaltet worden. Die damaligen Künstler gravierten die Motive bei durchscheinendem Licht in das ca. 2 cm dicke farbige Glas. Ein besonderes Werkzeug, das Karborundum, das maschinell betrieben wurde, war extra dafür angefertigt worden.
 
Alle Motive der Fenster sind flächig aus dem Glas herausgearbeitet worden. Die Technik nannte man Schrägschlifftechnik.So wurde die Loslösung des Motivs vom Glas in noch stärkerem Maße möglich. Der Schatten löst sich auf, das Bild wird von Licht in den Raum getragen, das Motiv selber wird Licht. Einfach beeindruckend. Wer einmal in diesem Raum verweilt und sich der Stimmung, die durch die unterschiedlichen Lichteinflüsse zustandekommt, hingibt, wird wie verzaubert sein.
 
So sieht man ein großes rotes Fenster mit verschiedenen Engelgestalten, dazwischen den "Christus". Ein Spruch bezeichnet dieses Fenster:"Hier stehen wir umflutet von Licht, von Angesicht zu Angesicht, einem Blick begegnend, der uns auf das Tiefste berührt!"
 
Im großen Saal dann die mehrfarbigen Fenster, grün, blau, rot, orange, türkis, die das Suchen alles Geistigen hinter der Natur verstärken soll. Der große Saal hat Platz für ca. 1ooo Zuhörer und Zuschauer und ist der größte Veranstaltungsraum. Hier finden bis zum heutigen Tage Theateraufführungen, Vorträge, Eurythmie und Konzerte statt.
 
Das Goetheanum bei Nacht, von innen erleuchtet, erstrahlt in seiner Wärme der Farben nach außen und erreicht einfach das Herz des Menschen, ja, und kann einfach nur verzaubern.
 
Die Innenräume sind ausgestattet mit vielen Holzplastiken, damals jedenfalls und ich erinnere mich besonders an eine Christusstatue, zu deren Füßen Rudolf Steiner am 3o. März 1925 entschlafen ist.
 
Ich könnte noch vieles, vieles mehr erzählen, von Farben, Ausstattung und Beschaffenheit des äußeren und inneren Bauwerks, aber es würde den Rahmen sprengen.
 
Ich kann nur jedem empfehlen, der einmal in die Nähe reist, dieses wunderbare Bauwerk zu besichtigen. Es gibt keines seinesgleichen. Und natürlich gibt es in der Umgebung viele andere schöne Bauwerke zu sehen. Bei einem Spaziergang kann man die alte Schreinerei entdecken. Viele wunderschöne Häuser in anthroposophisch gestalteten Architektur. MAn findet Versuchsgärten der biologisch-dynamischen Landwirtschaftsmethode, ebenfalls das Antrhoposophische verlagshaus,dass dort ihren Sitz hat und das ebenfalls zu besichtigen ist.
 
Im Großen und Ganzen hat man das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen und wenn ich mich jetzt, in diesem Moment erinnere, war das für mich damals auch sehr wichtig. Ich war zu dieser Zeit schon etwas auf der Flucht vor der Realität und auf der Suche. Und die ANthroposophie mit allem, was sie zu bieten hat, kam mir damals sehr entgegen. Heute möchte ich diese Zeit nicht missen.
 
Nun denn, jetzt habe ich ein bißchen geschwelgt in der Vergangenheit. Aber ich glaube, ich möchte gerne noch einmal hin. Ist es nicht so, dass man irgendwann gerne einmal wieder an die Orte zurückkehren möchte, die einem besonders ans Herz gewachsen sind und die man mit einer Zeit verbindet, in denen man die größten Entwicklungsschritte seines Lebens getan hat.
 
Schaun wir mal. Und nun lege ich mein Tagebuch zur Seite und hoffe, der eine oder andere hat Freude und Interesse an diesen meinen Erinnerungen!
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